Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
GRDrs
874/2017
Stuttgart,
09/19/2017
Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung Interdisziplinäre Frühförderung in der Interdisziplinären Frühförderstelle am Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart
Mitteilungsvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Kenntnisnahme
öffentlich
16.10.2017
Bericht:
Am 1. Juni 2014 ist in Baden-Württemberg die Landesrahmenvereinbarung (LRV) zur Umsetzung der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung – FrühV) in Kraft getreten. Seit dem 1. Januar 2017 gilt zudem die Verwaltungsvorschrift für die Förderung Interdisziplinärer Frühförderstellen des Ministeriums für Soziales und Integration.
Mit dem hier vorgelegten Bericht soll dem Gemeinderat über die sich daraus für die Interdisziplinäre Frühförderstelle (IFF) am Gesundheitsamt ergebenden Veränderungen berichtet werden. Diese sind im Wesentlichen wie folgt:
1. Auswirkungen der LRV auf die Arbeit der IFF
Um die Auswirkungen der LRV auf die Arbeit der IFF darzustellen, wurde ein Zeitraum vor Einführung der neuen Landesrahmenvereinbarung (01.01.2012 - 31.12.2014) mit
einem Zeitraum nach Einführung der neuen Landesrahmenvereinbarung
(01.01.2016 - 30.06.2017) verglichen. Das Jahr 2015 wird hier nicht gesondert dargestellt, da die Arbeitsweise in diesem Jahr nach und nach umgestellt wurde.
Zusammenfassend ergab der Vergleich die folgenden Ergebnisse:
Unveränderte Parameter
Angestiegene
Parameter
Rückläufige Parameter
Verteilung des Wohnorts nach Stadtbezirk
Zahl der jährlich betreuten Kinder
Mobile Arbeit
Alter der betreuten Kinder
Mädchenanteil
Zuweiser
Nicht-deutsche Sprache
Anmeldegrund
Wartezeit
Diagnosen
Betreuungsdauer
Einnahmen
Die Ergebnisse sind in Anlage 1 näher dargestellt.
2. Stellenschaffung für eine Physiotherapeutin / einen Physiotherapeuten
Bei der Schaffung der Stelle für eine Physiotherapeutin / einen Physiotherapeuten handelt es sich um eine zwingende Vorgabe aus der Verwaltungsvorschrift für die Förderung Interdisziplinärer Frühförderstellen des Ministeriums für Soziales und Integration. Es besteht eine teilweise Refinanzierung durch Einnahmen der physiotherapeutischen Leistungen über die Krankenkassen. Zwingende Bedingung der Kassenzulassung ist eine Stelle mit einem Umfang von mindestens 80 %.
Eine entsprechende Stelle wurde zum Stellenplan 2018 beantragt.
3. Trägerschaft der IFF
Träger der IFF sind die Landeshauptstadt Stuttgart und der Körperbehinderten-Verein (KBV) Stuttgart e. V. Das Staatliche Schulamt tritt zukünftig als Kooperationspartner auf.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Analysen zeigen, dass die LRV von der IFF am Gesundheitsamt bisher erfolgreich umgesetzt werden konnte, auch was die finanziellen Auswirkungen anbelangt. Der Beobachtungszeitraum ist für endgültige Aussagen allerdings noch relativ kurz. Das Gesundheitsamt wird dem Gemeinderat im Verlauf gegebenenfalls über die weiteren Auswirkungen der LRV berichten.
Die LRV selbst wird von der IFF grundsätzlich positiv bewertet, insbesondere die Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit. Sorge bereiten der erhöhte organisatorische Aufwand, die Zunahme der Wartezeit und der Rückgang der mobilen Arbeitsweise, die nicht passend sind zur Niederschwelligkeit Interdisziplinärer Frühförderstellen. Dieser Entwicklung wird begegnet, indem die derzeit noch offene Stelle im Bereich Sonderpädagogik voraussichtlich bis Ende 2017 mit 75 % durch den KBV wiederbesetzt wird. Ziel ist es, durch diese Stellenschaffung auch wieder mehr mobile Arbeit anbieten zu können. Zudem verspricht die zwingend notwendige Schaffung einer Physiotherapie-Stelle weitere Verbesserungen bei der Niederschwelligkeit.
