Protokoll: Krankenhausausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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Ergebnis der BeratungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 21.10.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:Herr Prof. Dr. Köninger (KS)
Protokollführung: Frau Atzrott
Betreff: Klinikum Stuttgart - Bericht durch Herrn Ärztl. Dir. Prof.
Dr. Köninger, Zentrum für operative Medizin "Unterschiedliche viszeralchirurgische Schwerpunkte am
Katharinenhospital und Krankenhaus Bad Cannstatt mit besonderer Betonung des Adipositaszentrums"

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Zu diesem Tagesordnungspunkt begrüßt EBM Föll Herrn Ärztlichen Direktor Prof.
Dr. Köninger und gratuliert ihm und seinen Kollegen zur Nennung in der aktuellen "Focus-Liste der 100 besten Kliniken in Deutschland", in der Herr Prof. Dr. Köninger mit der von ihm geleiteten Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie als "Leuchtturm" hervorgehoben sei. Dies sei eine besondere Auszeichnung. Man dürfe derartige Listen nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen, weil sie für die Reputation bedeutsam seien sowie Patientinnen und Patienten wichtige Hinweise gäben. Er freue sich, so EBM Föll, einen so profilierten Chefarzt am Klinikum Stuttgart zu haben.


Herr Prof. Dr. Köninger freut sich, seine Klinik mit ihren beiden Standorten Katharinenhospital und Krankenhaus Bad Cannstatt vorstellen zu dürfen. Er äußert die Meinung, dass man Listen wie die des "Focus" nicht überbewerten sollte, weil sie nicht besonders fundiert und letzten Endes unwissenschaftlich seien. Dennoch sei die Nennung in einer solchen Liste schmeichelhaft, und die entsprechenden Siegel sähen auch "attraktiv" aus. Seine Klinik habe zwei dieser Siegel - zum einen für die Viszeral- bzw. Bauch-chirurgie, zum anderen für die Adipositaschirurgie. Anschließend stellt Herr Prof. Dr. Köninger die beiden Standorte seiner Klinik mit ihren jeweiligen medizinischen Schwerpunkten vor, wobei er der Präsentation folgt.

Das Katharinenhospital sei ein expliziter Maximalversorger, das heißt, man habe hier ein universitäres Spektrum, zu dem auch die Transplantationschirurgie gehöre - so gebe es am Katharinenhospital mehr Nierentransplantationen als an vielen Universitätskliniken. Entsprechend werde das Katharinenhospital in der Stadt Stuttgart und im Umland wahrgenommen. Dies und die Tatsache, dass bestimmte Operationen an kleineren Häusern aufgrund zu geringer Fallzahlen nicht mehr durchgeführt werden dürften, habe zum Ergebnis, dass die über den Case-Mix-Index gemessene Fallschwere ständig steige. Als er seine Klinik im Jahr 2008 übernommen habe, habe dieser Index 2,0 betragen, inzwischen liege er bei 2,5. Dies bzw. das Fehlen der einfacheren Fälle werde von der Beratungsfirma Ernst & Young durchaus kritisch gesehen, allerdings könne man hiergegen wohl nicht viel tun. Die einzige Möglichkeit bestehe darin, die Wahrnehmung in der Bevölkerung dahingehend zu beeinflussen, dass es sich beim Klinikum nicht um ein anonymes Großkrankenhaus handle, sondern dass die Qualität sehr gut und die einzelnen Abteilungen auch durchaus überschaubar seien. Um die geleistete Qualität zu verdeutlichen, habe man sich zertifizieren lassen. Während er eine solche Zertifizierung früher für etwas befremdlich gehalten habe, sehe er dies inzwischen anders. Durch die Zertifizierung sei man gezwungen, das eigene Handeln und die daraus resultierenden Ergebnisse zu dokumentieren und kritisch zu hinterfragen. Im Rahmen der entsprechenden Überprüfung kämen externe Fachleute in die Klinik, welche die Daten analysierten und auf Problemfälle und Widersprüche hinwiesen. Auf diese Weise könnten Schwachstellen und Fehler in den Abläufen erkannt und auch behoben werden. Als Beispiel nennt Herr Prof. Dr. Köninger die Zertifizierung seiner Klinik als Darmzentrum. Hierbei handle es sich um eine "Mittelklasse-Zertifizierung", die auch von mittelgroßen Krankenhäusern erlangt werden könne. Darüber hinaus sei seine Klinik von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie als Kompetenzzentrum für Chirurgische Koloproktologie ausgezeichnet worden. Dies bedeute eine nachgewiesene Expertise für komplexe Eingriffe an Becken und Enddarm. Es gebe im Katharinenhospital eine gute Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Fachbereichen, sodass man jetzt gemeinsam mit den Kollegen der Urologie und der Gynäkologie dabei sei, sich als Beckenbodenzentrum zertifizieren zu lassen. Dies mache sich bereits seit eineinhalb Jahren durch stark steigende Patientenzahlen bemerkbar. Diese Verbesserung sei insofern besonders positiv, als es sich hierbei um einen sehr schambesetzten Bereich handle und die betroffenen Patienten bisher häufig nicht gewusst hätten, an wen sie sich mit den entsprechenden Problemen wenden sollten.

