Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 157/2021
Stuttgart,
07/14/2021


Aufbau von Fachkraftstellen im Bereich der Suchtprävention/städtische Förderung ab dem Jahr 2022



Mitteilungsvorlage zum Haushaltsplan 2022/2023


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich26.07.2021

Bericht:

1. Künftige Förderung des Klinikums
Prävention bei Medikamentenkonsum und –abhängigkeit“

Der Träger Klinikum der Landeshauptstadt gKAöR beantragt für das neu zu schaffende Angebot „Prävention bei Medikamentenkonsum und –abhängigkeit“ die künftige städtische Regelförderung von 0,5 Vollkraftstelle.

Die Suchtberatungsstelle ist Teil der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten des Zentrums für Seelische Gesundheit. Sie hat einen wichtigen Platz in der Stuttgarter Versorgungsstruktur eingenommen und bietet eine umfassende medizinische, psychosoziale und psychotherapeutische Betreuung für suchtgefährdete und suchtmittelabhängige Menschen an. Durch großes Engagement ist es gelungen, das Thema Abhängigkeitserkrankungen in Stuttgart mehr in das gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken.

Das Klinikum bietet unter anderem die folgenden Präventionsangebote für Stuttgart an:

· Informationsveranstaltungen zu „Suchtprävention in Betrieben“
· Durchführung der Präventionsprogramme „Kater“ und „FreD
· Beratung im Kinderkrankenhaus Olgahospital
· Mobiles Online-Portal für Fragen zu Abhängigkeitserkrankungen in Stuttgart Ebenso werden Kurse zur Raucherentwöhnung und Gruppenprogramme zum kontrollierten Trinken (AkT) angeboten.

Aktuell fördert die Stadt Stuttgart das Angebot der Suchtberatungsstelle, Klinikum der Landeshauptstadt gKAöR mit insgesamt 11,85 VK Fachkraftstellen, wobei 0,3 Fachkraftstellen für die Prävention vorgesehen sind. Die 0,3 VK geförderte Fachkraftstelle Prävention soll dankenswerterweise an andere Träger umgewidmet werden, wie in
GRDrs 583/2021
GRDrs 583/2021 Jahresbericht 2020 der Suchtprävention und GRDrs 592/2021 GRDrs 592/2021 Umwidmung der Stellenanteile „Aufsuchendes Präventionsangebot für alkoholintoxikierte Jugendliche im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Olgahospital“ des Klinikums Stuttgart innerhalb des Suchthilfeverbunds Stuttgart dargestellt und begründet ist. Weitere 0,35 VK Fachkraftstelle Prävention wird vom Klinikum über Eigen- und Projektmittel für das Projekt Mofa bereitgestellt und verbleibt beim Klinikum. Damit können die suchtpräventiven Angebote analog zu den Kernkompetenzen des Trägers Klinikum Stuttgart zielführend gestaltet werden.

Das Spektrum suchtpräventiver Maßnahmen in Stuttgart ist differenziert und umfänglich bezogen auf die verschiedenen Ziel- und Bedarfsgruppen. Das Thema „Prävention von Medikamentenkonsum für Menschen aller Altersstufen“ hat allerdings bislang in der Landeshauptstadt nur wenig Zugang gefunden. Deshalb ist hier ein dringender Handlungsbedarf angezeigt. Landeshauptstadt Stuttgart (Hg.), 2019: Evaluation der ambulanten Suchthilfe und Suchtprävention in der Landeshauptstadt
Stuttgart - Ergebnisse“. (GRDrs 571/2019)

Die Arzneimittelabhängigkeit - insbesondere von Benzodiazepinen und opioidhaltigen Schmerzmitteln - stellt mit etwa 1,4 – 1,5 Millionen Menschen Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung (2018): Drogen- und Suchtbericht. Berlin in Deutschland das zweitgrößte Suchtproblem nach der Tabakabhängigkeit dar. Dies wird vor allem für Frauen beschrieben. Glaeske, G. (2020): Medikamente 2018 - Psychotrope und andere Arzneimittel mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial.
In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): DHS Jahrbuch Sucht 2020 Andere Autoren schätzen diese Zahl sogar auf 1,9 Millionen. Vgl. Soyka, M. et al (2005): Wo verstecken sich 1,9 Millionen Medikamentenabhängige. In: Der Nervenarzt 76,1