Finanzielle Auswirkungen
Werner Wölfle
Bürgermeister
Anlage 1 Ausführlicher Bericht
Anlage 2 Fallbeispiele
Anlage 3 Verwaltungsvorschrift für die Förderung Interdisziplinärerer Frühförderstellen
Ausführliche Begründung:
1. Arbeitsweise der Interdisziplinären Frühförderstellen
Frühförderung ist ein Hilfeangebot für Kinder mit Behinderung, für von Behinderung bedrohte oder entwicklungsauffällige Kinder sowie deren Eltern und Bezugspersonen. Das Angebot richtet sich an Kinder ab Geburt bis zur Einschulung.
Interdisziplinäre Frühförderstellen arbeiten sowohl ambulant als auch mobil. Sie sind niederschwellig, ganzheitlich und familienorientiert. In interdisziplinärer Zusammenarbeit von qualifizierten medizinisch-therapeutischen und pädagogischen Fachkräften werden Entwicklungsstörungen, drohende oder bereits eingetretene Behinderungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkannt mit dem Ziel, diese durch geeignete Beratungs-, Förder- und Behandlungsmaßnahmen auszugleichen oder zu mildern und die Teilhabe zu fördern.
In Deutschland besteht ab Geburt bis zur Einschulung ein Rechtsanspruch auf Interdisziplinäre Frühförderung auf der Basis der folgenden
Rechtsgrundlagen
:
Bund:
·
1992 UN-Kinderrechtekonvention, z. B. Artikel 23 und 24
·
2009 UN-Behindertenrechtskonvention, z. B. Artikel 24- 26
·
Grundgesetz:
1949 Menschenwürde GG Artikel 1, 20.1, 28.1 (1+2)
1994 Benachteiligungsverbot GG Artikel 3 Abs. 1, S. 2
·
2003 Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung – FrühV)
·
2006 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz BGBL I
·
Sozialgesetzbücher / Bundesteilhabegesetz
·
SGB IX §§ 26, 30, 56
·
SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz
·
SGB V, GKV einschl. Heilmittel-RL/Eckpunkte BW für die medizinisch-therapeutischen Leistungen
·
SGB XII, § 60 Eingliederungshilfe
Land
:
·
Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung – FrühV) in Baden-Württemberg (LRV-IFF) vom 01. Juni 2014
·
1983, 1993, 1998 Rahmenkonzeption Frühförderung Baden-Württemberg mit Fortschreibung
·
Verwaltungsvorschrift für die Förderung Interdisziplinärer Frühförderstellen des Ministeriums für Soziales und Integration, die zum 01.01.2017 in Kraft getreten ist.
·
Landes-KJHG § 29 GBI. 8 5/2005
·
Landes-Behindertengleichstellungsgesetz, L-BGG v. 17.12.2014
2. Die IFF am Gesundheitsamt
Die IFF am Gesundheitsamt wurde im Jahr 1997 durch Beschluss des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart gegründet (GRDrs 177/1997). Sie bietet ein niederschwelliges, ganzheitliches, familienorientiertes, ambulantes und mobiles Angebot für Beratung, Diagnostik und Therapie/Förderung an. Das mobile Hilfeangebot wird u. a. in Form von Hausbesuchen und Besuchen in Kindertageseinrichtungen erbracht. Derzeitige Träger der IFF am Gesundheitsamt sind die Landeshauptstadt Stuttgart (Gesundheitsamt, Jugendamt) und der Körperbehinderten-Verein (KBV) Stuttgart e. V. Die IFF arbeitet gemäß der Rahmenkonzeption Frühförderung Baden-Württemberg, der LRV sowie der eigenen Konzeption.
