Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
203/2023
GZ:
OB
Sitzungstermin: 31.03.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper, BM Fuhrmann
Berichterstattung:OB Dr. Nopper, Herr Körner (S/OB)
Protokollführung: Frau Sabbagh th
Betreff: Zielbeschluss für den Wohnungsneubau in Stuttgart
- Einbringung -

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 17.03.2023, GRDrs 203/2023, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Dem Ziel, zwischen 2023 und 2033 den Baubeginn von insgesamt 20.000 neuen Wohnungen zu ermöglichen, wird zugestimmt.

2. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Verwaltung mit den folgenden Aufgaben beauftragt:
3. Der Gemeinderat nimmt zur Kenntnis, dass aus dem Bauüberhang von aktuell über 5.000 Wohnungen für ungefähr 2.000 der unter 1 genannten 20.000 Wohnungen die Voraussetzungen für den Baubeginn bereits geschaffen worden sind, ohne dass die hierzu gehörenden Flächen in der Zeitstufenliste Wohnen oder in der Potenzialanalyse Wohnen gelistet sind.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Zu diesem Tagesordnungspunkt sind auch die Mitglieder des Ausschusses für Stadtentwicklung und Technik eingeladen.

OB Dr. Nopper verkündet vorab drei Botschaften:

1. Die Stadtverwaltung schlage vor, am sehr ambitionierten und sehr optimistischen Ziel von 20.000 zusätzlichen Wohnungen netto in den nächsten elf Jahren festzuhalten. Der Verwaltung sei bewusst, dass sich die Baufinanzierungskosten seit dem vergangenen Jahr verdrei- bis vervierfacht hätten und die Baukosten insgesamt - auch für Baumaterialien - seit dem vergangenen Jahr enorm angestiegen seien und zudem die Bautätigkeit von Baugenossenschaften und privaten Wohnungsbauunternehmen in naher Zukunft stark zurückgehen würden. Doch gehe man davon aus, dass sich die Kostensituation mittelfristig wieder verbessern werde. Zudem unterstütze man die Neubautätigkeit in städtischer Hand mit einer kraftvollen Finanzspritze in Höhe von 200 Mio. Euro für die SWSG für den Bau von Wohnungen mit fairen und bezahlbaren Mieten. Damit sollten bis Ende 2027 1.890 neue SWSG-Wohnungen entstehen. Mit diesem Neubauprogramm habe die SWSG deutschlandweit auf den Wohnungsbestand bezogen eine der höchsten Neubauquoten der städtischen Wohnungsbaugesellschaften.

2. Die Stadt strebe keine größeren Projekte in der Außenentwicklung - etwa auf dem Birkacher Feld - an, halte jedoch Arrondierungen an den Siedlungsrändern - etwa auf den Schwellenäckern in Heumaden oder im Bereich Schafhaus in Mühlhausen - für unverzichtbar. Die neuen Wohneinheiten sollten insbesondere durch Nachverdichtung entstehen. Die Bürgerschaft solle dabei so stark und gut wie irgend möglich einbezogen werden.

3. Mit der SWSG allein könne die notwendige Zahl neuer Wohnungen nicht geschaffen werden. Für den Wohnungsbau brauche man auch die Baugenossenschaften und die privaten Wohnungsbauunternehmen. Deshalb müsse deren Engagement durch die Erstellung neuer Bebauungspläne und durch optimierte Baugenehmigungsverfahren stimuliert werden.

Eine Präsentation wird nicht gewünscht.

Die Vertreter*innen der Fraktionen danken für die Ausführungen.

