Protokoll: Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
483
1
VerhandlungDrucksache:
368/2016
GZ:
OB
Sitzungstermin: 18.10.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:EBM Föll
Protokollführung: Frau Faßnacht de
Betreff: 2. Fortschreibung des Nahverkehrsplans (NVP) der Landeshauptstadt Stuttgart

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 05.07.2016, öffentlich, Nr. 321

Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 04.10.2016, öffentlich, Nr. 456

Verwaltungsausschuss vom 05.10.2016, öffentlich, Nr. 392

Gemeinderat vom 06.10.2016, öffentlich, Nr. 194

jeweiliges Ergebnis: Vertagung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 27.06.2016, GRDrs 368/2016, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der 2. Fortschreibung des Nahverkehrsplans (Stand Juli 2016) der Landeshauptstadt Stuttgart wird zugestimmt.


EBM Föll nimmt für die Verwaltung Stellung zu den Anträgen Nr. 291/2016 der SPD-Gemeinderatsfraktion und Nr. 293/2016 der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS. Zur Frage, inwieweit der Nahverkehrsplan Einfluss auf das Direktgabeverfahren hat, führt er aus, grundsätzlich seien Planungsvorschläge und Prüfaufträge im Vergabeverfahren nicht hilfreich, da in der Vorabbekanntmachung das gewünschte Verkehrsangebot klar und eindeutig definiert sein muss. Somit müsse klar und eindeutig sein, was Beschlusslage ist und dass die Finanzierung sichergestellt ist. Ein späteres Überschreiten der Vorgaben - und somit mehr zu machen, als was Grundlage des Vergabeverfahrens ist - sei jederzeit möglich.

Sofern vom bestehenden Angebot nach oben abgewichen werden soll, müsse dies vom zuständigen Gremium beschlossen werden und dort müsse die Finanzierung sichergestellt sein. Dies sei gegenwärtig der Aufsichtsrat der SSB. Gegebenenfalls könne es aber auch der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart sein - je nachdem, wie die Finanzierungsfrage im Einzelnen geregelt wird. Maßnahmen mit einem unklaren Realisierungshorizont oder noch offenen Realisierungschancen bzw. Finanzierungsunsicherheiten sollten aus Sicht der Verwaltung im Nahverkehrsentwicklungsplan konzentriert werden. Dies bedeute nicht, dass die Maßnahmen auf Zeit und Ewigkeit verschoben werden. Es sei auch keine Bewertung der Maßnahmen, die vorgeschlagen werden, jedoch müssen die Gremien Aufsichtsrat der SSB und auch der Gemeinderat dann eine Priorisierung vornehmen, welche Maßnahmen sie aus dem Nahverkehrsentwicklungsplan zu welchem Zeitpunkt tatsächlich umsetzen wollen.

Wegen dieser Maßgaben bitte die Verwaltung darum, die Anträge heute abzulehnen. Er verweist außerdem auf die ausführliche Stellungnahme zu den einzelnen Punkten der Anträge, welche dem Ausschuss übermittelt worden sei.

Ein Sonderfall sei die Stadtbahnlinie U 19, die eine sehr hohe Priorität habe und die gestern in Betrieb genommen wurde und bis zum Ende der Feinstaubsaison im April 2017 fahren wird. Diese Befristung sei damit begründet, dass die SSB derzeit nicht ausreichend Fahrerkapazitäten hat, um diese Linie ganzjährig zu bedienen, was selbstverständlich aber die Zielsetzung sei. In der Vorabbekanntmachung (GRDrs 720/2016, S. 21) gebe es eine solche Einschränkung nicht. Die Vorabbekanntmachung beruhe jedoch auf einer etwas anderen Systematik. Dort werden die Achsen zwar beschrieben, die Definition finde letztlich über die sog. "Nutzwagenkilometer per annum" statt. Dabei handle es sich um die Fahrleistung, die in dem System pro Jahr mindestens erbracht werden muss. Es könne insofern davon ausgegangen werden, dass ohne eine entsprechende Änderung des Nahverkehrsplans, sobald die Fahrerkapazitäten bei der SSB dauerhaft vorhanden sind, diese Linie ganzjährig geführt werden soll.

