Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 20.07.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Maier
Berichterstattung:Frau Hillerich-Sigg (StatA), Frau Gassner (SozA)
Protokollführung: Frau Stahn
Betreff: Quartiersmonitoring
- mündlicher Bericht -

Vorgang: Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 12.07.2021, öffentlich, Nr. 93
Ergebnis: Kenntnisnahme

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.

Einleitend umreißt BM Dr. Maier die Aufgabe, die der Verwaltung gestellt worden war, für den Haushalt 2021 Informationen zu den Themen Armut, Wohnraum und Umwelt, heruntergebrochen auf die Stadtteile, zusammenzutragen. Ziel sei es, einen kleinräumigen Überblick zu bekommen, wie die Lage der Bürgerinnen und Bürger in den Stadtteilen vor Ort sei, und Handlungsbedarfe frühzeitig zu ermitteln. Er kündigt an, Frau Hillerich-Sigg und Frau Gassner würden einen ersten Überblick geben, 2022 werde dann ein umfassender Bericht vorgestellt.

Frau Hillerich-Sigg stellt erste Ergebnisse zum Quartiersmonitoring vor und berichtet im Sinne der angehängten Präsentation "Quartiersmonitoring Soziale Stadtentwicklung". Sie betont, es handle sich um einen ersten Werkstattbericht, weitere Ergebnisse würden folgen. Zunächst werde nur der aktuelle Status betrachtet, den Wandel werde man in den nächsten Jahren in den Blick nehmen können. Zur Frage, wie die Standardisierungen von Armut und Armutsrisikoindex vorgenommen wurden, gibt sie ein Beispiel: Ein Indikator sei der Anteil der Bonuscardberechtigten. Aus deren Anteil in den verschiedenen Stadtteilen werde ein Durchschnitt für die Gesamtstadt berechnet und anschließend die Abweichung jedes Viertels von diesem gesamtstädtischen Durchschnitt gewertet. Die Standardabweichung liege zwischen minus 2 und 2. Ein stark über dem Durchschnitt liegender Anteil der Bonuscardberechtigten würde einen Wert zwischen 1,5 und 2 ergeben. Mit weniger Berechtigten liege der Wert zwischen minus 1,5 und minus 2. Die Ergebnisse der Erhebung werden kartografisch in den Folien 6 bis 8 dargestellt. Weiße Flächen, beantwortet sie eine Frage von StR Goller (AfD), stellten nicht bewertete Flächen dar, die nicht bewohnt oder dünn besiedelt seien. Es überrasche nicht, dass die Gruppen in den beiden Karten relativ deckungsgleich seien. Die durchaus vorhandenen Differenzen könnten für die Analyse hilfreich sein. Über das kleinräumige Quartiersmonitoring sei eine stärkere Ausdifferenzierung möglich, wodurch Handlungsbedarfe präzisiert würden.

BM Dr. Maier und die Fraktionen danken für den Bericht. In der anschließenden Aussprache geht Frau Hillerich-Sigg auf Nachfrage auf den Unterschied zwischen Armut und Armutsrisiko ein. Bei hohen Armutsindex-Werten könne man sicher sein, dass die Person tatsächlich von Armut betroffen sei, etwa, weil sie Transferleistungen verschiedener Art beziehe. Demgegenüber sei dies beim Armutsrisikoindex nicht unbedingt so eindeutig. Bezogen aber auf eine ganze Gruppe, etwa einen Stadtteil, in dem ein relativ geringes Bildungsniveau bei den Beschäftigten vorliege, könne die Gefahr des Abrutschens in die Arbeitslosigkeit etwas größer werden als in anderen Stadtteilen.

Die definierte Armut beziehe sich auf Stuttgart und nicht auf andere Größenordnungen, wie z. B. den Median des Einkommens, der häufig für Gesamtbetrachtungen bundes- oder weltweit verwendet werde. Wer in Stuttgart als arm gelte, für den träfe dies nicht unbedingt an anderen Orten Deutschlands zu. Ziel sei es, Armut in Relation zur Stadt zu sehen und kleinräumige Ergebnisse zu erhalten. Daher sei die Armutsdefinition vergleichbar wie im Sozialdatenatlas gefasst.

In der sich anschließenden Aussprache unterstreicht StRin Schiener (90/GRÜNE), wie wichtig die Betrachtung der Quartiersebene sei, um reagieren zu können. Dies zeige das Beispiel von Zuffenhausen-Rot. Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Stadtplanung und Jugendhilfe sehe sie als wichtig an.

Für StRin Bulle-Schmid (CDU) ist das Thema Armut vorrangig im Sozialausschuss zu verorten, im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik das Thema Wohnen und Umwelt. Als spannend erachte sie die Rückschlüsse aus den Daten.

Das Sozialmonitoring zeige, wo Armutsrisiko herrsche, bemerkt StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). In Quartieren mit besonders großem Armutsrisiko sei es notwendig, die Lebensqualität zu verbessern, für gesündere und weniger belastende Wohnverhältnisse und qualitätsvolle öffentliche Räume zu sorgen. Dies sei das Ziel einer sozialen Stadtentwicklung. Er möchte wissen, ob Haushaltsmittel nötig seien, um in das große Stadtentwicklungskonzept die soziale Komponente stärker einfließen zu lassen. Frau Gassner sagt zu, eine Antwort zu diesem Punkt nachzuliefern.

