Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
GRDrs
1100/2020
Stuttgart,
01/11/2021
Mietobergrenzen 2021/2022 - Angemessenheitsgrenzen für die Unterkunftskosten im SGB II und SGB XII (schlüssiges Konzept)
Mitteilungsvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Kenntnisnahme
öffentlich
25.01.2021
Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1
Das Jobcenter und das Sozialamt berücksichtigen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II und § 35 SGB XII in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Für die Kaltmiete gelten von der Haushaltsgröße abhängige Mietobergrenzen. Diese werden nach einem sog. „schlüssigen Konzept“ bestimmt, dessen Kriterien das Bundessozialgericht (BSG) aufgestellt hat.
Liegt wie in Stuttgart ein qualifizierter Mietspiegel vor, werden die Quadratmeterpreise für die Mietobergrenzen anhand derselben Datensätze festgelegt, die auch der Erstellung des Mietspiegels dienen. Der zusammen mit dem Statistischen Amt ermittelte
Quadratmeterpreis wird anschließend mit einer Fläche multipliziert, die sich aus der Verwaltungsvorschrift zur Wohnraumförderung ergibt.
Die Mietobergrenzen werden jeweils mit der Aktualisierung des Mietspiegels neu berechnet. Der neu aufgestellte Mietspiegel 2021/2022 ist seit 01. Januar 2021 gültig (GRDrs 1045/2020).
Ab 01. Januar 2021 gelten damit folgende Mietobergrenzen:
Haushaltsgröße
Mietobergrenze
2021/2022
Mietobergrenze
2019/2020
Differenz in €
Veränderung
in %
1 Person
525,00
486,00
+ 39,00
8,0
2 Personen
618,00
594,00
+ 24,00
4,0
3 Personen
726,00
705,00
+ 21,00
3,0
4 Personen
861,00
846,00
+ 15,00
1,8
5 Personen
1.009,00
976,00
+ 33,00
3,3
6 Personen
1.191,00
1.116,00
+ 75,00
6,7
jede weitere Person
149,00
139,50
+ 9,50
6,8
Vorliegende Anträge/Anfragen
---
---
Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin
Anlage 1: Ausführlicher Bericht
Ausführlicher Bericht
I. Ermittlung der Mietobergrenzen
Die Angemessenheitsgrenzen müssen nach dem Bundessozialgericht (BSG) mittels eines sog. „schlüssigen Konzepts“ ermittelt werden. Gemeint ist ein standardisiertes Verfahren, das die Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarkts abbildet. Für Kommunen, die wie Stuttgart einen qualifizierten Mietspiegel erstellen, bedeutet dies u.a., dass für die Berechnung der Mietobergrenzen die Datensätze der Mietverhältnisse herangezogen werden, die auch der Erstellung des qualifizierten Mietspiegels dienen. Nach dem BSG werden mit den Daten eines qualifizierten Mietspiegels die Mindestvoraussetzungen für ein schlüssiges Konzept insbesondere in Bezug auf die Erhebung, Auswertung, Repräsentativität und Validität der Daten erfüllt.
a) Mindestvoraussetzungen
Ein Konzept ist nach ständiger Rechtsprechung schlüssig, wenn bei der Datenerhebung und -auswertung folgende Mindestvoraussetzungen erfüllt werden:
1. Datenerhebung im gesamten Vergleichsraum
2. Definition des Beobachtungsgegenstandes
3. Angaben über den Beobachtungszeitraum
4. Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (hier: Mietspiegeldatensätze)
5. Repräsentativität der Daten
6. Validität der Datenerhebung
7. Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung
8. Angaben über die gezogenen Schlüsse.
b) Festlegung des unteren Marksegments:
Nach dem BSG ist für Leistungsberechtigte ein unteres Marktsegment zu definieren. Das sind Wohnungen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne einen gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Anhand regionaler Gegebenheiten ist zu entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnungsstandard ausmachen.
Die bisherige Auswertung der mietspiegelrelevanten Wohnungen mit einfacher Ausstattung, aller Baujahre und aller Lagen, ist aufgrund der Umstellung des Mietspiegels auf einen
Grundwert mit Zu- und Abschlägen
für einzelne Ausstattungsmerkmale nicht mehr ohne Weiteres möglich. Die Vergleichsmiete errechnet sich nun anhand eines Grundwertes, dem je nach vorhandenen oder nicht vorhandenen Wohnwertmerkmalen Zu- und Abschläge hinzugerechnet oder abgezogen werden.
