Protokoll: Krankenhausausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
647/2017 Tischvorlage
GZ:
WFB 5024-00
Sitzungstermin: 07.07.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Dr. Jürgensen (KS)
Protokollführung: Frau Atzrott fr
Betreff: Hebammenmangel
- Anfrage Nr. 159/2017 vom 23.05.2017 (CDU)
"Hebammenmangel - was können wir tun?"

Beratungsunterlage ist die als Tischvorlage ausgeteilte Mitteilungsvorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 07.07.2017, GRDrs 647/2017. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die im Betreff genannte Anfrage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Zu Beginn erklärt EBM Föll, dieser Tagesordnungspunkt beziehe sich auf die Anfrage Nr. 159/2017 der CDU-Gemeinderatsfraktion. Das Einverständnis der Antragsteller vorausgesetzt wolle er Herrn Dr. Jürgensen bitten, zunächst zu diesem Thema zu berichten. Außerdem weist er auf die ausgeteilte Tischvorlage hin.

StRin Ripsam (CDU) erklärt sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden.

Herr Dr. Jürgensen dankt - auch für die Anfrage, die ein relevantes Problem anspreche. "Sie haben sich zur Situation des Klinikums Stuttgart (KS) bezüglich der Ausstattung mit Hebammen erkundigt. Die Einstiegsfrage war, wie sich die Zahl der Geburten im KS in den letzten Jahren entwickelt hat." Hier habe es eine "erfreuliche Zunahme mit einem Gipfel von 3.400 Geburten im Jahr 2015" gegeben, so Herr Dr. Jürgensen. Für das Jahr 2016 sei dann ein Rückgang auf rund 3.000 Geburten zu verzeichnen gewesen. Dieser sei nicht etwa durch eine reduzierte Nachfrage, sondern durch Kapazitätsengpässe im KS bedingt gewesen, die in erster Linie durch einen Mangel an Hebammen verursacht worden seien. So habe man im letzten Jahr etwa 300 schwangere Frauen abweisen müssen, die zur Geburt ihres Kindes ins KS hätten kommen wollen. Wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte man das quantitative Niveau des Jahres 2015 in etwa halten können. "Wir sind Perinatalzentrum Level One mit höchsten Ausstattungs- und Strukturqualitätskriterien für die Versorgung auch von Hochrisikogeburten, insbesondere auch solcher mit einem zu erwartenden Gewicht unter 1.250 Gramm oder absehbar extrem verfrühtem Geburtstermin." Bei den Fällen abgewiesener Frauen habe es sich überwiegend um unkomplizierte geplante Entbindungen gehandelt. Dies sei zwar für das KS ärgerlich und für die betroffenen Frauen auch "nicht schön", aber: "Mir sind keine kritischen Situationen bekannt. Dort, wo wir mit dieser hervorragenden Ausstattung ein Alleinstellungsmerkmal für die Metropolregion haben, sind wir auch tätig geworden."

Zur Frage, wie viele Hebammen jährlich am KS ausgebildet würden, erklärt Herr Dr. Jürgensen, man verfüge über 18 Ausbildungsplätze in diesem Bereich. Die Ausbildung gehe über drei Jahre, und die entsprechenden Plätze seien aktuell alle besetzt. Dies sei der derzeitige Bestand. In der Vergangenheit seien dem KS allerdings nur wenige der in der Regel 18 Schülerinnen erhalten geblieben, was "kritisch" sei. "Es waren in den letzten Jahren nur zwei bis vier."

Weiter sei gefragt worden, ob man die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen könne, so Herr Dr. Jürgensen. Dies sei durchaus sinnvoll - auch aus gesellschaftlicher Perspektive. Man habe ohnehin einen entsprechenden Antrag eingeleitet. Das Ganze sei in großen Teilen auch gegenfinanziert, und zwar durch einen Fonds, der von der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft verwaltet werde. Man strebe an, die Ausbildungskapazität um ein Drittel bzw. acht Plätze jährlich zu erhöhen.