Wichtig ist für StRin Fischer (90/GRÜNE), den Bürgern gegenüber Klarheit zu schaffen. Weniger gut findet sie, dass mit den 20.000 Wohneinheiten (WE) eine Zahl genannt werde, nicht aber, wie dies umgesetzt werden solle. Unter dem vorherigen OBM sei man von der Zeitstufenliste (ZSL) ausgegangen, habe die Flächen bewertet und dann ein Wohnungsbauziel von 1800 Fertigstellungen im Jahr ausgegeben. In den Jahren von 2013 bis 2020 seien durchschnittlich 1834 WE gebaut worden. Insofern sei für ihre Fraktion nicht nachvollziehbar, warum diese Zahl jetzt vorgelegt werde, der Flächenplan aber erst vor der Sommerpause. Nur schlecht nachvollziehen könne ihre Fraktion auch die Ermittlung der Potenzialflächen. Wichtig sei nicht nur der Bau von Wohnungen, sondern auch die Biodiversität, der Klimaschutz und wohnortnahe Landwirtschaft. Beim temporären modularen Bauen fehlten Angaben, wie die Zahl von 1000 WE errechnet worden sei und auf welchen Flächen diese entstehen sollten. Hier hätten konkrete Projekte benannt werden sollen. Als geheimnisvoll empfinde ihre Fraktion auch die Zahlenspiele bei den Bauüberhängen. Sie hätte sich hierzu konkrete Listen gewünscht. Ihre Fraktion werde die Vorlage einbringen und stelle sich nicht gegen ein ambitioniertes Wohnungsbauziel, erwarte aber, dass der weitere Beratungsverlauf zeitlich so verschoben werde, dass im STA auf der Grundlage von Flächenaussagen eine Bewertung und Priorisierung erfolgen könne. Die Überprüfung des Wohnungsbauziels sei in den letzten Jahren immer ein wichtiges Verfahren im Gemeinderat gewesen. Und dieses würde ihre Fraktion gerne beibehalten.

StR Dr. Vetter (CDU) erklärt, ohne Ziel könne man die Reise nicht beginnen und die Mittel dafür nicht benennen. Insofern gehe die Verwaltung hier genau richtig vor. An seine Vorrednerin gewandt legt er dar, im STA sei das nachhaltige Bauflächenmanagement ausgeführt, die ZSL Wohnen erklärt, das Baulückenkataster und die Potenzialanalyse Wohnen seien vorgestellt worden. Was die Bauüberhänge anbelange, so empfehle er hierzu das Statistische Monatsheft 11/12 von 2022. Mit der Vorlage wolle die Verwaltung ein optimistisches Zeichen setzen und kein Versprechen geben. Das sei ehrlich. Er weist darauf hin, dass in der Vorlage der Baubeginn, nicht die - in der Regel 24 Monate spätere - Fertigstellung zugrunde gelegt werde. In der Realität gebe es einen Rückgang bei den Baugenehmigungen für Wohnungen von aktuell 32-33 %. 2022 seien nur 909 Wohnungen genehmigt worden und damit nur die Hälfte der angepeilten 1800 WE. Dies liege an den gestiegenen Zinsen, Baukosten, Grundstückspreisen, langen Genehmigungsdauern, hohen bürokratischen Auflagen und fehlendem Personal. Deshalb müssten bürokratische Hürden, teilweise auch mangelndes Verständnis seitens der Verwaltung für das Bauen, abgebaut werden. Beispielhaft nennt er die Gebiete Mittlere Wohlfahrt und Schwellenäcker. Seine Fraktion setze sich auch für Wohnformen wie Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften ein. Im Hinblick auf den Artenschutz und Ausgleichsflächen sollte man etwas pragmatischer vorgehen. So sei es unproblematisch, konventionelle Ackerflächen in biologische umzuwandeln. Ein Lösungsansatz für die Schaffung von mehr Wohnungen bestehe in den zusätzlich bereitgestellten 200 Mio. Euro für die SWSG. Doch dürfe man hier auch nicht die vielen anderen gemeinwohlorientierten Wohnungsbaugesellschaften, z. B. die Genossenschaften, vergessen. Er verstehe nicht, warum gerade die SPD diese künftig mit Anträgen konfrontiere, die SIM fortzuschreiben, um dann noch höhere Auflagen zu fordern und noch mehr bürokratische Hürden aufzubauen, wodurch der Wohnungsbau noch stärker gebremst werde. Nötig seien schnellere Planungs- und Bearbeitungsprozesse sowohl bei der Aufstellung von Bebauungsplänen als auch der Genehmigung einzelner Bauvorhaben. Er bittet die Leitung des Referats, die Mitarbeiter zu motivieren, ihre Ermessensspielräume zu nutzen. Bei der Einführung digitaler Prozesse müsse die Umsetzbarkeit berücksichtigt werden, hier brauche man schlankere Strukturen und schnellere Entscheidungen. Für ein legitimes Ziel halte seine Fraktion das Ausweisen neuer Bauflächen durch Arrondierung. Hier sollte auch auf eine Schienenanbindung geachtet werden. Potenzial sehe seine Fraktion auch bei Nachverdichtung, in diesem Zusammenhang sollten auch die Bebauungspläne überarbeitet werden. So werde auch sozial geförderter Wohnraum geschaffen. Grundsätzlich brauche man auch privatwirtschaftliche Wohnungsunternehmen, um den Wohnungsmarkt breit aufzustellen. Er regt an, die Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken in der Potenzialanalyse anzuschreiben und ihnen die Baumöglichkeiten aufzuzeigen, evtl. sogar mit dem Angebot, einen eigenen Testentwurf zu erstellen. Zudem müsse sich die Stadt von der "Geiselhaft der Eidechsen" befreien, denn auch dies blockiere den Wohnungsbau. Hier sollte man den Mut haben, sich darüber hinwegzusetzen oder Habitate auch außerhalb Stuttgarts, z. B. auf der Schwäbischen Alb, zu schaffen. An Herrn Körner wendet er sich mit der Bitte zu prüfen, ob auch der private Bau von Mehrfamilienhäusern gefördert werden könne, etwa mit nicht abgerufenen Haushaltsresten im Wohnungsbauprogramm.

