Protokoll: Ausschuss für Klima und Umwelt des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 17.01.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:Frau Bartsch, Herr Remiorz, Herr Wesemann (alle Caritasverband)
Protokollführung: Herr Haupt fr
Betreff: Stromsparcheck (SSC) bei einkommensschwachen Haushalten
- mündlicher Bericht -

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.

Ein Exemplar der Stromspar-Check-Broschüre ist dem Protokollexemplar für die Hauptaktei angehängt.

Frau Bartsch führt eingangs aus, der Caritasverband in Stuttgart biete denjenigen Menschen Arbeit, die Schwierigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt hätten. Die Beschäftigten seien Menschen mit Behinderung, psychischen Krankheiten, Suchterfahrung oder Wohnungslosigkeit sowie chancenarme Jugendliche und Langzeitarbeitslose. Dieser Personenkreis werde in völlig unterschiedlichen Projekten und Betrieben beschäftigt (z. B. Sozialkaufhaus "FAIRKAUF", "Die Lederschmiede" oder "7Siebe", alle in Stuttgart-Feuerbach). Das Projekt "Stromsparcheck (SSC)" schaffe nicht nur Beschäftigung für Langzeitarbeitslose, sondern habe zudem aufgrund der CO2-Einsparung sehr positive Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Das Projekt bestehe seit über zehn Jahren.

Herr Remiorz erläutert das Projekt "SSC" gemäß einer Präsentation und ergänzt die gezeigten Folien um folgende Aspekte: Viele sozial schwache Menschen könnten die in den letzten Jahren ständig gestiegenen Strompreise nicht mehr bewältigen und würden dadurch in die Schuldenfalle getrieben. Indikator hierzu sei die anhaltend hohe Zahl an Stromsperren. Die beim Erstbesuch erfassten Daten, wie der aktuelle Stromverbrauch, werden in eine Datenbank eingegeben, die dann das Energieeinsparungspotenzial des Haushalts errechne. Neben dem Einbau kostenloser Energie- und Wassersparartikel würden dem Haushalt auch Verhaltenstipps gegeben. Hinsichtlich des Kühlschrankaustausches würden 100 €-Gutscheine ausgegeben. Herr Remiorz korrigiert, die Anzahl der laut Präsentation seit 2018 beratenen über 320.000 Haushalte habe sich richtigerweise auf über 350.000 Haushalte erhöht, was bei einem durchschnittlichen 3-Personen-Haushalt rund 1.000.000 Personen umfasse. Seit April 2019 habe mit dem "SSC aktiv" ein neuer Förderzeitraum begonnen. Der Begriff "aktiv" bedeute, die Haushalte würden zu einem ressourcenschonenden Verhalten aktiviert.

Derzeit verfüge der Caritasverband in Stuttgart für den "SSC" über 13 Arbeitsplätze, so Herr Wesemann, und diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden bei ihrer Arbeit angeleitet. Seitens des Verbandes gebe es Hilfsangebote bei multiplen Suchtproblemen sowie Schuldenregulierung oder bei der Wiederherstellung und Förderung von Basisqualifikationen, die benötigt würden, um auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Die Tätigkeit sei sehr beliebt, da sie sehr selbstständig ausgeübt werde und sich von anderen Arbeitsprojekten unterscheide. Es würden keine Produkte gefertigt oder verkauft, sondern es finde lediglich eine Beratung statt. Im Bereich Beratung sei wichtig, dass die Maßnahmeteilnehmer fortgebildet würden (theoretische und praktische Ausbildung). Ein privater Haushalt würde immer von zwei Beratern besucht: einer der Mitarbeiter sei sehr erfahren und würde seinen Kollegen nach und nach ausbilden und für die Tätigkeit als Energiefachmann vorbereiten. Die Beratung auf Augenhöhe sei sehr wichtig: Oftmals kenne der Berater die finanzielle Problematik und die Situation der Haushalte. Dieser erkläre zunächst die Nebenkostenabrechnung, die häufig für viele Menschen schwierig zu verstehen sei. Ebenso werde in der Wohnung nach Energieverbrauchern gesucht und die Haushalte würden für das Thema Klimaschutz sensibilisiert, so Herr Wesemann. Das sei positiv sowohl für die Stadt als auch für die Haushalte. Auch wenn einige Betroffene aufgrund einer neuen Tätigkeit aus dem Arbeitslosengeld wieder herausfallen würden, hoffe der Caritasverband, diese seien aufgrund der Beratung noch immer für Energieeinsparung sensibilisiert und würden ihr dementsprechendes Verhalten weiter fortführen. Die Statistik des "SSC" erläutert Herr Wesemann gemäß Folie 11 der Präsentation. Er ergänzt, es sei für die Betroffenen nicht nur die kostenlose Soforthilfe im Warenwert von bis zu 70 € erfreulich (LED-Lampen, wassersparende Duschköpfe, Zeitschaltuhren usw.), sondern zudem deren langfristig verändertes Verbraucherverhalten. Der Caritasverband kooperiere beim "SSC" mit der SWSG, die den Quartiersansatz (Folie 7) ermöglicht habe. Es würden ständig neue Kooperationspartner gesucht: hierzu würden viele Vorträge gehalten, um Menschen für das Projekt zu begeistern. Ziel sei, dass der "SSC" in Stuttgart zum Modellstandort zum Thema Klimaschutz im Alltag werde. In Flüchtlingsunterkünften sei das Thema "Müllentsorgung, -vermeidung und -trennung" sehr wichtig. Dieses Thema werde oftmals in anderen Kulturen anders aufgefasst, oder das Verständnis hierzu sei nicht vorhanden. In diesem Bereich müssten die Betroffenen ebenso integriert werden, damit sie spätestens mit eigener Wohnung über Kenntnisse zu diesem Thema verfügten. Herr Wesemann führt weiter aus, im Jahr 2004 seien 9.000 Stromabschaltungen durchgeführt worden. Das Wiederanschalten koste gerade diejenigen Menschen viel Geld, die so oder so schon wenig Geld hätten, um ihre Energiekosten zu bezahlen. Hier agiere der Caritasverband vorbeugend. Häufig würden sich die Betroffenen erst melden, wenn sie eine sehr hohe Energiekostennachzahlung erhalten hätten. Dieses versuche man dadurch zu vermeiden, dass bereits im Vorfeld viel Informationsarbeit mit Vorträgen und Öffentlichkeitsarbeit geleistet werde. Allerdings seien viele Haushalte misstrauisch, da die "SSC"-Dienstleistung kostenlos sei. In Bürgerzentren werde daher der Kontakt zu Multiplikatoren gesucht, die die Betroffenen daraufhin überzeugen könnten.