Folgende Fachkräfte sind derzeit in der IFF beschäftigt:
·
1 Logopäde vom Gesundheitsamt, Beschäftigungsgrad 100 %
·
1 Ergotherapeutin vom Gesundheitsamt, Beschäftigungsgrad 50 %
·
1 Ärztin vom Gesundheitsamt, Beschäftigungsgrad 50 %
·
1 Sozialpädagogin vom Gesundheitsamt, Beschäftigungsgrad 50 %
·
1 Medizinische Fachangestellte vom Gesundheitsamt, Beschäftigungsgrad 75 %
·
1 Psychologe vom Jugendamt, Beschäftigungsgrad 50 %
·
1 Heilpädagogin vom KBV, Beschäftigungsgrad 75 %
Auf die Einführung der LRV wurde reagiert, indem die Stellen der Medizinischen Fachangestellten von der Landeshauptstadt Stuttgart und der Heilpädagogin vom KBV um jeweils 25 % aufgestockt wurden (GRDrs 582/2014).
3. Beitritt der IFF zur LRV und Darstellung der Umsetzung
Nach Beschluss des Gemeinderates ist die IFF im März 2015 der LRV beigetreten (GRDrs 582/2014). Die LRV regelt und stärkt das Zusammenwirken der zuständigen Leistungsträger, der Interdisziplinären Frühförderstellen und der Sozialpädiatrischen Zentren.
Gegenstand der Landesrahmenvereinbarung ist die Gewährleistung von medizinisch-therapeutischen und heilpädagogischen Leistungen als Komplexleistung. Eine Komplexleistung liegt vor, „wenn für einen prognostisch festgelegten Zeitraum (in der Regel ein Jahr) sowohl medizinisch-therapeutische als auch heilpädagogische Leistungen im Sinne der §§ 2, 5 und 6 Frühförderverordnung notwendig sind und durch eine Interdisziplinäre Frühförderstelle oder ein Sozialpädiatrisches Zentrum erbracht werden, um ein übergreifend formuliertes Therapie- und Förderziel (Teilhabeziel) zu erreichen.“
Die Komplexleistung berücksichtigt dabei insbesondere:
a) die Beratung, Unterstützung und Einbeziehung der Erziehungsberechtigten
b) die interdisziplinäre Eingangs-, Verlaufs- und Abschlussdiagnostik
c) den Austausch der beteiligten Fachdisziplinen in Form von Teambesprechungen, der Dokumentation von Daten und Befunden, die Abstimmung und den Austausch mit anderen das Kind betreuenden Institutionen, ggf. Supervision
d) die Möglichkeit der mobilen Erbringung von Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung durch Interdisziplinäre Frühförderstellen.
Interdisziplinäre Diagnostiken und Therapien, die nicht aus beiden Bereichen (medizinisch-therapeutisch und heilpädagogisch) erfolgen, gelten als
Einzelleistung
, auch wenn mehrere Fachbereiche beteiligt sind. Die Erbringung von Einzelleistungen ist nicht Bestandteil einer Komplexleistung und erfolgt daher nicht nach der LRV. Die Möglichkeit der Interdisziplinären Frühförderstellen, Einzelleistungen zu erbringen, wird dadurch nicht ausgeschlossen. Die Vergütung richtet sich jedoch nach den dafür geltenden Vereinbarungen mit den Rehabilitationsträgern
.