Altersbezogen korrespondiert der tägliche Gebrauch von Medikamenten mit steigendem Alter. Schätzungen gehen davon aus, dass sich der Missbrauch und die Abhängigkeit von Medikamenten weiter erhöhen. Atzendorf, J. et al. (2019): Gebrauch von Alkohol, Tabak, illegalen Drogen und Medikamenten. Schätzungen zu Konsum und
substanzbezogenen Störungen in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt, 116 Viele Patient*innen greifen auch auf Privatverordnungen oder auf Over the Counter (OTC) Präparate Die Abkürzung OTC kommt aus dem Englischen und bedeutet over the counter = über den Tresen (der Apotheke). Damit
sind Medikamente gemeint, die zwar apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtig sind und somit auch ohne Rezept des
Arztes von jedem Bürger in der Apotheke gekauft werden können., Quelle: G-BA zurück. Diese verschleiern letztlich einen kritischen Arzneimittelkonsum, weil sie an keiner Stelle systematisch erfasst und ausgewertet werden. Eine Bestimmung des tatsächlichen Umfangs der Arzneimittelabhängigkeit – auch in der LHS - ist somit nicht möglich. Vigil. Hoffmann, F.; Hies, M.; Glaeske, G. (2014): Regional variations of private prescriptions for non-benzodiazepine hypnotics
zolpidem and zopiclone in Germany. In: Pharmacoepidemiology and Drug Safety 19

Deshalb soll auf die Schätzungen der Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich (FOGS) verwiesen werden, die im Rahmen der 2019 durchgeführten Evaluation der zuwendungsfinanzierten Angebote der Suchthilfe und Prävention vorgenommen wurden. Laut FOGS ergeben sich folgende Schätzwerte für die LHS Stuttgart:

Hinzu kommt der missbräuchliche und abhängige Medikamentenkonsum im Kindes- und Jugendalter sowie in der Altersgruppe der 65-Jährigen und älteren Personen. Landeshauptstadt Stuttgart (Hg.), 2019, Evaluation der ambulanten Suchthilfe und Suchtprävention in der Landeshauptstadt
Stuttgart - Ergebnisse“. (GRDrs 571/2019) Prävention im Sinne einer frühzeitigen Beratung und Betreuung ist wesentlich für eine erfolgreiche Intervention und sollte auch aufgrund dieser Zahlen zeitnah erfolgen. Vgl. Aerzteblatt.de, November 2018

Die beantragten Haushaltsmittel sollen eingesetzt werden zur Schaffung eines
(digitalen) Angebots zur Prävention von Medikamentenabhängigkeit
mit folgenden drei Schwerpunkten:
mit dem Ziel, Informationen zum Thema „Medikamentenkonsum und den damit verbundenen Gesundheitsgefahren“ auf einer digitalen Plattform an 24 Stunden täglich bereitzustellen. Somit wird in Stuttgart ein niederschwelliges, offenes Angebot für Bürger*innen aller Altersstufen geschaffen.

Im Bereich Gesundheit ist das Internet mit ca. 78 % Nutzeranteil das beliebteste Medium zur Informationsgewinnung. SPLENDID RESEARCH GmbH (2017) Jedoch nutzen weniger als die Hälfte bestehende Online-Angebote im Suchthilfesystem, obwohl ein hoher Bedarf besteht: 70% der Befragten würden ein Online-Portal nutzen, um Informationen zu erhalten, 62 % würden in einer Krisensituation zur Unterstützung darauf zurückgreifen. SPLENDID RESEARCH GmbH (2017) Dass die bestehenden Online-Angebote nicht genutzt werden, liegt u.a. an der schwer zu beurteilenden Qualität der angeboten Informationen, der mangelnden Differenzierung einzelner Angebote und fehlenden Orientierungshilfe bei der Vielzahl der Angebote. Daher bedarf es einer ziel-gruppenorientierten, vertrauenswürdigen und leicht zu findenden Anlaufstelle im
Internet.
Quenzel, G., Schaeffer, D. (2016): Health Literacy – Gesundheitskompetenz vulnerabler Bevölkerungsgruppen. Bielefeld