Die Frage nach einer Verbindlichkeit der Beschäftigung nach Abschluss der Ausbildung habe man sich auch gestellt, so Herr Dr. Jürgensen. Es gebe derartige Modelle (zum Beispiel ein Studium an der Universität der Bundeswehr mit anschließender Dienstverpflichtung oder ein Erwerb bestimmter Zusatzqualifikationen auf Kosten des Arbeitgebers mit Verpflichtung zur Rückzahlung der Weiterbildungskosten im Falle eines vorzeitigen Ausscheidens). Für eine Erstausbildung sei eine solche Vorgehensweise laut Berufsbildungsgesetz jedoch untersagt. Es sei allerdings möglich, in der Endphase der Ausbildung frühzeitig Übernahmeangebote zu formulieren und diese eventuell auch mit Anreizsystemen zu verknüpfen. Aber eine Bindung bei Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages wäre in hohem Maße "angreifbar", so Herr Dr. Jürgensen, "und auch nicht der schönste Weg. Unser Ziel muss es natürlich sein, dass die Schülerinnen gern und überzeugt am KS als größtem Klinikum der Region mit der größten Kinderklinik verbleiben. Insofern sind wir hier an den aus meiner Sicht kritischsten Punkt, nämlich die geringe Übernahmequote der von uns ausgebildeten Hebammen gegangen." Er sei persönlich mehrfach in den Ausbildungskursen gewesen und habe bei den Hebammenschülerinnen für das KS geworben, so Herr Dr. Jürgensen. Auch habe er versucht, deren Bedarfe besser zu verstehen. Von den Lebenslagen her sei ihre Situation sehr unterschiedlich. Viele hätten das Ideal der autonomen Hebamme im Kopf. Tatsächlich verfüge das KS für unkomplizierte Geburten über einen hebammengeführten Kreißsaal. Hier sei die Hebamme federführend tätig, solange keine Anhaltspunkte für einen kritischen Verlauf bzw. Komplikationen vorlägen. Es gebe allerdings auch Hochrisikogeburten mit extrem unreifen Neugeborenen, bei denen man auf höchstem Level interprofessionell tätig werde. "Insofern glaube ich, dass wir ein breites und interessantes Aufgabenspektrum bieten können. Wir sind jetzt auch im Dialog und rechnen damit, dass aus dem jetzigen Jahrgang mindestens fünf Hebammenschülerinnen am KS verbleiben. Das wäre schon einmal eine Verbesserung, aber mehr wären uns lieber."

Die StRinnen und StRe Ripsam, Seitz (90/GRÜNE), Vowinkel (SPD) und Zaiß (FW) danken für den Bericht sowie die ausgeteilte Tischvorlage.

Durch StRin Ripsam wird festgestellt, dass es sich beim Hebammenmangel um ein bundesweites Problem handle. Insofern stelle sich die Frage nach Neuregelungen nicht nur auf Stuttgart bezogen, sondern auf eine grundsätzlichere Art und Weise. Heute habe man jedoch zunächst einmal die Situation vor Ort im Blick. Man müsse sich fragen, was es bedeute, wenn bei einer Auszubildendenzahl von 18 Schülerinnen nur zwei bis vier am KS blieben. "50 % würde ich mir als Minimum eigentlich schon erhoffen", so StRin Ripsam. "Ich würde es mir als eine Art Ziel vorstellen, dass die Hälfte der Ausgebildeten hierbleibt." Danach erkundigt sie sich nach den bisher bekannten Gründen bzw. der Motivlage derjenigen, die das Haus nach der Ausbildung wieder verließen, sowie nach der Zahl der aktuell am KS beschäftigten Hebammen.

Das genannte Quantum von 300 schwangeren Frauen, die das KS habe abweisen müssen, sei eine "dramatische Zahl". Die soeben gehörten Ausführungen zeigten aber, dass die neue Geschäftsführung das Thema auch ohne die Anfrage der CDU-Gemeinderatsfraktion von sich aus angegangen sei. Es stelle sich allerdings die Frage, ob die geplante Erweiterung der Ausbildungskapazitäten ausreichend sei oder ob man hier nicht noch weitergehende Maßnahmen ergreifen müsse - auch angesichts der aktuellen Steigerung der Geburtenzahlen.