Das Leistungsangebot ist nach der LRV festgelegt (vgl. nachfolgendes Ablaufschema). Voraussetzung für die Einleitung einer interdisziplinären Eingangsdiagnostik ist ein auf das offene, niederschwellige Beratungsangebot oder die Empfehlung der Eltern, der/des Fachärztin/-arztes für Kinder- und Jugendmedizin, der Kindertageseinrichtungen oder einer anderen Empfehlung folgende Erstgespräch. Das Erstgespräch dient der Abklärung der Frage, ob eine interdisziplinäre Diagnostik im Sinne der LRV eingeleitet werden soll. Im Rahmen des Erstgesprächs erfolgt eine Abfrage der bisher durchgeführten Behandlungen und Therapien sowie sonstiger im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung des Kindes stehender Informationen und beinhaltet eine Inaugenscheinnahme des Kindes. Darüber hinaus umfasst das Erstgespräch auch die Rücksprache mit der Leitung der IFF zur Entscheidung des weiteren Vorgehens. Wird dabei eine interdisziplinäre Diagnostik im Sinne der LRV benötigt, erfolgt diese nach Abstimmung mit der/dem niedergelassenen Fachärztin/-arzt für Kinder- und Jugendmedizin. Schließt sich daran eine Förderung oder Therapie im Sinne einer Komplexleistung an, wird ein Förder- und Behandlungsplan aufgestellt. Dieser wird mit den Eltern und wiederum mit der/dem zuständigen Fachärztin/-arzt für Kinder- und Jugendmedizin abgestimmt. Die zuständigen Kostenträger (Sozialamt und Krankenkasse) entscheiden innerhalb von zwei Wochen. Im Falle einer Bewilligung wird die Förderung oder die Therapie eingeleitet.
4. Auswirkungen der LRV auf die IFF am Gesundheitsamt
4.1 Auswirkungen der LRV auf die Arbeit der IFF
Um die Auswirkungen der LRV auf die Arbeit der IFF darzustellen, wird hier und im
Folgenden ein Zeitraum vor Einführung der neuen Landesrahmenvereinbarung (01.01.2012 - 31.12.2014) mit einem Zeitraum nach Einführung der neuen Landes-rahmenvereinbarung (01.01.2016 - 30.06.2017) verglichen. Die Halbjahreszahlen 2017 wurden auf das ganze Jahr 2017 hochgerechnet, wenn eine Prognose sinnvoll und möglich war. Das Jahr 2015 wird hier nicht gesondert dargestellt, da die Arbeitsweise in diesem Jahr nach und nach umgestellt wurde.
4.1.1 Anzahl der interdisziplinären Diagnostiken und Therapien gemäß der neuen Landesrahmenvereinbarung
Im Jahr 2016 wurden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der IFF insgesamt 383 Diagnostiken erbracht. Davon waren 117 interdisziplinär im Sinne der LRV, also mit Beteiligung von Berufsgruppen sowohl aus dem heilpädagogischen als auch aus dem medizinisch-therapeutischen Bereich. Für das gesamte Jahr 2017 gehen wir von insgesamt 200 interdisziplinären Diagnostiken im Sinne der LRV aus.
Bedingt durch die Nachfrage (häufig durch Empfehlung der/des zuständigen Fachärztin/-arztes für Kinder- und Jugendmedizin oder der Kindertagesstätten) erbringt die IFF auch weiterhin eine relativ hohe Anzahl von Einzelleistungen.
Im Jahr 2016 wurden außerdem bei 7 Kindern insgesamt 93 Therapien in Komplex-leistung durchgeführt. Für das gesamte Jahr 2017 gehen wir von 25 Kindern und 200 Therapien in Komplexleistung aus.
4.1.2 Zahl der jährlich betreuten Kinder
Die Zahl der jährlich betreuten Kinder ergibt sich aus den im Vorjahr noch nicht abgeschlossenen Fällen und den im jeweiligen Jahr neu betreuten Kindern. Vor Einführung der LRV wurden in der IFF im Mittel 352 Kinder pro Jahr betreut. Seit Einführung der LRV sind es im Mittel 397 Kinder pro Jahr. Trotz des gesteigerten organisatorischen und Verwaltungsaufwands konnte die Fallzahl also durch interne organisatorische Änderungen und Dank der oben erwähnten Stellenaufstockung auf hohem Niveau gehalten werden. Der leichte Fallzahlanstieg ist bedingt durch eine hohe Fallkomplexität, aber auch (bei einem geringen Anteil) durch längere Wartezeiten im Zuge des höheren organisatorischen Aufwandes (siehe 4.1.11).
