Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 654/2022
Stuttgart,
03/07/2023


Neue Mischgebiete für Stuttgart
Quartiersprogrammierung von gemischt genutzten Quartieren
in Stuttgart (Konzeptstudie)




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Städtebauausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
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öffentlich
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28.03.2023
31.03.2023
23.05.2023
26.05.2023

Bericht:



EINFÜHRUNG

Wir leben in der transformativen Phase eines raschen, intensiven und weitreichenden technologischen und gesellschaftlichen Wandels. In den Städten findet ein überhitzter Bieterwettbewerb um die produktiven Flächen statt. Zugleich hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Städte im Sinne der Idee der Produktiven Stadt auch materielle Produktion als notwendige wirtschaftliche Aktivität brauchen. Ziel ist es, die funktionale Trennung und Ausdünnung der Produktion nach dem Dogma der postindustriellen Stadt zu überwinden und verstärkt eine inklusive und gemischt genutzte Stadt zu entwickeln. Was wir hierfür brauchen, ist eine veränderte Sicht auf die Stadt.

Durch Entmischung, Spezialisierung und Vereinheitlichung drohen immer wieder monofunktionale Siedlungen statt urbaner Quartiere zu entstehen. Neue Formen der Mischung erfordern auch eine konsequente Politik der Innenentwicklung – so wie sie Stuttgart betreibt. Neue Mischung wird in Stuttgart zunehmend von unterschiedlichen Akteuren eingefordert, erste positive Projektinitiativen zeichnen sich ab. Aktuelle Planungen für den Stadtteil Stuttgart Rosenstein und in der Leonhardsvorstadt oder für die Stadtbausteine am Stöckachplatz in Stuttgart-Ost und auf dem Postareal in Stuttgart-Untertürkheim setzen verstärkt auf Nutzungsmischung. Die enge Nachbarschaft von Wohnen und Arbeiten hat das Potenzial, in erheblichem Maß zur Vielfältigkeit und Integrationskraft von Stadtquartieren beizutragen. Neue Typologien von Produktion, Wohnen, Services und sozialer Infrastruktur sind hier zusammenzudenken. Es gilt, nachhaltige und gemeinwohlorientierte Quartiere und Nachbarschaften mit Eigeninitiative und neuen Formen der Koproduktion zu stimulieren, d. h. zu initiieren und zu forcieren.



Mit der Entwicklungskonzeption Wirtschaftsflächen für Stuttgart (EWS) wurden die strategischen Grundlagen für die Sicherung, Mobilisierung und Entwicklung von Wirtschafts- und Gewerbeflächen für die Stadt Stuttgart aufgearbeitet und damit ein neuer „produktiver Blick“ auf die Stadt eröffnet. Das in der EWS angelegte Leitprojekt „Standorte für Wohnen und Arbeiten (Neue Mischgebiete)“ orientiert sich dabei bewusst an einem neuen Leitbild der Stadtentwicklung – der „Produktiven Stadt“.

Der Handlungsansatz der Produktiven Stadt erfordert die Auseinandersetzung mit komplexen Entwicklungsprozessen und ungewohnten Raumprogrammen bei der Transformation von Stadt und bei der Konzeption neuer, gemischt genutzter Quartiere. Das heißt auch, dass wir wieder lernen müssen, Kontraste in der Stadt auszuhalten und aus der Nachbarschaft von Wohnen und Gewerbe neue Synergien zu entwickeln. Zugleich müssen auch die Konflikte (insbesondere im Hinblick auf die Lärmproblematik zwischen produktivem Gewerbe auf der einen Seite und Wohnnutzung auf der anderen) thematisiert und künftig verstärkt auf die Anpassung gesetzlicher Rahmenbedingungen hingearbeitet werden.