Die Chirurgie an Magen und Speiseröhre habe bereits unter seinem Vorgänger eine große Tradition gehabt. Das Katharinenhospital behandle in diesem Bereich die meisten Fälle in der weiteren Region - und zwar mehr Fälle als Tübingen oder auch Heidelberg. Man sei die einzige nicht-universitäre Klinik in Deutschland, welche die entsprechende Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeral-chirurgie erhalten habe. Ein Haus sei in diesem Bereich dann zertifizierbar, wenn weniger als jeder 12. Patient bei oder nach der Operation versterbe. Die Speiseröhren-chirurgie sei ein Gebiet für extreme Spezialisten. Seine Klinik habe in diesem Bereich eine Mortalitätsrate von 3,7 % - das heißt, dass jeder 25. Patient sterbe. Zwar sei diese Zahl noch immer hoch, doch gebe es hier meist keine Alternative zur Operation. Insgesamt sei man stolz, die Zertifizierung erreicht zu haben und die entsprechenden Fälle behandeln zu dürfen. Dabei profitiere man auch von der Tatsache, dass Krankenhäuser, die im Jahr nur zwei bis drei solcher Operationen durchführten, dies in Zukunft gar nicht mehr machen dürften.

Die Chirurgie der Bauchspeicheldrüse sei ähnlich anspruchsvoll und gehöre ebenfalls in die Hand eines darauf spezialisierten Zentrums. Morbidität und Mortalität in diesem Bereich seien hoch; bei jedem zweiten bis dritten Patienten komme es nach der Operation zu einem komplizierten Verlauf. In diesem Sektor der Chirurgie erfolge eine Zertifizierung, wenn die Mortalität unter 8 % liege. Sein Haus habe eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgehe, dass hier in einer Serie von 25 Patienten bei den unter 75-Jährigen sogar niemand nach einer entsprechenden Operation verstorben sei. Die Klinik verzeichne auf diesem Gebiet stark steigende Patientenzahlen, was aber auch auf die bereits erwähnte Tatsache zurückzuführen sei, dass die entsprechenden Fälle an kleineren Krankenhäusern zunehmend nicht mehr operiert werden dürften. Zurzeit habe man einen überregionalen Einweiserkreis und führe jährlich etwa 100 Resektionen durch.

Abgesehen von diesen Spezialisierungen sei man bemüht, auch für kleine und mittlere Operationen ein attraktives Krankenhaus zu sein, und führe den Titel eines Kompetenzzentrums für Minimalinvasive Chirurgie. In diesem Bereich von der Öffentlichkeit entsprechend wahrgenommen zu werden, gelinge aber wohl nur zum Teil.

Über den im Internet zugänglichen "Gesundheitsnavigator" der AOK könne man statistisches Material für bestimmte Krankenhäuser und verschiedene Diagnosen bzw. dazugehörige Operationen einsehen. Diese Daten zeigten, dass das Katharinenhospital im Vergleich zu anderen Stuttgarter Häusern die höchsten Fallzahlen zum Beispiel bei Blinddarmoperationen sowie der Behandlung von Magen-, Pankreas- und Speiseröhrenkarzinomen habe. Für die Wahrnehmung durch die Bevölkerung - hier vertreten durch den Gemeinderat - sei die Tatsache wichtig, dass das Klinikum Stuttgart vom Zuschnitt und von den Leistungsdaten her mit einer Universitätsklinik vergleichbar sei. Dies sei umso bedeutsamer, als das Bild des Klinikums durch Zeitungsmeldungen zum Teil verzerrt werde.