4.1.3 Geschlechterverteilung
Wie bereits früher berichtet, ist der Jungenanteil im Berichtszeitraum deutlich größer mit einem im Verlauf ansteigenden Mädchenanteil (siehe Abb. 1, vgl. GRDrs 145/2013). So waren es vor Einführung der LRV im Mittel 31 % Mädchen und 69 % Jungen und nach der Einführung der LRV 40 % Mädchen und 60 % Jungen. Dass in Frühförderstellen eher mehr Jungen betreut werden, ist seit längerem bekannt. Weshalb dies so ist und warum der Mädchenanteil bei uns nun ansteigt, bleibt letztlich unklar.
Abb. 1 Geschlechtsspezifische Verteilung nach Jahren in Prozent
4.1.4 Ort der Kontakte
Abbildung 2 zeigt den Untersuchungsort vor und nach Einführung der LRV. Dass die meisten Untersuchungen in der IFF erbracht worden sind, liegt am mit der LRV verbundenen erhöhten organisatorischen Aufwand sowie an nicht besetzten Stellenanteilen. Darauf wurde reagiert, indem u. a. mehr Termine in der IFF stattfanden, wodurch die Wegezeiten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduziert und damit die Anzahl der in der IFF betreuten Kinder sogar gesteigert werden konnte. Da aufsuchende Arbeit ein wesentliches Merkmal von Interdisziplinären Frühförderstellen darstellt und diese aus vielerlei Gründen fachlich sinnvoll und notwendig ist, handelt es sich hierbei aber nicht um eine generelle Änderung der Arbeitsweise, sondern war vielmehr der Not geschuldet. Daraus folgt, dass in der IFF mittelfristig voraussichtlich ein höherer Stellenbedarf notwendig sein wird.
Die niederschwellige mobile Arbeit der IFF vor Ort ist auch aus Sicht des Jugendamts eine wichtige Unterstützungsstruktur für Eltern, deren Kinder in Kindertageseinrichtungen betreut werden. Insbesondere in den zwanzig Kinder- und Familienzentren (KiFaZ), in denen ein hoher Anteil an Kindern begleitet werden, die unter Bedingungen von Armut und struktureller Bildungsbenachteiligung aufwachsen, ist eine Vor-Ort-Beratung der Eltern wichtig und zielführend. Die Auswertung nach Stadtbezirken in Abb. 4 zeigt, dass ein Großteil der KiFaZ-Einrichtungen (75 %) in Bezirken ist, die auch bei der IFF-Statistik hohe Betreuungszahlen aufweisen.
Bereits jetzt kooperieren über die Hälfte der KiFaZ-Einrichtungen mit der IFF Stuttgart. Auf Grund der positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit ist im Rahmen der konzeptionellen Weiterentwicklung geplant, die Kooperation mit der IFF als verbindlichen Standard für alle KiFaZ einzuführen. Dies hat zur Folge, dass sich die Anfragen seitens der KiFaZ und damit die Vor-Ort-Beratungen erhöhen werden.
Abb. 2 Anzahl der Untersuchungen nach Untersuchungsort vor (2012-2014) und nach (2016-2017) Einführung der LRV
4.1.5 Durchschnittliche Altersverteilung in Monaten
Über die Jahre hinweg zeigt sich beim Alter eine annähernde Normalverteilung mit einem Maximum im 4. Lebensjahr und höheren Anteilen oberhalb des 4. Lebensjahrs.
Der Altersgipfel liegt auch weiterhin bei den 3- bis 4-jährigen Kindern (GRDrs 145/2013).
Abb. 3 Altersverteilung vor (2012-2014) und nach (2016-2017) Einführung der LRV (y-Achse = Anzahl, x-Achse = Lebensalter in Monaten)
4.1.6 Auswertung nach Stadtbezirk
Die folgende Abbildung zeigt die Wohnortverteilung der in der IFF betreuten Kinder in Abhängigkeit des Stadtbezirks.