Die Abbildung des unteren Marktsegments muss dementsprechend nach einem zweistufigen Verfahren erfolgen:
In einem ersten Schritt werden die mietspiegelrelevanten Wohnungen um folgende Wohnwertmerkmale des gehobenen Marktsegments bereinigt: Penthousewohnung, Einfamilienhaus, offene Küche, Fußbodenheizung, elektrische Rollläden, Handtuchwärmer, Dusche mit bodenebenem Einstieg, Videogegensprechanlage.
Der alleinige Ausschluss des gehobenen Marktsegments (Komfortwohnungen) wird den rechtlichen Anforderungen an ein unteres Marktsegment noch nicht gerecht. Daher werden in einem zweiten Schritt von den verbleibenden Wohnungen des mittleren und unteren Marktsegments die oberen 35 Prozent (= Perzentil 65) nicht berücksichtigt. Um die Verlässlichkeit der statistischen Aussagen zu gewährleisten, wurde darauf geachtet, auch weiterhin eine ausreichend große Anzahl an Wohnungen sicherzustellen. Auf einzelne Merkmale, wie beispielsweise bessere Wohnlagen, kann daher nicht verzichtet werden.
Basis der Auswertung sind die Daten der Wohnungen, die im Rahmen der Mietspiegel- und Wohnungsmarktbefragung im April 2020 erhoben wurden (
mietspiegelrelevante Wohnungen
). Dabei handelt es sich nach dem oben dargelegten Ausschlussverfahren um 1.528 Mietverhältnisse im freien Wohnungsmarkt, die in den letzten sechs Jahren abgeschlossen wurden oder bei denen in diesem Zeitraum eine Mietpreisanpassung erfolgte. Nicht zum freien Wohnungsmarkt zählen Wohnungen, die von Freunden und Verwandten vergünstigt angemietet wurden, Werkswohnungen, Wohnungen in Wohnheimen und Sozialmietwohnungen.
Um eine ausreichende Fallzahl und eine sachgerechte Abbildung zu gewährleisten, wurde um die Normwohnflächen (45 m², 60 m², usw.) jeweils ein Korridor von +/- 10 m² gelegt. Das heißt zum Beispiel, die Mietobergrenze für Wohnungen mit 45 m² (Einpersonenhaushalte) errechnet sich aus allen mietspiegelrelevanten Wohnungen mit 35 bis 55 m².
c) Berechnung der Mietobergrenzen
Zur konkreten Berechnung der Mietobergrenzen hat das BSG die „Produkttheorie“ entwickelt. Danach berechnet sich die Mietobergrenze aus dem Produkt der Wohnfläche und einem Quadratmeterpreis, der aus den Datensätzen des Mietspiegels für Wohnungen des unteren Marktsegments bestimmt wird. Die Wohnflächen ergeben sich aus der Verwaltungsvorschrift zur Wohnraumförderung des Landes Baden-Württemberg.
Damit ergeben sich folgende Mietobergrenzen:
Haushaltsgröße
Fläche
m²
Quadratmeterpreis
neu alt
Mietobergrenze
2021/2022
1 Person
45
11,67
10,80
525,00
2 Personen
60
10,30
9,90
618,00
3 Personen
75
9,68
9,40
726,00
4 Personen
90
9,57
9,40
861,00
5 Personen
105
9,61
9,30
1.009,00
6 Personen
120
9,93
9,30
1.191,00
jede weitere Person
+ 15
9,93
9,30
+
149,00
In der Praxis gilt nach der Produkttheorie die so ermittelte Mietobergrenze dann unabhängig von der tatsächlichen Wohnungsgröße. Relevant ist insbesondere, dass die Kaltmiete nicht höher als die Mietobergrenze ist. So kann eine Person auch in einer kleineren als 45 Quadratmeter großen Wohnung leben, die einen höheren Quadratmeterpreis als 11,67 Euro hat, wenn ihre Kaltmiete insgesamt 525,00 Euro nicht übersteigt. Begrenzt wird dies durch Mietwucher (Überschreitung der Vergleichsmiete um mehr als 50%) oder Mietpreisüberhöhung (Überschreitung um mehr als 20%).