Zum Standort seiner Klinik im Krankenhaus Bad Cannstatt führt Herr Prof. Dr. Köninger aus, dass er dessen Leitung vor zwei Jahren zusätzlich übernommen habe. Das Krankenhaus Bad Cannstatt habe einen Case-Mix-Index von 1,8. Damit bewege es sich in der "gehobenen Mittelklasse" und sei mit dem Marienhospital, dem Robert-Bosch-Krankenhaus oder dem Diakonie-Klinikum vergleichbar. Das Einzugsgebiet des Krankenhauses Bad Cannstatt sei im Gegensatz zum überregional orientierten Katharinenhospital vor allem lokal und regional, d. h. die meisten Patienten kämen aus Bad Cannstatt und dem Remstal. Das Krankenhaus Bad Cannstatt habe das Image eines hochwertigen und freundlichen städtischen Versorgers. Der dortige Standort seiner Klinik, so Herr Prof. Dr. Köninger, decke die gesamte Viszeralchirurgie mit Ausnahme von Speiseröhren- und Pankreasresektionen ab. Diese seien wegen zu geringer Fallzahlen ans Katharinenhospital verlagert worden. Im Krankenhaus Bad Cannstatt verfüge die Klinik über zwei besondere Schwerpunkte: die Adipositaschirurgie und die spezielle Operationstechnik "HIPEC". Mit letzterer könne Patienten mit einer Tumoraussaat in der Bauchhöhle geholfen werden. Die entsprechende Behandlung mit vielstündiger Operation und Chemotherapie sei ausgesprochen aufwendig. Auf diese Weise würden etwa zwölf Patienten im Jahr behandelt.

Die Adipositaschirurgie habe er damals weniger gern übernommen, so Herr Prof. Dr. Köninger, weil er diesem Zweig der Chirurgie zunächst sehr kritisch gegenübergestanden habe. Nach einer genaueren Beschäftigung mit der Materie habe er seine Meinung jedoch geändert. Früher sei er der Ansicht gewesen, dass Adipositaspatienten vor allem psychologischen und sozialen Beistand bräuchten und in gewisser Weise am Rande der Gesellschaft stünden. Tatsächlich handle es sich bei vielen Patienten um Menschen, die ansonsten normal lebten, aber über eine bestimmte Dimension ihres Daseins die Kontrolle verloren hätten. Ähnlich wie Drogensüchtige oder Alkoholabhängige bräuchten diese Menschen Hilfe. Die ganze Thematik sei von wachsender Bedeutung, weil es eine zunehmende Zahl Übergewichtiger gebe. Falls keine Gegensteuerung erfolge, werde die Zahl der Adipositaskranken weiter steigen. Diese Krankheit rufe gesellschaftliche Kosten hervor, die etwa fünfmal so hoch seien wie die durch Tabakkonsum verursachten und etwa dreimal so hoch wie die durch Alkoholkonsum hervorgerufenen Kosten. Ein Übergewicht von 10 bis 15 kg sei noch nicht als Krankheit anzusehen. Unter Adipositas leidende Menschen seien hingegen behandlungsbedürftig, da derart starkes Übergewicht meist weitere Erkrankungen wie Diabetes hervorrufe und die Lebenserwartung senke. Bei diesen Patienten würden Diäten fast nie helfen. Auch die von den Krankenkassen vor den Operationen vorgeschriebenen Programme wie "Optifast" nützten hier nicht. Die zu operierenden Patienten seien im Schnitt 45 Jahre alt und hätten ein durchschnittliches Gewicht von 167 kg. Diese Menschen seien sozial oft völlig isoliert, weil sie zum Beispiel beim Sitzen zwei Stühle bräuchten und im Durchschnitt nur noch 1.000 m weit gehen könnten.

