Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
315/2020
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 08.05.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Fuhrmann
Berichterstattung:Frau Dr. Freitag, Herr Schoefer (beide FSG)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Flughafen Stuttgart GmbH
Jahresabschluss 2019

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 27.04.2020, GRDrs 315/2020, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der Vertreter der Landeshauptstadt Stuttgart in der Gesellschafterversammlung der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) wird beauftragt,

1. den Jahresabschluss zum 31.12.2019 in der vorgelegten Form festzustellen,

2. der Geschäftsführung für das Geschäftsjahr 2019 Entlastung zu erteilen,

3. über die Verwendung des Ergebnisses folgendermaßen zu beschließen: 4. die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Baker Tilly GmbH & Co. KG, Stuttgart, als Abschlussprüfer der FSG für das Geschäftsjahr 2020 zu bestellen

5. dem Aufsichtsrat der FSG für das Geschäftsjahr 2019 Entlastung zu erteilen.

Hinweis:
Mitglieder des Aufsichtsrats der FSG GmbH sind bei Beschlussziffer 5 (Entlastung des Aufsichtsrats) befangen und dürfen nicht an der Beratung und Beschlussfassung teilnehmen.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE) nimmt wegen Befangenheit im Sinne von § 18 GemO an der Beratung und Abstimmung der Beschlussantragsziffer 5 dieses Tagesordnungspunktes nicht teil.


Zunächst stellt Frau Dr. Freitag den sehr positiven Jahresabschluss 2019 anhand einer Präsentation vor, die dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt ist. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokoll-exemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.

Dabei weist sie ergänzend darauf hin, dass die wirtschaftliche Stärke der FSG 2019 ihr erlaube, die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu verarbeiten.

Die Vertreter der Fraktionen danken für den Bericht.

StRin Nuber-Schöllhammer lobt die wirtschaftliche Leistung der FSG und das positive Ergebnis 2019. Die Entwicklung des Flughafens werde künftig durch zwei Faktoren bestimmt: die wirtschaftliche Entwicklung nach der Corona-Pandemie sowie den Klimaschutz und die CO2-Bilanz. Offen sei noch, wie man mit den großen Umbauplanungen umgehe.

StR Mörseburg (CDU) betont die Bedeutung des Flughafens für den Wirtschaftsstandort Stuttgart. Insofern seien die positiven Ergebnisse der letzten Jahre umso erfreulicher. Der Terminal-Umbau sei aus Sicht seiner Fraktion weiterhin wichtig, um den Flughafen auch langfristig attraktiv zu halten.

Für StR Ozasek (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) hat das ökonomisch erfreuliche Ergebnis die Kehrseite in Form von Umweltschäden, insbesondere Klimabelastung. Zur Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag Nr. 46/2020 seiner Fraktion merkt er an, die Klimaemissionen im eigenen Wirkungskreis des Flughafens - Scope 1 und 2 - stiegen immer weiter an, und auch bei Scope 3 sei ein gravierender Anstieg von Jahr zu Jahr zu verzeichnen. Diese Entwicklung stehe im Widerspruch zu den Zielbeschlüssen des Gemeinderats in Bezug auf eine klimaneutrale Stadt, wobei er einräumt, dass der Flughafen sich nicht auf städtischem Grund befindet. Die Investitionsstrategie der FSG mache den ökologischen Rucksack des Flughafens immer schwerer. Angesichts der Folgen der Corona-Pandemie für die städtischen Beteiligungsunternehmen müsse man abwägen, welche Investitionen dringlich und sinnvoll im Sinne der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit seien. Er beantragt zu Ziffer 3 des Beschlussantrags, dass der Bilanzgewinn 2019 an die Eigner Land und Stadt ausgeschüttet wird. Damit könne die Stadt die von der Krise extrem betroffene SSB unterstützen. Aus Sicht seiner Fraktion sei es angemessen, wenn die FSG Investitionen zunächst zurückstelle.

Dass die FSG nicht Wachstum um jeden Preis anstrebe, sondern nachhaltiger wirtschaften und klimafreundlichere Flüge ermöglichen wolle, begrüßt StRin Schanbacher (SPD). Sie weist darauf hin, dass nicht nur der Wirtschaftsstandort Stuttgart vom Flughafen profitiere, sondern umgekehrt auch der Flughafen von einer starken Wirtschaft. Positiv vermerkt sie auch, dass die FSG sich bemühe, die am Flughafen ansässigen Unternehmen und damit Arbeitsplätze zu halten. An ihren Vorredner wendet sie sich mit dem Hinweis, angesichts der massiven Hilfsprogramme von Bund und Land sollte die Stadt die erwirtschafteten Gewinne nun nicht abschöpfen.