In diesem Sinne geht es auch um die Verschränkung von Nutzungsbausteinen, das Ermöglichen von Übereinander- und Nebeneinander-Lösungen unter Gewährleistung größtmöglicher Flexibilität und Anpassungsperspektiven. Dabei bietet es sich an, Nutzungsmischung in Quartieren zu organisieren und Quartiere nutzungsorientiert zu entwickeln. Auch reicht die Festsetzung eines „einfachen“ Mischgebietes (MI) oder eines Urbanen Gebietes (MU) ohne hinreichende räumliche Konkretisierung und Fixierung der Gewerbeanteile heute oft nicht mehr aus, um die gewünschten Gewerbeanteile im Quartier zu erhalten und neue zu schaffen. Hierfür müssen geeignete Quartiere identifiziert und neue Konzepte von Wohnen und Arbeiten mit spezifischen Flächenangeboten und Raumprogrammen zugunsten von Urbaner Produktion, Urbanem Handwerk und lokaler Ökonomie entwickelt werden.

In Stuttgart sind neue Mischgebiete in den letzten Jahrzehnten nur vereinzelt entwickelt worden – zu sehr sind noch Monostruktur und Nutzungstrennung Imperativ vieler Quartiersplanungen. Anders als in den vergangenen Jahrzehnten soll nicht mehr die Durchmischung vorhandener Gewerbequartiere mit Wohnnutzung forciert werden, sondern das Gegenteil – der Einzug gewerblicher und sonstiger produktiver Nutzungen in bestehende Wohn- und Mischquartiere zugunsten einer vielfältigen Mischung. Insbesondere in den Transformationsquartieren, meist größeren, gewerblich oder durch Bürobauten geprägten Räumen finden sich Spielräume für neue Nutzungsprogramme und neue Mischung(en).

Welche Rahmenbedingungen braucht es, um in Stuttgart erfolgreich „Neue Mischgebiete“ zu entwickeln? Welche Akteure und welche Nutzerperspektiven sind relevant? Welche Arten von Nutzungen gibt es und wie sind diese sinnvoll kombinierbar? Welche informellen und formellen Verfahren sind zur Entwicklung und Umsetzung neuer Mischgebiete notwendig?

KONZEPTSTUDIE

Im Rahmen der von März 2021 – Februar 2022 entstandenen Konzeptstudie „Neue Mischgebiete. Quartiersprogrammierung von gemischt genutzten Quartieren in Stuttgart“ – erarbeitet vom Projektteam ASTOC Architects and Planners GmbH mit HYPERLINK "https://www.dreiform.de/" dreiform GmbH aus Köln – wurden neue Nutzungstypologien und -konzepte untersucht und Entstehungs- und Umsetzungsprozesse von hybriden, vielfältig gemischten Referenzprojekten analysiert. Auf dieser Basis wurde ein offenes Quartiersentwicklungsmodell konzipiert, das in ausgewählten Testquartieren in Stuttgart überprüft wurde.

Im Zuge der Bearbeitung wurden neue Nutzungstypologien mit unterschiedlichen Nutzungskombinationen/-konstellationen bausteinartig entwickelt und in geeigneten Gebieten beispielhaft angewendet. Zur Sicherung eines angemessenen Wohnanteils und einer vielfältigen Urbanität wurden im Einzelfall die städtebaulichen Dichten angepasst. Potenzielle Standortbereiche für die Verbindung von Wohnen und Arbeiten wurden im bestehenden Stadtkontext untersucht und Standortkonzepte mit differenzierten Mischgebietstypen für ausgewählte Teststandorte skizzenhaft und exemplarisch entwickelt. Der exemplarische Charakter der Testentwürfe steht nicht im Widerspruch zu laufenden Planungen. Die Konzeptstudie Neue Mischgebiete gibt letztlich Hinweise und Entwicklungsimpulse für die Quartiersentwicklung.

Transformationsprozesse zeichnen sich heute in vielen Stadtteilen und Quartieren Stuttgarts ab. Ziel dieser Studie war es, mehr Diversität und Nutzungsvielfalt in die städtischen Quartiere und Nutzungsprogramme zu bringen, neue produktive Mischungen in Stuttgart zu initiieren sowie Wege aufzuzeigen, wie diese in lebendigen Projekten umgesetzt werden können. Angesichts von Flächenknappheit und daraus resultierender Verdrängungsprozesse ist es unabdingbar, auch Flächen für stadtverträgliches Gewerbe durch die Sicherung von bestehenden Mischgebieten und die Entwicklung von neuen Standorten mit unterschiedlichen Mischungen von Wohnen und Arbeiten auf verschiedenen Maßstabsebenen (Quartier, Baublock, Haus) zur Verfügung zu stellen.