Um Missverständnissen vorzubeugen, betont Herr Prof. Dr. Köninger, dass im Adipo-sitaszentrum nur die morbide Adipositas behandelt werde. Bei dieser sei ein dauerhafter Gewichtsverlust mit konservativen Maßnahmen nachweislich nicht zu erreichen. Die entsprechenden Magenoperationen würden laparoskopisch durchgeführt und seien mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von fünf Tagen verbunden. Im ersten Jahr nach dem Eingriff verlören die Patienten im Schnitt 50 bis 70 kg. Die Menschen seien dann nicht schlank, sondern immer noch stämmig. Anders als er früher gedacht habe, zeigten sich die Patienten im Umgang gar nicht schwierig, sondern seien sehr dankbar für die Hilfe und Lösungsvorschläge, die sie erhielten. Die Patientenauswahl erfolge auf höchst seriöse Weise. Das Adipositaszentrum sei eines der ältesten in Europa; der frühere Leiter des Krankenhauses Bad Cannstatt, Herr Prof. Dr. Kieninger, habe das entsprechende Konzept seinerzeit aus den USA mitgebracht. Nachdem anfangs etwa 100 bis 120 Eingriffe pro Jahr durchgeführt worden seien, liege man heute bei über 300 Fällen. Dieser Erfolg sei auch dem großen Engagement von Herrn Dr. Meile, dem Leiter des Adipositaszentrums, zu verdanken. Dessen Team sei sehr professionell aufgestellt. Es bestehe aus Spezialisten der Bereiche Ernährungsberatung, Diabetologie, Endokrinologie, Psychosomatik, Innere Medizin und Plastische Chirurgie.

Abschließend betont Herr Prof. Dr. Köninger, dass die beiden Standorte seiner Klinik - das Katharinenhospital und das Krankenhaus Bad Cannstatt - einander hervorragend ergänzten.

EBM Föll dankt Herrn Prof. Dr. Köninger für den interessanten Einblick in dessen Arbeit und bittet um Wortmeldungen.

Die StRinnen und StRe Dr. Nopper (CDU), Lauber (90/GRÜNE), Dr. Hackl (SPD), Adler (SÖS-LINKE-PluS), Zaiß (Freie Wähler), Dr. Fiechtner (AfD) und Dr. Oechsner (FDP) danken Herrn Prof. Dr. Köninger für seinen Bericht.

StR Dr. Nopper erkundigt sich, ob die von Herrn Prof. Dr. Köninger genannten Pankreas- und Speiseröhrenoperationen, bei denen das Klinikum von der Fallzahl her in Stuttgart führend sei, kostendeckend durchgeführt werden könnten und ob sich die übrigen Stuttgarter Krankenhäuser ebenfalls um diese Fälle bemühten. Außerdem möchte er wissen, wie viele Nieren jährlich im Klinikum transplantiert werden. Was das Image des Klinikums angehe, so sei es sicher besser, gerade bei den schweren Fällen einen guten Ruf zu haben. Vielleicht könne man gemeinsam mit Ernst & Young eine Marketingstrategie erarbeiten, um zu zeigen, dass man auch bei leichteren Fällen eine sehr gute Qualität biete. Im Vortrag sei die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche im Klinikum als besonders gut hervorgehoben worden. Daher wolle er gern wissen, ob hier weitere Kooperationen geplant seien. Sodann fragt StR Dr. Nopper, ob Herr Prof. Dr. Köninger besondere Wünsche - vor allem an die Geschäftsführung des Klinikums - habe. Zum Thema Adipositaschirurgie möchte er wissen, was unter einer seriösen Patientenauswahl zu verstehen sei und ob für die Jahre 2017 und 2018 ein weiterer Anstieg der Operationen prognostiziert werde. Abschließend erkundigt er sich nach der räumlichen Herkunft der Patienten im Krankenhaus Bad Cannstatt sowie den Auswirkungen der Existenz neuer Kliniken im Rems-Murr-Kreis auf dieses Haus.

StR Lauber betont, die traditionell übliche Vorstellung einzelner Kliniken im Krankenhausausschuss verdeutliche immer wieder den großen Beitrag, den diese für die medizinische Versorgung der Bevölkerung leisteten. Dies dürfe man nicht aus den Augen verlieren, so wichtig die Beschäftigung mit der ökonomischen Situation des Klinikums ansonsten sei. Er bittet Herrn Prof. Dr. Köninger, den Dank des Krankenhausausschusses auch an dessen Mitarbeiter weiterzuleiten. Anschließend erkundigt er sich, ob angesichts des genannten großen Einzugsgebietes die Kapazität der Klinik ausreicht.
Außerdem möchte er Genaueres zur Personalsituation wissen, z. B. ob es eine große Fluktuation oder einen hohen Krankenstand bei den Beschäftigten gibt. Weiterhin interessiert ihn, wie Adipositas bei Kindern und Jugendlichen behandelt wird.


