Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 301/2018
Stuttgart,
04/18/2018


Der Gemeindepsychiatrische Verbund Stuttgart (GPV) im Landesvergleich Baden-Württemberg



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich14.05.2018

Bericht:



Zuletzt wurde mit der GRDrs 596/2014 „Gemeindepsychiatrischer Verbund / Gemeindepsychiatrische Zentren Stuttgart - Aktueller Sachstand und Landesvergleich“ über den Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) Stuttgart im Landesvergleich mit den anderen Gemeindepsychiatrischen Verbünden in Baden-Württemberg berichtet.

Die Grundlage für die Vorlage ist die „Dokumentation Gemeindepsychiatrischer Verbund Baden-Württemberg 2015/2016“ von Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS), Landkreistag und Städtetag. In der Dokumentation wird die Versorgungssituation von psychisch erkrankten Menschen in Baden-Württemberg aus kommunaler Perspektive dargestellt. Im Jahre 2010 wurde die Dokumentation als Gemeinschaftsprojekt von Städtetag, Landkreistag und KVJS erstmals vorgelegt. Seither wird die Untersuchung im zweijährigen Turnus wiederholt und erscheint nun in der 4. Auflage. Untersucht werden jeweils alle 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs. Die Rücklaufquote lag bei allen Untersuchungszeiträumen bei 100 %. Der KVJS hat die Daten jeweils ausgewertet.

Die Psychiatrieplanerinnen und -planer der 44 Kreise in Baden-Württemberg haben die Entwicklung der GPV-Dokumentation von Anfang an begleitet. Das Instrument „GPV-Kurzprofil“ als Grundlage der GPV-Dokumentation wird jeweils an die aktuellen Erfordernisse der kommunalen Praxis der Sozialplanung angepasst und untersucht aktuell z. B. geschlossene Wohnheimplätze nach § 1906 BGB.

In der vorliegenden GPV-Dokumentation sind auf Wunsch des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg auch die Neuerungen in der Versorgung durch das am 01.01.2015 in Kraft getretene Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (PsychKHG) Baden-Württemberg abgebildet.

Ziel der Dokumentation war und ist es, einen Überblick über die Versorgungssituation im jeweiligen Stadt- und Landkreis in Baden-Württemberg zu ermöglichen, Transparenz herzustellen und Orientierungshilfe zu bieten. Schließlich ermöglicht sie auch einen Vergleich der Kreise untereinander. Vor allem in Kombination mit anderen Erhebungen wie der Dokumentation der Sozialpsychiatrischen Dienste und Qualitätskriterien des GPV, bietet sie Ansatzpunkte für eine gemeinsame Steuerung Gemeindepsychiatrischer Verbünde.

Die GPV-Dokumentation schafft außerdem eine fundierte empirische Basis für die Verständigung zwischen Menschen mit psychischer Erkrankung und ihren Angehörigen, den Einrichtungen und Diensten und der Stadt- oder Kreisverwaltung. Daraus können Ansatzpunkte für eine gemeinsame Steuerung der gemeindepsychiatrischen Versorgung abgeleitet werden.

Im Folgenden wird die Versorgungssituation in der Landeshauptstadt Stuttgart in Beziehung gesetzt mit der Versorgungssituation in Baden-Württemberg (Dokumentation Gemeindepsychiatrischer Verbund Baden-Württemberg 2015/2016, Stuttgart 2017 - Stichtag 31.12.2015, Landkreistag Baden-Württemberg, Städtetag Baden-Württemberg, Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg).

1. Gemeindepsychiatrischer Verbund

Seit dem 01.01.2015 sind durch das PsychKHG Baden-Württemberg die Aufgaben der Gemeindepsychiatrischen Verbünde, der Sozialpsychiatrischen Dienste, die Koordination der Hilfeangebote sowie die Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen (IBB) und der Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher gesetzlich verankert.

Am 31.12.2015 hatten 42 von 44 Kreisen eine schriftliche Vereinbarung zum Gemeindepsychiatrischen Verbund nach §7 PsychKHG abgeschlossen. Eine vertraglich vereinbarte Versorgungsverpflichtung war in 28 dieser 42 schriftlichen Vereinbarungen verankert. Sie ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal für das Versorgungssystem vor Ort.