Die Untersuchung erfolgte in vier Bearbeitungs- und Erkenntnisschritten:
KONZEPTANSATZ

Mischquartiere sind i. d. R. keine Selbstläufer. Das Quartiersentwicklungsmodell soll zukünftig dazu dienen, gemischt genutzte Quartiere neu zu denken, aus verschiedenen Perspektiven zu verstehen und letztendlich innovativ zu entwickeln. Quartiersentwicklung ist ein komplexer und langwieriger Prozess, bei dem vielfältige Akteur:innen zusammenarbeiten, und ist daher nicht in einem gemeingültigen Modell zu beschreiben. Je nach Perspektive gibt es bereits vielfältige Ansätze und Modelle, die erfolgreiche Nutzungsmischung in Quartieren beschreiben, beispielsweise aus immobilienökonomischer Sicht, aus der Perspektive der Stadtentwicklung, oder auch als Gebietskategorie im Bebauungsplan.

Um zu einer Methodik zu kommen, wie gemischt genutzte Quartiere Schritt für Schritt neu gedacht und entworfen werden können, muss neben den städtischen Gegebenheiten, Zielsetzungen und Bedarfen, den Wünschen der vorhandenen und potenziellen Nutzer:innen und Betreiber:innen vor Ort, den baulichen und städtebaulichen Gegebenheiten eines Standorts und den zur Verfügung stehenden Instrumenten und Prozessen vor allem auch das Narrativ eines zukünftigen Quartiers berücksichtigt werden, das alle diese Faktoren miteinander verbindet. Hierbei sind die zukünftigen Ausprägungen, das Profil des Quartiers zu definieren und Schwerpunkte in den einzelnen Nutzungen zu setzen, um zu einer ausgewogenen, funktionierenden und nachhaltigen Nutzungsmischung zu kommen.

Die Entwicklung eines passenden und erfolgreichen Quartiersprofils für einen Ort erfolgt mithilfe eines Baukastenprinzips. Dazu braucht es in erster Linie eine starke Grundprägung, ein bis drei dominante Nutzungen (Arbeiten, Soziales und Wohnen), flexible, additive Nutzungsbausteine, ggf. temporär in Form von Pionier- oder Zwischennutzungen, die sorgfältige Ausformulierung eines Narrativs, in dem sich die beabsichtigten Nutzer:innen wiederfinden können, und das auf den Gegebenheiten des konkreten Ortes aufbaut. Um nun zu einer handhabbaren Methodik zu gelangen, ist die Integration dieser verschiedenen Perspektiven essenziell. Es braucht ein abgestimmtes differenziertes Nutzungsprogramm, welches die einzelnen Nutzungen benennt und näher beschreibt. Untrennbar damit verknüpft sind die Nutzer:innen, die perspektivisch das Quartier nutzen, bewohnen, in diesem wirtschaften und so die Nutzungsmischung in die Realität übersetzen werden.

Zusammengefasst: Das Quartiersentwicklungsmodell beschreibt einen Prozess, durch den systematisch ein Zielprofil für ein neues, gemischtes Quartier an einem konkreten Ort in der Stadt entwickelt werden kann.

Dieses Instrumentarium soll künftig bei allen relevanten Projekt- und Quartiersentwicklungen in Stuttgart Anwendung finden, um eine Vielfalt an Nutzungen und Mischungen im Quartier zu erzeugen und eine Vielzahl von Akteur:innen einzubinden.

NEUES STADTVERSTÄNDNIS

Die Produktive Stadt bildet sich zusehends als ein neues Leitbild und eine Handlungsstrategie in kommunalen Konzepten wie regionalen Programmen heraus. Sie materialisiert sich in innovativen Leitprojekten und gemischt genutzten Quartiersentwicklungen – so (künftig) auch in Stuttgart. Produktive Mischung und Diversität ermöglichen hier einen neuen, produktiven Blick auf Stadt und Region. Die Produktive Stadt entsteht hier in „produktiven Quartieren“ und manifestiert sich in neuen hybriden Akteurs-, Nutzungs- und Projektkonstellationen.