Durch StRin Dr. Hackl wird festgestellt, dass der Vortrag Mut mache und zeige, dass hier in der Vergangenheit die richtigen Entscheidungen getroffen worden seien. Sie weist auf die Aussage vom Beginn des Vortrags hin, dass das Klinikum ein Maximalversorger sei. Dieses "Mantra" der Maximalversorgung könne nicht oft genug wiederholt werden. Diese umfasse die gesamte Bandbreite der Fälle - von den schweren bis hin zu den sogenannten leichten. Sie fragt, ob Herr Prof. Dr. Köninger selbst eine Idee habe, wie die Wahrnehmung der Kompetenz des Klinikums im Bereich gerade der einfachen Fälle verbessert werden könnte. Abschließend wünscht sie ihm weiterhin viel Erfolg.

StR Adler bemerkt, die im Bericht dargestellten hohen gesellschaftlichen Folgekosten der Adipositas verdeutlichten die Wichtigkeit der Arbeit, die in der Klinik von Herrn Prof. Dr. Köninger geleistet werde. Hierfür habe er offensichtlich die Unterstützung aller Fraktionen des Gemeinderats. Es sei zu hoffen, dass man auch in Zukunft nicht "einer weiteren Ökonomisierung der Medizin das Wort reden werde, sondern dass die Versorgung der Bevölkerung im Zentrum" stehen werde. Weiter hofft er, dass die Publikationen und Nennungen in Bestenlisten dazu beitragen, die Zahl der einfachen Fälle zu erhöhen. Abschließend wünscht er der Klinik alles Gute.

StR Zaiß hebt den offenen Umgang von Herrn Prof. Dr. Köninger mit dessen Arbeit als sehr positiv hervor, ebenso dessen gute Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen des Klinikums. Er wünscht ihm dabei weiterhin viel Erfolg.
StR Dr. Fiechtner bemerkt, dass er nur wenige Ärzte kenne, die so selbstkritisch an ihre Arbeit herangingen wie Herr Prof. Dr. Köninger. Er selbst habe als Onkologe oft sehr diffizile Entscheidungen zu treffen - etwa ob ein Patient operativ oder chemotherapeutisch zu behandeln sei. Hier sei er froh, in Herrn Prof. Dr. Köninger einen ausgesprochen kompetenten Partner bei der Behandlung zu haben. So habe zum Beispiel ein Patient mit einem fortgeschrittenen Bauchspeicheldrüsenkrebs nach einer anfänglichen Chemotherapie durch einen sekundären operativen Eingriff eine Überlebenszeit von mindestens fünf Jahren erreicht. Dies sei exzeptionell gut. Insofern habe die hohe Positionierung von Herrn Prof. Dr. Köninger in der Focus-Liste eine gewisse Berechtigung, auch wenn er selbst dessen Kritik an dieser etwas populistisch aufgemachten Liste teile. Bei der Lektüre derartiger Listen habe er sich in der Vergangenheit oft gefragt, ob die Aufführung bestimmter Ärzte dort berechtigt sei bzw. was diese dafür bezahlt hätten. Letzteres sei bei Herrn Prof. Dr. Köninger sicherlich nicht der Fall.

Anschließend stellt StR Dr. Fiechtner eine Reihe von Fragen. So möchte er wissen, ob die oft sehr komplexen und komplizierten Eingriffe, die in der Klinik durchgeführt werden, unter die sogenannten Extremkostenfälle fallen und ob es hierfür gegebenenfalls Sonderentgelte gibt. Diese Frage spiele für die Wirtschaftlichkeit der Klinik eine Rolle. Die Adipositaschirurgie habe er bisher ebenso negativ eingeschätzt wie Herr Prof. Dr. Köninger früher. Durch den heutigen Vortrag habe er aber nun gelernt, dass dieser Zweig der Chirurgie durchaus seine Berechtigung habe. Dazu möchte er noch wissen, ob die entsprechenden Eingriffe Folgeoperationen plastischer Art nach sich ziehen.

