Protokoll: Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
200/2023
GZ:
Sitzungstermin: 16.10.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Fezer
Berichterstattung:Herr Herweg (JugA), Frau Dr. Neumann (SozA)
Protokollführung: Frau Kappallo as
Betreff: 4. Stuttgarter Armutskonferenz 2023 - Inhalte und Ergebnisse

Vorgang: Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 24.07.2023, öffentlich, Nr. 156
Ergebnis: Kenntnisnahme
Jugendhilfeausschuss vom 25.09.2023, öffentlich, Nr. 96
Ergebnis: Zurückstellung
Ausschuss für Stadtentwicklung u. Technik v. 10.10.2023, öffentlich, Nr. 407
Ergebnis: Kenntnisnahme

Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration vom 07.07.2023, GRDrs 200/2023.


Aufgrund der bisherigen Behandlung des Tagesordnungspunkts in mehreren Gremien werde auf eine Einführung in das Thema verzichtet, so die Vorsitzende.

StRin Silverii (90/GRÜNE) dankt für die erfolgreiche Organisation und Durchführung der Tagung. Das Thema Armut sei wichtig, da die Anzahl der Betroffenen eher noch steigen werde. Die Festlegung der Handlungsfelder und deren Umsetzung müsse angestrebt werden. Die Handlungsfelder wie Inklusion, Ganztagsbetreuung sowie fehlende Kita-Plätze müssten nach wie vor umgesetzt werden, neben dem Zugang zur Teilhabe. Die Angebote, Unterstützung sowie Fördermöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen müssten noch niedrigschwelliger und mehrsprachig bekannt gemacht werden, äußert die Stadträtin. Begrüßenswert sei, dass die Handlungsfelder an das Land und den Bund weitergegeben werden. Allerdings sei für sie die versteckte Armut zu wenig thematisiert worden. Die Frage, wer an den Ideen, wie der Schatzkiste für geflüchtete Kinder, dranbleibe, beschäftige sie sehr. Darüber hinaus fragt die Stadträtin, wie der Übergang von der Schule in den Beruf für Jugendliche in Armut verbessert werden könne und ob die Angebote, die von Bundesseite geplante vollständige Übertragung der Zuständigkeit von den Jobcentern auf die Bundesagentur für Arbeit, nicht zu hochschwellig seien. Die Reform, die geplante vollständige Übertragung der Zuständigkeit von den Jobcentern auf die Bundesagentur für Arbeit, sei gestoppt worden, unterrichtet Herr Herweg (JugA).

StR Dr. Nopper (CDU) bemerkt, bei dem Thema Armut handle es sich um ein ämterübergreifendes Anliegen, das in vielen Handlungsfeldern umgesetzt werden müsse. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen müssten geleistet werden, um Teilhabe zu ermöglichen. In den vergangenen Jahren konnten in Stuttgart bereits viele erfolgreiche Maßnahmen gegen Armut und deren Folgen umgesetzt werden. Trotzdem müsse am Thema drangeblieben und dieses in seiner Ganzheit betrachtet werden.

Eingangs berichtet StRin Meergans (SPD), der Mehrwert der Veranstaltung liege im Prozess der Vorbereitung zwischen der Verwaltung und den Trägern. Am Tag der Armutskonferenz habe sie an dem Forum 3, Aufwachsen in Armut, mitgearbeitet. zum Übergang von der Schule in den Beruf teilt die Stadträtin mit, die kontinuierliche Beziehungsarbeit stehe für die jungen Erwachsenen im Mittelpunkt. Dazu interessieren sie die Handlungsempfehlungen, damit eine kontinuierliche Begleitung durch Bezugspersonen gewährleistet werden könne. Den Wunsch nach einer kontinuierlichen Begleitung kann Herr Herweg nachvollziehen, gleichwohl es manchmal sinnvoll sei, wenn Bezugspersonen wechselten. Es gehe primär darum, den Übergang sinnvoll zu begleiten, wie in dem AnSchuB-Konzept seitens der Fachverwaltung dargestellt worden ist, bemerkt Herr Herweg. Es sei geplant, die Unterstützungsressourcen an den Schulen zu etablieren, die sich bereiterklärten, einen "Runden Tisch" einzurichten, damit Übergänge im Vorfeld gut abgestimmt seien.

Eine weitere Frage, die StRin Meergans (SPD) beschäftigt, ist, wie Kinder von Alleinerziehenden gestärkt werden können, und die Fragestellung, wie es gelinge, bessere und leichtere Zugänge ins Jugendhilfesystem zu schaffen. Generell möchte sie wissen, wie die Handlungsempfehlungen aufgegriffen und weiterbearbeitet werden.