Seine Fraktion, so StR Conzelmann (SPD), sei von der Vorlage in mehrfacher Hinsicht enttäuscht. Der Zielbeschluss sollte sowohl den Willen der Verwaltung, aber auch der Politik zum Ausdruck bringen, die bestehende, unstreitig schlechte, Situation nachhaltig zu verbessern. Diesem Anspruch werde das in der Vorlage formulierte Ziel nicht gerecht, vielmehr handle es sich dabei in etwa um das Wohnungsbauziel von vor mehr als zehn Jahren. Doch seien in der Zwischenzeit ca. 40.000 neue Arbeitsplätze in Stuttgart entstanden, und die hier beschäftigten Menschen würden zum größten Teil sicher gerne in Stuttgart wohnen. Dies bleibe unberücksichtigt. OB Dr. Nopper habe seit dem OB-Wahlkampf eine Sinneswandlung vollzogen: Aus 2.000 neuen Wohnungen netto pro Jahr seien nun etwa 1.800 WE brutto geworden, und aus seiner Offenheit gegenüber einer moderaten und sensiblen Bebauung an den Siedlungsrändern sei ein Nein zur Außenentwicklung geworden. Doch so könne man das Defizit an bezahlbarem Wohnraum nicht beheben und viele Menschen müssten weiterhin pendeln. Dies wolle seine Fraktion nicht. Sie wolle einen Zielbeschluss, der sich an den tatsächlichen Bedarfen orientiere, und nicht, wie hier vorgelegt, am Machbaren. Wie der Beschluss zum Klimaziel gezeigt habe, sei ein ambitioniertes Ziel jedoch unerlässlich, um Wegmarken zu stecken, mehr bezahlbaren Wohnraum zu erreichen. Unabhängig vom Erfolg müsse man sich auf den Weg machen, auch wenn dies hohe Investitionen erfordere. Seine Fraktion werde der Einbringung zustimmen, jedoch bis zur Vorberatung im STA am 18.04.2023 einen Änderungsantrag zur Vorlage erarbeiten. Seine Fraktion gehe davon aus, dass mehr als die 15.000 WE aus der ZSL Wohnen realisiert werden könnten. Zudem halte sie an ihrer Forderung fest, auch über die behutsame Erschließung neuer Wohnungsbauflächen an den Siedlungsrändern nachzudenken - dort, wo ein guter ÖPNV-Anschluss machbar sei. Seine Fraktion lade alle demokratischen Fraktionen ein, sich in den kommenden Tagen Gedanken über ein Wohnungsneubauziel zu machen. Gerne bringe sie dann einen gemeinsamen Antrag hierzu ein. Gegenüber StRin Fischer macht er deutlich, ein Verlegen des Ziels auf den Sankt-Nimmerleinstag werde es mit seiner Fraktion nicht geben. An StR Dr. Vetter gewandt merkt er an, seine Fraktion habe vor ihrem Antrag bezüglich der SIM-Quote Gespräche geführt und sei hier zum Ergebnis gekommen, dass eine Erhöhung der SIM-Quote von 30 auf 40 % beim geförderten Wohnen für die Baugenossenschaften nicht das Problem darstelle. Problematisch für diese seien vielmehr andere in der Fortschreibung der SIM-Quote enthaltenen Punkte. Er betont erneut die Bereitschaft seiner Fraktion, die Beschlussvorlage nochmals genau zu prüfen und ggfs. an der einen oder anderen Stelle Abstriche zu machen. Die SIM-Quote wolle seine Fraktion allerdings nicht in Frage stellen.