Mit Blick auf die langfristigen Auswirkungen auf den Flugverkehr und insbesondere die Passagierzahlen weist StR Neumann (FDP) darauf hin, dass sich das Arbeiten in der Coronakrise völlig verändert habe. Er gehe davon aus, dass Geschäftsreisen auch langfristig eingeschränkt würden, da man erkannt habe, dass Meetings als Videokonferenzen mit guter Software sehr gut funktionierten. Hier habe ein entscheidendes Umdenken in Richtung Digitalisierung stattgefunden. Das werde sich in den Passagierzahlen niederschlagen. Da einige Fluggesellschaften die Krise voraussichtlich nicht überleben würden, werde sich mittelfristig die Wettbewerbssituation verändern. Angesichts der zu erwartenden höheren Flugpreise sei es wahrscheinlich, dass die Unternehmen dann eher zu Bahnreisen tendierten. Auf die veränderte Nachfrage müsse sich die FSG einstellen.

StR Zaiß (FW) erkundigt sich nach der Zahl der Personen, die von Stuttgart aus in den Urlaub fliegen. Ganz klar spricht er sich dagegen aus, den von der FSG erwirtschafteten Gewinn abzuschöpfen.

Mit langfristigen Auswirkungen nach der akuten Coronakrise rechnet auch StR Köhler (AfD). In den verschiedensten Bereichen würden Prioritäten plötzlich sehr schnell neu gesetzt. Was lange undenkbar erschienen sei, sei nun möglich. Insofern hätte auch er gerne eine Prognose für die Zukunft.

An StR Ozasek wendet sich StRin Nuber-Schöllhammer mit dem Hinweis, gerade in der aktuellen Situation empfehle sie nicht, bei der FSG 50 Mio. € abzuschöpfen. Wenn der Flughafen wenigstens am Boden Scope 1 und 2 erreichen solle, brauche er sein eigenes Geld.

An StRin Schanbacher gewandt betont StR Ozasek, seiner Fraktion liege es fern, aktiv Arbeitsplätze zu gefährden. Sie greife die Kapitalbasis des Unternehmens nicht an, sondern schöpfe Bilanzgewinne ab, um diese in kommunale Daseinsvorsorge, z. B. die SSB, investieren zu können. Insofern würden Arbeitsplätze im Sinne einer sozialökologischen Transformation allenfalls verlagert.

Zur langfristigen Entwicklung führt Frau Dr. Freitag aus, hier werde sich einiges verändern. Man müsse sowohl Hygienestandards und ein verändertes Reiseverhalten als auch die Erwartungen der Bürgerschaft bezüglich Nachhaltigkeit berücksichtigen. In Bezug auf Geschäftsreisen sehe sie zwei Richtungen: Reduzierung bei denen, die sich an Video- oder Telefonkonferenzen gewöhnt hätten, und Steigerung bei denen, die neue internationale Geschäfte entwickelten. Ungefähr die Hälfte des Flugverkehrs entfalle auf private Reisen. Hierzu erhalte sie aktuell viele Anfragen, wann man wieder fliegen könne. Die Nachfrage nach Flügen sei sehr hoch. Dennoch sei mit einem deutlichen Ansteigen des Flugverkehrs aktuell nicht zu rechnen, solange die staatlichen Vorgaben zur Quarantäne nicht aufgehoben würden. Sie gehe davon aus, dass Stuttgart im Vergleich mit anderen Flughäfen aufgrund seiner starken und transformationsfähigen Industrien weiterhin ein attraktiver Standort sein werde. Er werde sich ausgehend von den 3 Mio. Passagieren entwickeln, ob man allerdings die 17 Mio. Passagiere wieder erreiche, sei reine Spekulation. Ohnehin werde dies längere Zeit in Anspruch nehmen, und es sei nicht klar, ob der Mix aus Geschäfts- und Urlaubsreisen so bleibe wie bisher. Die FSG befinde sich in einer Transformationsphase und müsse sich weiterhin committen, Nachhaltigkeit und Klimaneutralität anzustreben. Dafür sei der Stuttgarter Flughafen mittlerweile international bekannt.

Mit Blick auf die Ausschüttung des Bilanzgewinns erklärt sie, die FSG verliere aktuell pro Bankwerktag 1 Mio. € an Liquidität. Die Liquidität von momentan rund 90 Mio. € benötige die FSG, um durch die Krise zu kommen. Die Gespräche mit der Bank zeigten aber, dass sich die FSG am Kapitalmarkt refinanzieren könne. Frau Dr. Freitag kündigt an, dem Aufsichtsrat einen Vorschlag zur Aufnahme von Fremdkapital vorzulegen.

Zur Beschäftigungslage informiert sie, auf dem gesamten Campus gebe es rund 11.000 Beschäftigte. Der Konzern umfasse aktuell 2.100 Beschäftigte, davon 1.800 in Kurzarbeit. Die FSG beschäftige momentan 944 Personen, 800 davon in Kurzarbeit. Die Menschen, die am Flughafen arbeiteten, seien mit dem Herzen dabei und wollten nicht an einem anderen Ort arbeiten.