StRin Seitz findet die Aufstockung der Ausbildungskapazitäten am KS sehr erfreulich. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass nicht alle ausgebildeten Hebammen am KS blieben, weil es in Baden-Württemberg nur acht bis neun entsprechende Ausbildungsstätten gebe. Deshalb sei klar, dass man in Stuttgart auch für andere Orte ausbilde. Es sei interessant zu wissen, ob die Zahl der Ausbildungsplätze nur in Stuttgart erhöht werde oder ob dies landesweit bei allen Schulen geplant sei. Denn man habe ja gehört, dass der Hebammenmangel kein Stuttgarter Phänomen sei, sondern ein bundesweites Problem darstelle. Dass von 18 ausgebildeten Hebammen nur zwei bis vier am KS blieben, erstaune allerdings, so StRin Seitz. Anschließend erkundigt sie sich nach deren Einstiegsgehalt. Auf der Internetseite des KS sei von einer übertariflichen Bezahlung die Rede, sie habe allerdings keine Angabe zur tatsächlichen Höhe des Gehalts gefunden. Diese stelle für die Hebammen aber bestimmt einen wichtigen Faktor bei der Entscheidung über einen Verbleib am KS dar.

StRin Vowinkel hält es für "alles andere als erfreulich, dass nur so wenige der hier ausgebildeten Hebammen am KS bleiben." Die Frage nach möglichen Gründen für deren Weggang sei bereits angesprochen worden. Wichtig zu wissen sei auch, wieviel Personal in diesem Bereich tatsächlich fehle, um die erwähnten 300 oder mehr Geburten im Jahr durchzuführen. Weiter erkundigt sich StRin Vowinkel, welche anderen Maßnahmen außer der genannten Aufstockung der Ausbildungskapazitäten noch getroffen werden könnten, um hier mehr Personal zu rekrutieren. Sie fragt, ob zum Beispiel daran gedacht sei, ausländisches Personal zu gewinnen oder auch Personal mit anderen Abschlüssen, das dann weiterzuqualifizieren sei. Außerdem möchte sie wissen, ob das Angebot weiterer Anreize neben dem Gehalt geplant sei - etwa Wohnmöglichkeiten
oder Kitaplätze. Schließlich erkundigt sie sich, an welche Einrichtungen die das KS verlassenden Hebammen gingen. Eventuell machten sie sich ja auch selbständig, was wegen der Versicherungsproblematik allerdings schwierig sei.


StR Zaiß möchte wissen, ob die ausgebildeten Hebammen, die nicht am KS blieben, weiter in ihrem Beruf arbeiten oder ganz "abwandern" würden. Wenn Letzteres der Fall wäre, müsse die Zahl der Auszubildenden auf diesem Feld erhöht werden.

StR Dr. Fiechtner (AfD) stellt fest, mit der Aktivität eines kommunalen Hauses bzw. den Aktivitäten von Anbietern anderer Träger werde wieder einmal das Thema Subsidiarität berührt. Man habe bei der Geburtenzahl im Jahr 2015 einen Spitzenwert, der gegenüber den vorherigen Werten eine deutliche Steigerung von 10 bis 12 % darstelle. Es sei zu fragen, ob man aus dieser Zahl gleich einen bestimmten Bedarf bzw. eine bestimmte Notwendigkeit ableiten könne, ohne die Situation in der Gesamtregion zu betrachten. "Gibt es denn hier in der Stadt einen tatsächlichen Mangel für Frauen, die entbinden wollen, oder werden diese Frauen dann eben in anderen Kliniken oder zuhause versorgt? Denn ich denke, dass man nicht alles von diesem einen - vielleicht - Ausreißer bei der Geburtenzahl abhängig machen kann. Hier wäre es auch interessant, die Zahlenreihe der geborenen Kinder noch weiter nach hinten bis etwa ins Jahr 2000 fortzuführen. War sie relativ konstant und konnten die Menschen adäquat versorgt werden?"

Das Thema Hebammen sei ein anderes Problem. Die Tatsache, dass am KS eine Hebammenschule bestehe, bedeute nicht, dass dieses Haus einen quasi monopolistischen Anspruch darauf erheben könne, die hiesigen Absolventinnen an sich zu binden. Die Hebammenschule am KS habe vielmehr (wie man soeben auch gehört habe) die Aufgabe, Hebammen für das Land und im weiteren Sinne vielleicht sogar für die ganze Bundesrepublik zur Verfügung zu stellen. Interessant sei natürlich auch die Frage, wie viele Frauen nach ihrer Ausbildung tatsächlich in diesem Beruf verblieben. Hier liege das eigentliche Problem bei der mit dem Hebammendasein verbundenen Versicherungsthematik.