BM Pätzold übergibt das Wort anschließend an die Antragsteller.

Seit gut einem Jahr erfolgen die Beratungen zum Nahverkehrsplan, ruft StR Körner (SPD) in Erinnerung. Gestartet sei man mit einem Entwurf des Oberbürgermeisters, der gekennzeichnet war von Begriffen "Status Quo sicherstellen", "kein Handlungsbedarf beim Thema Bus" und vielem mehr, was darauf abzielte, das Angebot zu beschreiben, aber keine Angebotsverbesserung vorsah. Seine Fraktion begrüße außerordentlich, von dieser restriktiven Linie im Laufe des Verfahrens abgekommen zu sein und im Stadtbahnbereich nun vor allem zwei Angebotsverbesserungen in den kommenden fünf Jahren umgesetzt werden. Es handle sich um die gestern gestartete U 19 und die im Jahr 2018/2019 geplante neue U 16. Der jährliche Betrieb für beide Angebote koste jeweils rund 2 Mio. €. Diese Mittel seien bis dato weder im Wirtschaftsplan 2017 noch in einem Wirtschaftsplan 2019 abgebildet. Wenn der Gemeinderat den Nahverkehrsplan in der heute vorliegenden Form beschließt, und die SSB in der Direktvergabe dieses Angebot fahren wird, so werde die Finanzierung dafür sichergestellt sein. Formell rechtlich sei dies bereits möglich wegen des bestehenden Organvertrags zwischen SVV und SSB, welcher vorsieht, dass Verluste gedeckt werden. Finanzrechtlich werde im Einzelfall noch ein Beschluss im Wirtschaftsplan folgen.

Der Antrag Nr. 291/2016 ziele darauf ab, vor allem im Bereich der Busse ähnlich voranzukommen, wie man dies bei der Stadtbahn jetzt getan hat. Die SPD-Fraktion halte dies für mindestens genauso wichtig. Mit der Homepage www.stuttgart-steigt-um.de mache die LHS eine gute Kampagne, bei welcher OB Kuhn als Bus-Botschafter auftritt. Laut dieser Kampagne unterstützt die Stadt Stuttgart aktiv den Ausbau des Busnetzes. Auch im Aktionsplan Nachhaltig mobil spiele der Bus eine wichtige Rolle. Häufig und ausführlich habe man über das Luftreinhaltekonzept diskutiert. In dem Konzept der Landesregierung, das mit der Stadt Stuttgart abgestimmt wurde, heiße es: "Vorrangig ist ein Ausbau des Verkehrssystems Bus insbesondere im Innenstadtbereich." Im Nahverkehrsplan auf S. 49 stehe dagegen, es bestehe kein Handlungsbedarf beim Bus. Dies sei ein offensichtlicher Widerspruch, weshalb er beantragt, im Nahverkehrsplan, Tabelle 4.3 nachzulegen beim Busangebot, und die Innenstadtbuslinien (Kategorie 1) in der Frühverkehrs- und Spätverkehrszeit alle 15 Minuten fahren zu lassen - so wie dies auch bei der Stadtbahn der Fall ist. Er wirbt um Zustimmung zu diesem Punkt. Selbstverständlich müsse man dem nicht sofort zustimmen, sondern könne dies auch erst in einem Jahr tun. Weil aber jetzt die Entscheidung über den Nahverkehrsplan gefasst werde und über die Mindestbedienungshäufigkeiten, die verbindlich in den nächsten mehr als 20 Jahren im Zuge der Direktvergabe zu erbringen sind, werbe man heute um Zustimmung dafür.

