Protokoll:
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
109
2
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
01.07.2022
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Fuhrmann
Berichterstattung:
die Herren Runge (Pop-Büro WRS), Topp (OB/82)
Protokollführung:
Frau Sabbagh
pö
Betreff:
Koordinierungsstelle Nachtleben: Vorstellung & Ausblick - mündlicher Bericht
Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll ist sie in Papierform angehängt.
Zunächst stellen Herr
Runge
und Herr
Topp
sich selbst und ihr Arbeitsfeld anhand der Präsentation vor.
Herr Runge ist Nachtmanager der Stadt und Region Stuttgart und seit 15.03.2021 beim Pop-Büro der Region Stuttgart angestellt. Herr Topp ist seit November 2021 Projektleiter Koordinierung Nachtleben. Seine Stelle ist mit 75 % bei der Abt. Wirtschaftsförderung der Stadt Stuttgart angesiedelt.
Zur Fortführung der Koordinierungsstelle Nachtleben sei mit der GRDrs 814/2020 für die Beschäftigung einer 0,75-Fachkraft beim Pop-Büro der Region Stuttgart bis einschließlich 2022 ein jährlicher Zuschuss für die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart beschlossen worden. Die Maßnahme habe nicht wie ursprünglich geplant gestartet werden können, daher plane man, die Maßnahme der aktuellen Konstellation für zwei weitere Jahre fortzusetzen. Ab 2023 solle gemeinsam mit den Stakeholdern der Maßnahme eine Evaluation "Vorschlag zum künftigen Verfahren zur Besetzung der Nachtmanager-Stelle" ausgearbeitet werden.
Die Vertreter*innen der Fraktionen danken für den sehr ausführlichen Bericht. Sie loben die Arbeit der Koordinierungsstelle und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg.
StR
Pitschel
(90/GRÜNE) zeigt sich erfreut, dass das Nachtleben inzwischen wieder in Gang gekommen sei. Er bittet um Informationen, wie sich aus Sicht der Betreiber*innen die Situation aktuell und im Herbst darstelle bzw. wie die Koordinierungsstelle hier vorgehen wolle. Zudem sollten Problemlagen aufgezeigt werden. Er begrüßt, dass das Thema Spielstätten und Livemusik unter freiem Himmel ämterübergreifend angegangen werden solle und hier eventuell ein paar Flächen präsentiert werden könnten. Über eine kurze Darstellung des Zeitplans würde er sich freuen.
Fasziniert habe ihn, so StR
Stradinger
(CDU), insbesondere die Koordinierung sehr unterschiedlicher Player und Aktivitäten. Dies sei alles andere als einfach. Das Netzwerk brauche Zeit, und hier seien bereits viele Akzente gesetzt worden. Clubaktivitäten unter freiem Himmel erforderten Fingerspitzengefühl, da meistens andere Menschen in der Nähe wohnten. Studien sollten einen möglichst pragmatischen Ansatz mit Lösungsvorschlägen bieten. Ein wichtiger Aspekt sei auch die Sicherheit, hier müsse Überzeugungsarbeit geleistet werden, sodass die Betreiber und Besucher der Clubs wachsam seien.
Das Netzwerk stellt nach Ansicht von StR
Dr. Jantzer
(SPD) den Schlüssel für erfolgreiche Arbeit dar. Er schätze es, dass Flächen für Veranstaltungen angeboten würden. Zentrales Thema sei die Sicherheit. Er bittet um Erläuterung der geplanten Schulungen. Ganz allgemein erkundigt er sich danach, woran die Koordinierungsstelle ihre Wirksamkeit erkenne.
StRin
Halding-Hoppenheit
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) erinnert daran, dass Stuttgart über Jahre eine Clubkultur gehabt habe, wofür es von anderen Städten bewundert worden sei. Doch sei diese hier nicht geschätzt worden, man habe viele bürokratische Hürden errichtet. Wichtig sei nun, dass die Koordinierungsstelle zusammen mit der DEHOGA und dem Club Kollektiv helfe, die Clubkultur wieder zu etablieren. Die Bespielung von Freiflächen gehöre zur Stadt, hier könnten auch andere Jugendgruppen einbezogen werden, die eigentlich nicht in Clubs dürften oder kämen.