Wenn beim "SSC" auf Augenhöhe beraten werde, so StR Winter (90/Grüne), sei dieses einerseits ein Sozialprojekt und verbinde anderseits Ökologie und Ökonomie. Im aktuellen Doppelhaushalt habe der Gemeinderat richtigerweise eine zusätzliche Fördersumme von 40.000 € beschlossen. Das Projekt sei im Sinne seiner Fraktion.

Seine Fraktion spreche den Dank an das "SSC"-Team aus, so StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). Es lebe vor, dass Klimaschutz eine wesentliche soziale Verbesserung darstellen könne. Der Stadtrat bietet aus Sicht seiner Fraktion zusätzliche personelle und finanzielle Unterstützung an, falls benötigt.

StRin Schanbacher (SPD) betont, aufgrund der Beratungen im Rahmen des Klimaschutzprogramms und eines SPD-Antrags in den Haushaltsplan-Beratungen sei eine zusätzliche Erhöhung zum jährlichen städtischen Zuschuss von aktuell 40.000 € angestrebt worden, es habe aber keine Einigkeit darüber gegeben. Positiv für den Klimaschutz und die Betroffenen sei, dass Haushalte bis 200 €/Jahr einsparen könnten. Zudem würden Langzeitarbeitslose beschäftigt, was der Grund sei, warum immer zwei Berater in die Haushalte gingen: Ein Berater allein trete nicht selbstsicher und souverän genug auf. Ziel sei es, mit mehr finanziellen Mitteln noch mehr Haushalte mit dem "SSC" zu erreichen, damit mehr Klimaschutz erreicht werden könne.

StR Köhler (AfD) hat den Bericht so verstanden, kleinere Geräte wie LED-Birnen werden den Haushalten direkt zur Verfügung gestellt.

Auf die Fragen von StR Sakkaros (CDU) und StRin Schanbacher antwortet Herr Remiorz, rund 60 % der Tätigkeit mache die Akquise von Haushalten aus. Die "SSC"-Energieberater würden beispielsweise Infostände im Jobcenter oder in Tafelläden aufstellen und die Personen direkt ansprechen. Hierzu würden entsprechende Mittel aus dem "SSC" zur Verfügung gestellt. An StR Sakkaros gewandt führt er aus, aus Sicherheitsgründen würden immer zwei Berater einen Haushalt besuchen. Zudem könnten zwei Berater mehr Informationen zusammentragen als lediglich einer. Eine Ausnahme stellten zusätzlich geschulte Serviceberater dar: Diese dürften alleine einen Haushalt besuchen. Auf eine weitere Frage des Stadtrats hin erklärt Herr Remiorz, der "SSC" stehe lediglich einkommensschwachen Haushalten zur Verfügung. Besser gestellte Verbraucher würden von der Verbraucherzentrale beraten. Hinsichtlich der Frage von StR Zaiß nach dem Monitoring und der Rücklaufquote bei den Haushalten erklärt Herr Remiorz, einen konkreten Wert zu nennen sei sehr schwierig, die Zahlen seien bundesweit sehr unterschiedlich. Der erste Besuch sei sehr aufwendig und könne zwischen einer und drei Stunden andauern. Es würden durchaus intime und sensible Fragen gestellt (Toiletten- und Duschgewohnheiten, Fernsehverhalten). Herr Remiorz schlägt einen Termin bei einem Haushaltsbesuch gemeinsam mit interessierten Mitgliedern des Gemeinderats vor. Bei Glühbirnen seien die Amortisationszeiten wichtig, damit nicht ausgetauscht werde, was nicht nötig sei. Beim Zweittermin würden im Wert von etwa 75 € Glühlampen und Duschsparköpfe ausgetauscht sowie Steckerleisten eingebaut. Zudem würden Verhaltenstipps gegeben. Der dritte Termin finde nach einem Jahr statt, zu dem idealerweise die aktuelle Stromrechnung vorliege.