Die im Rahmen des Angebots geschaffene Online-Lösung senkt die Barrieren und fördert Zugänge zu den Betroffenen, um

· zeitnah und verlässlich Informationen zum Thema Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhalten,
· zum individuellen Medikamentenkonsumverhalten informiert und beraten zu werden,
· dieses einer (kritischen) Überprüfung zu unterziehen und
· niederschwelligen Zugang zum Hilfesystem zu erlangen und sich auf eine Behandlung vorzubereiten.

Dadurch kann einer weiteren Ausweitung von Medikamentenabhängigkeit frühzeitig entgegengewirkt werden. Im Rahmen einer universellen Bereitstellung relevanter Informationen und einer zunehmenden Sensibilisierung für das Thema werden Bürger*innen aller Altersstufen für das Thema sensibilisiert. Über die kritische Reflexion des eigenen Konsumverhaltens werden riskant Konsumierende dazu angeregt, Beratungsangebote anzunehmen. Dieses Vorgehen bestätigt die von der Planung intendierte Entwicklung der Angebote von universeller Prävention hin zu selektiver und indizierter Prävention. Dieses Vorgehen wird den Handlungsempfehlungen von FOGS empfohlen. Landeshauptstadt Stuttgart (Hg.), 2019: Evaluation der ambulanten Suchthilfe und Suchtprävention in der Landeshauptstadt
Stuttgart - Ergebnisse“. (GRDrs 571/2019)
Im Bereich der selektiven und indizierten Prävention hat sich ein großer Bedarf im Bereich „Unterstützung von Angehörigen“ entwickelt. Dies gilt auch für die Prävention von Medikamentenabhängigkeit.

Die Arbeit mit Angehörigen bietet eine Möglichkeit, auf unterschiedlichen Ebenen die vorhandenen Ressourcen im Umgang mit der Erkrankung zu stärken und zu einer Verminderung der Belastung beizutragen. Eine Einbeziehung von Angehörigen in die Behandlung ist in der Regel unabdingbar.

Da das Thema Medikamentenabhängigkeit bei vielen Angehörigen mit Angst, Unsicherheit, Hilflosigkeit und Unwissenheit besetzt ist, braucht es mehr als bislang nachhaltige Aufklärungsarbeit, um einer Bagatellisierung der Folgen riskanten/abhängigen Medikamentenkonsums entgegenzuwirken. Hierzu gehört neben einer Sensibilisierung und Aufklärungsarbeit, die Stärkung von Ressourcen auf Seiten der Angehörigen im Umgang mit der Erkrankung sowie eine kritische Reflexion des eigenen Verhaltens.
Medikamente werden in der Regel im Rahmen der medizinischen Versorgung zur Behandlung körperlicher Erkrankungen und psychischer Störungen verschrieben. Damit liegt die Entwicklung einer Medikamentenabhängigkeit näher am ärztlichen Tun als andere Abhängigkeiten. Deshalb versprechen präventive Maßnahmen zum Medikamentenkonsum insbesondere in diesem Versorgungssektor eine hohe Wirksamkeit. Landeshauptstadt Stuttgart (Hg.), 2019: Evaluation der ambulanten Suchthilfe und Suchtprävention in der Landeshauptstadt
Stuttgart - Ergebnisse“. (GRDrs 571/2019)
Sie umfassen:

Die Umsetzung des Angebots erfolgt digital über verschiedene Kanäle (Plattform, Online – Beratung, Chatroom, Infoseite, Selbsttests), in Präsenz mit kooperierenden Institutionen sowie mit Veranstaltungen und Aktionen in der Öffentlichkeit.

