Protokoll:
Sozial- und Gesundheitsausschuss
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
58
1
Verhandlung
Drucksache:
252/2019
GZ:
SI
Sitzungstermin:
20.05.2019
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BMin Fezer
Berichterstattung:
Herr Schaaf und Frau Wurfer (beide Ambulante Hilfe Stuttgart e. V.)
Protokollführung:
Herr Krasovskij
de
Betreff:
Hotel Plus (Ambulante Hilfe Stuttgart e. V. ) - Aktueller Stand und Empfehlungen zur Weiterentwicklung
Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration vom 15.04.2019, GRDrs 252/2019. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
Im Anschluss an eine kurze Einleitung durch BMin
Fezer
, informiert Frau
Wurfer
(Ambulante Hilfe Stuttgart e. V.) die Ratsmitglieder im Sinne der Vorlage über die Arbeit im Rahmen des Angebots Hotel Plus, die Erkenntnisse nach dreijähriger Laufzeit des Angebots und Empfehlungen zur Weiterentwicklung. Sie berichtet, dass zur Zielgruppe des betreuten Wohnangebots Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen, sogenannte "Grenzgänger" zwischen den ordnungsrechtlichen Unterbringungen und den Sozialhilfeträgern des § 53 und § 67 SGB (Sozialgesetzbuch) XII, gehörten. Diese Personen würden sich die eigene missliche Lage oftmals nicht eingestehen, seien nicht krankheitseinsichtig und auch nicht mitwirkungsbereit beim Hilfeplanverfahren. Viele würden ein konfliktträchtiges, sozial unangepasstes, auffälliges oder herausforderndes Verhalten an den Tag legen, bzw. hätten aufgrund ihres Krankheitsprozesses keine sozialen oder familiären Kontakte mehr.
Zum Teil seien die Bewohnerinnen und Bewohner des Hotel Plus zuvor nicht in psychiatrischer Behandlung gewesen oder hätten diese nicht als gewinnbringend empfunden, woraus sich eine ablehnende Haltung gegenüber der Psychiatrie entwickelt habe. Frau Wurfer fährt weiter fort und erklärt, dass viele der betreuten Personen an schizophrenen Erkrankungen, schweren Persönlichkeitsstörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder isolierten Wahnstörungen aufgrund von zum Teil massiven Gewalterfahrungen leiden würden.
Durch die sozialpsychiatrische Fachkompetenz dank der Kooperation unter anderem mit dem zuständigen örtlichen Gemeindepsychiatrischen Zentrum Ost und dem Klinikum Stuttgart sowie den Erfahrungshintergrund der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ambulanten Hilfe Stuttgart e. V. versuche man beim Hotel Plus individuell und passgenau auf die Situation und die Bedürfnisse der betreuten Personen einzugehen. Ein wichtiges Element des Konzepts seien niederschwellige sozialarbeiterische Angebote der Begleitung und Beratung unter Berücksichtigung des Autonomiekonzepts der Zielpersonen und ihres jeweiligen Verhaltens. Nicht selten müssten Mitarbeiter des Hotel Plus als Vermittler zwischen den Bewohnern oder ihren Angehörigen auftreten. Die Betreuung und auch der vorangehende Vertrauensaufbau würden viel Zeit und Geduld in Anspruch nehmen.
Seit der Eröffnung im November 2015 seien im Hotel Plus insgesamt 31 Personen betreut worden, 24 Männer und 7 Frauen. Davon seien 4 Personen aufgrund von Haft oder Krankenhausaufenthalten mehrmals ein- und ausgezogen. Die größte Gruppe (12 Bewohner) seien 24 Monate und länger in der Einrichtung untergebracht. Die Altersverteilung der Bewohnerinnen und Bewohner umfasse eine große Spanne von 21 bis 75 Jahren, wobei es in der Gruppe der 65- bis 75-jährigen keine Männer gebe. Im Folgenden geht Frau Wurfer analog der Vorlage ausführlich auf die Gründe für die Beendigungen der Hilfen im Hotel Plus seit November 2015 ein.
Anschließend illustriert Herr
Schaaf
(Ambulante Hilfe Stuttgart e. V.) analog der Vorlage und anhand zweier Fallbeispiele die besonderen Problemlagen der Bewohnerinnen und Bewohner im Hotel Plus.
Hinsichtlich des Konzeptes des betreuten Wohnangebotes ergänzt der Referent, es werde eine motivorientierte Beziehungsarbeit und die Arbeit mithilfe von Klientenmodellen praktiziert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden versuchen, sich auf die Bewohner und deren Vorstellungen sowie Erwartungen dem Betreuerpersonal gegenüber einzustellen. Ferner versuche man so auch, mit den betreuten Personen in einem regelmäßigen Kontakt zu bleiben.
