Ausführlicher Bericht
1. Aktuelle Situation
Die Flüchtlingskrise in Europa 2015 stellte alle deutschen Städte und Landkreise vor immense Herausforderungen. Im Mai 2014 lebten noch 1.815 Personen in den städtischen Flüchtlingsunterkünften. Im Spitzenmonat November 2015 kamen 1.116 Flüchtlinge nach Stuttgart. Dem Königsteiner Schlüssel entsprechend, nimmt Stuttgart 6,47 % der Baden-Württemberg zugewiesenen Flüchtlinge auf.
Entsprechend dem Zwischenbericht der Task Force Integration im Juli 2016 (GRDrs 429/2016 „Task Force Integration von Flüchtlingen – Bericht“) lag die höchste Anzahl der Personen in den Stuttgarter Flüchtlingsunterkünften zum 1. Juli 2016 bei 8.141 Personen. Es leben also nahezu fünf Mal so viele Geflüchtete in den Unterkünften der Landeshauptstadt Stuttgart wie im Jahr 2014.
Seit Ende 2016 stagnieren die Zahlen der Geflüchteten bzw. gehen schrittweise zurück. Im November 2016 leben 7.874 Personen in den Unterkünften, im Februar 2017 7.827 Personen, im Mai 2017 7.672 Personen, im Juli 2017 7.574 Personen und im August 2017 liegt die Zahl der Untergebrachten bei 7.362 Personen. Dies entspricht einer Abnahme von 11 % des Wertes vom Vorjahr.
Abbildung 1: Belegungszahlen in Stuttgarter Flüchtlingsunterkünften
Die Aufgabe der Task Force, als Querschnittsaufgabe alle vorhandenen und künftigen Aktivitäten auf Verwaltungs- und Trägerseite zur Integration der in Stuttgarter Verantwortung untergebrachten Flüchtlinge zu koordinieren und mit anderen Akteuren in der Stadtgesellschaft abzustimmen, kann nun aufgrund herausgebildeter Strukturen und der stagnierenden bzw. rückläufigen Zahlen der Geflüchteten in Stuttgart beendet werden. Der Krisenmodus kann als überwunden betrachtet werden, erste tragfähige Strukturen werden herausgearbeitet und müssen nun verfestigt werden.
2. Soziale Integration - Arbeitsgruppen der Task Force
Durch die Arbeit der Task Force wurde die Integration der Flüchtlinge in die Stadtgesellschaft vorangetrieben. Die Arbeitsgruppen leisteten die fachbezogenen Arbeiten. Sie beschäftigten sich mit den Themen „Arbeit und Ausbildung“, „Sprache und kulturelle Werte“, „Familien, Kinder und Jugendliche“, „Soziale Integration und Quartier“, „Gesundheitliche Versorgung“ und „Kommunikation“. Um Doppelstrukturen zu vermeiden und den Gedanken der Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe umzusetzen, wurden vorhandene Gremien (z. B. Runde Tische, bestehende Arbeitsgruppen zum Thema Integration) einbezogen und in die Struktur aufgenommen. Jede Arbeitsgruppe wurde von einer Sprecherin oder einem Sprecher in der Task Force „Integration von Flüchtlingen“ vertreten. Diese Person stellte den Informationsaustausch zwischen dem Steuerungsgremium und der jeweiligen Arbeitsgruppe sicher (vgl. Anlage 2 Schaubild Task Force "Integration von Flüchtlingen“).
Beteiligt waren an der Task Force „Integration von Flüchtlingen“ neben Mitarbeitenden der Verwaltung auch Vertreterinnen und Vertreter der Migrationsdienste, der Freundeskreise und anderer Akteure der Stadtgesellschaft, wie z. B. Kammern, Verbände und Vereine. Die Arbeitsgruppen identifizierten eigenständig und in Absprache mit dem Steuerungsgremium die zu bearbeitenden Themen und luden bei Bedarf weitere Akteure in die Arbeitsgruppen ein.