Ihrer Fraktion sei noch nicht ganz klar, was die Ziele bedeuteten, erkärt StRin Tiarks (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). Einer Erhebung der Universität Stuttgart zufolge handle es sich bei der Hälfte aller Wohngebäude in Stuttgart um Ein- und Zweifamilienhäuser, die aber lediglich 15 % des Wohnungsbestandes abdeckten. Damit müsse man sich intensiver auseinandersetzen, bevor man die Ziele diskutiere. In der Vorlage heiße es, von den 20.000 WE sollten 6.000 WE im geförderten Bereich entstehen. Hierzu habe ihre Fraktion einen Antrag gestellt. Mit einer reinen Fortschreibung löse man das Problem nicht, denn bei einem angespannten Wohnungsmarkt helfe Neubau nicht weiter, sondern hier brauche man Sozialmietwohnungen. Man dürfe nicht vergessen, dass die Hälfte der Stuttgarter*innen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein habe. Für ihre Fraktion besäßen die Eidechsen und ein Feld, ob biologisch oder konventionell, einen sehr hohen Wert, da man diese Flächen für die Zukunft brauche. Deshalb denke ihre Fraktion nicht über Arrondierungen nach, sondern ihr gehe es um Nachverdichtung oder Anbau und die Frage, wie der zur Verfügung stehende Wohnraum verteilt werden solle. Dies komme nicht so teuer wie Neubau. Für die Umsetzung dieser Ziele müssten aber strukturelle Voraussetzungen geschaffen und z. B. der Personalmangel behoben werden. Hierfür müsse die Stadt Stuttgart sich als attraktive Arbeitgeberin darstellen. Sie halte es für sinnvoll, erst dann über die Ziele zu sprechen, wenn die Vorlage auf ihren Antrag hin vorgelegt werde. Denn erst dann könne man abschätzen, was umsetzbar sei.