Generell wolle er das "Mantra Maximalversorgung" nicht als Mantra verwenden. Die Stuttgarter Krankenhauslandschaft müsse einem kritischen Blick unterzogen werden. Er könne sich vorstellen, dass die Klinik von Herrn Prof. Dr. Köninger wirtschaftlich gut dastehe und sich auch ohne städtische Unterstützung trage. Falls dies nicht der Fall sei, bittet er um eine Darstellung der Gründe. Abgesehen davon stelle sich allerdings die Frage, ob die Klinik zwei Standorte benötige. Es gebe weitere Krankenhäuser in der Stadt, die vielleicht gern mehr Operationen durchführen würden, wenn sie nicht diesen durch die Stadt gestützten Konkurrenten hätten. Es sei zu überlegen, ob man das Klinikum Stuttgart reduzieren könne, nicht jeder Fachbereich müsse von der Stadt bzw. dem städtischen Klinikum vorgehalten werden. Es stelle sich letztlich die "Kardinalfrage", ob die Stadt Stuttgart überhaupt Trägerin eines Krankenhauses sein müsse.

StR Dr. Oechsner räumt ein, bisher ebenfalls negativ über die Adipositaschirurgie gedacht zu haben. Hier müsse er beginnen umzudenken. Wie StR Lauber interessiert ihn, ob die Behandlung von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen ebenfalls mit chirurgischen Mitteln angegangen werden kann.

Herr Prof. Dr. Köninger dankt für die interessierten Fragen. Zum Thema Pankreas-chirurgie erklärt er, es sei nicht so, dass seine Klinik die Pankreaschirurgie betreibe, weil andere Kliniken dies nicht tun wollten. Die Pankreaschirurgie sei für Chirurgen eine Art "Ritterschlag" und werde daher von vielen angestrebt. Deshalb konkurriere man sogar um die entsprechenden Fälle. Wenn es gelinge, die Operationen mit einer niedrigen Komplikationsrate durchzuführen, trage sich das Ganze auch wirtschaftlich; Gewinne ließen sich hiermit allerdings wohl nicht erzielen.

Anschließend geht Herr Prof. Dr. Köninger auf das Thema Nierentransplantationen ein, von denen seine Klinik etwa 70 pro Jahr durchführe. Die Zahl klassischer Nierentransplantationen sei wegen allgemein zurückgehender Organspenderzahlen lange rückläufig gewesen. Inzwischen gebe es aber auch immer mehr Lebendspenden. An seiner Klinik würden im Jahr 30 entsprechende Operationen durchgeführt. Die Zunahme der Lebendspenden sei positiv, allerdings dürfe man diese Form der Spende nicht bagatellisieren, da der Verlust eines Organs eine erhebliche psychische Belastung darstelle. Insgesamt handle es sich bei der Organspende um ein extrem sensibles Thema, das sehr seriös diskutiert werden müsse.

Zum Thema Geschäftsführung erklärt Herr Prof. Dr. Köninger, dass er sich hier vor allem Professionalität wünsche. Das Klinikum habe zurzeit eine sehr gute Geschäftsführung, die einen ausgesprochen kollegialen Stil pflege. Die Chefärztinnen und Chefärzte würden gut eingebunden und in Konferenzen angehört. Dort werde leidenschaftlich und teilweise auch kontrovers diskutiert, wobei eine solche Offenheit durchaus erwünscht sei. Er hoffe, dass dies unter der neuen Geschäftsführung ebenfalls der Fall sein werde. Ein offener, freundlicher und kollegialer Stil zeichne auch die Zusammenarbeit der Chefärzte untereinander aus, die insgesamt ein gutes Team bildeten. Außerhalb des medizinischen Bereichs, in dem das Klinikum bereits sehr gut sei, sei vielleicht ein verstärkter Blick auf die "Problematik der öffentlichen Trägerschaft" wünschenswert. Hier gebe es "ein paar verstaubte Ecken", bei denen sich das Klinikum noch etwas besser aufstellen könnte. Von der Geschäftsführung erwarte er in erster Linie "Kompetenz, Souveränität und Freundlichkeit". Als Bürger der Stadt Stuttgart könne man stolz sein, dass diese sich ein eigenes Krankenhaus leiste. Er halte Bestrebungen, die darauf hinausliefen, so gut wie alle Leistungen im Gesundheitswesen zu privatisieren, für höchst bedenklich.