Als Teil dieses Abschlussberichtes wurde von den Sprecherinnen und Sprechern der sechs Arbeitsgruppen ein abschließender Bericht zu der jeweiligen Arbeitsgruppe verfasst, der die folgenden Fragen beantwortet:
1. Welche Maßnahmen und Projekte wurden durch die Arbeitsgruppe umgesetzt?
2. Welche Elemente konnten in Regelstrukturen überführt werden - welche Elemente müssen außerhalb von Regelstrukturen beibehalten werden?
3. Wie werden die Themen der Arbeitsgruppe weiterbearbeitet?
4. Welche Erkenntnisse oder Erfahrungen wurden durch die Arbeitsgruppe gewonnen?
5. Welche Partner und Vernetzungen haben sich durch die Arbeitsgruppe für das Thema als notwendig erwiesen?
Arbeitsgruppen haben sich seit dem letzten Bericht zur der Task Force „Integration von Flüchtlingen“ (GRDrs 429/2016 „Task Force Integration von Flüchtlingen – Bericht“) weiterhin getroffen und an den jeweiligen Themenschwerpunkten gearbeitet. Die Berichte der Arbeitsgruppen sind in der Anlage 3 zusammengefasst.
3. Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements
Neben der Stadtverwaltung und den Trägern der Einrichtungen engagieren sich Einwohnerinnen und Einwohner der Landeshauptstadt Stuttgart in Flüchtlingsfreundeskreisen, Initiativen, Projekten, Vereinen, Institutionen, Stiftungen und Unternehmen für Menschen mit Fluchthintergrund.
Die Anzahl der Engagierten ist nach der ersten „Willkommensphase“ zurückgegangen, liegt aber mit 2.000 aktiv Engagierten in 41 Flüchtlingsfreundeskreisen und Organisationen weiterhin auf hohem Niveau.
Um den Integrationserfolg der Geflüchteten nicht zu gefährden und die Engagierten nicht zu überfordern ist es wichtig, die Anzahl der bürgerschaftlich Engagierten auf hohem Niveau zu halten und das Engagement nachhaltig zu gestalten. Dies benötigt vernetzte Aktivitäten der Wahrnehmung, Öffentlichkeitsarbeit und Anerkennung für das Engagement.
Der Rückgang des Engagements ist unter anderem auf die Veränderung der Aufgabenfelder zurückzuführen. Die Ausrichtung des bürgerschaftlichen Engagements für geflüchtete Menschen hat sich weiterentwickelt, weg vom „Willkommen“ hin zum „Ankommen“. Diese Integrationsaufgaben sind zeitintensiv, komplex und sehr anspruchsvoll.
Konnten Engagierte zunächst auch mit kleinen Willkommensaufgaben z. B. Stuttgart kennenlernen, Spenden sammeln, Ämterbegleitung oder Freizeitaktivitäten unterstützen, sind jetzt andere Aufgaben und Kompetenzen gefragt. Ziel der Neuausrichtung ist ein stärker quartiersbezogener Ansatz im Engagement und in der Unterstützung von Geflüchteten.
Die Alltagsbegleitung von Geflüchteten durch bürgerschaftlich Engagierte, insbesondere im Rahmen von Patenschaften, leistet einen zentralen Beitrag zu deren Integration in die Stadtgesellschaft. Dies bezieht sich insbesondere auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz, einer Arbeitsstelle oder Wohnraum, die Unterstützung in Alltagsfragen oder die Integration in persönliche und sozialräumliche Netzwerke. Darüber hinaus leisten Engagierte wichtige persönliche Unterstützung in Phasen, in denen der Status der Geflüchteten unklar ist oder sich Integrationserfolge noch nicht eingestellt haben. Diese engmaschige und zeitaufwendige Begleitung kann nicht durch das Hauptamt- und Personalamt ersetzt werden.
Flüchtlingsfreundeskreise, Initiativen und Engagierte benötigen – um nicht überfordert und optimal unterstützt zu werden – Informationen über Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, fachliche Themen, Praxisbespiele, Austauschmöglichkeiten, Beratung, Begleitung und Qualifikation. Diese Anforderungen müssen stadtweit koordiniert und in einzelnen Feldern standardisiert sein, um die Qualität der Strukturen und effektive Vernetzung der Akteure zu garantieren. Es ist notwendig, dass die ehrenamtlichen Strukturen städtisch unterstützt und koordiniert werden.