StR Puttenat (PULS) weist darauf hin, dass es zunächst um eine Einbringung gehe. Ohne verlässliche Zahlen könne man zum aktuellen Zeitpunkt lediglich spekulieren. Und die Spielräume der Politik und der Stadtverwaltung seien durchaus begrenzt. Den größten Anteil habe der freie Markt. Er sieht bei allen Fraktionen das gleiche Ziel: mehr Wohnungen. Zum Inhalt der Beschlussvorlage merkt er an, auch für seine Fraktion komme Außenentwicklung nicht infrage, Arrondierungen müssten im Einzelfall entschieden werden. Das temporäre modulare Bauen begrüße seine Fraktion, da es genügend Leute gebe, die Lust auf solche Wohnformen hätten. Da es sich bei der Hälfte der Haushalte in Stuttgart um Single-Haushalte handle, sollte man sich auch Gedanken über die Wohnfläche machen. An dieser Stelle bittet StR Dr. Vetter um Differenzierung. Es handle sich nicht um Single-Haushalte, sondern um Ein-Personen-Haushalte. Menschen, die eine Partnerschaft eingingen, behielten sicherheitshalber ihre Wohnung - als Rückzugsort und falls die Beziehung scheitere.

Ein Ziel hält StR Serwani (FDP) für absolut notwendig, um dann diskutieren zu können, wie und in welchem Zeitraum man es erreiche. Er erinnert daran, dass der frühere OB Kuhn ebenfalls Ziele gesetzt habe, die auch nicht erreicht worden seien. Der Gemeinderat müsse sich darüber einig werden, ob man als Stadt Stuttgart wachsen oder einen Stillstand wolle. Seiner Ansicht nach solle die Stadt wachsen. Dazu benötige man Wohnungen in den unterschiedlichsten Formen - insbesondere kleinere Wohnungen. Doch wolle er nicht vorschreiben, wie viele Quadratmeter z. B. ein Singlehaushalt beanspruchen dürfe. Die SWSG leiste im Wohnungsbau Wichtiges für die Stadt und müsse deshalb entsprechend mit Mitteln versorgt werden. Eine Bebauung auf dem Birkacher Feld lehne er ab, wogegen im Gebiet Schafhaus gebaut werden müsse. Er bedauert, dass der Wohnungsneubau z. B. im Rosensteinquartier immer weiter reduziert worden sei. Nach der Potenzialanalyse warte er nun auf konkrete Vorschläge zur Umsetzung und auf die ZSL Wohnen. Die enorm langwierigen Genehmigungsverfahren müssten gestrafft und die LBO verschlankt werden. Auch die kleineren Baugenossenschaften müssten weiterhin unterstützt werden.

Die stark gestiegenen Baukosten betont auch StR Zaiß (FW). Mit Blick auf das Gebiet Schwellenäcker bittet er, an die Folgen zu denken, wenn man Handwerksbetrieben kündige, um dort Wohnungen zu bauen. Im Übrigen sei das Baurechtsamt auch schon vor 30 Jahren mit den Genehmigungen nicht hinterhergekommen. Neue Bebauungspläne dauerten ebenfalls Jahre. Ihm seien keine leerstehenden Wohnungen bekannt, was dafür spreche, dass die Wohnungen durchaus bezahlbar seien, nur eben nicht von jedem. Auch seine Fraktion plädiere für den Bau von mehr Wohnungen, weise dabei aber darauf hin, dass dies nicht nur billige Wohnungen sein könnten. Er bittet zu berücksichtigen, dass die Handwerksbetriebe die Möglichkeit zur Erweiterung an ihrem Standort haben müssten.

Für StR Köhler (AfD) ist überdeutlich geworden, dass Stuttgart ein sehr schwieriges Umfeld sei. Nun versuche man, die Lage zu entschärfen, indem man Potenzial feststelle und anbiete. Seine Fraktion unterstütze andere Bauformen, wie z. B. temporäres Bauen. Entscheidend sei, dass man die Investoren dazu bringe zu bauen. Allerdings sei noch nicht abzusehen, wie stark die angebotenen Flächen in Zukunft von privaten Investoren angenommen würden. Die einzig sichere Bank sei hier die SWSG, und darüber sei seine Fraktion froh.