Zusammenfassend stellt Herr Schaaf fest, dass die psychosoziale Beratung und Begleitung der Bewohnerinnen und Bewohner gut gelinge und auch ein Gefühl der Beheimatung der betreuten Personen im Hotel Plus beobachtet werden könnte. Weniger gut gelinge die Förderung einer Mitwirkungsbereitschaft für Überleitungsprozesse in Angebote der Sozialpsychiatrie oder der Wohnungsnotfallhilfe. In diesem Zusammenhang verweist Frau
Wurfer
auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Hotel Plus (siehe Anlage 2 zur Vorlage).
Im Folgenden betont Frau
Reichhardt
(SozA) von Seiten der Verwaltung die Wichtigkeit der geleisteten Arbeit im Rahmen des betreuten Wohnangebots Hotel Plus und die Notwendigkeit, dieses Angebot fortzuführen, bzw. ein ähnliches Folgeangebot zu schaffen. Im Hotel Plus würden Personen eine Unterkunft und Zuflucht finden, die anderswo aufgrund ihrer Verhaltensauffälligkeiten oder ihrer schwierigen Persönlichkeit womöglich nicht tragbar wären. Die Verwaltungsmitarbeiterin weist aber ebenfalls darauf hin, dass trotz der vielen positiven Aspekte, die Weitervermittlung der Personen aufgrund der hohen Voraussetzung der Mitwirkung in der Eingliederungshilfe sich als schwierig gestalte. Nach der Sommerpause werde die Verwaltung wie gewünscht eine übergreifende Vorlage vorlegen, die sich differenziert mit den Aspekten ordnungsrechtliche Unterbringung und Sozialunterkünfte beschäftigen werde, um für unterschiedliche Menschen künftig die bestmöglichen Lösungen und Hilfen anzubieten, meint Frau Reichhardt weiter.
Die Arbeit und Konzeption des Hotel Plus werden im Verlauf der Aussprache von StR
Dr. Reiners
(CDU), StR
Stopper
(90/GRÜNE), StR
Ehrlich
(SPD), StRin
Halding-Hoppenheit
(SÖS-LINKE-PluS), StRin
Bodenhöfer-Frey
(FW) und StRin
Yüksel
(FDP) begrüßt und als wichtig dargestellt. Die Ausschussmitglieder verweisen fraktionsübergreifend auf den großen Unterstützungsbedarf der Bewohnerinnen und Bewohner in ihren besonderen Lebenslagen sowie die Herausforderungen im Umgang mit diesen Menschen und sprechen sich für eine Fortführung dieses niedrigschwelligen Angebotes aus. Zudem bedanken sich die Ratsmitglieder bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des betreuten Wohnangebots für deren Einsatz, sowie bei der Verwaltung, der Ambulanten Hilfe Stuttgart e. V., dem städtischen Klinikum und den anderen Kooperationspartnern für die Unterstützung des Angebots.
StR
Dr. Reiners
erklärt, es müsse gemeinsam weiter überlegt werden, wie künftig die Zahl der erfolgreichen Überleitungen in andere Angebote der Sozialpsychiatrie oder der Wohnungsnotfallhilfe (was eines der Ziele des Hotel Plus sei) gesteigert werden könne.
Auf eine Frage von StR Dr. Reiners eingehend erklärt Herr
Peter
(SozA), wenn der Ansatz des Probewohnens um eine leichtere Überleitung in die Eingliederungshilfe zu ermöglichen, scheitere, könne die betroffene Person wieder in das Hotel Plus zurückkehren (sobald ein Platz frei werde). Diese Garantie sei sowohl gegenüber der aufnehmenden Einrichtung als auch für die vermittelten Bewohnerinnen und Bewohner sehr wichtig. Nach einer weiteren Frage des Stadtrats bezüglich des Vorschlags der zur Weiterentwicklung des Hotel Plus eingerichteten Arbeitsgruppe (Etablierung einer dauerhaften Sprechstunde eines Psychiaters in den Räumen des Hotel Plus) führt Herr Peter aus, es sei diesbezüglich Kontakt zum Klinikum aufgenommen worden. Allerdings gebe es hier aufgrund der dortigen Personalsituation noch keine konkreten Entwicklungen.