Digitale Technologien sind in nahezu alle unsere Lebensbereiche diffundiert und somit zu einem ständigen Begleiter unseres Alltags geworden. Deshalb werden digitalen Interventionen auch erhebliche Potenziale in der Prävention und Gesundheitsförderung zugeschrieben. Fischer, Florian (2020): Digital interventions in prevention and health promotion. Bundesgesundheitsblatt 63(2020 Dies wird in der aktuellen Lage anschaulich verdeutlicht.

Der Einsatz digitaler Angebote bietet große Chancen und Vorteile für die Endadressat*innen. Sie schaffen einen zeitlich flexiblen Zugang zu verlässlichen Informationen, (digitalen) Werkzeugen und Beratung, bauen neue Brücken zu Beratungs- und Präventionsange­bo­ten und -stellen und sind 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche verfügbar.

Die Maßnahme wird - gegebenenfalls unter Einbeziehung externer Institute - dokumentiert und evaluiert. Sie wird in das Qualitätsmanagement des Suchtmedizinischen Behandlungszentrums Mitte nach der DIN EN ISO 9001:2015 Norm eingebunden. Per Klientenbefragung, Fokus-Gruppen und Auswertung der Daten des Online-Portals werden die Ziele überprüft und die Angebote angepasst.

Sozialplanerische Bewertung zur Notwendigkeit der Schaffung des neuen Präventionsangebotes für Prävention bei Medikamentenkonsum und –abhängigkeit“

Der Antrag auf städtische Förderung ist aus sozialplanerischer Sicht in der beantragten Höhe zu befürworten.

Das Anliegen wird aus sozialplanerischer Perspektive als bedarfsgerechtes, erforderliches und innovatives Angebot im Rahmen der Arbeit des Klinikums empfohlen. Auch der „Runde Tisch Medikamente“ identifizierte diese Maßnahme als wichtiges Thema in der Landeshauptstadt. Landeshauptstadt Stuttgart (Hg.), (2018): „TrotzAlter: unabhängig, mittendrin“. Dokumentation und Evaluation Das Angebot trägt dazu bei, die Handlungsempfehlungen der Evaluation Suchthilfe umzusetzen, die besagen, im Rahmen der Stuttgarter Präventionsarbeit auch das Thema Prävention von Medikamentenabhängigkeit verstärkt in den Fokus zu nehmen. Landeshauptstadt Stuttgart (Hg.), 2019: Evaluation der ambulanten Suchthilfe und Suchtprävention in der Landeshauptstadt
Stuttgart - Ergebnisse“. (GRDrs 571/2019)

Die Entwicklung der Maßnahme erfolgt evidenzbasiert. Der Träger ist Teil der Versorgungsstruktur. Das erleichtert die Inanspruchnahme, garantiert eine bestmögliche Nutzung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und bringt entsprechend die Perspektive der Wirksamkeit ein. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2018: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar
zu Konzepten, Strategien und Methoden. Die Konzeption des Angebots gründet sich auf Zielen, die eine zu erwartende suchtpräventive Wirkungsrelevanz haben. Meier, Claudia (2007): Was wirkt wirklich?

Bereits 2016 wurde im Klinikum das Konzept einer „Integrierten Behandlung bei Medikamentenabhängigkeit“ eingeführt, das speziell auf Menschen zugeschnitten ist, die bereits eine Medikamentenabhängigkeit entwickelt haben. Durch die Installation eines Präventionsangebots, dass für dieses Thema sensibilisiert und die entsprechenden Informationen niederschwellig bereitstellt, werden die Kernkompetenzen des Trägers wertschöpfend und nachhaltig in die Suchtprävention eingebracht.

Da sich die Digitalisierung der kommunalen Suchtprävention noch in ihren Anfängen befindet, leistet die Schaffung des Angebots auch einen Beitrag zum Aufbau einer digitalen Infrastruktur kommunaler Suchtpräventionsangebote.

