Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
108
5
VerhandlungDrucksache:
527/2017
GZ:
StU
Sitzungstermin: 06.10.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: Entwicklung des Areals Rote Wand auf dem Killesberg
im Stadtbezirk Stuttgart-Nord
- Grundsatzvorlage zu Programm, Materialität,
Konzeptvergabe und Vermarktung

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 25.07.2017, nicht öffentlich, Nr. 414

Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 26.09.2017, öffentlich, Nr. 439

Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Städtebau und Umwelt vom 19.07.2017, GRDrs 527/2017, mit folgendem

Beschlussantrag:

Das Areal Rote Wand wird unter folgenden Maßgaben entwickelt:

1. Es ist ein klima-/und CO2-neutrales Wohnquartier für Baugemeinschaften und geförderten Wohnungsbau umzusetzen.


1.a Eckdaten zum Wohnungsgemenge/Programm:
Von den ca. 118 Wohneinheiten des Wettbewerbsentwurfs sollen ca. 54 % im geförderten Wohnungsbau und ca. 28 % für Baugemeinschaften sowie ca. 18 % frei finanzierte Wohneinheiten errichtet werden. Von den ca. 54 % geförderten Wohnungen sollen ca. 40 % der erzielbaren Wohnfläche für Sozialmietwohnungen (SMW) und ca. 14 % für Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher (MME) realisiert werden.
Neben dem geförderten Wohnungsbau und den Baugemeinschaften sind Sonderwohnformen (ca. 10 Wohneinheiten), für z. B. inklusive Bedarfsgruppen bzw. altengerechtes Wohnen und eine 4-gruppige Kindertagesstätte vorgesehen.

1.b CO2 Neutralität/Materialität:
Gemäß der Wettbewerbsauslobung von 2014 (GRDrs 956/2013) sind die einzelnen Baukörper in Holzbauweise bzw. CO2-neutral aus nachwachsenden Rohstoffen auszuführen. Hierbei können unterschiedliche Konstruktionsarten zur Anwendung kommen.

1.c CO2 Neutralität/Energiekonzept:
Die Energieversorgung erfolgt über eine Geothermie-Wärmepumpe (Erdsondenfeld) und ein Blockheizkraftwerk (BHKW) in Verbindung mit großflächiger Belegung geeigneter Dach- und Fassadenflächen mit Photovoltaik.
Für die Errichtung und Betrieb der Energiezentrale werden die Stadtwerke
Stuttgart eingebunden.

Das Ziel Plusenergiegebäude wird durch eine Kombination des Gebäudeenergiestandards KfW 55 (EnEV 2016) mit entsprechenden Photovoltaikflächen erreicht.

2. Grundlage der Umsetzung:

Das Gebiet soll, basierend auf der städtebaulichen Grundfigur des 1. Preisträgers des Wettbewerbs (Büro ksg/Köln) in der Fassung der Überarbeitung vom August 2016 mit der neuen Anbindung der Landenbergerstraße am Brenzplatz umgesetzt werden (siehe Anlage 2).

3. Qualitätssicherung:

Die Durchführung der Vermarktung erfolgt gemäß GRDrs 906/2015 -Neufassung- und gemäß GRDrs 383/2012 für Baugemeinschaften (zum Festpreis) nach Konzeptvergabekriterien wie Energiestandard, Holzbau, soziale Konzeption, urbane grüne Infrastruktur, Regenwassermanagement etc. Die Vergabeverfahren schließen verschiedenste Rechts- und Trägerformen mit ein, um einen preisgünstigen, sozial orientierten, individuellen und gemeinschaftlichen Miet- und Eigentumswohnungsbau (z. B. durch Baugenossenschaften) zu ermöglichen.

Zur Sicherung der städtebaulichen, grünräumlichen und architektonischen Qualität sowie für die Bestellung von Auswahlgremien ist ein interner Beirat einzuberufen, der sich aus Mitgliedern des Gestaltungsbeirats, des Städtebauausschusses und Vertretern der Stadtverwaltung der LHS zusammensetzt.