Herr Lux (KS-PR) möchte einige Anmerkungen zu diesem Thema machen. Im Jahr 1998 habe es einen Antrag auf Schließung der Hebammenschule gegeben. "Wir waren damals froh, dass der Gemeinderat sich anders entschieden hat." Die Schließung sei aus Kostengründen angestrebt worden, weil es zu dieser Zeit die Umlagefinanzierung noch nicht gegeben habe. Historisch sei die Hebammenschule aus der in Stuttgart ansässigen Landeshebammenanstalt entstanden. Beim Übergang dieser Landesanstalt an die Frauenklinik habe die Stadt Stuttgart die Hebammenschule dann übernommen. Um die Jahrtausendwende seien zahlreiche Hebammenschulen geschlossen worden, weil es die Umlagefinanzierung noch nicht gegeben habe. Außerdem habe es sich damals um geburtenschwache Jahrgänge gehandelt; es seien nur wenige Kinder auf die Welt gekommen. Aktuell habe man eine gegenläufige Entwicklung; es würden bei einer reduzierten Zahl ausgebildeter Hebammen wieder mehr Kinder geboren. Es gebe einige Beispiele baden-württembergischer Kliniken (etwa in Karlsruhe und Heilbronn), welche die Zahl ihrer Ausbildungsplätze für Hebammen derzeit erhöhten. Eine durchschnittliche Übernahme von zwei bis vier Hebammen nach der Ausbildung erscheine zwar als eine niedrige Zahl, es sei aber zu berücksichtigen, dass man bis in das Jahr 2015 hinein in diesem Bereich gar keine freien Stellen gehabt habe; die vorhandenen Stellen seien damals alle besetzt gewesen. Das KS habe daher nur zwei bis vier Hebammen pro Jahr ein Angebot machen können. Erst als es im Jahr 2015 zu einer starken Geburtenzunahme gekommen sei, habe eine massive Fluktuation eingesetzt, was zu dem derzeit erhöhten Bedarf an Hebammen geführt habe.

EBM Föll weist darauf hin, dass Stuttgart als Kommune hier auch den so genannten Sicherstellungsauftrag habe. Man müsse daher über den Tellerrand schauen und "den Blick auf alle Häuser dieser Stadt werfen". Es sei im Jahr 2016 sicherlich gewährleistet gewesen, dass Schwangere in den diversen Stuttgarter Geburtskliniken entbinden konnten. Er halte aber die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages allein für nicht befriedigend, weil Frauen bzw. Eltern sich die Geburtsklinik vielfach sehr bewusst aussuchten. Wenn es sich nicht um eine Risikogeburt handle, müsse gewährleistet sein, dass die Frauen ihr Kind dann auch in der ausgewählten Geburtsklinik auf die Welt bringen könnten. In dieser Situation sei man im Jahr 2016 nicht gewesen und sei es auch im Jahr 2017 nicht. Von daher bestehe hier einen Handlungsbedarf. Dies habe der Antrag der CDU-Gemeinderatsfraktion auch nochmals dokumentiert.

Das KS habe stets über die eigenen Kapazitäten hinaus ausgebildet und dies auch stets als seinen Auftrag verstanden - Herr Lux habe die entsprechende Historie ja erklärt. Er halte es aber für durchaus legitim, so EBM Föll, dass ein ausbildender Betrieb das Interesse verfolge, über den Weg der Ausbildung auch seinen eigenen Personalbedarf zu decken. Der aktuelle Hebammenmangel sei nicht zuletzt dadurch entstanden, dass in früheren Jahren andere Hebammenschulen geschlossen worden seien bzw. ihre Kapazitäten reduziert hätten. Diese Situation sei aber nicht durch das KS verursacht worden; dieses habe vielmehr stets kontinuierlich Hebammen ausgebildet. Es sei richtig und legitim, sich intensiver um die Übernahme der Absolventinnen zu bemühen und die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. Dies geschehe nicht in einem kleinen Schritt; durch die Erhöhung von 18 auf 26 stocke man die Zahl der Ausbildungsplätze vielmehr um nahezu 50 % pro Ausbildungsjahrgang auf. Dies sei ein durchaus großer Schritt.