In der Adipositaschirurgie sei unter einer "seriösen Patientenauswahl" zu verstehen, dass die Patienten mit entsprechendem Wunsch nicht einfach einen Termin für eine Operation erhielten. Vielmehr gebe es ein aufwendiges Auswahlverfahren, in dessen Rahmen die Patienten auch von einem Psychosomatiker, einem Internisten und einem Diabetologen begutachtet würden. Falls einer von diesen Fachleuten ein Veto einlege, werde nicht operiert. So hätten von 500 Patienten, die sich in einem bestimmten Zeitraum im Adipositaszentrum vorgestellt hätten, 240 lediglich eine Beratung erhalten. Eine derartig seriöse Vorgehensweise trage sich, und die Patientenzahlen stiegen an. Dieser Erfolg mache ihn stolz und werde auch von außen wahrgenommen, vor allem von den Adipositaspatienten selbst. Da diese über Internet-Foren in hohem Maße vernetzt seien, sprächen sich Erfolge oder Misserfolge bei dieser Zielgruppe schnell herum. Gerade, wenn man als Arzt an einem Krankenhaus in kommunaler Trägerschaft beschäftigt sei, habe die zu leistende Arbeit auch eine gewisse moralische Dimension, der er gerecht werden wolle.

Der Bedarf an Adipositaschirurgie werde in Zukunft weiter wachsen. Das Adipositas-zentrum des Klinikums Stuttgart sei das größte in Süddeutschland, aber es gebe in anderen Städten deutlich umfangreichere Zentren dieser Art. Bei der weiteren Planung komme es darauf an, welches Ziel man anstrebe. Dies festzulegen werde eine Aufgabe der neuen Geschäftsführung des Klinikums sein. Je nachdem, wie die Entscheidung ausfalle, müssten dann die entsprechenden Bedingungen geschaffen werden.

Zum Thema Krankenhaus Bad Cannstatt führt Herr Prof. Dr. Köninger aus, dessen Einzugsgebiet umfasse neben dem Stadtteil Bad Cannstatt selbst auch noch das Remstal bis nach Schwäbisch Gmünd und die Region bis Winnenden. Auf das Krankenhaus Bad Cannstatt zu verzichten, halte er für nicht sinnvoll, da gerade die mittelgroßen Krankenhäuser eine Zukunft hätten. Es sei bedauerlich, dass die Politik sich zum Teil etwas scheue, einen klaren Krankenhausbedarfsplan zu erstellen. Die Tatsache, dass dies nicht geschehe, schaffe Probleme wie ein immer weiteres Auseinandergehen der
"Tarifschere". Insgesamt habe man den Eindruck, dass auf diese Weise bestimmte Landräte dazu gebracht werden sollten, einige Krankenhäuser zu schließen.


Zur Kapazität seiner Klinik erklärt Herr Prof. Dr. Köninger, dass der derzeitige Umfang seiner Ansicht nach genügt. Die Liegezeiten in den Krankenhäusern hätten sich in den letzten Jahren stark verkürzt. Nachdem die durchschnittliche Liegedauer im Krankenhaus Bad Cannstatt vor drei Jahren noch fast acht Tage betragen habe, umfasse sie heute ohne jeden Qualitätsverlust nur noch fünf Tage. Die Patienten kämen inzwischen nicht mehr am Vortag der Operation, sondern am Tag der Operation frühmorgens. Hier habe man eine große Effizienz erreicht. Die Frage der Bettenzahl verliere auch deshalb an Relevanz, weil die Betten der verschiedenen Abteilungen untereinander ausgetauscht würden.

Zur Situation der Mitarbeiter informiert Herr Prof. Dr. Köninger, dass in der Pflege teilweise eine Situation erreicht sei, in der man keinen weiteren Druck ausüben dürfe. Er habe vor einigen Jahren den Fall der kompletten Überforderung einer Station erlebt. Diese sei dann "auseinandergekracht" bzw. "implodiert". Die Pflegekräfte hätten den Druck nicht mehr ausgehalten und deshalb die Station verlassen. Man habe dann fünf Jahre benötigt, um das ursprüngliche Leistungsniveau wieder zu erreichen. In diesem Bereich schätze er seinen Arbeitgeber aber als so "vernünftig" ein, dass dieser derartige Situationen vermeiden wolle. Bei den Ärzten sei die Lage etwas anders als bei der Pflege. Die Ärzte seien Druck in gewisser Weise gewohnt und wüssten von Anfang an, worauf sie sich einließen. Allerdings gebe es auch hier Veränderungen, da die jüngeren Leute heute zum Teil anderen Lebensmodellen folgten. So komme es inzwischen seltener vor, dass jemand Chefärztin bzw. Chefarzt werden wolle und dessen Lebenspartner bzw. Lebenspartnerin dafür alle eigenen Ambitionen aufgebe. Die herkömmlichen Karrierewege in der Medizin seien im Wandel begriffen.