Das Gegenargument, dies gehöre nicht hierher, sondern in den Aufsichtsrat oder in den Nahverkehrsentwicklungsplan, halte er für falsch, da die Mindestbedienungshäufigkeit im NVP geregelt werde. Das Gegenargument, dies gefährde die Direktvergabe, sei offensichtlich falsch, denn dann würde dies auch gelten für die Verbesserungen bei der U 16 und U 19. Was das Gegenargument der nicht gesicherten Finanzierung betrifft, so gehe es um 500.000 €. Die formell rechtliche Finanzierung sei deswegen sichergestellt, weil es den Organvertrag zwischen SSB und SVV gibt. In der materiell finanziellen Frage müsse die SSB, wenn sie den Direktauftrag haben möchte, in ihrem Wirtschaftsplan 2017, welcher noch zur Abstimmung steht, oder auch im Wirtschaftsplan 2018 die Summe von 500.000 € abbilden.

StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS) äußert sich zunächst zur grün-schwarzen Landespolitik und sieht eine gigantische Fehlsteuerung von öffentlichen Mitteln zugunsten eines automobilabhängigen Systems. Somit sei schon heute programmiert, dass alle Nachhaltigkeitsziele der Regierungskoalition im Verkehrssektor scheitern werden. Der Geldhahn für den ÖPNV sei in den letzten Jahren systematisch zugedreht worden. Die Förderung im Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz sei halbiert worden, die Fahrzeugförderung bei Stadtbahnen liege schon seit 2007 bei null und sei bei den Bussen kläglich. Völlig unklar sei, wie so die Luftproblematik in der Stadt und die stadtklimatologischen Herausforderungen in den Griff bekommen werden sollen.

Der Gemeinderat entscheide in dieser Woche über das Nahverkehrs-Grundangebot mit einer Mindestlaufzeit von 22 Jahren. Vor zwei Wochen hätten CDU und GRÜNE signalisiert, dass es mit ihnen keine verbindlichen zusätzlichen Angebote und keine wesentlichen Angebotsverbesserungen geben wird, die über das hinausgehen, was in der Kurzfristperspektive bereits finanziert wurde.

Er kritisiert die Stellungnahmen der Verwaltung zu den Anträgen der Fraktionsgemeinschaft als unbrauchbar und irrelevant für die Diskussion, da sie weder eine Grobeinschätzung hinsichtlich betrieblicher Kosten/Nutzen noch eine Darstellung der Investitionskosten beinhalten, noch gebe es eine Aussage, was aus einer Angebotsverbesserung an Mengenwachstum der VVS-Kunden erzielt werden könnte.

Nachdem er seine Kritik an den "Koalitionären von CDU und GRÜNEN" dargelegt hat, erläutert der Stadtrat ausführlich die Beschlussantragsziffern des Antrags Nr. 293/2016 und appelliert an den Ausschuss, diesem Antrag zuzustimmen.

Nach Meinung von StR Sauer (CDU) braucht man sich nicht zu verstecken angesichts dessen, was seit April 2015 mit der offenen Bürgerbeteiligung und bis heute in den Nahverkehrsplan aufgenommen wurde. Deswegen sei man auch der Auffassung, dass die jetzt noch vorgebrachten Vorschläge von SPD und SÖS-LINKE-PluS nicht mehr in den NVP aufgenommen werden müssen, da sie zunächst im Aufsichtsrat der SSB behandelt und anschließend in den Wirtschaftsplan aufgenommen werden müssen, um sie mit Mitteln der SSB zu finanzieren. Der derzeitig geltende NVP endet Ende 2018, weil zu diesem Zeitpunkt die Betrauung der SSB mit der Erbringung von Verkehrsleistungen mit Stadtbahnen und Bussen endet. "Für die erneute Betrauung der SSB als Direktvergabe muss nach EU-Verordnung 1370/2007 ein offizielles Vergabeverfahren gestartet werden. Eine wichtige Grundlage dieses Vergabeverfahrens ist der NVP, der als ergänzende Anlage Teil der Vorabbekanntmachung ist und in welchem das gewünschte Verkehrsangebot klar und eindeutig definiert sein muss."