Scheinbare Widersprüche erkennt StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). Allen Wortbeiträgen habe er entnommen, dass in Stuttgart bezahlbarer Wohnraum fehle. Das bedeute für ihn jedoch nicht automatisch, dass zu wenig gebaut werde. Keine Studie weise einen Zusammenhang zwischen Neubau und bezahlbareren Mieten nach. Wohnraum sei kein klassisches Gut, denn auf Wohnen könne man nicht verzichten. Also spare man an anderer Stelle, und wenn das nicht mehr ausreiche, müsse man die Stadt verlassen. Dafür rückten dann zahlungskräftigere Mieter nach. Neubau mit entsprechend höheren Mieten wirke sich über den Mietspiegel auf den Bestand dahingehend aus, dass auch dort die Mieten stiegen. Deshalb müsse man mit anderen Instrumenten, z. B. Gesetzen, reagieren, wenn man bezahlbaren Wohnraum schaffen wolle. Er verstehe nicht, warum man sich 20.000 WE als Ziel setze, obwohl die Ressourcen - bei städtischen Ämtern, Handwerkern - fehlten, wenn davon nur 6.000 WE bezahlbar seien. Baue man nur letztere, spare man Ressourcen.

An StRin Fischer gewandt legt OB Dr. Nopper dar, auch Wohnungsbauziele beinhalteten immer Unwägbarkeiten. Dies gelte umso mehr in einer Zeitenwende, die auch den Stuttgarter Wohnungs- und Immobilienmarkt betreffe. Bisher hätten die Bauwilligen und Investoren der Stadt die Türen eingerannt, wenn es um Wohnungsneubau gegangen sei. Jetzt müsse man sie - vor allem wegen der erhöhten Kosten - mit dem Lasso einfangen.

Gegenüber StR Conzelmann führt er aus, er habe keinen Sinneswandel vollzogen, vielmehr habe sich die Lage auf dem Immobilien- und Wohnungsmarkt völlig verändert. Er würde gerne ein höheres Ziel anpeilen, wenn dies realistisch wäre. Doch halte er schon das Ziel, an den 20.000 WE festzuhalten, für wagemutig, da er nicht wisse, wer diese Wohnungen bauen könnte. Die SWSG könne maximal 1890 WE bis 2027 bauen. Des Weiteren habe er zu keinem Zeitpunkt eine Bebauung im Außenbereich, etwa auf dem Birkacher Feld, gefordert. Erwägenswert sei ihm jedoch immer eine Arrondierung am Siedlungsrand erschienen.

An StRin Tiarks wendet er sich mit der Frage, wie die von ihr geforderte Umverteilung auf dem Wohnungsmarkt konkret stattfinden solle?

An dieser Stelle beendet OB Dr. Nopper seine Ausführungen, um zu dem bereits zu Beginn der Sitzung erwähnten Termin zu eilen.

Herr Körner ergänzt zur ersten Ausspracherunde, OB Dr. Nopper sei es wichtig gewesen, mit dieser Vorlage Klarheit bezüglich der städtischen Aufgabe zu schaffen und allen Beteiligten - Bauwilligen, Stadtverwaltung, Mietern oder Käufern - Orientierung zu geben. So könne die Stadt nur in begrenztem Umfang selbst bauen, sie könne aber Baubeginne ermöglichen.

An Strin Fischer gewandt merkt er an, der Verwaltung sei wichtig, dass man nach vielen Diskussionen gemeinsam eine verbindliche Beschlussfassung herbeiführe. Aus Sicht der Verwaltung seien die meisten gestellten Fragen beantwortet. Im Februar 2022 hätten BM Pätzold und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine ausführliche Darstellung der Potenzialflächen präsentiert: ZSL Wohnen, Potenzialanalyse Wohnen. Zusätzlich habe er daran erinnert, dass der frühere OB Kuhn bereits im Juli 2020 auch drei Außenszenarien beschrieben habe. Zu diesen sei ebenfalls noch kein Beschluss gefasst worden. Im März und November habe das Stadtplanungsamt eine aktuelle, detaillierte Übersicht über die großen Projekte in der ZSL Wohnen geliefert, allerdings jeweils für den Planungshorizont bis 2031. Diese Diskussion wolle man zu einem Ergebnis führen. In der nächsten ZSL Wohnen seien die ersten Flächen aus Stuttgart-Rosenstein enthalten. Nach einem Beschluss mit diesen Zielzahlen könne man dies nicht mehr infrage stellen. Die Zielzahl müsse sich am Bedarf orientieren. Die Verwaltung habe dem Gemeinderat auf dessen Beschluss hin eine Bedarfsanalyse vorgelegt. Bei deren Vorstellung habe OB Dr. Nopper festgestellt, dass sich im Durchschnitt dieser Bedarfsberechnung genau der Bedarf von 20.000 WE in elf Jahren ergebe. Dies sei angesichts der aktuellen Situation am Bau ambitioniert, zugleich aber auch realistisch.