Abb. 4 Wohnortverteilung nach Stadtbezirk
4.1.7 Sprachlichkeit
Im Folgenden ist mit deutscher Sprache gemeint, dass in der jeweiligen Familie Deutsch oder Deutsch und eine weitere Sprache gesprochen wird.
In den Jahren vor Einführung der LRV waren im Mittel mehr Kinder mit deutscher Sprache (58 %) als mit nicht-deutscher Sprache (42 %) in der IFF in Betreuung. Nach Einführung der LRV verhält es sich umgekehrt (deutsche Sprache 44 % vs. nicht-deutsche Sprache 56 %). Ob sich dieser Trend fortsetzt, bleibt abzuwarten.
Betrachtet man die durchschnittliche Verteilung im gesamten Erfassungszeitraum, so waren es 52 % Kinder mit deutscher und 48 % mit nicht-deutscher Sprache. Verglichen mit den Ergebnissen aus der Einschulungsuntersuchung (deutsche Familiensprache: 74 %, nicht-deutsche Familiensprache: 26 %), sind Kinder mit nicht-deutscher Sprache erwartungsgemäß eher überrepräsentiert, da einer der Arbeitsschwerpunkte der IFF im Bereich der Sprache liegt (vgl. 4.1.8 und 4.1.10). Über die generellen sprachlichen Fähigkeiten von Kindern, die mehrsprachig aufwachsen, kann mit Hilfe der hier vorliegenden Analyse für Stuttgart keine repräsentative Aussage getroffen werden.
Abb. 5 Sprachlichkeit
4.1.8 Anmeldegründe
In Abbildung 6 sind die Anmeldegründe nach Jahren dargestellt. Hieraus wird ersichtlich, dass im zeitlichen Verlauf die allgemeine Entwicklungsabklärung, die Beratung externer Beteiligter, die sprachliche Abklärung sowie die Verhaltensabklärung die häufigsten Anmeldegründe waren. Die Einführung der LRV hatte hierauf bisher keinen größeren Einfluss. Dies war zu erwarten, da sich durch die LRV die grundsätzlichen Zugangskriterien nicht verändert haben.
Abb. 6 Anmeldegründe nach Jahren
4.1.9 Zuweiser
Auch bei den Zuweisern zeigte sich über die einzelnen Jahre eine relativ stabile Verteilung. Die Einführung der LRV hatte hierauf demnach ebenfalls keinen Einfluss, was ebenfalls zu erwarten war.
Abb. 7 Zuweiser nach Jahren
4.1.10 Diagnosen
In Tabelle 1 sind die Diagnosen der Kinder im gesamten Auswertungszeitraum in absteigender Reihenfolge dargestellt. Im gesamten Erfassungszeitraum war die Sprachentwicklungsstörung die häufigste Diagnose, gefolgt von Verhaltensauffälligkeiten, Teilleistungs- und Entwicklungsstörungen.
Tabelle 1 Diagnosen
(Mehrfachnennung möglich)
Diagnosen
Anteil
[%]
Sprachentwicklungsstörung
28,4
Verhaltensauffälligkeiten
17,6
Teilleistungsstörung, v.a. in der Motorik und Wahrnehmung
13,4
Entwicklungsstörung
8,8
Psychosoziales Risiko
5,8
Interaktionsstörung
5,8
Keine Auffälligkeiten feststellbar
4,3
Risikogeburt
1,8
Emotionale/Sozialentwicklungsauffälligkeiten
1,6
Lernbehinderung
1,5
Chronische Erkrankung
1,5
Sonstige
11,1
4.1.11 Wartezeit
Die Wartezeit (von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Eingangsdiagnostik) hat sich seit Einführung der LRV verlängert (siehe Abb. 8). Dies ist bedingt durch:
·
die im Rahmen der LRV zwingend vorgeschriebenen Erstgespräche. Die vom Gemeinderat bewilligte Stellenerhöhung der Medizinischen Fachangestellten, die die Erstgespräche hauptsächlich durchführt, war demnach sehr notwendig
·
einen durch die LRV bedingten erhöhten organisatorischen Aufwand
·
eine höhere Fallkomplexität
·
nicht besetzte Stellenanteile.