Von StR
Stopper
werden im weiteren Verlauf die Vorschläge der gegründeten Arbeitsgruppe begrüßt. Insbesondere auch die Anregung eines Anschlussangebotes halte seine Fraktion für sinnvoll. Hierfür müsse nun eine Konzeption erarbeitet werden. Der Stadtrat erkundigt sich, über die weitere Planung hierzu seitens der Verwaltung bzw. Möglichkeiten der Finanzierung.
Im gleichen Kontext spricht StR
Ehrlich
das Angebot Berberdorf in Esslingen an und regt an, dieses bei einer der nächsten Rundfahrten des Sozial- und Gesundheitsausschusses zu besuchen.
Gegenüber StR Stopper erklärt Herr
Peter
, falls die betreuten Personen das Angebot des Hotel Plus verlassen (müssen) – aufgrund ihres Verhaltens oder auf freiwilliger Basis – so sei die Stadt Stuttgart, wie bei allen Menschen, die in Stuttgart obdachlos werden, für diese Personen als Kommune zuständig und zu deren Unterbringung verpflichtet. Hier komme dann die ordnungsrechtliche Unterbringung in der zentralen Notübernachtung oder einer Sozialpension zum Einsatz.
Nach einer Frage von StRin Bodenhöfer-Frey erklärt Herr
Peter,
die einstigen Vorbehalte und Befürchtungen der Nachbarschaft gegen das Hotel Plus hätten sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Auch Herr
Schaaf
berichtet ergänzend, die anfänglichen Probleme (speziell mit einem Nachbarn) seien nun vollständig ausgeräumt. Das Angebot sei innerhalb der Wangener Bevölkerung akzeptiert und man spüre, dass seitens der Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort bestehe.
In ihrer Wortmeldung äußert sich auch StRin
Yüksel
positiv bezüglich der Vorschläge der zur Weiterentwicklung des Hotel Plus einberufenen Arbeitsgruppe.
Bevor BMin
Fezer
StR Dr. Fiechtner das Wort erteilt, erklärt sie ihm gegenüber, sie werde vorläufig auf die Vollziehung der Ordnungsverfügung verzichten und im Moment nicht weiter darauf bestehen, dass der Stadtrat den Sitzungssaal verlasse, da er den Verlauf der Sitzung seit der Wiederaufnahme nicht mehr gestört habe. Danach erteilt die Vorsitzende StR Dr. Fiechtner das Wort.
StR
Dr. Fiechtner
betont zunächst den großen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotel Plus im Umgang mit dem schwierigen Klientel und dankt für diesen Einsatz. Danach verweist er bezugnehmend auf die Vorlage darauf, dass eines der ursprünglichen Ziele des Angebots, nämlich die regelmäßige Überleitung von Personen in andere Angebote der Wohnungsnotfallhilfe und Sozialpsychiatrie in den ersten drei Jahren des Betriebs, nicht in dem erhofften Ausmaß gelungen sei. Dies betrachte er als ein "Eingeständnis des Scheiterns", erklärt der Stadtrat und stellt anschließend die Fortführung bzw. den Ausbau des Angebotes in Frage. Denn jede aus kommunalen Mitteln unterstützte Maßnahme müsse einer Effizienzprüfung unterzogen werden. StR Dr. Fiechtner möchte zudem wissen, welche Geldmittel zur Förderung des Angebots Hotel Plus seitens der Stadt aufgewendet werden. Ferner fragt er, ob sich die (gesundheitliche) Situation der betreuten Personen durch die Aufnahme in das betreute Wohnangebot wirklich nachhaltig zum Besseren verändert habe.
In diesem Zusammenhang betont Frau
Reichhardt
erneut, das Hotel Plus sei ein wichtiger Baustein im Rahmen des Hilfesystems der Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe. Das Angebot sei dabei nicht kostenaufwendiger als andere entsprechende Maßnahmen. Anlässlich der anstehenden Haushaltsplanberatungen und der Stellenplanberatungen werde das Sozialamt versuchen, sich für die Zukunft personell und konzeptionell entsprechend aufzustellen, damit auch schwierige Personengruppen, die vorrangig ordnungsrechtlich untergebracht werden müssten, künftig bestmöglich unterstützt werden.
Anschließend erklärt BMin
Fezer
gegenüber StR Dr. Fiechtner, seine Fragen würden in der angekündigten Mitteilungsvorlage zu den Haushaltsplanberatungen beantwortet. Die Vorsitzende äußert sich ihrerseits ebenfalls positiv über die Arbeit des Hotel Plus und unterstreicht die Notwendigkeit dieses Angebotes.
Danach stellt BMin
Fezer
fest:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss
hat
von der GRDrs 252/2019
Kenntnis genommen.
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