Mit Blick auf die veränderten Rahmenbedingungen, insbesondere der Integrationsaufgaben, benötigen die Flüchtlingsfreundeskreise und Initiativen strukturelle Beratung und einen Good-Practice-Austausch, damit die Aufbau- und Ablaufstrukturen an die Bedingungen angepasst werden können.
Innerhalb der Landeshauptstadt Stuttgart sind unterschiedliche Formen der Koordination des Engagements im Bereich der Flüchtlingsarbeit entstanden. Um doppelte Strukturen und Zuständigkeiten zu vermeiden, ist eine enge Abstimmung und Vernetzung notwendig.
4. Integration von Flüchtlingen in den Bereichen Kultur und Sport
Wichtige Bausteine der Integrationsarbeit sind auch die Bereiche Sport und Kultur. Das Kulturamt hat die Kulturarbeit mit und für Geflüchtete nicht als Sonderthema verstanden, sondern als Bestandteil der langfristigen interkulturellen Arbeit des Kulturamts. Auf Basis des Kulturentwicklungsplans förderten bzw. fördern die Abteilungen des Kulturamts mit gezielten Angeboten. Beispiele dafür sind das integrative Kulturprogramm für Flüchtlingskinder in den internationalen Vorbereitungsklassen, der interkulturelle Instrumentalunterricht der Musikschule oder das umfassende Serviceangebot der Stadtbibliothek mit internationalen Medien und Sprachvermittlung.
Als Dialogpartner der Kulturszene hat das Kulturamt im November 2014 und im Februar 2016 Workshops zur kulturellen Arbeit mit Geflüchteten initiiert und in Kooperation mit dem Initiativkreis Internationale Stadt (IKIS), dem Sozialamt und der Abteilung Integrationspolitik des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration durchgeführt. Über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Kulturszene, Träger der Flüchtlingsunterkünfte sowie Freundeskreise fanden sich zu einem aktiven Austausch im Stuttgarter Rathaus zusammen.
Der Fachbereich Interkultur hat in sein Aufgabengebiet die Beratung über Fördermöglichkeiten neben der Projektförderung des Kulturamts, die Bereitstellung von Informationen und die Vernetzung der Akteure untereinander aufgenommen. Darüber hinaus arbeitet das Kulturamt zu diesem Thema ämterübergreifend und pflegt eine enge Zusammenarbeit mit dem Sozialamt, der Ehrenamtskoordinatorin, der Stabstelle Integration sowie anderen Ämtern, wie Schulverwaltungsamt, Sportamt und Jugendamt.
Im Doppelhaushalt 2016/2017 hat der Gemeinderat den Innovationsfonds Interkultur auf 65.000 EUR (von ursprünglich 25.000 EUR) erhöht. Die Richtlinie zur Förderung von Interkulturprojekten im Bereich Kunst und Kultur wurde um den Punkt „Kunst- und Kulturprojekte für und mit Flüchtlingen“ ergänzt. Durch den Innovationsfond konnten diverse Projekte unterstützt werden, wie zum Beispiel LABYRINTH – ein Musik-Theaterprojekt mit jungen Flüchtlingen. Eine positive Entwicklung ist, dass Künstler mit eigener Fluchterfahrung Projekte entwickeln und durch diese Fördermöglichkeit die Umsetzung deren Ideen auch möglich ist.
Das Thema ist weiterhin in der Stuttgarter Kulturszene fest verankert. Es gibt Programm- und Projektentwicklungen sowie Angebote und Fachtagungen zu spezifischen Fragestellungen rund um das Thema kulturelle Arbeit mit und für Geflüchtete. Zudem befassen sich die Mitglieder des Initiativkreises Internationale Stadt (IKIS) weiterhin mit diesem Thema. Die breitgefächerten Entwicklungen werden in den kommenden Jahren weiterbestehen bzw. sich bedarfsorientiert anpassen und weiterentwickeln.