II. Belastbarkeit der Mietobergrenzen
Die beigefügte Abbildung stellt für Einpersonenhaushalte exemplarisch dar, wie sich alle Haushalte (laut Mietspiegelerhebung; hellgrau) und die SGB II-Haushalte (dunkelgrau) in Bezug zur Mietobergrenze verteilen. Der senkrechte schwarze Strich markiert die aktuelle Mietobergrenze für Einpersonenhaushalte in Höhe von 525,00 €. Das untere Marktsegment bildet sich links davon ab.
Von den Einpersonenhaushalten, die SGB II – Leistungen beziehen, liegen knapp 94 % mit ihrer Kaltmiete unter der neuen Mietobergrenze in Höhe von 525,00 €. Die
durchschnittliche
tatsächliche Kaltmiete
von Einpersonenhaushalten im SGB II liegt bei ca.
368,26 €
(Stand: August 2020).
Die 6,3 % der Haushalte, die über der Mietobergrenze liegen,
- befinden sich entweder im Kostensenkungsverfahren oder
- die Prüfung ergab, dass eine Mietsenkung aktuell nicht zumutbar ist oder
- es greift das vereinfachte Verfahren während der Corona-Pandemie, wonach bei Mieten über der Mietobergrenze in der Zeit vom 01. März 2020 bis 31. März 2021 nach § 67 SGB II keine Kostensenkungsprüfungen stattfinden. Dies gilt nicht für bereits vor 01. März 2020 abgeschlossene Kostensenkungs-verfahren.
Anteil SGB II - Haushalte unterhalb der Mietobergrenze
- ohne BG mit Kontext Fluchtmigration -
Mietobergrenze
2021/2022
Mietobergrenze
2019/2020
Mietobergrenze
2018/2017
1 Person
93,7 %
92 %
92 %
2 Personen
89,8 %
89 %
90 %
3 Personen
92,4 %
93 %
94 %
4 Personen
95 %
97 %
98 %
5 Personen
97,6 %
97 %
98 %
Im Dezember 2020 wurde eine
Marktrecherche
durchgeführt um beurteilen zu können, ob für Leistungsberechtigte, die eine neue Wohnung suchen, mit den neuen Mietobergrenzen ein ausreichendes Wohnungsangebot zur Verfügung steht.
Die größte Nachfrage besteht bei den Ein- und Zweipersonenhaushalten, in denen zusammen circa 71 % der SGB II - Leistungsberechtigten leben.
Anteil der jeweiligen Haushaltsgröße im SGB II (Stand August 2020, gerundet):
1 Person
2 Personen
3 Personen
4 Personen
> 5 Personen
53 %
18 %
12 %
9 %
8 %
Die folgende Abbildung fasst das Ergebnis der Marktrecherche zusammen:
Einpersonenhaushalt
2 Per-sonen
3 Per-sonen
4 Per-sonen
5 Per-sonen
6 Per- sonen
bis 525 €
davon WG-Zimmer
bis 618 €
bis 726 €
bis 861 €
bis 1.009 €
bis 1.191 €
ab 1 Zimmer
ab 2 Zimmer
ab 3 Zimmer
ab 3 Zimmer
ab 4 Zimmer
ab 4 Zimmer
ImmoScout24
138
45
31
9
29
7
17
Immonet
21
8
8
4
10
3
5
StZ-Immo
22
1
7
6
10
1
3
Immowelt
18
5
7
3
8
2
4
Wohnungs- boerse
10
4
9
8
9
4
5
Danach werden monatlich ausreichend Wohnungen am Markt angeboten. Inwiefern einzelne Wohnungen bei verschiedenen Plattformen gleichzeitig ausgeschrieben werden, konnte nicht überprüft werden. Zu berücksichtigen ist, dass die meisten Wohnungen ohne Anzeige in der Zeitung oder im Internet (weiter-)vermietet werden.
Inwieweit eine Vermittlung an SBG II-Leistungsempfänger Erfolg hätte, kann nicht gesagt werden. Jedoch geht das Jobcenter davon aus, dass monatlich circa 160 Bedarfsgemeinschaften (alle Haushaltsgrößen) umziehen – vgl. V. Umzüge. Es ist daher davon auszugehen, dass Leistungsberechtigte Wohnungen in ausreichender Anzahl finden.