Das Angebot leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) in der Landeshauptstadt und unterstützt die Erreichung des Teilziels der SDG 3: „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“. Landeshauptstadt Stuttgart (Hg) in Zusammenarbeit mit Deutsches Institut für Urbanistik, Bertelsmann Stiftung, (2018):
„Liebenswertes Stuttgart. Die globale Agenda 2030 auf lokaler Ebene“.

Eine Lücke in der Suchtprävention der Stadt Stuttgart wird geschlossen.

Zur Förderung der beantragten 0,5 Vollkraftstelle werden künftig jährliche Mittel in Höhe von rd. 38.000 EUR im Jahr 2022 und 39.000 EUR (inkl. 2 % TVöD-Steigerung) ab dem Jahr 2023 benötigt.

2. Künftige Förderung von LAGAYA
„MIA_Medien_Ich_und_Andere(s)“

Der Träger LAGAYA – Verein zur Hilfe suchtmittelabhängiger Frauen e. V. Stuttgart beantragt für das Angebot „MIA_Medien_Ich_und_Andere(s)“ die künftige städtische Regelförderung von 0,25 Vollkraftstelle.

Im Fokus von LAGAYA – Verein zur Hilfe suchtmittelabhängiger Frauen e. V. Stuttgart stehen seit über 30 Jahren frauenspezifische Ansätze der Suchtarbeit. LAGAYA e. V. ist heute Trägerverein für ein Portfolio von Angeboten: die gleichnamige Frauen-Sucht-Beratungsstelle, das Betreute Wohnen MARA für drogenabhängige und substituierte Frauen und die Bereiche WILMA für Frauen nach dem Ausstieg aus der Prostitution und KAIRA für Frauen mit Essstörungen. Mädchen.Sucht.Auswege ist die Beratungs- und Präventionsfachstelle für Mädchen.

Seit 2007 bietet Mädchen.Sucht.Auswege Beratungs- und Präventionsangebote an. 2010 ist der Bereich in die städtische Regelförderung übernommen worden. Heute fördert die Stadt Stuttgart Mädchen.Sucht.Auswege mit insgesamt 2,25 VK Fachkraftstelle. Der Präventionsbereich Mädchen.Sucht.Auswege ist in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert und zum Teil aus Eigen- und Drittmitteln finanziert worden.

Das Präventionsprojekt MIA_Medien_Ich_und_Andere(s) vermittelt Mädchen und junge Frauen Medienkompetenz und wurde von 2018 – 2020 von der Eduard-Pfeiffer-Stiftung gefördert. Im Jahresbericht der Suchtprävention 2019 berichtete LAGAYA schon über das Projekt. Landeshauptstadt Stuttgart (Hg.), 2020: Jahresbericht 2019 der Suchtprävention (GRDrs 916/2020) Diese Förderung ist nun ausgelaufen. Zur Sicherung des Präventionsangebots MIA beantragt der Träger LAGAYA die künftige städtische Regelförderung von 0,25 VK Stelle sowie der anteilig entstehenden Sachkosten. Aktuell wird versucht, das Angebot übergangsweise über Drittmittel aufrecht zu erhalten, das ist aber dauerhaft nicht möglich.

Laut BzgA stieg die problematische Internetnutzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den letzten Jahren deutlich. Dabei ist die problematische Nutzung von Medien und Internet unter weiblichen Jugendlichen in der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen (10,0 %) stärker verbreitet als bei männlichen Jugendlichen mit (7,0 %). Auch ist die problematische Nutzung von Medien unter weiblichen Jugendlichen anders gelagert als unter männlichen Jugendlichen. Es lassen sich statistisch signifikante Geschlechtsunterschiede nachweisen: Demnach nutzen männliche Jugendliche Computerspielangeboten und Informationen aus dem Internet, während weibliche Jugendliche vermehrt die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets nutzen. Vgl. Orth, B. & Merkel, C. (2020). Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland
2019. Teilband Computerspiele und Internet. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
S.16ff. Eine weitere Studie belegt, dass in Deutschland 70% der Mädchen und junge Frauen bereits Bedrohungen, Beleidigungen und Diskriminierung in sozialen Medien erlebt haben. Vgl. https://www.klicksafe.de/service/aktuelles/news/detail/bericht-zur-online-gewalt-gegen-maedchen-und-junge-frauen