Dem Sport ist eine wichtige Rolle hinsichtlich der Integration von Flüchtlingen zuzuschreiben. Durch den Leitfaden „Sport für Flüchtlinge“ der Sportverwaltung erhalten die Sportvereine aktuelle Informationen rund um das Thema Integration von Flüchtlingen durch Sport und Bewegung. In dem Leitfaden werden aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze aufgezeigt. Zudem werden Sportvereine über das Amt für Sport und Bewegung, die Sportkreisjugend und den Sportkreis diesbezüglich beraten.
Die Stuttgarter Sportvereine haben bereits über 310 Regelangebote für Flüchtlinge geöffnet oder neue Angebote ins Leben gerufen. Die meisten Angebote in den Sportarten Fußball, Handball, Tischtennis, Basketball und Ringen haben einen integrativen Charakter. Flüchtlinge wurden somit in verschiedene, schon bestehende Regelangebote und Mannschaften aufgenommen.
Die Angebote werden vom Amt für Sport und Bewegung regelmäßig aktualisiert und an die Freundeskreise, Flüchtlingsunterkünfte, Internationalen Vorbereitungsklassen und an das Jugendamt weitergegeben, so dass viele Flüchtlinge von den Angeboten erfahren und an diesen teilnehmen können. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen berät das Amt für Sport und Bewegung die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Ehrenamtlichen der Freundeskreise bei der Suche nach passenden Angeboten.
Um auf Gegebenheiten der Zielgruppe eingehen zu können, hat die Sportkreisjugend in Kooperation mit dem Amt für Sport und Bewegung mittlerweile 90 sogenannte Sportpaten ausgebildet. Die Sportpaten sind in Sportvereinen oder Freundeskreisen aktiv und begleiten Flüchtlinge von der Unterkunft zum Sportangebot und helfen bei der Orientierung und Integration in den Sportverein. Die Begleitung von Flüchtlingen, so zeigt die Erfahrung, ist gerade in der Anfangszeit von hoher Bedeutung. In regelmäßig stattfindenden Treffen tauschen sich die Sportpaten über aktuelle Themen aus und werden bei Problemen unterstützt.
Seit Mai 2016 werden die Sportangebote für Flüchtlinge und die Sportpatenausbildung finanziell unterstützt: Der Gemeinderat hat im Rahmen des Doppelhaushalts 2016/2017 jeweils 75.000 EUR zur Verfügung gestellt. Bisher konnten 80 Angebote von 35 Vereinen gefördert werden, wodurch rund 400 Flüchtlingen der Sport in einem Verein ermöglicht wurde. Zudem wurde von 30 Sportpaten die Ausbildung bezuschusst.
Um die Schwimmfähigkeit von Flüchtlingen zu verbessern, hat das Amt für Sport und Bewegung in Zusammenarbeit mit dem Schwimmerbund Schwaben seit Anfang 2016 vier regelmäßig stattfindende Kurse organisiert. Ein Kurs hiervon ist nur für Mädchen. Somit konnten insgesamt 20 Flüchtlingskurse realisiert werden.
Zudem werden regelmäßig Turniere in allen Sportbereichen von verschiedenen Trägern organisiert und von der Sportverwaltung unterstützt.
In Zukunft soll die direkte Kommunikation mit Flüchtlingen über verschiedene Maßnahmen intensiviert werden, um verstärkt auf die Sportangebote aufmerksam zu machen.
Ein weiterer Fokus soll auf die Integration von geflüchteten Frauen und Kindern gelegt werden.
5. Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen FIM
Ein weiterer Baustein sozialer und beruflicher Teilhabe sind die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen, die im Sozialamt koordiniert werden. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart beauftragte im Oktober 2016 (GRDrs 675/2016 „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) und Arbeitsgelegenheiten (AGH) sowie Rechtsänderungen im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) durch Integrationsgesetz, Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz und Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren“) die Verwaltung, das Arbeitsmarktprogramm des Bundes zur Schaffung von FIM für Asylbewerber umzusetzen. Damit wurde in Stuttgart frühzeitig und konsequent ein wichtiger Bestandteil des Integrationsgesetzes aufgegriffen und realisiert.