III. Kostensenkung
a) zumutbare Kostensenkung
In den Fällen, in denen die Kaltmiete über der Mietobergrenze liegt, ist vom Jobcenter oder Sozialamt im Einzelfall zu prüfen, ob die Senkung der Kosten auf die Mietobergrenze zumutbar ist.
Pandemie-Regelung
- § 67 SGB II:
Im Zeitraum 01. März 2020 bis 31. März 2021 beginnt das Kostensenkungsverfahren bei Mieten, die über der Mietobergrenze liegen, erst ab 01. April 2021. Solange wird die tatsächliche höhere Miete berücksichtigt. Die Regelung gilt nicht für bereits vor dem 01. März 2020 abgeschlossene Kostensenkungsverfahren.
Die Senkung einer Miete, die über der Mietobergrenze liegt, ist grundsätzlich zumutbar z.B. durch
·
Untervermietung,
·
einen Zuschuss Dritter,
·
Nutzung von Einkommensfreibeträgen/geschütztem Vermögen,
·
Verhandlungen mit den Vermietern,
·
Umzug.
Ein Umzug stellt für die Betroffenen dabei das letzte Mittel zur Senkung von unangemessenen Kosten der Unterkunft dar. Setzen die Betroffenen eine zumutbare Kostensenkung nicht um, wird die Kaltmiete in der Regel nach 6 Monaten nur noch in Höhe der Mietobergrenze anerkannt. Meistens versuchen Leistungsberechtigte bei zumutbarer Kostensenkung und soweit die Mietobergrenze nur in geringem Umfang überschritten wird, dies mit Hilfe der o.g. anderen Senkungsmöglichkeiten auszugleichen. Ein Umzug wird also i.d.R. nicht notwendig.
b) unzumutbare Kostensenkung
- Härtefälle, Wirtschaftlichkeitsprüfung -
Liegt die Kaltmiete über der Mietobergrenze und ergibt die Einzelfallprüfung, dass eine Kostensenkung aus bedeutenden Gründen nicht zumutbar oder nicht wirtschaftlich ist, erkennen das Jobcenter und das Sozialamt bis auf Weiteres die höhere (unangemessene) Kaltmiete auch nach Ablauf der 6-Monats-Frist an.
Die Obliegenheit zur Senkung unangemessener Kosten kann im Einzelfall aus
bedeutenden Gründen
, die in den persönlichen Lebensumständen der Leistungsberechtigten liegen, eingeschränkt sein. Solche Gründe ergeben sich z.B. aus Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Rücksichtnahme auf schulpflichtige Kinder, Alleinerziehung, nur vorübergehender Änderung der Bewohnerzahl (Trennung, Haft), Wahrnehmung eines Umgangsrechts.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Berücksichtigung einer unangemessen hohen Miete der
Ausnahmefall
, der sachlich begründet werden muss. Hierfür ist eine Einzelfallprüfung zwingend Voraussetzung. Eine
pauschale Erhöhung
der Mietobergrenze(n) z.B. um 10 Prozent ist nach dem BSG
nicht zulässig
.
Ist eine Kostensenkung zumutbar, ist im SGB II abschließend noch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgeschrieben - § 22 Absatz 1 Satz 4 SGB II. Danach wird eine Senkung unangemessen hoher Kosten ebenfalls nicht gefordert, wenn diese im Verhältnis zu den durch einen Umzug entstehenden Kosten unwirtschaftlich wäre. Dies greift u.a. bei nur vorübergehendem Leistungsbezug z.B., wenn ein Rentenantrag gestellt wurde oder Unterhaltsansprüche in ausreichender Höhe bestehen.
IV. Geförderter sozialer Wohnungsbau und geförderter Wohnungsbau für
besondere Bedarfsgruppen
a) geförderter sozialer Wohnungsbau
Bei Wohnungen mit Belegungs- und Mietpreisbindung wird, auch soweit die Kaltmiete über der Mietobergrenze liegt, weiterhin die tatsächliche Miete anerkannt.
b) geförderter Wohnungsbau für besondere Bedarfsgruppen
Die tatsächliche Miete wird auch dann anerkannt, wenn im Rahmen öffentlich geförderten Wohnungsbaus (bzw. unter Einbezug investiver öffentlicher Förderung) neuer Wohnraum entsteht (im Sinne von einem Neubau oder Umbau), der ausschließlich für besondere Bedarfsgruppen (u.a. Menschen mit Behinderung, Wohnungslose, Pflegebedürftige) bestimmt ist und von diesen bezogen wird.