An Rabatten habe die FSG im Vorjahr 12,4 Mio. € für die Airlines aufgewandt. Dies sei marktgängig und von der FSG transparent dargestellt.

Marktaustritte habe es auch in der Vergangenheit gegeben. Die Lufthansa-Gruppe sehe sie weiterhin als sehr wichtigen Systempartner - auch mit ihrer Tochtergesellschaft
Eurowings - am Stuttgarter Standort. Einige Systempartner hätten um Stundung gebeten, und auch beim Kurzarbeitergeld setze die FSG ein wichtiges Signal, indem sie es auf 90 % aufgestockt habe, was nur aufgrund des Vorjahresgewinns möglich sei. Solche Werte seien für die FSG auch im Rahmen des Fairport-Kodexes sehr wichtig, weshalb sie dafür plädiere, den Gewinn in der Gesellschaft zu lassen.


Herr Schoefer ergänzt, man habe alle Investitionen auf den Prüfstand gestellt und alles nicht absolut Notwendige zurückgestellt. Auch den Ausbau des Terminals habe man mit einem Moratorium versehen. Die Investitionsliste für 2020 umfasse ohne die Teilerneuerung der Start- und Landebahn rund 45 Mio. €, u. a. für Brandschutz, Feuerwehrfahrzeuge, Vorfeldfahrzeuge im Rahmen der Umstellung auf Elektroflotte, Bauarbeiten auf dem Vorfeld und eine neue Gepäckförderanlage in Terminal 1 im Zusammenhang mit der MRKA (Maschinelle Reisegepäckkontrolle). Als öffentliches Unternehmen habe die FSG keinen Zugang zu öffentlicher Liquiditätshilfe. Hier tue sich eine Lücke auf, die die FSG, wenn die Krise länger dauere, vor Probleme stellen könnte.

Im Juli werde die FSG den neuen integrierten Bericht veröffentlichen, in dem dargelegt werde, mit welchen Maßnahmen der Flughafen bis 2050 die Klimaneutralität erreichen wolle. Der Flughafen Stuttgart sei hier vielen anderen Flughäfen voraus.

Im Zusammenhang mit der Stundung merkt er an, mit Ausnahme des Frachtbereichs, in dem eher noch zusätzliches Personal benötigt werde, befänden sich die übrigen Beschäftigten zum allergrößten Teil in Kurzarbeit. Er begrüße die mit dem Betriebsrat vereinbarte Aufstockung, die zunächst bis 30.06. befristet sei.

Was den Baden-Airpark anbelange, so schreibe dieser operativ zwar schwarze Zahlen, erwirtschafte jedoch seit vielen Jahren die Abschreibungen nicht. Diese Situation habe sich in den letzten Jahren noch verschlimmert, weil die kleinen Flughäfen z. B. ihre Flugsicherung selbst bezahlen müssten, während bei den Großflughäfen die DFS eine Entlastung organisiere. Bei einer Gleichbehandlung würde der Baden-Airpark hierfür 1,5 Mio. € erhalten. Insofern werde die Coronakrise für die Regionalflughäfen schwieriger zu bewältigen sein als für die Großflughäfen.

Mit Blick u. a. auf die Klimakrise erinnert StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) an die Strategie seiner Fraktion, die das Ende des Flughafens in 10 bis 15 Jahren verfolge. Diese Art der Fortbewegung könne dann am Standort Stuttgart dem Standard ökologischer und sozialer Mobilität nicht mehr entsprechen. Insofern seien Investitionen nicht mehr sinnvoll. Der Antrag seiner Fraktion basiere auf der langfristigen Strategie, diesen Flughafen abzuwickeln.

Diesen Antrag bezeichnet StR Körner (SPD) angesichts der mehreren tausend Beschäftigten in Kurzarbeit als sehr zynisch.

BM Fuhrmann lässt zunächst über den Änderungsantrag der FrAKTION abstimmen, der folgendermaßen lautet:

Der Vertreter der Landeshauptstadt in der Gesellschafterversammlung der FSG wird beauftragt, die Ziffer 3 des Beschlussantrags abzulehnen und zu beantragen, dass der Bilanzgewinn in Höhe von 50.173.600,01 € anteilig an die Gesellschafter abgeführt wird.

Dieser Antrag wird vom Ausschuss bei 2 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung mit 12 Nein-Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

Die Ziffern 1 bis 4 des Beschlussantrags beschließt der Ausschuss mit 13 Ja-Stimmen bei 2 Enthaltungen.

Ziffer 5 des Beschlussantrags, an deren Abstimmung StRin Nuber-Schöllhammer wegen Befangenheit nicht teilnimmt, wird vom Ausschuss einstimmig beschlossen.
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