Der Begriff „Produktive Stadt“, der bislang nur vereinzelt im Kontext von urbaner Landwirtschaft aufgetaucht war, wurde im Kontext des Symposiums „DIE PRODUKTIVE STADT“ (2014), das im Zuge der Erarbeitung der Entwicklungskonzeption Wirtschaftsflächen für Stuttgart (EWS) stattfand, zu einem konzeptionellen Ansatz verdichtet, der nicht nur auf Gewerbekontext anwendbar ist, sondern sich auch auf den Bereich der Stadtentwicklung übertragen lässt und der weit über Stuttgart hinaus im Planungsdiskurs Verbreitung findet. Diese Erkenntnis hat zu einer anhaltenden Transformationsdiskussion in Stuttgart beigetragen, die nicht zuletzt (seit März 2021) auch die Programmausrichtung der IBA’27 StadtRegion Stuttgart erfasst hat.

Dieser Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklung wurde nicht zuletzt mit der im November 2020 von den für Stadtentwicklung verantwortlichen Minister:innen der Europäischen Union beschlossenen „Neuen Leipzig Charta – die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl“ (BMI 2020, EU 2020) manifestiert. Hier fungiert die „produktive Stadt“ neben der gerechten und der grünen Stadt als eine von drei Dimensionen nachhaltiger Stadtentwicklung. Damit wird auf allerhöchster europäischer Ebene die Notwendigkeit unterstrichen, sich den umfassenden Transformationsprozessen in den Städten zuzuwenden und die Grundlagen für eine digitale, dienstleistungsorientierte und CO2-arme Ökonomie auszubauen, Wissensgesellschaft und Kultur- und Kreativwirtschaft, Interdisziplinarität und Hybridität, Partizipation und Koproduktion zu fördern, aber insbesondere auch vielfältige Anreize und Bedingungen zu schaffen, um wieder mehr und neue vernetzte Produktionsformen in urbanen Räumen und neue Formen von Nutzungsmischung in hybriden Quartieren zu ermöglichen.

Neue Formen der produktiven Quartiersprogrammierung werden in vielen Städten bereits praktiziert – meist als gezielte lokale Entwicklungsimpulse privater Initiativen oder im Sinne einer Quartiersentwicklung als Interventionen der öffentlichen Hand. Dieses hybride, auf Mischung fokussierte Stadtverständnis wird auch in ersten Vorhaben und Projekten der IBA’27 StadtRegion Stuttgart entwickelt und umgesetzt.

So setzen sich bspw. in Stuttgart die „C1 Maker City Stuttgart Rosenstein“ (Wettbewerb und Rahmenplanung: asp Architekten & Koeber Landschaftsarchitekten) und die „Neue Mitte Leonhardsvorstadt“ (Beteiligungsprozess und Programmentwicklung: Studio Malta, Belius & BeL Architekten) intensiv mit Nutzungsmischung im innerstädtischen Kontext und gemeinwohlorientierter Quartiersentwicklung auseinander, ohne dabei die ökonomischen Aspekte zu vernachlässigen. Auch mit dem Quartier „Der neue Stöckach – ein gutes Stück Stuttgart“ auf dem ehemaligen Betriebsgelände der EnBW im Stuttgarter Osten wird eine gemischte Quartiersentwicklung unter Erhalt markanter Bestandsgebäude (Wettbewerb und Rahmenplanung: tong+, Hannes Hörr Landschaftsarchitektur) hier mit dem Schwerpunkt Wohnen angestrebt. Das Areal wird zu einem Wohn- und Arbeitsraum der Zukunft weiterentwickelt. Diese Projekte sind sehr unterschiedliche Referenzen „produktiver Quartiersentwicklung“. Neben mehr Produktion und mehr Mischung wird von vielen Akteur:innen auch mehr Gemeinwohlorientierung eingefordert, um Städte nachhaltiger, resilienter und damit auch lebenswerter zu machen.