Angesichts der mittel- bis langfristig anstehenden Akademisierung des Hebammenberufes halte er die gemeinsame Konzeption eines entsprechenden Studienganges durch das KS und die Duale Hochschule Stuttgart ebenfalls für wichtig, so EBM Föll. Dies alles seien sehr bedeutende konkrete Schritte. Natürlich könne das KS allein nicht den Hebammenmangel in Baden-Württemberg oder gar Deutschland beheben. "Aber es kann seinen Beitrag leisten, und wir müssen schauen, dass wir dann auch möglichst viele Absolventinnen der Hebammenschule pro Ausbildungsjahrgang übernehmen, damit wir in der Geburtsklinik nicht durch Personalmangel limitiert sind und die Geburten dort stattfinden können, wenn die betroffenen Frauen dies wünschen (sei es, weil es eine Risikogeburt ist oder weil sie sich die Frauenklinik ganz bewusst ausgesucht haben)."

Herr Dr. Jürgensen äußert sich zur Frage des Verbleibs der ausgebildeten Hebammen in diesem Beruf. Nach seinem Eindruck handle es sich um eine attraktive Profession. Viele Frauen wählten die Hebammenausbildung aus Idealismus und Überzeugung, und die Rate des Verbleibs in diesem Beruf sei seiner Kenntnis nach hoch.

Die Attraktivität der Arbeitssituation für Hebammen bestehe aus zahlreichen Komponenten, von denen einige bereits angesprochen worden seien. Was die finanzielle Seite angehe, so sei es in der Tat so, dass das KS temporär Zulagen gewährt habe bzw. habe gewähren müssen, um mit Mitbewerbern mithalten zu können. "Hier sind wir in weiteren Verhandlungen und als Geschäftsführung auch bereit, marktgerecht zu zahlen. "

Wichtiger als das Geld seien für viele Hebammen allerdings die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz und weitere "weiche" Faktoren. Das Thema Kitaplätze sei bereits angesprochen worden. In der Tat habe man im KS eine hohe Zahl von Kitaplätzen - bereits für kleinste Kinder gebe es zeitlich sehr ausgedehnt gute Betreuungsangebote. Hier sei aber sicherlich noch eine Steigerung möglich, und man habe dieses Thema mit im Blick. Über Wohnungsmöglichkeiten für Beschäftigte habe man bereits in anderen Sitzungen des Krankenhausausschusses gesprochen. Auch dies sei eine Komponente, die in Stuttgart wichtig sei. Mindestens genauso bedeutend sei die Zufriedenheit im Team. Hier gebe es über interprofessionelle Ansätze wie Team- und Simulationstraining sehr gute Möglichkeiten. Insgesamt sei der Bereich Geburtshilfe ein gelegentlich strapaziöser und fordernder, aber auch interessanter und befriedigender Arbeitsplatz.

Zur Frage des konkreten Bedarfs an Hebammen am KS erklärt Herr Dr. Jürgensen, man habe im Moment etwa vier Vakanzen und sei auch bereit, über diese Vakanzen hinaus einzustellen. "Wenn wir die fünf Auszubildenden, die im Moment signalisiert haben, bleiben zu wollen, halten könnten, wäre das schon ein Schritt in die richtige Richtung - wissend, dass die Fluktuation hoch ist und Angebote anderer Kliniken kommen werden, und viele dann nicht ewig am KS verbleiben", so Herr Dr. Jürgensen. Man sei auch bereit, noch weitere Personen mit verwandten Berufsbildern - etwa für die Stillberatung - einzustellen. Hier gebe es einen grundsätzlichen Bedarf.

Wie schon beim Stichwort "Versicherung" angeklungen sei, stelle die Geburtshilfe einen Hochrisikobereich innerhalb eines Klinikums dar. Dies gelte vor allem für die sehr unreifen Neugeborenen. Wenn hier durch Personalengpässe, fehlende Konzentration oder Unterausstattung Dinge begünstigt würden, die keinen optimalen Verlauf gewährleisteten, dann sei dies, was Haftpflichtfälle angehe, "sofort extrem teuer und natürlich menschlich immer eine Tragödie. Auch unter diesem Aspekt sind wir bereit, die Strukturqualität in diesem besonders sensiblen Bereich bewusst sehr hoch zu halten."