Mit Blick auf die Potenzialanalyse Wohnen schlägt er vor, 2.000 WE bis 2033 zu realisieren, im modularen Bauen 1.000 WE. Bezüglich des modularen und temporären Bauens hätten die SWSG und andere Wohnungsbaugesellschaften sehr genaue konzeptionelle Vorstellungen. Die Fachverwaltung überlege bereits, auf welchen Flächen dies in den kommenden elf Jahren stattfinden könne.

Im Bauüberhang befänden sich aktuell ca. 5.200 WE. Man habe genau identifiziert, welche dieser Wohnungen bereits in den anderen Planwerken - ZSL Wohnen etc. - enthalten seien und eine Restgröße von 2.306 WE errechnet. Insofern könnten 2.000 WE, bei denen die Baugenehmigung schon auf dem Weg sei, in Ansatz gebracht werden.

Der Bitte von StR Dr. Vetter entsprechend sagt er zu, die Reste im Wohnbauförderprogramm mit dem Amt für Stadtplanung und Wohnen zu eruieren.

Gegenüber StRin Tiarks merkt er an, wenn ihre Fraktion sich u. a. gegen Arrondierung im Außenbereich ausspreche und stattdessen für Innenverdichtung plädiere, verstehe er nicht, dass sie dann die wichtigste Innenverdichtungsfläche mit dem größten Wohnungsbaupotenzial im Rosensteinquartier ablehne. Hier wolle die Verwaltung Klarheit schaffen.

Er pflichtet StR Rockenbauch bei, dass die Wissenschaft sehr wichtig sei, doch kenne er keine Stadt in Deutschland und weit darüber hinaus, in der Menschen, die praktische, soziale Fragen im Wohnungsbereich lösen wollten, ohne Neubau auskämen. Die 10.000 Geflüchteten, die die Stadt im letzten Jahr aufgenommen habe, müssten doch irgendwo unterkommen. Auch der bezahlbare Wohnraum müsse erstellt werden. Er bittet den Gemeinderat, nachdem das Thema seit Juli 2020 bereits mehrfach diskutiert worden sei, bis Ende April einen Beschluss zu fassen. Einen Vorschlag habe OB Dr. Nopper vorgelegt.

StR Dr. Vetter kann dem Antrag Nr. 86/2023 nicht zustimmen. Auf städtischen Flächen, auf denen außergewöhnlich hohe SIM-Quoten möglich wären, keinen Wohnungsbau zu realisieren, halte er nicht für vernünftig. Er informiert, dass ein Ein-Personen-Haushalt mit einem Bruttomonatseinkommen von 4.333 Euro Anspruch auf einen Wohnungsberechtigungsschein habe. Das sei seines Erachtens viel zu hoch.