WEITERES VORGEHEN

Die Konzeptstudie „Neue Mischgebiete für Stuttgart“ mit dem dargelegten Quartiersentwicklungsmodell und den Handlungsempfehlungen wird als Grundlage für das weitere Verwaltungshandeln herangezogen. Sie ist rahmengebend für das weitere Vorgehen bei künftigen Quartiers- und Standortentwicklungen.

Bei neuen Quartiersentwicklungsprojekten in zentralen Lagen wird künftig beabsichtigt, die Entwicklung nutzungsgemischter Quartiers- und Raumprogramme zu untersuchen und zu fördern, zugleich Prozess- und Verfahrensvielfalt zu erhöhen und unterschiedliche Akteurskonstellationen zu ermöglichen.

Dieser Ansatz basiert auf dem Bekenntnis zum Leitbild der Produktiven Stadt – einer Stadt, die verstärkt auf urbane Arbeits- und Lebensformen und auf Mischung setzt und sich an den Zielen der „Neuen Leipzig Charta – die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl“ orientiert.

Parallel dazu wird an einer Handlungsstrategie Produktive Stadt gearbeitet, die die strategischen Planungs- und Referenzgrundlagen für künftige Quartiersentwicklungen mit gemischtem und gewerblichen Nutzungsprogrammen (hybrider Nutzungsmix) verdichtet. Mit dieser Handlungsstrategie sollen die kollaborative Programmentwicklung, die Sicherstellung einer Nutzungsvielfalt, die Sicherstellung von Prozessqualitäten und Verfahrensvielfalt, aber auch die Entwicklung neuer gemischter Akteurskonstellationen aufbereitet und operationalisiert werden, um „produktive Quartiere“ in Stuttgart unterschiedlicher Prägung anstoßen und befördern zu können.

In der künftigen Planungspraxis soll das Quartiersentwicklungsmodell bei konkreten Standortentwicklungen ausgetestet und praxisnah weiterentwickelt werden, so bspw. bei der Quartiersentwicklung Schoettle-Areal in Stuttgart-Süd oder beim AWS-Areal Heinrich-Baumann-Straße in Stuttgart-Ost.

RESÜMEE

Stuttgart versteht sich heute als aktive und produktive Stadt in einer aktiven und produktiven StadtRegion. Das primäre Operationsfeld der Produktiven Stadt liegt dabei im Quartier. Gemischt genutzte Transformationsareale wie die Fabrikvorstadt oder die Neckarvorstadt in Bad Cannstatt, gewerblich geprägte Mischquartiere in Feuerbach-Mitte oder Zuffenhausen-West, das EnBW-Areal am Stöckach und dessen Umfeld im Stuttgarter Osten, die heute kreativwirtschaftlich geprägten Gewerbeareale im Stuttgarter Westen oder die Gewerbequartiere im Transformationsraum Neckar können beispielhaft als „Quartiere im produktiven Wandel“ begriffen werden. Neben vielen gewerblich-produktiven Initiativen im Bestand sollen in den künftigen Transformationsräumen verstärkt produktive Quartiere im Sinne von intensiv gemischten Projekten entwickelt und programmiert werden. Innovative Konzepte zur Erhöhung der Flächeneffizienz wie auch neue Nutzungskonzepte und -kombinationen mit vertikaler und horizontaler Mischung sind somit in vielen Stadtteilen und Quartieren Stuttgarts möglich.

Die Analyse der unterschiedlichen Referenzprojekte hat – neben den vielfältigen Raumprogrammen und Nutzungskonstellationen – auch gezeigt, welchen Anteil informelle und formelle Instrumente am erfolgreichen Gelingen von komplexen, nutzungsgemischten Projekten und Quartieren haben können. Die jeweils verfügbaren planungs- und baurechtlichen Rahmenbedingungen sind auszuschöpfen; auf eine auf die Produktive Stadt ausgerichtete Anpassung ist nachhaltig hinzuarbeiten. Zudem braucht jede Quartiersentwicklung einen eigenständigen Projektansatz, eine individuelle Strategie, wie es auch spezifischer Programme und Akteurskonstellationen bedarf. Immer wieder wird eine große Offenheit im Prozess betont – diese Offenheit und Flexibilität bei der Programm- und Prozessentwicklung ist ausschlaggebend.