Das Problem der Versicherung für Hebammen selbst habe sich inzwischen etwas entschärft, so Herr Dr. Jürgensen. Es sei vor einigen Jahren ein sehr großes Problem gewesen, dass insbesondere freie Hebammen nicht mehr versicherbar gewesen seien, weil die Prämien exorbitant gestiegen waren. Mittlerweile würden diese durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet - und zwar pro Hebamme in einer Größenordnung von 8.000 € im Jahr. Die Kassen seien für die freien Hebammen auch Ansprechpartner, was das Gehaltsgefüge angehe. Je nachdem, welche Lohnsteigerungen hier realisiert würden, entstehe eine mehr oder weniger ausgeprägte Konkurrenzsituation, mit der sich das KS auseinanderzusetzen habe.

Zur Vorgehensweise anderer Kliniken erklärt Herr Dr. Jürgensen, das Beispiel Heilbronn sei schon erwähnt worden. In der Tat reagierten viele Häuser mit eigenen Ausbildungsgängen auf den Hebammenmangel, um einen "unmittelbaren Zugriff" auf die Absolventinnen zu haben.

StRin Ripsam erkundigt sich noch einmal nach der Anzahl der aktuell am KS beschäftigten Hebammen. Außerdem möchte sie die Aussage von Herrn Lux aufgreifen, es habe bis vor kurzem gar nicht genügend freie Stellen gegeben, um Hebammen anzustellen. Dies habe sie verwundert, weshalb sie hierzu gern noch eine entsprechende Information hätte. Ferner gehe sie davon aus, dass die 26 Ausbildungsstellen ab Oktober umgesetzt werden könnten. Abschließend gibt sie ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sich hierfür genügend Bewerberinnen finden.

StR Dr. Fiechtner kommt noch einmal auf das Subsidiaritätsprinzip zurück. EBM Föll habe vom Sicherstellungsauftrag auf der einen Seite und den Wünschen von Frauen auf der anderen Seite gesprochen. "Ich denke, wir als Stadt und das KS als städtischer Eigenbetrieb sollten den Sicherstellungsauftrag im Blick haben - Punkt." Das KS sei eine mit anderen Anbietern konkurrierende Institution. Auch vor diesem Hintergrund möge man noch einmal die Funktion der Hebammenschule betrachten. Diese sei kein "Rekrutierungsfeld" für das eigene Haus, sondern eine Ausbildungsstätte. Hierfür gebe es Zuwendungen, die nur deswegen gegeben würden, weil die Ausbildung als solche stattfinde. Wenn das Angebot in der Region ausreichend sei, könne er nicht verstehen, so StR Dr. Fiechtner, warum hier Anstrengungen unternommen würden, um durch kommunale Finanzierung ein noch besseres Angebot zu machen, das "angesichts der Marktüberlegungen nicht angemessen wäre".

StRin Vowinkel möchte abschließend wissen, wie viel Personal tatsächlich fehlt.

Herr Dr. Jürgensen informiert, man verfüge derzeit über 30 Hebammen - allerdings mit einer hohen Fluktuationsrate, sodass diese Zahl nur einen Näherungswert darstelle. Es gebe derzeit vier Vakanzen. Im Herbst werde man voraussichtlich fünf Personen einstellen. Zur Frage, ob die Betreuung nicht auch andernorts durchgeführt werden könne, erklärt er: "Wenn Schwangere mit Wehen abgewiesen werden, ist das nicht ideal und potenziell gefährlich". Zum Hinweis auf Hausgeburten meint er, dies sei zwar möglich, aber nur bei 1 bis 2 % der Fälle. "Das ist ein bisschen Ansichts- und Glaubenssache. Als Mediziner würde ich sagen: Das ist unnötig riskant." Er halte es für besser, so Herr Dr. Jürgensen, in der Klinik "ein Ambiente zu schaffen, das unaufgeregt und entspannt ist. Für einen sicheren Start ins Leben" stelle es einen großen Vorteil dar, "die Intensivstation, die Geburtshelfer, einen OP usw. unmittelbar nebenan zu haben."


EBM Föll stellt fest:

Der Krankenhausausschuss hat von der Berichterstattung und der weiteren Vorgehensweise gemäß der GRDrs 647/2017 Kenntnis genommen.

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