Stuttgart hat bereits 2005 eine entsprechende Vereinbarung mit allen Beteiligten abgeschlossen (GRDrs 302/2005 „Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) in der Landeshauptstadt Stuttgart“).

2. Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher und Informations-, Beratungs- und Beschwerdestelle

Mit dem PsychKHG werden ab dem Jahr 2015 sukzessive und flächendeckend in allen 44 Stadt- und Landkreisen Patientenfürsprecherinnen und -fürsprecher und Informations-, Beratungs- und Beschwerdestellen (IBB) geschaffen. Sie beraten betroffene Bürgerinnen und Bürger und ihre Angehörigen, nehmen Anregungen und Beschwerden entgegen und arbeiten eng mit den Gemeindepsychiatrischen Verbünden zusammen.

Am Jahresende 2016 gab es in 40 Kreisen eine IBB. Die seit vielen Jahren in Stuttgart bestehende Beschwerdestelle wurde 2015 in die IBB Stuttgart überführt.

3. Gemeindepsychiatrisches Zentrum (GPZ)

Aus der Perspektive der Menschen mit psychischer Erkrankung sind die Aufgaben und Zuständigkeiten der verschiedenen Einrichtungen und Dienste in der ambulanten psychiatrischen Versorgung schwer zu überblicken. Dadurch kommt es nicht selten – vor allem in akuten psychischen Krisen – zu mehrfachen Kontaktaufnahmen mit unterschiedlichen Diensten. Im Gemeindepsychiatrischen Zentrum wird die ambulante psychiatrische Versorgung möglichst „unter einem Dach“ gebündelt, um die Ressourcen effektiv einzusetzen und personenbezogen auszugestalten. Mit dem PsychKHG (§ 6) wurde erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Sozialpsychiatrischen Dienste (SpDi) als Teil der GPZ geschaffen.
Zahl der langfristig betreuten Klientinnen und Klienten SpDi/Grundversorgung
Stadtkreise
17 je 10.000 Einwohner
Landkreise
11 je 10.000 Einwohner
Baden-Württemberg
12 je 10.000 Einwohner
Stuttgart
34 je 10.000 Einwohner
Im Landesvergleich zeigt sich, dass in Stuttgart u. a. wesentlich mehr Klientinnen und Klienten langfristig betreut werden. Dies liegt an der Bedarfssituation in einem großstädtischen Ballungsraum.

4. Tagesstätten

Tagesstätten sind ein offenes niedrigschwelliges Angebot für Erwachsene mit einer chronisch psychischen Erkrankung. Sie bieten vor allem Begegnung und Kontakt und sind regelmäßig werktags geöffnet. Die Konzeption der Stuttgarter Tagesstätten wurde aktuell verändert, das Angebot für alle Tagesstätten standardisiert und die personelle Ausstattung entsprechend angepasst (vgl. GRDrs 260/2018 „Tagesstätten für chronisch psychisch kranke Menschen in Stuttgart - Umsetzung der Haushaltsbeschlüsse 2018/2019“).
Besucherinnen und Besucher von Tagesstätten für Menschen mit psychischer Erkrankung pro Tag
Stadtkreise
3,3 je 10.000 Einwohner
Landkreise
1,8 je 10.000 Einwohner
Baden-Württemberg
2,0 je 10.000 Einwohner
Stuttgart
5,2 je 10.000 Einwohner
Der Landesvergleich zeigt zum einen, dass die GPZ mit ihrem Angebot der Tagesstätten sehr viele psychisch erkrankte Menschen in ihrem Einzugsgebiet erreichen. Zum anderen wird der Bedarf an Tagesstruktur in einem Ballungsraum deutlich.

5. Betreute Wohnangebote in Stuttgart

Hier wird die Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung in Baden-Württemberg überwiegend aus der Perspektive der Träger der Sozialhilfe dargestellt. Für die Eingliederungshilfe sind das in Baden-Württemberg die Stadt- und Landkreise (SGB XII). Aus dieser Leistungsträger-Perspektive heraus werden hier diejenigen Menschen mit psychischer Erkrankung gezählt, für die ein Stadt- oder Landkreis als Träger der Sozialhilfe zuständig ist.
Anzahl der Wohnangebote in Stuttgart
stationäre Wohnplätze
254
davon §1906 BGB (geschlossene Unterbringung)
58
Plätze für Ambulant Betreutes Wohnen
678
psychiatrische Familienpflege
6
Summe
938
Mit diesem Angebot steht ein differenziertes und tragfähiges Angebot für die Zielgruppe zur Verfügung.