Diese Problematik wurde im Rahmen des Projekts MIA_Medien_Ich_und_Andere(s) aufgegriffen. Das Angebot wurde explizit auf Bedarfe und Lebenswelten von Mädchen und jungen Frauen ausgerichtet.

Workshops in Gruppen oder auch Einzelgesprächen bieten den Mädchen und jungen Frauen Raum zur Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit Chancen und Risiken von Social Media. Gefahren und riskante (Beziehung-) Dynamiken wie Cybermobbing und Cyber Grooming werden besprochen. Der Begriff Cyber - Grooming bezeichnet das gezielte Einwirken auf Personen im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller
Kontakte. Auch Opferschutz ist ein wichtiges Thema, bspw. wird über Praktiken wie die Täter-Opfer-Umkehr informiert. Außerdem werden die Mädchen und junge Frauen bei der Entwicklung von Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen unterstützt. Die Themen eigene Identität, Wahrnehmung des Körpers und Rolle als junge Frau stehen im Fokus der Angebote.

Seit 2018 konnten ca. 400 Mädchen und junge Frauen mit dem Angebot MIA erreicht und gestärkt werden. Zugänge haben sich über Schulen und Jugendhilfestrukturen bewährt. Unterstützend wurde mit ca. 700 Multiplikator*innen und Angehörige zum Thema gearbeitet. Diese haben das eigene Wissen im Bereich Medien erweitert und können zukünftig bei Fragen und Nöten zum Thema Medien besser behilflich sein.

Das Angebot MIA ist sehr flexibel ausgerichtet und wird bedarfs- und endadressat*innenorientiert angeboten. MIA setzt an der Lebenswelt der jungen Frauen an und ist partizipativ ausgerichtet. Zusätzlich wird ein anonymer Rückmeldebogen eingesetzt, um die Einschätzungen der Teilnehmenden aufzugreifen und in die Gestaltung der Angebote einfließen zu lassen.

Mädchen und junge Frauen werden im Sinne des Empowerments befähigt, das Internet selbstverantwortlich und selbstbewusst zu nutzen. Das Erkennen der eigenen Nutzungsmuster ist dabei ein wichtiges Thema. Das Entwickeln neuer Nutzungsstrategien muss geübt werden. Im Sinne der Frühintervention wird so einer möglichen Suchtentwicklung entgegengewirkt. Das führt dazu, dass sowohl die eigenen Fähigkeiten im Umgang mit Medien verbessert werden als auch die Möglichkeit befördert wird, über Probleme zu sprechen und sich Hilfe zu holen.

Sozialplanerische Einschätzung zur Notwendigkeit der beantragten Förderung:

Der Antrag auf städtische Förderung ist aus gesundheits- und sozialplanerischer Sicht in der beantragten Höhe zu befürworten.

Es ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, Jugendliche über die Risiken der Nutzung von Internet, Smartphones aufzuklären und sie bei einer möglichst sicheren Nutzung zu unterstützen. Ein eigenverantwortlicher Umgang mit Medien und Internet will gelernt sein.

Das Jahr 2020 stand ganz im Zeichen der Corona-Pandemie und hat die hohe Relevanz dieses Themas noch einmal verdeutlicht. Es ist eine weitere Zunahme der Mediennutzung von Jugendlichen zu verzeichnen und damit zu rechnen, dass dieser Trend auch 2021 anhält. Im Alltag müssen Jugendliche gravierende Einschränkungen verarbeiten, die meisten Freizeitaktivitäten sind entweder gar nicht oder nur eingeschränkt möglich, die Schulen sind über Wochen und Monate geschlossen. Der Kontakt zu Freunden kann oft nur über Medien aufrecht gehalten werden. Hier brauchen insbesondere Mädchen und junge Frauen spezifische Unterstützungsangebote.