Zum Thema Adipositas bei Kindern und Jugendlichen erklärt Herr Prof. Dr. Köninger, dass bei dieser Patientengruppe keine chirurgischen Maßnahmen durchgeführt würden. Hier seien vielmehr eine sachgerechte Anleitung und psychologische Betreuung nötig.

Zum Thema Image und Werbung äußert er die Ansicht, dass sich die Wirkung von Anzeigen wohl nur schwer einschätzen lasse. Er selbst sei unsicher, ob er überhaupt für sich werben wolle und wenn ja, wie. Er habe das frühere Werbeverbot für Ärzte für durchaus gut befunden. Auf der anderen Seite "schlafe die Konkurrenz nicht". So werbe die Klinik in Markgröningen zum Beispiel mit mehrseitigen Hochglanz-Faltblättern. Alle Konkurrenten des Klinikums würden in den Samstagsausgaben der Zeitungen ebenfalls regelmäßig für sich werben. Hier müsse man eine eigene Haltung finden. Das gesamte Thema werde in Zukunft sicher noch verstärkt diskutiert.

Zum Thema Ökonomisierung der Medizin erklärt Herr Prof. Dr. Köninger, dass die öffentliche Trägerschaft hier von Bedeutung sei. So werde kein Patient vom Klinikum abgelehnt, nur weil der Fall sich finanziell nicht lohne. Zur Frage nach den Extremkostenfällen führt er aus, das Klinikum übernehme - ähnlich wie eine Universitätsklinik - die meisten Opfer schwerer Unfälle, die sich in Stuttgart ereigneten. Vor allem nachts würden fast alle schwer verletzten Unfallopfer ins Klinikum gebracht. Extremkostenfälle entstünden allerdings nicht unbedingt in diesem Bereich, sondern hauptsächlich bei Krankengeschichten mit umfangreichen Komplikationen. Die Ökonomie dürfe hier seiner Ansicht nach keine Rolle spielen, sondern man müsse sich auch dieser schweren Fälle annehmen und sie als zu meisternde Herausforderung begreifen. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass das Klinikum High-End-Versorger einer Landeshauptstadt sei.

Zur Focus-Liste äußert sich Herr Prof. Dr. Köninger eher ablehnend. Er sei sich aber sicher, dass die entsprechenden Nennungen nicht käuflich seien. Ob die Nennung seines Namens in der Liste der Klinik tatsächlich mehr Patienten zuführe, wisse er nicht. Bei aller Skepsis spreche es aber vielleicht doch für die Expertise des Klinikums, dass vier Chirurgen - Gefäß-, Unfall-, Urologie- und Viszeralchirurg - auf dieser Liste aufgeführt seien.

Zur Adipositaschirurgie erläutert er, dass hier tatsächlich im Anschluss an den eigentlichen Eingriff noch Maßnahmen der plastischen Chirurgie erfolgten. Dies sei allerdings keine Schönheitschirurgie. Vielmehr werde der nach der Gewichtsreduktion entstehende sehr große Bauchlappen so versorgt, dass die Patienten anschließend gut damit leben könnten.

Zu einer möglichen Schließung des Krankenhauses Bad Cannstatt meint Herr Prof. Dr. Köninger, die Viszeralchirurgie sei eine der größten Kliniken innerhalb des Klinikums Stuttgart. Innerhalb der Klinik wiederum spiele der Standort Bad Cannstatt eine wichtige Rolle. Auch die große und sehr anerkannte Psychiatrie im Krankenhaus Bad Cannstatt benötige ergänzend einen somatischen Bereich zur Behandlung von Verletzungen und Krankheiten ihrer Patienten. Insgesamt habe das Krankenhaus Bad Cannstatt die richtige Ausrichtung und Größe und damit eine gute Zukunftsperspektive.

EBM Föll dankt Herrn Prof. Dr. Köninger, wünscht ihm viel Erfolg für seine weitere Arbeit und bittet ihn, seinen Mitarbeitern den Dank des Ausschusses zu übermitteln. Damit schließt er diesen Tagesordnungspunkt ab.


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