Nach dem Personenbeförderungsgesetz habe der NVP eine wichtige Rolle bei der Vergabe von Verkehrsleistungen, indem die Anforderungen an die Verkehrsbedienung möglichst umfassend darzustellen sind. Deswegen konzentriere sich der NVP in seiner zweiten Fortschreibung auf die Anforderungen an das Angebot, ausgehend vom Status Quo. Er enthalte in seiner dritten Fassung darüber hinaus nur politisch und finanziell im Wirtschaftsplan der SSB abgesicherte Verkehrsmaßnahmen, so auch - als Ergebnis der Aufsichtsratsklausur vom Juni 2016 - die Maßnahmen, was die U 13, U 16 und U 19 anbelangt. Wie von EBM Föll bereits dargelegt, handle es sich um ein offenes System, bei welchem die Mindestanforderungen zu definieren sind, jederzeit aber auch weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht werden können, wenn man sich darüber einig ist und die Finanzierung steht.

Im Rahmen des Nahverkehrsentwicklungsplans - eine Vorlage werde Ende 2016 eingebracht und gehe anschließend in eine breite Diskussion - habe man alle Chancen, z. B. eine direkte Anbindung der Buslinie 65 zum Flughafen/Messe zu schaffen oder die U 8 auch am Wochenende fahren zu lassen oder den 10-Minuten-Takt der Stadtbahnlinie zum Killesberg, indem eine neue Stadtbahnlinie von Hohenheim über Möhringen zum Hauptbahnhof bis zum Killesberg eingeführt wird. Auch die Erschließung der Waldebene Ost durch die Verlängerung der Buslinie 64 gehöre dazu.

Er dankt der Verwaltung für die Vorbereitung und Begleitung des sehr aufwändigen Verfahrens. Die CDU-Fraktion glaube, mit dem neuen NVP die SSB und die öffentlichen Verkehrsdienstleistungen in der Stadt erfolgreich aufgestellt zu haben und diese über den Nahverkehrsentwicklungsplan noch erfolgreich weiterentwickeln zu können.

StR Peterhoff (90/GRÜNE) schickt voraus, in der großen Mehrheit des Gemeinderats sei man sich einig, den ÖPNV deutlich verbessern zu wollen. Darauf sollte man in den nächsten Jahren aufbauen. Unterschiedliche Sichtweisen gebe es hinsichtlich der Finanzierung: Die eine Sichtweise besage, die Maßnahmen des NVP müssen nicht finanziert sein, die andere Sichtweise gehe - um die Direktvergabe abzusichern - davon aus, dass alle Maßnahmen, die im NVP stehen, finanziert und politisch beschlossen sein müssen. Auf dieser zweiten Grundlage basiere die Haltung seiner Fraktion. Er weist auf die zusätzlichen Maßnahmen in Höhe von 5 bis 6 Mio. € hin und darauf, dass - auch wenn dies nicht Thema des NVP ist - von städtischer Seite mehr Mittel in den ÖPNV fließen. So fließen inzwischen 10 Mio. € städtische Mittel durch die Bezuschussung von Sozialticket oder Jobticket in den ÖPNV.

Nichtsdestotrotz sei der NVP natürlich nicht der große Wurf, der alle Ziele und Wünsche im ÖPNV widerspiegelt, da er nur das beinhaltet, was beschlossen und finanziell abgesichert ist. Leider habe er seitens der Antragsteller heute eine Aussage vermisst, wie die Finanzierung ihrer Vorschläge aussehen soll. Der Nahverkehrsentwicklungsplan sei das Dokument, in welchem sich die Ziele und Maßnahmen der nächsten Jahre wiederfinden. Dort obliege es dem Gemeinderat, wie schnell und wie gut diese abgearbeitet werden. Der Nahverkehrsentwicklungsplan werde Anfang 2017 beschlossen und man entscheide dann, wie schnell welche Maßnahmen finanziert werden. Seine Fraktion wolle hierbei ambitioniert vorangehen und sich den großen Aufgaben der Zukunft stellen. Dazu gehören die Flottenerneuerung, ein neuer Betriebshof, Sanierung der Zahnradbahn, Themen der Kapazitätssteigerungen, Busbevorrechtigungen und der Regelbetrieb der U 19, die außerdem so schnell wie möglich verlängert werden soll, sowie die Busangebote zu verbessern. Abschließend betont auch er, der NVP hindere nicht daran, das Angebot noch zu erweitern.