Es sei bedrückend, äußert StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), dass es in einer wohlhabenden Stadt wie Stuttgart überhaupt Armut gebe. Das Ziel müsse sein, die Armut dergestalt zu bekämpfen, dass Menschen nicht in Armut geraten und das Hilfenetz nicht benötigten. Armut entstehe auch dadurch, so die Vorsitzende, wenn in Stuttgart viele Menschen aufgenommen werden, die neu als Geflüchtete nach Stuttgart kämen und zunächst auf staatliche Unterstützung angewiesen seien. Damit seien diese Menschen per se arm. Diese Situation verändere die Armutsquote in der Stadt.

Wie bereits seine Vorrednerinnen interessiert StR Pantisano, wie mit den Ideen aus der Armutskonferenz vonseiten der Verwaltung umgegangen werde. Im weiteren Verlauf verweist StR Pantisano auf die Aussage in der Vorlage, "zudem hätten arme Menschen ein geringeres Vertrauen in politische Institutionen", die ihm große Sorgen bereite. Der Stadtrat regt an, die Fragestellung, wie durch eine konzentrierte Bildungsarbeit rechtsextremen sowie antisemitischen Tendenzen entgegengewirkt werden könne, aufzugreifen.

StR Lazaridis (90/GRÜNE) merkt an, die Stadt habe bereits zahlreiche Leistungen zur Bekämpfung der Ursachen von Armut und zur Linderung der Folgen von Armut erbracht. Allerdings interessiere ihn eine kommunale Armutsstrategie, wie Armut verhindert werden könne und die Folgen von Armut gelindert werden könnten.

Aus Trägerperspektive erwähnt Herr Käpplinger der Prozess, der im Vorfeld der Armutskonferenz stattgefunden habe, sei wesentlich gewesen. Die Bedürfnisse der armen Menschen seien im Vorfeld eingeflossen, um diesen Menschen die Scham zu ersparen. 13,1 % der Kinder und Jugendlichen in der Stadt seien armutsgefährdet. Ausgehend von den Ergebnissen der 4. Armutskonferenz hoffe er, dass die Haushaltsanträge der Träger beschlossen werden, um die Bedarfe zu sichern. In seinem Wortbeitrag erkundigt sich Herr Käpplinger, wie sich eine Strategie gegen Armut bis zur nächsten Armutskonferenz entwickeln lasse.

Herr Kullmann, der seit 1. Oktober 2023 Geschäftsführer der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft (stjg) und auf Herrn Meier gefolgt ist, wird von BMin Fezer ausdrücklich begrüßt und im Jugendhilfeausschuss (JHA) willkommen geheißen.

Herr Schulze-Gronemeyer geht in Bezug auf die Armut in Stuttgart auf die in der letzten Sitzung vorgestellten Überlegungen zur Verbesserung der Kindertagesbetreuung ein, sodass jedes Kind einen Kita-Platz erhält. Dabei dürfe die Sprachförderung nicht außen vor gelassen werden, betont Herr Schulze-Gronemeyer. Er sehe die Kinderbetreuung als ein Schlüsselthema, damit Eltern einer Beschäftigung nachgehen könnten und damit die Armut gelindert oder beendet werde. Diese Ansicht teilt die Vorsitzende und bemerkt, die Kinder, deren Eltern nicht in der Lage seien, sich für einen Betreuungsplatz in einer Kita einzusetzen, seien häufig diejenigen, die am Ende zu wenig Deutsch lernten und in der Schule scheiterten. Diese Situation führe häufig in den Beginn einer nicht gelingenden Bildungsbiografie und in den Weg der Armut. Ein weiterer Bereich, den es anzuschauen gelte, seien die Symptome von Armut. Die Schwellen zur Partizipation, zum Aufstieg sowie zur Weiterentwicklung müssten abgesenkt werden. Als wichtigste Strategie im Kampf gegen Armut bezeichnet Frau Dr. Heynen (JugA) die Kindertagesbetreuung. Jedes Kind müsse ab dem vierten Lebensjahr eine Kita besuchen können.

Bezogen auf den Übergang Schule-Beruf erörtert Frau Preiß, dieser Übergang bedeute für Jugendliche aus armen Familien häufig einen Bildungsaufstieg. Diese Jugendlichen benötigten eine sehr gute Begleitung, damit die Bildungsabschlüsse realisiert werden könnten. In den haushaltsrelevanten Mitteilungsvorlagen, so Frau Dr. Heynen, werde dieses Thema, Übergang Schule-Beruf, aufgegriffen. Ergänzend erwähnt die Vorsitzende, der Themenkreis müsse differenziert betrachtet werden. Wenn von armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen gesprochen werde, müsse von erwerbslosen Eltern ausgegangen werden, die auf staatliche Unterstützung angewiesen seien. Diese Situation lasse sich verbessern, wenn Eltern eine Arbeit erhielten, da dieser Aspekt die Armut verändere. Der zweite Aspekt bestehe darin, die Armut, die in der Zukunft stattfindet, zu betrachten. An dieser Thematik müsse gearbeitet werden.