Frau Bartsch ergänzt, gerne auch nichtbedürftige Haushalte beraten zu wollen. Allerdings handele es sich beim "SSC" um ein Beschäftigungsprojekt des SGB II, welches Wettbewerbsneutralität vorschreibe. Da es Energieberater gebe, die eine kostenpflichtige Beratung anböten, dürften beim "SSC" keine Rechnungen gestellt und nur die eingeschränkte Zielgruppe der Bedürftigen betreut werden. Allerdings sei das Interesse auch von anderen Bevölkerungsgruppen am "SSC" sehr groß. Hinsichtlich der Finanzierung begrüßt sie die Förderung der Stadt in Höhe von 40.000 €/Jahr, um das Defizit auszugleichen. Es sei geplant, das Projekt personell weiter aufzustocken. Im letzten Jahr sei ein Mitarbeiter aus personellen Gründen ausgeschieden, daher sei die Fördersumme aufgrund der eingesparten Personalkosten nicht komplett abgerufen worden. Das geplante Aufgabenpensum könne aktuell nicht bewältigt werden, da die Ausbildung zum Stromsparberater und die Akquise der Haushalte sehr zeitaufwendig seien. Bei diesen Aufgaben könnten zwar Mitarbeiter in Arbeitsgelegenheiten unterstützend tätig werden, es müssten aber zudem immer hauptamtliche Mitarbeiter begleitend tätig sein. Frau Bartsch bekräftigt, es müssten immer zwei Mitarbeiter einen Haushalt besuchen, da die in den "SSC" eingebundenen Personen oftmals aufgrund von Sucht, langjährigen psychischen Erkrankungen oder Wohnungslosigkeit sehr arbeitsmarktfern seien. Der Caritasverband unterstütze diese Personen mit einheitlichen Westen und T-Shirts. Insgesamt sei es ein langer Weg, bis diese Mitarbeiter optisch und fachlich bei den Haushalten ein gutes Bild abgeben würden.

Auf die Frage von StRin Schanbacher und StRin Köngeter (PULS), führt Frau Bartsch aus, mit einem möglicherweise höheren Förderbeitrag stärker in der Akquise von Haushalten tätig werden zu wollen, um mehr Beratung anbieten zu können. Der "SSC" sei bei den Langzeitarbeitslosen sehr beliebt und es könnten mehr Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden.

Das Bundesprogramm zum "SSC" sei zwar positiv, so StRin Schanbacher, aber die Kommunen leisteten ihren Anteil nicht in der Höhe, wie sie ihn leisten müssten. Im Haushalt hätte ihre Fraktion daher 20.000 € zusätzliche Fördermittel beantragt. Sie stellt die Frage, ob diese Summe im laufenden Jahr aufgebracht werden könnte, wenn diese Mittel dringend benötigt würden.

Der "SSC" sei sehr zu begrüßen, betont Herr Dr. Zirkwitz (AfU), da er die ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte verbinde und ein Modell für Nachhaltigkeit darstelle. Eine mögliche Fördermittelerhöhung sei bereits mit dem Caritasverband diskutiert worden: dieser plane zwar mittelfristig eine Personalaufstockung und daraus folgend eine Mittelerhöhung, derzeit jedoch sei dies aufgrund der geschilderten Personalsituation nicht nötig. Wenn sich die Notwendigkeit einer Fördererhöhung zeige, bestehe hierzu im Haushaltsplan die Möglichkeit einer Erhöhung der Mittel.

BM Pätzold versteht das Programm in der Art, es werde im Bereich der Beratung zum Klimaschutz ausgeweitet. Er bietet dem Caritasverband an, er solle mit einem entsprechenden Konzept auf die Verwaltung zukommen, damit das weitere Vorgehen im AKU beraten werden könne. Schließlich verändere die Neuausrichtung den Umfang der Beratung.

Diesen Vorgehensvorschlag begrüßt Frau Bartsch, denn auf diese Weise könne eine Aussage über den nötigen Personal- und Finanzbedarf getätigt werden.

Herr Dr. Görres (AfU) ergänzt, hinsichtlich der Akquise im Jobcenter sollten dessen feste Mitarbeiter intensiver auf das Thema "SSC" hinweisen. Für die Schulungen seien Fördermittel verfügbar, die das Energieberatungszentrum (EBZ) Stuttgart zusätzlich bereitstelle.

Außer dem Jobcenter könne das Sozialamt oder die Wohngeldstelle ebenso Haushalte akquirieren, so StRin Köngeter.

BM Pätzold dankt den Referenten des Caritasverbands, danach liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.


BM Pätzold stellt fest:

Der Ausschuss für Klima und Umwelt hat von dem Bericht Kenntnis genommen.

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