Seine Fraktion habe bereits bei der Vorstellung der Bedarfsanalyse keinen Zweifel daran gelassen, dass sie sie für falsch halte, betont StR Conzelmann. Wenn die Bedarfsanalyse den Bedarf richtig einschätzen würde, sollte die Situation mit dem genannten Wohnungsbauziel am Ende des Zeitraums relativ entspannt sein. Dies gelte auch für die Mietpreisentwicklung. Doch sei der tatsächliche Bedarf höher als in der Analyse dargestellt. An StR Rockenbauch und StRin Tiarks wendet er sich mit dem Hinweis, er stimme mit ihnen überein, dass Wohnen unverzichtbar und kein normales Gut sei. Dies liege jedoch vor allem daran, dass der Boden nicht vermehrbar sei. Es sei aber doch vollkommen unstrittig, dass man sich in einem marktwirtschaftlichen Segment bewege und mit höherem Angebot auch die Preise senken könne. Die Stadt verfüge über die nötigen Instrumente, um Einfluss auf das Bauen zu nehmen. Aus diesem Grund gehe es seiner Fraktion um die SIM-Fortschreibung. StR Dr. Vetter habe zu Recht darauf hingewiesen, dass man auf städtischen Grundstücken auch oberhalb von SIM viel preiswerten Wohnraum bauen könne. StR Conzelmann fährt fort, die gegen Neubau gerichtete Politik der FrAKTION laufe darauf hinaus, dass die Mieten weiter stiegen, ohne dass die Vermieter in die Wohnungen investieren müssten. Das verstehe seine Fraktion nicht unter einer sozialen Politik.

Auch StRin Schiener (90/GRÜNE) sieht Einigkeit darin, dass man bezahlbare Wohnungen brauche. Wenn nun in der Vorlage vom Baubeginn - und nicht mehr von der Baufertigstellung - ausgegangen werde, habe sie den Fellbacher Tower vor Augen. Durch diese Änderung zähle man Wohnungen auf dem Papier. Ob sie fertiggestellt würden, stehe auf einem anderen Blatt. Die Kritik am Personal im Baurechtsamt sei ungerecht, denn dieses müsse jeweils eine Unmenge von Vorgaben der LBO berücksichtigen und prüfen. Und das europäische Recht verlange den Artenschutz. An OB Dr. Nopper gewandt betont sie, beim Gebiet Schafhaus handle es sich nicht um eine Arrondierung, sondern um Vernichtung landwirtschaftlicher Flächen. Ohnehin halte sie den Begriff der Arrondierung für ein Unwort, denn hier gehe es um ein schrittweises Anknabbern landwirtschaftlicher Flächen. Die Potenzialanalyse, in der grundsätzlich für eine Innen- vor Außenentwicklung plädiert werde, enthalte auch Arrondierungsflächen auf den Fildern (Hoffeld, Möhringen). Die dort möglichen 400 WE könnten jedoch auf versiegelter Fläche an der Landhauskreuzung gebaut werden. Dann müsse auch kein Personal für langwierige Untersuchungen bezüglich des Artenschutzes verschwendet werden. Das Thema könne auch nochmals im STA diskutiert werden. Mit ihrer Fraktion werde es eine Vernichtung bester Filderböden nicht geben. Ebenso sollte über ein Wohnflächenlimit nachgedacht werden. So hätte die Stadt auf ihrem eigenen Gelände, z. B. im Rosensteinquartier, die Möglichkeit, die Wohnungsgrößen von durchschnittlich 50 m²/ Person auf etwa 40 m²/ Person zu reduzieren.

An StR Conzelmann wendet sich StRin Tiarks mit dem Hinweis, seine Partei stelle den Bundeskanzler, und diese Koalition verhindere einen sinnvollen Mietendeckel, der zu bezahlbarem Wohnraum führen würde. Sie macht nochmals deutlich, ihre Fraktion wolle die 6.000 WE, die tatsächlich Sozialmietwohnungen seien. Denn Studien belegten, dass die sehr hohen Neubaumieten sich auf den Mietspiegel auswirkten und die Mieten sich wiederum anpassten. Sie habe keine perfekte Lösung dafür, wie Wohnraum umverteilt werden könne. Doch sollte darüber und über mögliche Konzepte diskutiert werden.


Abschließend stellt BM Fuhrmann fest:

Die GRDrs 203/2023 ist eingebracht.

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