V. Umzüge
Die Gründe für einen Umzug sind vielfältig:
·
Arbeitsaufnahme, i.d.R. außerhalb Stuttgarts
·
Bedarfsgemeinschaft (BG) vergrößert sich durch die Geburt eines Kindes
·
BG verkleinert sich, da ein Partner oder ein (volljähriges) Kind auszieht
·
Krankheit, z.B. Asthma, Gehbehinderung - Umzug in eine EG-Wohnung -
·
ungünstige Wohnverhältnisse, z.B. Schimmelbildung, Lärm, bauliche Mängel, sanitäre Anlagen
·
Auszug aus dem Elternhaus von U25-Jährigen, wenn das Jugendamt einen schwerwiegenden sozialen Grund bestätigt
·
rechtskräftiges Räumungsurteil
·
Mietobergrenze wird überschritten und Kostensenkung ist zumutbar
·
Zuzüge von außerhalb.
Die Anzahl der Umzüge beim Jobcenter ist statistisch nicht auswertbar. Ein Bild vermittelt jedoch die Anzahl der bewilligten Umzugskosten und der übernommenen Mietkautionen. Im Jahr 2020 wurden in circa 1.900 verschiedenen Fällen entweder Kosten für einen Umzug und / oder für die Mietkaution übernommen. Nicht auswertbar ist, ob der Umzug innerhalb Stuttgarts oder in eine andere Kommune erfolgte. Das Stuttgarter Jobcenter ist für die Mietkautionen bei Umzügen nach Stuttgart und innerhalb Stuttgarts zuständig. Insoweit finden monatlich circa 160 Umzüge in und nach Stuttgart statt. Nicht auswertbar ist wie viele davon aufgrund der Senkung von Mieten über der Mietobergrenze erfolgen, da auch viele Zuzüge von außerhalb und Auszüge aus z.B. Unterkünften für Geflüchtete darunter sind.
VI. Heizkosten
Auch die Heizkosten werden in tatsächlicher Höhe berücksichtigt, soweit diese angemessen sind. Die Prüfung der Angemessenheit der Heizkosten richtet sich nach dem bundesweit geltenden
Heizspiegel
(erstellt von co2online, gemeinnützige GmbH). Ein aktueller kommunaler Heizspiegel würde dem bundesweiten Heizspiegel vorgehen. Anhaltspunkt für unangemessen hohe Heizkosten ist die Überschreitung von Grenzwerten, die sich aus dem Heizspiegel ergeben. Der Grenzwert ergibt sich aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche, z.B. 45 m² für Einpersonenhaushalte und aus den entsprechenden Werten des Heizspiegels der Spalte „zu hoch“ für den jeweiligen Energieträger – Erdgas, Heizöl, Fernwärme. Für Nachtspeicheröfen werden die Werte des teuersten Energieträgers entsprechend herangezogen.
Bei Überschreitung des Grenzwertes ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände zu prüfen, ob eine Senkung der Kosten zumutbar ist. Bedeutende Gründe, die gegen die Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen sprechen, können Gründe sein, die auch einem Umzug entgegenstehen würden, wie z.B. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit – vgl. III b). Das Jobcenter und das Sozialamt ermöglichen in diesen Fällen den Leistungsberechtigten auch eine Energieberatung.
VII. weitere Entwicklung
Das Verfahren zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen wird regelmäßig durch die Rechtsprechung überprüft und ggf. weiterentwickelt. Zudem hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2015 aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen der Grundsicherungsträger, die zu deutlich divergierenden Ergebnissen führen, das Institut für Wohnen und Umwelt in Darmstadt (IWU) mit einem Gutachten beauftragt. Damit sollten die Grundlagen für die Bemessung angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II und SGB XII erforscht und geeignete Verfahren für die Umsetzung vorgeschlagen werden. Im Januar 2017 hatte das IWU das Ergebnis in einem Forschungsbericht veröffentlicht. Die weitere Vorgehensweise wird seither in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe abgestimmt. Erste Präzisierungen für die künftige Ermittlung der Mietobergrenzen werden mit dem XI. SGB II – Änderungsgesetz erwartet. Das BMAS plant den Gesetzesentwurf in der ersten Jahreshälfte 2021 vorzulegen.
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