5.1 Geschlossene Unterbringung nach § 1906 BGB

In der GPV-Dokumentation 2015/2016 wurde zum ersten Mal die sogenannte geschlossene Unterbringung nach § 1906 BGB als Sonderform des stationären Wohnens näher betrachtet. Unterbringungen in sogenannten geschlossenen Bereichen betreffen jene Erwachse mit chronischer psychischer Erkrankung und wesentlicher seelischer Behinderung, die in ihrem Bezug zur Realität gestört sind und die ihr Handeln vorübergehend nicht mehr kontrollieren können. Dies kann sowohl mit Selbst- oder Fremdgefährdung als auch mit erhöhter Suizidgefahr einhergehen.

Eine Möglichkeit der Unterbringung nach § 1906 BGB in der Eingliederungshilfe besteht in 10 Stadt- und Landkreisen, die Möglichkeit der Unterbringung in Pflegeheimen in 17 Stadt- und Landkreisen. Bei der Anzahl der Plätze mit Standort im Kreis steht Stuttgart landesweit mit 58 Plätzen an 2. Stelle.

5.2 Stationäre Wohnangebote
Belegte Plätze in stationären Wohnangeboten je 10.000 Einwohner
Stadtkreise
5,0 je 10.000 Einwohner
Landkreise
4,5 je 10.000 Einwohner
Baden-Württemberg
4,6 je 10.000 Einwohner
Stuttgart
4,0 je 10.000 Einwohner
Die Vergleiche mit Stadt- und Landkreisen zeigen bezogen auf die Landeshauptstadt Stuttgart den Vorrang des Ambulant Betreuten Wohnens innerhalb der Infrastruktur der Wohnbetreuung für psychisch erkrankte Menschen in Stuttgart.
Quote der Plätze in stationären Wohnangeboten für Menschen mit psychischer Erkrankung, die mit Bewohnern aus dem eigenen Kreis belegt waren in Prozent
Stadtkreise
62 %
Landkreise
45 %
Baden-Württemberg
48 %
Stuttgart
93 %
Hier ist es durch die konsequente Umsetzung der wohnortnahen Versorgung gelungen, die Eigenbelegerquote von 87% in 2011 nochmals auf 93% in 2015 zu steigern.

5.3 Ambulant Betreute Wohnangebote
Belegte Plätze Ambulant Betreutes Wohnen je 10.000 Einwohner
Stadtkreise
9,7 je 10.000 Einwohner
Landkreise
6,9 je 10.000 Einwohner
Baden-Württemberg
7,4 je 10.000 Einwohner
Stuttgart
10,8 je 10.000 Einwohner
In der Landeshauptstadt Stuttgart ist das Ambulant Betreute Wohnen Ausdruck einer frühzeitig begonnenen und konsequenten Umsetzung des Prinzips „ambulant vor stationär“, wodurch stationäre Unterbringung soweit möglich vermieden werden soll. Die inhaltlichen Neuregelungen im Ambulant Betreuten Wohnen (GRDrs 734/2013 „Weiterentwicklung im Ambulant Betreuten Wohnen“) ermöglichen zudem eine passgenaue Ausrichtung der Hilfen am Bedarf der Betroffenen.


6. Fazit

Insgesamt weist die sozialpsychiatrische Versorgung in der Landeshauptstadt Stuttgart in dem dargestellten Landesvergleich eine statistisch überdurchschnittlich gute Versorgung auf.

In der Landeshauptstadt Stuttgart wird die gemeindenahe Versorgung weitgehend realisiert. Das Wunsch- und Wahlrecht bleibt davon unberührt.

Weitergehend sind Schnittstellen zu anderen Unterstützungssystemen und Zugang zu Regelstrukturen (wie Begegnungsstätten für Ältere) zu gestalten.

Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Werner Wölfle
Bürgermeister





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