Das Angebot MIA wird intern dokumentiert und evaluiert. Die Umsetzung des Projekts wird strukturiert an den im Konzept dargestellten Erfolgsindikatoren orientiert, das verspricht eine hohe Wirkrelevanz. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2018: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar
zu Konzepten, Strategien und Methoden.
Auch das Qualitätsmanagement des Trägers unterstützt die nachhaltige Wirkung des Vorhabens.

MIA nimmt die Lebenswelten von Mädchen und junge Frauen in den Blick. Sollten Angebote für männliche Jugendliche gefragt sein, kooperiert MIA mit anderen Trägern und Projekten, bspw. den Antihelden Stuttgart.

LAGAYA ist für die Umsetzung von MIA als Träger sehr gut geeignet:
Die Ausweitung der Personalausstattung im Bereich Prävention wird aus gesundheits- und sozialplanerischer Perspektive empfohlen. Das Angebot MIA ist ein bedarfsgerechtes und erforderliches Angebot im Rahmen der Arbeit von LAGAYA.

Zur Förderung der beantragten 0,25 Vollkraftstelle sind zusätzliche Mittel in Höhe von rd. 16.000 EUR im Jahr 2022 und rd. 17.000 EUR (inkl. einer TVöD Steigerung von 2 %) ab dem Jahr 2023 erforderlich.


Finanzielle Auswirkungen


Ergebnishaushalt (zusätzliche Aufwendungen und Erträge):
Maßnahme/Kontengr.
2022
TEUR
2023
TEUR
2024
TEUR
2025
TEUR
2026
TEUR
2027 ff.
TEUR
1.31.60.01.00.00-500 Förderung fr. Träger d. Wohlfahrtspflege / 430 Transferaufwendungen
Klinikum Stuttgart gKAöR
38
39
39
39
39
39
Lagaya e. V.
16
17
17
17
17
17
Finanzbedarf
54
56
56
56
56
56
Für diesen Zweck im Haushalt/Finanzplan bisher bereitgestellte Mittel:
Maßnahme/Kontengr.
2022
TEUR
2023
TEUR
2024
TEUR
2025
TEUR
2026
TEUR
2027 ff.
TEUR
Ambulante Sucht- und Drogenhilfe (Klinikum Stuttgart gKAöR) (500K0012)
699
753
753
753
753
753
Ambulante Sucht- und Drogenhilfe (freie Träger) (500K0012)
5.046
5.129
5.129
5.129
5.129
5.129

Mitzeichnung der beteiligten Stellen

Das Referat AKR hat Kenntnis genommen.

Referat WFB hat Kenntnis genommen. Mit Blick auf die Corona-bedingt sehr ungewisse Entwicklung der Finanzen der LHS in den kommenden Jahren und der demzufolge zwingend vorzunehmenden Priorisierung von Maßnahmen und Projekten sieht WFB die vorgeschlagene Maßnahme im Gesamtkontext der gesetzlichen und freiwilligen Aufgaben als eher niedrig zu priorisieren an und ist der Auffassung, dass ein weiterer Ausbau im Bereich Suchtprävention nicht unbedingt im kommenden Doppelhaushalt 2022/2023 notwendig ist. Zu dieser Einschätzung trägt auch bei, dass Suchtprävention ein Schwerpunkt in der Planung des Doppelhaushalts 2020/2021 war.

Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.


Vorliegende Anträge/Anfragen

--

Erledigte Anträge/Anfragen

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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin



Anlagen:


<Anlagen>

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GRDrs 157_2021_Anlage 2_Lagaya_MIA_Konzeption.pdf
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GRDrs 157_2021_Anlage 1_Lagaya_MIA.pdf
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Konzept_Klinikum.pdf
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Antrag Prävention Medikonsum u. -abhängigkeit DH 2022+2023_20210129.pdf