Wie mit der angestiegenen Wartezeit umgegangen wird, ist unten dargestellt (siehe Ausblick).
Abb. 8 Wartezeit in Wochen
4.1.12 Betreuungsdauer
Seit Einführung der LRV ist die Betreuungsdauer angestiegen. Die Gründe hierfür wurden bereits oben benannt (siehe 4.1.2 und 4.1.11).
Abb. 9 Betreuungsdauer in Wochen
4.2 Stellenschaffung für eine Physiotherapeutin / einen Physiotherapeuten
Hierbei handelt es sich um eine zwingende Vorgabe aus der Verwaltungsvorschrift für die Förderung Interdisziplinärer Frühförderstellen des Ministeriums für Soziales und Integration, die zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist.
Es erfolgt eine teilweise Refinanzierung durch Einnahmen der physiotherapeutischen Leistungen über die Krankenkassen. Zwingende Bedingung der Kassenzulassung ist eine Stelle mit einem Umfang von mindestens 80 %.
Ohne die Stellenschaffung für eine Physiotherapeutin/einen Physiotherapeuten im
aktuellen Haushalt würde die IFF die strukturellen und fachlichen Qualitätsanforderungen des Landes an eine IFF nicht erfüllen. Die Folge wäre der Verlust der Landeszuwendung und damit unter Umständen eine Gefährdung des Betriebes der IFF.
Eine entsprechende Stelle wurde zum Stellenplan 2018 beantragt.
4.3 Trägerschaft der IFF
Die im Rahmen der Einführung der LRV notwendige Abstimmung mit dem Kultusministerium und dem Ministerium für Soziales und Integration ergab, dass das Staatliche Schulamt nicht mehr als Träger der IFF akzeptiert wurde, sondern nur noch als Kooperationspartner auftreten kann. In Folge dessen wurde vereinbart, dass die Sonderpädagogin/der Sonderpädagoge zukünftig vom KBV angestellt wird. Die fachliche Begleitung erfolgt durch das Staatliche Schulamt als engem und überaus geschätztem Kooperationspartner.
5. Abschätzung der finanziellen Auswirkungen
Die Leistungen der Interdisziplinären Frühförderstellen werden finanziert durch die Krankenkassen, das Sozialamt als zuständigem Sozialhilfeträger sowie durch einen Landeszuschuss. Der Landeszuschuss wird auf Antrag als Zuschuss zu den nachgewiesenen Personal- und Sachkosten gewährt. Die Höhe der jeweiligen Vergütung durch die Krankenkassen und durch das Sozialamt entspricht den Abrechnungssätzen der LRV. Die medizinisch-therapeutischen Einzelleistungen werden nach den jeweiligen Abrechnungssätzen der Krankenkassen vergütet.
Die bisherige finanzielle Entwicklung stellt sich insgesamt positiv dar. Wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung auch im Jahr 2017 so fortsetzt. Allerdings ist der Auswertungszeitraum bisher noch zu kurz, um endgültige Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen der LRV auf die IFF treffen zu können.