4. Auftrag Vergabeverfahren

Die Verwaltung wird beauftragt, zeitnah die Vergabeverfahren für Bauträger und Baugemeinschaften für weitere Beschlüsse vorzubereiten (Infomemoranden).
Grundlage für die dann durchzuführenden Vergabeverfahren ist der Bebauungsplan Areal Rote Wand/Am Kochenhof, Stuttgart-Nord (Stgt 274) mit Aufstellungsbeschluss vom 20.05.2014, der im 1. Quartal 2018 zur Auslegung gebracht wird.

Das Quartier wird in mindestens zwei Baufelder geteilt:
Das Baufeld 1, bestehend aus den Minimalhäusern, den Wolken 1, 4 und 5 mit ca. 85 Wohneinheiten und einer Kindertagesstätte; das Baufeld 2 mit den Wolken 2 und 3 mit ca. 33 Wohneinheiten für die Baugemeinschaften.

5. Rahmenterminplan

Vom Rahmenterminplan wird Kenntnis genommen.


Eine Präsentation wird nicht gewünscht.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) spricht die Vermarktung an. Die Vorlage werde wieder zum Verkauf städtischer Flächen einladen, was seine Fraktionsgemeinschaft bekanntermaßen vehement ablehne. Er erinnert an die Grundsatzbeschlüsse. Hier gehe es um die letzten großen Entwicklungsflächen der Landeshauptstadt, und nach Ansicht seiner Fraktionsgemeinschaft sei ein Verkauf nicht notwendig, um die inhaltlichen Ziele umzusetzen. Dies könne ebenso mit einer Vergabe in Erbpacht gelingen, doch damit diese eine Chance habe, müsse man im Sinne einer Bodenvorratspolitik die Option des Erwerbs ausschließen. Finde sich wider Erwarten dann kein Interessent, müssten die Stadt selbst oder die SWSG aktiv werden, um die wohnungspolitischen und sozialen Ziele umzusetzen. Bevor man nun über die Vorlage abstimme, würde er gerne die Argumente der Gegenseite hören, die nichts gegen einen Verkauf einzuwenden habe.

Hierzu erklärt EBM Föll, die Argumentation des Stadtrats, dass ein Erbbaurecht der Stadt maßgebliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffne, sei nicht korrekt. Bei einer Laufzeit von 99 Jahren habe die Stadt keinerlei Mitspracherecht während dieser Zeit. Die Stadt biete entsprechend der vom Gemeinderat gefassten Grundsatzbeschlüsse alternativ Erwerb oder Erbbaurecht an.

Grundsätzlich betont er, man befinde sich bereits in der Umsetzungsphase. Wenn man hier jedes Mal wieder einen Schritt zurückgehe und die Vermarktung erneut diskutiere, müsse man sich nicht über die geringen Fertigstellungszahlen im Wohnungsbau wundern. Er bittet den Ausschuss, der Vorlage zuzustimmen.

StR Rudolf (CDU) verweist auf die vielfache Diskussion der Thematik. Die Argumente seien alle schon so oft ausgetauscht worden, dass man ohne Weiteres zur Abstimmung kommen könne, die dann aber auch akzeptiert werden sollte. Seine Fraktion freue sich, dass das Projekt nun endlich starten könne.

Für ihre Fraktion sei wichtig, so StRin Fischer (90/GRÜNE), dass die Entwicklungsflächen in städtischer Hand seien, sodass diese über die Entwicklung bestimmen könne, unter anderem über den Anteil an gefördertem Wohnungsbau und der Art der Vergabe der Grundstücke. Das Projekt sei hervorragend: 54 % geförderter Wohnungsbau, 33 Wohneinheiten für Baugemeinschaften und innovatives Bauen mit nachhaltigen Rohstoffen. Für nicht notwendig erachte ihre Fraktion, dass die öffentliche Hand die Grundstücke dauerhaft im Eigentum haben müsse. Bei einem Erbbaurecht verschiebe man aufgrund der Restwertvergütung Lasten in die Zukunft und sie befürchte, dass die unrentablen Immobilien dann der öffentlichen Hand blieben. Im Übrigen bedeute ein Erbbaurecht nicht automatisch, dass das Grundstück nach 99 Jahren an die Stadt zurückfalle. Wenn sich darauf ein gesunder Betrieb befinde, sei eine Fristverlängerung vernünftig.