Beeindruckend ist auch für StR
Neumann
(FDP) die bisherige Bilanz der Aktivitäten. Er habe aber immer noch ein Fragezeichen bei der Flächendiskussion. Die jungen Menschen, die nicht in Clubs gehen könnten, würden eher nicht auf eine durch die Stadt ausgewiesene Fläche gehen, um dort zu feiern. Hier sei z. B. eine Freitreppe interessanter. Solche Flächen sollten genauer betrachtet werden.
Auch ihre Fraktion, so StRin
Hübsch
(PULS), habe großes Interesse daran, dass die Arbeit der Koordinierungsstelle fortgeführt werde. Im Hinblick auf die Zielkonflikte bei Open Air-Veranstaltungen merkt sie an, hier fänden sich auch Wege, wie man relativ störungsfrei feiern könne. Mit Blick auf den Herbst fragt sie nach Ideen der Akteur*innen für den Worst Case. Sie bittet um die Präsentation, die ihr vom
Vorsitzenden
zugesagt wird.
StR
Zaiß
(FW) weist darauf hin, dass Corona das gesamte Gastgewerbe sehr hart getroffen habe. Er hoffe, dass es im Herbst und Winter nicht wieder solche Einschränkungen geben werde.
Einen Hinweis auf eine Schmuddelecke gibt StR
Currle
(CDU). An der Ecke Torstraße/Hauptstätter Straße sei eine Bar oder ähnliches seit einem Jahr geschlossen. Doch stehe die gesamte Außenmöblierung mit Schirmen etc. immer noch draußen. Er bittet, hier Abhilfe zu schaffen. Herr
Runge
sieht dies als hervorragendes Beispiel, wie ein aktives Nachtleben für ein attraktives Bild sorge. Wenn Betriebe geschlossen seien oder aufgeben müssten, entstünden Unorte.
Corona sei für das gesamte Nachtleben sehr schwierig, merkt Herr
Topp
an. Es gelte zu unterscheiden zwischen Veranstaltenden, der Gastronomie und einzelnen Clubs. Die Gastronomie sei im Fokus, die Veranstaltenden könnten sich während des Sommers ein Polster über Outdoor-Veranstaltungen, Festivals etc. aufbauen. Die Koordinierungsstelle weise insbesondere auf Förderberatung hin, womit sich vor allem Clubs schwertäten. Dennoch kämen auch Stimmen von einzelnen Betrieben, für die eine weitere Schließung das Ende bedeuten würde. Die Themen - u. a. die Teststrategie in Absprache mit den Akteuren auf Landesebene - sollten bei den nächsten Runden Tischen besprochen werden.
Herr
Runge
ergänzt, hier stehe man in intensivem Austausch mit dem Bundesverband Livecom und dem Landesverband Clubkultur Baden-Württemberg. Falls Corona zurückkomme, sehe der Bundesverband in einer PCR-Teststrategie die einzige Möglichkeit, Clubs und Gastronomie im Winter offenzuhalten. Die Clubkultur BW habe das Sozialministerium darum gebeten, nach der Sommerpause weitere Gespräche aufzunehmen. Die Clubszene gehe bereits aktuell auf die unterschiedlichen politischen Instanzen zu, um für ihre Themen zu sensibilisieren. Die aktuelle Situation sei in den Clubs sehr gut, etwas schwieriger sei es bei kleineren Livemusik-Spielstätten, die weniger Tickets verkauften. Bei größeren Einrichtungen sei die Personalsuche problematisch.
Ein Zielkonflikt bestehe, so Herr
Topp,
bei Festivals zwischen Umweltschutz und Kulturentwicklung, aber auch in der Stadt zwischen Lärmentwicklung, Schallschutz und Wohnen. Man dürfe das eigentliche Ziel, die Innenstadt auch nachts zu beleben, nicht aus den Augen verlieren. Deshalb sollten etablierte Betriebe aufgrund einer neuen Entwicklung nicht schließen müssen. Hier müsse man sich die einzelnen Stadtbausteine, Quartiere und Entwicklungen nochmals im Detail anschauen. Die Studie werde bewusst nicht von einer Universität erstellt. Sie solle Praxisnähe aufweisen, um Sichtbarkeit für die etablierten Ausgehviertel gerade auch in der Innenstadt, aber eventuell auch neue dezentrale Viertel zu erhalten. Ziel sei hier ein größeres Verständnis für das Nachtleben. Auf Wunsch von Veranstaltern nehme er auch als Vermittler an Krisensitzungen zwischen unterschiedlichen Ämtern teil. An dieser Stelle ergänzt Herr
Runge,
nicht nur die Szene melde sich, sondern auch die Verwaltung.