Auch nimmt das Thema Beteiligung bei vielen Projekten eine zentrale Rolle ein. Akteurs- und Formatvielfalt sind zentrale Schlüsselfaktoren dieser Partizipationsprozesse. Ausschreibungen, Jurybesetzungen und Arbeitsgruppen müssen unter breiter Beteiligung vorgenommen werden. Initiativen von Investor:innen, Projektentwickler:innen, Eigentümer:innen, Stadtinitiativen oder Baugruppen engagieren sich je nach Projekt auf sehr unterschiedliche Weise und benötigen im Einzelfall auch strukturelle und organisatorische Unterstützung. Initiativen vernetzen sich, Kooperationen werden aufgebaut, komplexe Strukturen zur Interessensabstimmung, zur Entwicklung von Programmen und Verfahren, zur Vernetzung und Entscheidungen entstehen. Kooperationsvereinbarungen werden notwendig. Es herrscht das Konsensprinzip vor. Bei Programmschritten und Entscheidungen wird allseits eine hohe Transparenz erwartet. Qualität wird als Gestalt- wie auch als Prozessqualität verstanden.

Bestandteil der Quartiersprogrammierung wird künftig insbesondere die Aushandlung von Nutzungsprogrammen sein. Es bedarf bei gemischt genutzten (produktiven) Quartiersentwicklungen der Abstimmung verbindlicher Gewerbeanteile und sonstiger Nichtwohnanteile. Diese sind bei jedem Projekt individuell festzulegen, da dies abhängig ist vom jeweiligen Standort, Programm- bzw. Nutzungsmix und der jeweiligen Konstellation von Akteur:innen bzw. Nutzer:innen.

Für die gemischt genutzte Quartiersentwicklung sollten im Weiteren auch neue Trägerschafts- und Betreibermodelle konzipiert und geprüft werden. Gerade auch bei gemischt genutzten (und häufig komplexen) Vorhaben / Quartieren unter Beteiligung der öffentlichen Hand sind neue Projektentwicklungs- und Organisationsansätze vonnöten, die die klassische Aufgabenaufteilung und Zuständigkeiten entlasten und zukunftsfähige Strukturen im Zusammenspiel von Stadt und Dritten ermöglichen.

Es zeigt sich immer wieder, dass in Transformationsquartieren gerade der Erhalt bestehender Bausubstanz aufgrund bezahlbarer Mietpreise und besonderer Raumangebote zu mehr Nutzungsvielfalt führt. Gerade diese Quartiere bieten günstige Voraussetzungen und Anknüpfungspunkte für eine funktionale Weiterentwicklung. Die oftmals bestehenden Ansätze gilt es zu stärken. In den Umbau und die Weiterentwicklung gewachsener Quartiere, insbesondere von monostrukturierten Nachkriegsquartieren, sollte daher ein besonderes Augenmerk gelegt werden.

Die Produktive Stadt ist somit als Quartiersentwicklungsimpuls zu verstehen. Ziel ist es, mit Hilfe der in dieser Konzeptstudie entwickelten Methodik mehr Diversität und Nutzungsvielfalt in die städtischen Quartiere und Nutzungsprogramme zu bringen und so neue produktive Mischungen in unterschiedlichsten Situationen in Stuttgart zu initiieren. Die Zukunft – so wird inzwischen vielerorts festgestellt – liegt im „Produktionsraum Quartier“.



Beteiligte Stellen

OB/82


Vorliegende Anträge/Anfragen

keine
keine




Peter Pätzold
Bürgermeister





1. Konzeptstudie "Neue Mischgebiete Stuttgart" (ASTOC/dreiform)




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Anlage 1 Konzeptstudie Neue Mischgebiete für Stuttgart.pdf