StR Pfeifer (SPD) plädiert dafür, dass die Stadt eine noch aktivere Rolle im Immobilien- und im normalen Grundstücksmarkt spielen solle. Sie benötige die entsprechenden Finanzmittel für eine nachhaltige Verfügungsgewalt. Dabei könne seine Fraktion jedoch das "reflexhafte Ablehnen irgendwelcher Verkaufsmodalitäten", das die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS seit Jahren praktiziere, nicht unterstützen. Man müsse von Fall zu Fall unterscheiden, und im vorliegenden erreiche man genau das, was man sich im Hinblick auf die Architektur und die Wohnungsgemengelage vorgestellt habe. Damit erhalte man ein gutes Pendant zur Killesberghöhe. Seine Fraktion werde dieser Vorlage sehr gerne zustimmen.

Die gleiche Qualität und die Ziele erreiche man auch bei einer Vergabe in Erbpacht, so StR Rockenbauch. Eine langfristige Bodenvorratspolitik ende für ihn nicht nach 99 Jahren. Und den sozialen Wohnungsmix sehe er nach dem Auslaufen der Mitpreisbindung gefährdet. Dann werde die "soziale Zwischennutzung" einer gewinnorientierten Vermarktung weichen. Das Problem werde also lediglich um 20 bis 25 Jahre verschoben, bei den Baugemeinschaften sogar nur um 10 Jahre, in denen diese die Wohnung selbst nutzen müssten. Mit dem Verweis auf das Difu-Institut und das Städtebauforum erklärt er, wenn sich kein Interessent für die Umsetzung solcher Projekte finde, sollte die Stadt sie selbst realisieren.

StRin von Stein (FW) erinnert daran, dass der Wohnungsbau an dieser Stelle 2012 beschlossen worden sei. Mittlerweile habe man die enorme Wohnungsnot erkannt. Deshalb sei vor allem anderen sehr wichtig, dass man rasch mit dem Bau beginne. Grundsätzlich sollte man sich viel stärker auf die aktuelle Situation einstellen, die sich ja auch wieder ändern könne. Im Übrigen hätten sich Prognosen des Öfteren schon als falsch herausgestellt. Der Immobilienmarkt sei ein atmendes System, und neben dem Verkauf von Grundstücken ergebe sich immer auch die Gelegenheit des Erwerbs. Ihre Fraktion stimme der Vorlage zu.

StR Klingler (AfD) räumt ein, dass das Erbbaurecht in vielen Bereichen sinnvoll und deshalb dort vorgesehen sei. Doch gebe es auch Firmen, die kaufen müssten, weil sie sonst bei der Bank keine Bonität vorweisen könnten. Und man sollte es dem Einzelnen zugestehen, wenn er Eigentum erwerben wolle. Er mahnt an, angesichts der Wohnungssituation die Umsetzung des Projekts in dieser fortgeschrittenen Phase nicht mit Grundsatzdiskussionen zu blockieren.

Auch StR Conz (FDP) hält es für eine sinnvolle Art der Stadtentwicklung, wenn sie an einer Stelle Grundstücke kaufe und an anderer Stelle verkaufe. In der Vorlage seien aus seiner Sicht ein zu hoher Anteil an geförderten Wohnungen und zu wenige Parkplätze pro Wohnung enthalten, was ihm eine Zustimmung erschwere. Doch sei wichtig, dass gebaut werde, und deshalb werde er sich der Stimme enthalten.


EBM Föll stellt abschließend fest:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen stimmt dem Beschlussantrag bei
3 Gegenstimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich
zu.

zum Seitenanfang