Dem Dank von Frau Dr. Neumann an alle Beteiligten, die bei der Vorbereitung und der Durchführung der 4. Stuttgarter Armutskonferenz beteiligt gewesen seien, schließen sich fraktionsübergreifend auch die Mitglieder des JHA an. Der Prozess, der im Vorhinein stattgefunden habe, könne aktuell dazu beitragen, eine langfristige Strategie entwickeln zu können. Mit der Gruppe der Forenleitungen werden die prioritären Themen, wie die Information über Unterstützungsleistungen und deren Zugänge sowie die digitale Teilhabe, weiterbearbeitet. Diese beiden Themen werden zunächst aufgegriffen. Bezogen auf die digitale Teilhabe, so Frau Dr. Neumann, finde zunächst eine Veranstaltung mit der Vector Stiftung am Ende des Monats statt. Viele Akteure, neben dem Amt für Digitalisierung sowie Frau Haller-Kindler (KB-OB), seien eingeladen worden, um das Thema der digitalen Teilhabe voranzubringen. Nicht nur bei den Betroffenen selbst, sondern auch bei den Sozialarbeiter*innen gebe es aufgrund der Komplexität Wissenslücken. Vom Sozialamt werde aktuell abgefragt, welche Angebote es im Bereich Bonuscard gebe, um Themen zusammenzuführen. Auf mehrere Fragen von Mitgliedern, wie es denn weitergehe, antwortet Frau Dr. Neumann, sie spreche sich ausdrücklich für eine 5. Armutskonferenz in ein paar Jahren aus. Bis dahin sollen einzelne Themen herausgegriffen werden und nach dem Vorbild der Armutskonferenz bearbeitet werden. Dazu werde der Kreis der Betroffenen eingeladen, um verbindliche Ziele zu definieren und Verantwortlichkeiten zu verteilen. Eine übergeordnete Strategie, wie sie vereinzelt von Mitgliedern gefordert worden ist, sei weniger zielführend, verdeutlicht Frau Dr. Neumann. Es sollen vielmehr einzelne Themen mit ihren Zuständigkeiten in den Blick genommen werden, wobei diese von der strategischen Sozialplanung koordiniert und gesteuert werden. Mit BMin Dr. Sußmann werde sich dahingehend abgestimmt, wie der Prozess ab dem nächsten Jahr gelingen könne. In dem Kontext sei es wichtig, zu überprüfen, welche Angebote sich wirksam im Kampf gegen Armut erwiesen. Dabei sei geplant, zwei bis vier Projekte herauszugreifen, und eine Wirkungsmessung durchzuführen.

Frau Dr. Heynen ergänzt, die gesetzliche Grundlage des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes beinhalte die Stärkung der Beteiligungsrechte. Diese Stärkung sei in den Konzeptionen der Kindertageseinrichtungen, in den Beratungszentren und den Erziehungshilfen umgesetzt, betont die Jugendamtsleiterin. Bezogen auf die Agenda 2030 mit den Sustainable Development Goals (SDGs) verdeutlicht Frau Dr. Heynen, der Prozess für eine nachhaltige Entwicklung beinhalte als erstes Ziel: keine Armut. Die Kontinuität der Bearbeitung der Jugendhilfethemen, die sich in den Mitteilungsvorlagen widerspiegelten, beinhalteten armutspräventive Maßnahmen, betont Frau Dr. Heynen.

In vielen Handlungsfeldern seien über haushaltsrelevante Mitteilungsvorlagen Vorschläge unterbreitet worden, die sich in der Armutskonferenz bündelten, verdeutlicht Herr Herweg. Das Thema Armut müsse in jedem Handlungsfeld fokussiert werden. Lotsen, Brückenbauer*innen sowie FSJler in der Schulsozialarbeit unterstützten den Weg der Armutsprävention. Ein anderer Weg sei, kostenlose Zugänge zu Orten mit hoher Aufenthaltsqualität zu schaffen.

Hinsichtlich der Zugänglichkeit von Informationen unterrichtet Frau Dr. Heynen über die Willkommensbesuche. Eltern mit einem neugeborenen Kind erhielten bei diesen Besuchen Informationen zur Familieninformation im Jugendamt, zur Homepage der frühen Hilfen sowie zur Weiterentwicklung der Kita-App. Insgesamt müsse die Öffentlichkeitsarbeit alle Familien erreichen, damit Eltern einen Zugang zu möglichen Hilfen haben, verdeutlicht Frau Dr. Heynen.




BMin Fezer stellt fest:

Der Jugendhilfeausschuss hat von der GRDrs 200/2023 Kenntnis genommen.

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