Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 03.06.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Fuhrmann
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: "Diskriminierende Darstellungen auf dem Stuttgarter Frühlingsfest"
- Antrag Nr.133/2022 vom 29.04.2022 (90/GRÜNE)
- mündlicher Bericht -

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

BM Fuhrmann erinnert an die Behandlung des Themas in einer früheren Sitzung des Ausschusses und auch an den Wasenrundgang im Anschluss an die letzte WA-Sitzung, bei dem man einige der problematischen Darstellungen angeschaut habe. Darüber hinaus gehe es darum, was in den Zulassungsrichtlinien zusätzlich zu den bereits mit Verbot belegten Themen Rassismus, Sexismus, Gewaltverherrlichung etc. verankert werden könne. Sein Referat habe sich gemeinsam mit in.Stuttgart sehr intensiv mit dem Thema befasst und schlage nun ein vierstufiges Verfahren nach Eingang der Anträge vor:
1. Das Team der in.Stuttgart bearbeitet Anträge und achtet auf solche Darstellungen.
2. Vom Team als problematisch eingestufte Darstellungen werden von Herrn Kroll (in.Stuttgart) geprüft.
3. Bei Unsicherheit legt Herr Kroll die Darstellung BM Fuhrmann vor.
4. Gegebenenfalls wird die Darstellung abschließend der Gleichstellungsstelle vorgelegt.

Er betont, die Entscheidung müsse vor Gericht Bestand haben. Die Verwaltung werde sich um ein Gespräch mit den betroffenen Schaustellern bemühen, um eine Lösung zu finden. Selbstverständlich werde man nochmals ein Gespräch mit den Schaustellerverbänden führen, um eine gewisse Sensibilisierung in diesem Bereich zu erreichen.
Die Vertreter*innen der Fraktionen danken für die Ausführungen.

StRin Rühle (90/GRÜNE) geht davon aus, dass der Vorschlag die Situation verbessern werde. Das Thema sei vor ca. drei Jahren in Bezug auf das Cannstatter Volksfest angesprochen worden. Damals habe es geheißen, dass die Antidiskriminierungsklausel in den Verträgen mit den Schaustellern aufgenommen werden sollte, da es schwierig sei, dies in den Zulassungsrichtlinien zu verankern. Sie bittet hierzu um Näheres zum aktuellen Stand. Sinnvoll wäre in ihren Augen auch, die Verträge einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Das vierstufige Verfahren sei gut, aber neben OB-ICG sollte auch SI-IP zu einem früheren Zeitpunkt eingebunden werden.

Befremdlich wirkt es für StRin Porsch (CDU), wenn bereits vor dem Aufbau des Frühlingsfests aktiv nach Bildern gesucht werde. Solange jedoch keine Ordnungswidrigkeit und kein Straftatbestand vorlägen, könne man nicht dagegen vorgehen. Der vierstufige Plan sei ein gangbarer Weg. Ihre Fraktion bitte darum, mit Augenmaß vorzugehen und nicht als Zensurbehörde zu agieren.

StR Conzelmann (SPD) betont, die seinerzeit von OB Dr. Nopper herausgegebene Pressemeldung habe seine Fraktion mit Erstaunen zur Kenntnis genommen. Nicht nur, dass er offensichtlich über die Presse am Hauptorgan vorbei kommuniziere, sondern dass inhaltlich die Grundtendenz vermittelt worden sei, es sei immer schon so gewesen und deshalb in Ordnung. Dies entspreche in keiner Weise der Meinung seiner Fraktion und sicher auch nicht der Mehrheitsmeinung im Gemeinderat. Der Verzicht auf rassistische und sexistische Darstellungen liege ja auch im Interesse der Schausteller, die von der Presse nicht in die Schmuddelecke gerückt werden wollten. Er schließe sich dem Vorschlag von StRin Rühle an, im Vierstufenmodell früher einzugreifen. Jetzt müsse man nach Möglichkeit vermeiden, dass das Thema ein drittes Mal in der Presse auftauche.

Das vierstufige Verfahren begrüßt auch StRin Tiarks (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRA-TEN Tierschutzpartei). Sie schließt sich ebenfalls StRin Rühle und StR Conzelmann an, es mache keinen Sinn, wenn die Anträge zu Beginn von einem Team bearbeitet würden, das nicht entsprechend sensibilisiert sei. Deshalb müsse die Gleichstellungsstelle von Beginn an einbezogen werden. Hier sei auch ein Perspektivwechsel erforderlich. Manche Darstellungen sollten allenfalls kommentiert im Museum gezeigt werden.