Nach ihrem Verständnis geht es vor allem darum, mit diesem NVP juristisch einwandfrei eine solide Grundlage dafür zu haben, um am Ende des aufwändigen und langwierigen Verfahrens die SSB wieder mit den Nahverkehrsleistungen betrauen zu können, so StRin von Stein (FW). Aus diesem Grunde müsse auch eine Unterscheidung zwischen NVP und Nahverkehrsentwicklungsplan getroffen werden. Sie hält es für wichtig, dass die Stadt einen großen Einfluss auf die SSB hat, "und nicht etwas passiert wie in Pforzheim". Daher sollte man eine Lösung anstreben, die sicherstellt, dass das Verfahren zugunsten der SSB und auch der Stadt sauber läuft und kein Risiko besteht, dass jemand anders den öffentlichen Nahverkehr in Stuttgart gestalten wird. Aus diesem Grund lehnt sie beide Anträge ab.

Aus Sicht von StR Klingler (AfD) müsse man klar sehen, dass die im NVP enthaltenen Maßnahmen einige Verbesserungen enthalten und diese mit erheblichen Anstrengungen finanziert sind. Der NVP sei zudem die Grundlage für die Direktvergabe an die SSB und somit auch für die Zukunft des städtischen Unternehmens SSB und einer erheblichen Zahl von Arbeitsplätzen. Die Stadt müsse daher natürlich ein Interesse daran haben, dass die SSB auch weiterhin zukunftsfähig aufgestellt ist. Er bedauert, "wenn hier Redner, die im SSB-Aufsichtsrat der SSB sitzen, so tun, als ob es keine Themen gibt, wie man die Finanzierungen hinbekommt". Natürlich könne man noch mehr rekrutieren und alles noch optimieren. Er könne daher nicht nachvollziehen, weshalb die Stellungnahmen der Verwaltung irrelevant und unbrauchbar sein sollen, und fordert dazu auf, "endlich aufzuhören, hier Automobil-Individualverkehr gegen ÖPNV einzusetzen und auszusagen, Busse und Stadtbahnen sind benachteiligt. Genau das Gegenteil ist der Fall!" Es brauche noch einen besseren Mix und eine bessere Verknüpfung und manchmal müsse man noch mehr Mobilität anbieten in der Zukunft. Er spricht sich dafür aus, die beiden Anträge dann anzugehen, "wenn wir das Wunschkonzert spielen".

StR Conz (FDP) begrüßt die weitgehende Versachlichung der Debatte am heutigen Tag. Er lobt die sehr gute Vorlage der Verwaltung, die sowohl Verbesserungen im ÖPNV beinhaltet als auch die notwendige Festschreibung des Mindestangebots, um die Direktvergabe an die SSB zu gewährleisten. Er stimmt der Vorlage zu und lehnt die beiden Anträge ab.