Tabelle 2 Einnahmen
(2012 bis 2014: Vor Einführung der LRV, 2015: Übergangsjahr mit schrittweiser Einführung der LRV, 2016: Umsetzung der LRV)
2012
2013
2014
2015
2016
Einnahmen durch die Krankenkassen in Euro
29.213
25.463
26.371
31.590
51.884
Einnahmen durch das Sozialamt
in Euro
31.572
25.756
29.911
41.953
39.048
Landeszuschuss
in Euro
56.500
56.500
56.500
62.000
62.000
Gesamteinnahmen in Euro
117.285
107.719
112.782
135.543
152.932
Die Erhöhung der Einnahmen seit Einführung der LRV ist v. a. bedingt durch die Vergütung der Erstgespräche, die höhere Vergütung der auf das Erstgespräch folgenden Leistungen der LRV durch die Krankenkassen im Vergleich zu Einzelleistungen und durch die Stellenerhöhungen und dadurch höhere Kapazitäten (Stellenerhöhung der medizinischen Fachangestellten zur Durchführung der Erstgespräche und der Heilpädagogin durch den KBV).
Nach Einführung der persönlichen Erstgespräche im August 2015 konnten im Jahr 2015 46 und im Jahr 2016 202 Erstgespräche abgerechnet werden, wie in der GRDrs 582/2014 veranschlagt (200 Erstgespräche). Die Mehreinnahmen über die Krankenkassen durch die Durchführung der Erstgespräche entsprachen 2016 mit 13.635 Euro (abzüglich Verrechnungsgebühr und Mehrwertsteuer über die Verrechnungsstelle Optica) in etwa den in der GRDrs 582/2014 vorgesehenen Einnahmen von 13.500 Euro. Die dafür geschaffene Stellenerhöhung konnte demnach nahezu refinanziert werden. Allerdings mussten im zweiten Halbjahr 2016 zusätzlich Erstgespräche durch weitere Mitarbeiter/-innen durchgeführt werden, da die Wartezeiten bis zur Durchführung des Erstgesprächs auf über 8 Wochen angestiegen war. Demnach wird vermutlich eine weitere Stellenerhöhung in diesem Bereich notwendig sein, um den Bedarf abzudecken und die Wartezeiten zu begrenzen.
6. Zusammenfassung und Ausblick
Die Analysen zeigen, dass die LRV von der IFF am Gesundheitsamt bisher erfolgreich umgesetzt werden konnte.
Wie die oben dargestellten Analysen zeigen, hat die Umsetzung der LRV bisher die folgenden Auswirkungen:
Weitgehend unverändert blieben die Altersstruktur, die Zuweiser, die Anmeldegründe, die Diagnosen und die Wohnortverteilung nach Stadtbezirk. Ein Anstieg zeigte sich bei der Zahl der jährlich betreuten Kinder, des Mädchenanteils, des Anteils an Kindern mit nicht-deutscher Sprache, der Wartezeit, der Betreuungsdauer und den finanziellen Einnahmen. Der Anteil der mobil erbrachten Leistungen nahm organisationsbedingt ab.
Die LRV selbst wird von der IFF grundsätzlich positiv bewertet, insbesondere die Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit. Sorge bereiten der erhöhte organisatorische Aufwand, die Zunahme der Wartezeit und der Rückgang der mobilen Arbeitsweise, die nicht zur Niederschwelligkeit Interdisziplinärer Frühförderstellen passen. Auch von Seiten des Jugendamts wird der mobile Arbeitseinsatz als wichtiger Zugang gesehen. Dies zeigt sich insbesondere in der fachlichen Diskussion der Weiterentwicklung der Stuttgarter Kinder- und Familienzentren, die das Ziel verfolgt, zukünftig eine verbindlichere Kooperation zwischen den KiFaZ und der IFF zu etablieren.
Die derzeit noch offene Stelle im Bereich Sonderpädagogik wird voraussichtlich bis Ende 2017 mit 75 % durch den KBV besetzt. Ziel ist es, durch diese Stellenschaffung auch wieder mehr mobile Arbeit anbieten zu können. Zudem verspricht die im aktuellen Doppelhaushalt beantragte Schaffung einer Physiotherapie-Stelle weitere Verbesserungen im Bereich der Niederschwelligkeit.
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Anlage 3 zu GRDrs 874_2017.pdf
Anlage 2 zu GRDrs 874_2017.pdf