StR Neumann (FDP) bittet um eine sachliche Abwägung. Einmal - beim Historischen Volksfest - seien die Regeln überinterpretiert worden, der Gemeinderat sei zitiert worden, ohne dass dieser sich geäußert habe. Ein anderes Mal - beim Frühlingsfest - hätten manche Darstellungen den Regeln widersprochen. Das hätte man mit den vorhandenen Regeln vermeiden können. Er würde sich wünschen, dass im Zuge des vierstufigen Verfahrens nicht wieder der Gemeinderat als Ganzes zitiert werde.

An StRin Porsch wendet sich StR Puttenat (PULS) mit dem Hinweis, was rassistisch oder sexistisch sei, habe nicht er zu entscheiden, sondern diejenigen, die sich betroffen fühlten. Natürlich habe die Gesellschaft auch andere Probleme, doch befinde sie sich in einem Emanzipationsprozess und müsse sich diesen Fragen stellen, auch wenn es lästig sei. Er schließt sich dem Vorschlag von StRin Rühle an und plädiert zur Abkürzung des Verfahrens dafür, den beiden städtischen Stellen, die hier die Expertise besäßen, vorab Fotos vorzulegen und diese bewerten zu lassen.

Auch für StR Zaiß (FW) spricht nichts dagegen, die Gleichstellungsstelle zu Beginn einzubeziehen. Grundsätzlich befürchte er, dass die Republik über das "pietistische Stuttgart" lache. Seiner Meinung nach gebe es wichtigere Themen, die im Gemeinderat so ausführlich behandelt werden sollten.

Nach Ansicht von StR Köhler (AfD) sehe eine relative Mehrheit der Bevölkerung hier kein Problem. Insofern liege auch kein triftiger Grund für ein Bilderverbot vor. Er hoffe, dass der Stufenplan zur Befriedung und Versachlichung beitrage.

StR Kotz (CDU) schätzt bei solchen Themen explizit den Austausch mit StR Puttenat. Doch stelle sich ihm die Frage, wie viele Personen sich gestört fühlen müssten, damit eine Entscheidung erforderlich würde. StR Puttenat betont, es gehe nicht nur um die Betroffenen selbst, sondern es finde in der Gesellschaft eine Sensibilisierung statt. Das beobachte er z. B. an sich selbst.

StRin Rühle stellt richtig, es gebe objektive Kriterien für Diskriminierung. Dabei handle es sich um Menschenverachtung, und dies habe nichts mit Geschmack oder Pietismus zu tun. An dieser Stelle weist StRin Porsch auf gesetzliche Vorgaben hin. An diese sollte man sich halten. Andernfalls komme man in den Ermessensspielraum, und da müsse man entscheiden, ab wie vielen Personen man handle. StRin Tiarks zitiert in diesem Zusammenhang Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Damit seien keine Gruppen, sondern einzelne Personen gemeint. Es gehe nicht nur um die Gesetze, sondern um eine Sensibilisierung in Bezug auf dieses Thema. Denn bei manchen Dingen sei die Gesellschaft schon weiter als die Gesetze. Als Jurist merkt StR Conzelmann zu dem in verschiedenen Wortmeldungen unterschiedlich gebrauchten Begriff "justiziabel" grundsätzlich an, dies bedeute, dass in.Stuttgart über ein klares Regelwerk verfüge, das transparent und nachvollziehbar sei und es der in.Stuttgart erlaube, bei einem Ablehnungsbescheid einen eventuellen Rechtsstreit zu gewinnen. Es heiße nicht, dass man sich darauf beschränken müsse, dass eine Darstellung strafrechtlich relevant sei.

Die Diskussion zeige, so StR Winter (90/GRÜNE), wie wichtig es sei, die Sensibilisierung und bestimmte Fragen zu klären. Es gehe nicht um ein subjektives Empfinden, sondern um objektive Kriterien - Verletzung der Menschenwürde, diskriminierende Darstellungen - und hier habe man in der Stadtverwaltung Fachleute, die einbezogen werden sollten. Für sinnvoll hielte er es zudem, wenn sich die Schausteller*innen in einem Workshop mit den Fachleuten der Gleichstellungsstelle berieten.

Es sei geplant, hält BM Fuhrmann fest, dass in einem ersten Schritt OB-ICG und SI-IP die Mitarbeitenden der in.Stuttgart sensibilisieren sollten. Zu diesem Workshop werde man auch die Schaustellerverbände einladen. Er sei fest davon überzeugt, dass ein Ergebnis nur über die Sensibilisierung erzielt werden könne. Gleichwohl müsse man sich am gesetzlichen Maßstab orientieren, falls es zu einem Rechtsstreit komme.

Abschließend stellt er Kenntnisnahme des mündlichen Berichts fest.
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