Für StR Dr. Schertlen (STd) ist unerklärlich, weswegen die SSB das Thema fahrerloses Fahren insbesondere auf Schienen nicht endlich auf den Weg bringen will, wenn doch die ganzjährige Bedienung der U 19 derzeit am Fahrpersonal scheitert. Damit könnte man auch eine dichtere Taktung erreichen und einen finanzierbaren 24-Stunden-Betrieb. "Wie will man damit umgehen, wenn plötzlich ein heute noch gar nicht agierender Anbieter mit autonomen Fahrzeugen parallel eine Mobilitätsdienstleistung anbietet?" Dieses Szenario sei nicht unwahrscheinlich, insbesondere angesichts der Laufzeit von 22 Jahren und länger. Der NVP sei wie auch der Nahverkehrsentwicklungsplan und damit zusammenhängend die Direktvergabe nach Ansicht der STAdTISTEN viel zu eng gefasst. Er vermisst, den Blick nach vorne zu werfen und absehbare Szenarien wenigstens anzureißen und teilweise schon aktiv mit einzubeziehen. Die Mobilität der Zukunft finde heute bereits in Singapur und Sion/Schweiz statt, wo Prototypen autonomer Taxen und Busse unterwegs sind.

StR Körner teilt die Ansicht, man soll den Nahverkehrsentwicklungsplan nicht herunterspielen. Es gebe jedoch einen wesentlichen Unterschied zum NVP, da letzterer verbindlich ist und umgesetzt werden muss. Der Nahverkehrsentwicklungsplan dagegen sei unverbindlich und kann umgesetzt werden. Die Vertreter von CDU und GRÜNEN argumentieren, der Gemeinderat könne nur das beschließen, was der Aufsichtsrat der SSB beschlossen hat. Diesbezüglich lägen sie falsch. Die Finanzierungsfrage sei formell rechtlich durch den Organvertrag zwischen SVV und SSB gelöst. Man habe dies im Unterausschuss Mobilität im April 2016 so besprochen. Die Finanzierung werde im Einzelfall im Wirtschaftsplan der SSB sichergestellt. Für 2017 sei dieser Wirtschaftsplan noch nicht beschlossen worden. Die Verwaltung habe in ihrer Stellungnahme anders argumentiert und gesagt: "Wir wollen die 500.000 € für den besseren Abendtakt der Innenstadtbusse nicht zur Verfügung stellen, weil wir anderes wichtiger finden." Diese Haltung könne man haben, doch halte die SPD dies für falsch. Vielmehr müsse man entscheiden, was als Großstadt vom Angebot her zwingend gebraucht wird. Insbesondere sei man der Meinung, dass wenn die Verwaltungsspitze sagt, dafür wollen wir das Geld nicht einsetzen, dies in einem eklatanten Widerspruch zu dem politischen Anspruch steht, die die gleiche Verwaltungsspitze öffentlich auf großen Plakaten und Anzeigen plakatiert.

EBM Föll bittet darum, nicht einen Widerspruch zu konstruieren, den es nicht gibt. Er verweist auf die Stellungnahme, in welcher es auch heißt, dass bezogen auf die Feinstaubthematik dichtere Taktfolgen in den Abendstunden im Busverkehr der Innenstadt keine wirkliche Relevanz haben. Der bessere Takt bei der U 13 finde dagegen in den Hauptverkehrszeiten zur Kapazitätsausweitung statt, was ein entscheidender Unterschied sei. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Feinstaubthematik und um den dauerhaften Umstieg vom Auto auf den ÖPNV zu fördern sage die Verwaltung, die Ausweitung der Kapazitäten muss in den Hauptverkehrszeiten stattfinden. Hierfür gebe es bereits eine Vielzahl von Maßnahmen. Der Nahverkehrsplan umfasse ein weitreichendes und gutes Leistungsangebot der Stadtbahnen und der Busse, die durch die SSB derzeit betrieben werden. Gerade im Bereich der Stadtbahn - und dort nicht zuletzt um die Kapazitäten zu den Hauptverkehrszeiten auszuweiten - gebe es eine deutliche Ausbauperspektive mit der U 12, U 6, U 16 und U 19. Die Bürger würdigen diese Leistungsausweitung bereits durchaus. Würde es nicht die Probleme bei der S-Bahn geben, für welche weder die SSB noch die Landeshauptstadt etwas können, wären die Ergebnisse in der Bürgerumfrage noch viel besser.