Für StRin Kletzin (SPD) bietet der vorgestellte Bericht eine gute Grundlage für das weitere Handeln auch im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik. Auf Folie 7 sei bereits Bekanntes abzulesen: dass die nördlichen Stadtteile schlechter dran seien und es ein Problem in Zuffenhausen gebe. Das sei gut zu erkennen etwa bei der Friedrichswahl um den Bahnhof Zuffenhausen. Bei Diskussionen um Verkehrsprojekte, Geschwindigkeitsreduzierungen oder Auswirkungen auf die direkt benachbarten Wohnviertel solle der Rat vor den Entscheidungen immer diesen kleinräumigen Plan erhalten mit Angabe der Defizite der Quartiere. In der Stadtplanung und Stadtentwicklung müsse ihrer Ansicht nach ein Punkt erreicht werden, wo nicht nur aus dem Bauchgefühl heraus diskutiert werde, sondern auf Basis von belegbaren Fakten. In diese Richtung gehe die vorgelegte Arbeit.

Laut StR Goller müsse Ziel sein, die Situation von Menschen zu verbessern, die von Armut gefährdet sind oder sich in Armut befänden. Bezogen auf den Bericht weist er darauf hin, dass große Projekte zum sozialen Wohnungsbau für den betreffenden Stadtteil eine Verschlechterung in der Skala bedeute, da in der Folge dort mehr Menschen lebten, die von Armut gefährdet seien. Daher möchte er diese Datenbasis nur sehr vorsichtig als Grundlage für Aktionismus verwendet wissen. Weiter fragt sich StR Goller, ob es Ziel sei, alle Stadtgebiete auf ein gemeinsames Mittelmaß zu nivellieren. Diese Frage lässt Frau Hillerich-Sigg als Statistikerin offen. Frau Gassner ergänzt, Ziel sei eine soziale Durchmischung in den einzelnen Wohngebieten.

Es handle sich um einen interdisziplinären Ansatz, betont Frau Hillerich-Sigg, sowohl was die beteiligten Ämter als auch die beteiligten Ausschüsse angehe. Auf Basis der nun verfügbaren Daten beginne jetzt der Austausch mit Trägerinnen, Trägern und Akteuren in den verschiedenen Bereichen, um die ersten konkreten Handlungsmaßnahmen zu benennen, die im nächsten Schritt mit den Kollegen aus den Ämtern diskutiert würden. In Bezug auf die Fortführung des Projekts sei ein Turnus noch nicht exakt festgelegt, erläutert die Berichterstatterin. Gewünscht wäre eine Aktualisierung alle zwei Jahre. Gleichzeitig sollten die Dynamik und der Wandel eines Stadtviertels betrachtet werden können, insofern sei ein Zeitraum von fünf Jahren sinnvoll. Zunächst würden alle Themenfelder abgearbeitet, um eine Basis zu schaffen. Dafür sei der initiale Aufwand erheblich, werde aber später geringer werden.

StR Körner (SPD) weist auf das bereits vorhandene Sozialmonitoring hin. StRin Bulle-Schmid fragt sich, ob der Sozialatlas überflüssig werde. Doppelte Arbeit in der Verwaltung lehne sie ab. Eine Doppelung beim Thema Armut kann Frau Hillerich-Sigg zwischen Sozialdatenatlas und Quartiersmonitoring nicht erkennen. Der Sozialdatenatlas betrachte viel stärker einzelne Zielgruppen. Das Quartiersmonitoring hingegen stelle mehr auf eine kleinräumige Ebene ab und nehme andere Themen hinzu, wie z. B. Wohnraum und Umwelt, also Themen, die im Sozialdatenatlas nicht vertreten seien.

In Berlin, darauf weist StR Ozasek (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) hin, würden seit langem mittels einer sozialen Umweltkartierung lebensweltliche Planungsräume definiert und damit Schwerpunkte für die Stadtentwicklung. Er freue sich, dass das nun auch in Stuttgart möglich werde. In Bezug auf seine Frage zum Datenschutz informiert Frau Hillerich-Sigg, bei allen sensiblen Daten sei der Datenschutz gewährleistet. Es werde GEOLiNE verwendet und die angewandten Statistikprogramme könnten auch von anderen Wissenschaftler*innen verwendet werden.

Bei Folie 7 fällt StR Goller auf, dass sich einer der Indikatoren auf Einwohner*innen mit Migrationshintergrund bezieht, was er für falsch halte. Denn dort läge eine Korrelation, aber keine Kausalität vor. Armut könne nicht mit Migrationshintergrund begründet werden. Dem widerspricht Frau Hillerich-Sigg. Es bestehe in der Tat eine hohe Korrelation zwischen Armutsgefährdung und Migrationshintergrund, unabhängig von Bildungsabschlüssen. Sie gibt aber zu bedenken, dass der Index eine Zusammenfassung verschiedener Indikatoren sei. Wenn ein Stadtviertel einen sehr hohen Anteil an Einwohner:innen mit Migrationshintergrund habe, sich aber in allen anderen Indikatoren im Durchschnitt befinde, werde dieses gesamte Stadtviertel im Durchschnitt liegen. Ein einzelner Indikator führe nicht zum Ausschlagen des gesamten Index, Ausreißer wirkten sich also nicht aus. Kämen aber viele dieser Faktoren zusammen, stiege das Armutsrisiko für diesen Stadtteil.

BM Dr. Maier verweist auf den abschließenden Bericht im nächsten Jahr. Nachdem sich keine weiteren Fragen ergeben, stellt er fest:

Der Ausschuss hat vom Bericht Kenntnis genommen.
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