Weiter führt Herr Runge aus, Zielkonflikte bestünden u. a. im Hinblick auf Arten- und Lärmschutz. Problematisch sei auch die Flächensuche im verdichteten Stadtraum. Mehrere Veranstalter suchten seit Längerem in Stuttgart nach einer Ausweichfläche. Es habe Schließungen gegeben. Für ein florierendes und vielfältiges Nachtleben müsse man sich intensiver um Ausweichflächen für Locations, die vor der Schließung stünden, bemühen. Für 2022/2023 seien Gelder in den Haushalt eingestellt worden. Im laufenden Jahr sollten der Flächendurchlauf gestartet und die Flächen in Bezug auf Schallschutz geprüft werden. Im nächsten Jahr sollten Probekonzepte für diese Flächen mit eventuell eigener Bespielung mit Kooperationspartner*innen gestartet werden. Sein Wunsch wäre, die ersten Freiflächen im Sommer 2023 bespielen zu können und dies ab 2024 zu verstetigen. Hier müssten sowohl die bereits genutzten Orte als auch etwas abseits liegende Flächen, die weniger zielkonfliktträchtig seien, einbezogen werden. Ebenso brauche Stuttgart eine starke und aktive Talentförderung, egal ob Kollektive oder Künstler*innen. Diese könnten sich auf den Freiflächen ausprobieren.
Auf Nachfrage erläutert er, "nachtsam" beinhalte alle Grenzüberschreitungen, nicht ausschließlich solche gegenüber Frauen. Die Online-Schulungen seien von der Landeskoordinierungsstelle "Sicheres Nachtleben in Baden-Württemberg" entwickelt und organisiert worden. Die Präsenzschulungen würden in Kooperation mit Fetz, dem Frauenberatungszentrum Stuttgart, durchgeführt.
Gegenüber StRin Halding-Hoppenheit bestätigt er den Wertewandel nicht nur in der Clublandschaft, sondern in der gesamten Gesellschaft. Die Koordinierungsstelle bemühe sich sehr um die Stärkung von Clubs, die gewisse Werte verträten. Sehr froh sei er über die Kooperation mit dem Zwischenraummanagement, wodurch in Bad Cannstatt eine neue Zwischennutzung - der Club "Sunny High" mit feministischem Ansatz - habe etabliert werden können.
An StR Neumann wendet sich Herr
Topp
mit dem Hinweis, die Innenstadt sei in der Transformation von der Versorgungs- in die Erlebnisstadt. Hier müssten die Richtlinien, Gesetze und die Maßnahmen mitwachsen. Dies beginne bei den Sondernutzungsrichtlinien, gehe über die Flächen bei der Außengastronomie bis zum Thema, wie der öffentliche Raum genutzt werde. Damit müsse sich die Stadtgesellschaft intensiv auseinandersetzen. Für die Studie hielte es StR
Neumann
für wichtig, einen proaktiven Ansatz einzuplanen und nicht immer nur zu reagieren. Man müsse also in der Erhebung nicht nur die Vereine und Veranstalter auflisten, die aktuell keine Flächen hätten, sondern auch die, deren Verträge in den nächsten Jahren ausliefen. Hierzu merkt Herr
Runge
an, sie machten sich intensiv Gedanken über ein Kataster nicht nur der Freiflächen, sondern auch der Clubs. Die bestehenden Einrichtungen sollten in GIS eingespeist werden, sodass man rechtzeitig erkennen könne, wo es Stadtentwicklungsperspektiven gebe und wo neue Bebauungspläne geplant seien. In der Studie gehe es darum, die Vergangenheit anzusehen und Chancen und Risiken zu benennen, um dann für die nächsten drei bis zehn Jahre Handlungsempfehlungen auszusprechen. Das sei in seinen Augen das Hauptziel der Studie. Herr
Topp
ergänzt, Bestandsschutz sei wichtig, doch müsse das Thema Nachtleben bei der Planung neuer Viertel mitgedacht werden. Umgesetzt werde dies bereits, so Herr
Runge,
z. B. im Rosensteinquartier, wo die Koordinierungsstelle im Beteiligungsprozess versuche, ihre Ansätze und Bedenken mit den Ziel- und Nutzungskonflikten frühzeitig miteinzubringen, um die Lage langfristig zu verbessern.
Abschließend bedankt sich auch BM
Fuhrmann
für den Bericht und stellt
Kenntnis-nahme
fest.
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