Den Organvertrag zwischen SVV und SSB bittet er nicht zu verwechseln mit einem Blankoscheck. Es entscheide auch nicht allein der Aufsichtsrat der SSB, sondern der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft SVV entscheide abschließend darüber, welche Verlusthöhe er bereit und in der Lage ist, tatsächlich vorzunehmen. Die Finanzkraft der SVV sei nicht beliebig und nicht unendlich, und andere Finanzierungsmöglichkeiten stehen derzeit nicht zur Verfügung.

Der NVP sei nichts Statisches und es treffe nicht zu, dass das Leistungsangebot im öffentlichen Nahverkehr in 22,5 Jahren genau dem entsprechen wird, was im NVP 2016 beschrieben wird. Es sei ein durchaus dynamisches System und könne sich unterschiedlichen Entwicklungen, Notwendigkeiten und Möglichkeiten in der Zukunft anpassen. Auch werde man in den Folgejahren immer wieder Fortschreibungen von Nahverkehrsplänen diskutieren und verabschieden.

Hinsichtlich der Antragsziffer 4 des SPD-Antrags, in welcher die zeitliche Befristung im NVP bezogen auf die U 19 zur Streichung beantragt wird, macht er darauf aufmerksam, dass das ergänzende Dokument für die Direktvergabe diese Befristung nicht enthält. Insoweit könne der Abs. 2, Seite 48 NVP, herausgenommen werden, da dies unschädlich sei. Die SSB gehe davon aus, dass das Thema ausreichende Fahrerkapazitäten spätestens ab 2019 geregelt sein wird, sodass ein ganzjähriges Angebot zur Verfügung stehen kann. Sollte dieser Absatz weiterhin im NVP stehen, so sei auch dies unschädlich, weil das Angebot über den NVP hinausgehen kann. Weil aber das Beste wäre, wenn die Dokumente vollständig synchron sind, schlage er vor, der Antragsziffer 4 der SPD-Fraktion Rechnung zu tragen und den zweiten Absatz im NVP, Seite 48, zu streichen.



Zunächst lässt BM Pätzold über den Antrag Nr. 291/2016 der SPD-Gemeinderatsfraktion abstimmen und stellt fest:

Der Ausschuss für Umwelt und Technik stimmt der Ziffer 4 dieses Antrags einmütig zu. Die Ziffern 1 - 3 sowie 5 - 6 lehnt der Ausschuss für Umwelt und Technik mit 5 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen mehrheitlich ab.

Anschließend erfolgt die Abstimmung über den Antrag Nr. 293/2016 der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS.

Der Ausschuss für Umwelt und Technik lehnt die Ziffer 1 dieses Antrags mit 5 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen mehrheitlich ab. Die Ziffer 2 wird mit 4 Ja-Stimmen und 13 Nein-Stimmen abgelehnt, die Ziffer 3 ebenso.

Der Ausschuss für Umwelt und Technik lehnt die Antragsziffer 4 mit 5 Ja- und 12 Nein-Stimmen, die Antragsziffer 5 mit 4 Ja- und 13 Nein-Stimmen, die Ziffer 6 mit 5 Ja- und 12 Nein-Stimmen, die Ziffer 7 mit 6 Ja- und 11 Nein-Stimmen, die Ziffer 8 mit 5 Ja- und 12 Nein-Stimmen, die Ziffer 9 mit 2 Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen sowie die Antragsziffer 10 mit 5 Ja- und 12 Nein-Stimmen jeweils mehrheitlich ab.


BM Pätzold lässt abschließend über die GRDrs 368/20126 abstimmen und stellt fest:

Der Ausschuss für Umwelt und Technik stimmt dem Beschlussantrag bei 2 Enthaltungen mehrheitlich zu.

zum Seitenanfang
File Attachment Icon
2016-10-04_AUT_368_2016 (NVP-Fortschreibung).pdf