Das FIM-Verfahren ist in einer Richtlinie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales detailliert geregelt (vgl. GRDrs 675/2916, Anlage 3). Trotz des stark reglementierten Verfahrens der Agentur für Arbeit konnte ein Großteil der bisherigen Arbeitsgelegenheiten (AGH), die überwiegend in den Stuttgarter Flüchtlingsunterkünften durchgeführt wurden, direkt in FIM (ca. 170 Plätze) umgewandelt werden.
Die Bundesagentur für Arbeit hat der Landeshauptstadt Stuttgart 2016 insgesamt 752 Plätze zur Umsetzung des FIM-Programms zur Verfügung gestellt. Diese unterteilen sich in 189 interne FIM-Plätze (innerhalb der Unterkunft) und 563 externe FIM-Plätze (außerhalb der Unterkunft).
In Stuttgart werden interne FIM als Arbeitsgelegenheiten (i. d. R. Reinigungstätigkeiten) in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften nach AsylbLG angeboten.
Externe FIM sind Arbeitsgelegenheiten, die von kommunalen, staatlichen oder gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, sofern die zu leistende Arbeit sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde.
Am 08.06.2017 legte die Landesregierung mit der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit fest, dass Verträge zu internen und externen FIM ab sofort nur noch für maximal 6 Monate – im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel – abgeschlossen werden. Weitere Konkretisierungen zur Mittelverteilung 2018 ff. wurden für die 2. Jahreshälfte 2017 angekündigt.
Zum 15.08.2017 sind 167 FIM-Plätze im internen, und 153 FIM-Plätze im externen Bereich besetzt.
Die Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen tragen zu einer ersten Integration in die Aufnahmegesellschaft und auch zur Integration in den Sozialraum bei.
6. Pakt für Integration
Über den Pakt für Integration bieten sich ab 2018 bis 2019 zahlreiche Ansätze, die Integration von Flüchtlingen anzugehen. Mit dem Pakt für Integration tragen Land und Kommunen dem Umstand Rechnung, dass viele der nach Baden-Württemberg geflüchteten Menschen, die aufgrund ihrer Bleibeperspektive in die Anschlussunterbringung kommen, auf lange Sicht bleiben werden. Um die Kommunen hierbei zu unterstützen, stellt das Land für 2018 und 2019 jeweils 160 Mio. EUR im Rahmen des Pakts für Integration zur Verfügung. Mit jährlich 90 Mio. EUR werden die Kommunen über einen Integrationslastenausgleich (§ 29 d Abs. 1 FAG) bei den Kosten der Anschlussunterbringung und Integration entlastet.
Folgende Integrationsmaßnahmen und Vorhaben mit verschiedenen Modulen werden in der Landeshauptstadt Stuttgart unter der Federführung des Sozialamts im Rahmen des Paktes für Integration (vgl. GRDrs 532/2017 „Pakt für Integration - Umsetzung bei der Landeshauptstadt Stuttgart und ergänzende Maßnahmen in den Jahren 2018/2019“) umgesetzt:
Modul 1: Integrationsmanagement – Förderung von Integrationsmanager
Mit der Einführung des Integrationsmanagements sollen die geflüchteten Menschen in der Stuttgarter Anschlussunterbringung in die Lage versetzt werden, sich einen Überblick über die vorhandenen Strukturen und Angebote der Integration und Teilhabe zu verschaffen und diese selbstständig nutzen zu können. Hierzu werden Integrationsmanager (nach entsprechender Schulung) eingesetzt.
Modul 2: Übergang Schule und Beruf
Das Ziel ist es, junge Flüchtlinge im Übergang Schule und Beruf zu unterstützen. Dieses Modul umfasst in Stuttgart Zusatzmittel für die Schulsozialarbeit.
Modul 3: Spracherwerb fördern
Mit der VwV Deutsch für Flüchtlinge hat das Land unabhängig vom Pakt für Integration ein die Integrationskurse des Bundes ergänzendes Sprachkursangebot gefördert (sog. Städtische Sprachkurse). Die hierfür benötigte städtische 40-%ige Co-Finanzierung wird aus Mitteln des Welcome Fonds (Mittel der Daimler AG 2017) und aus den Budgetmitteln 2018 und 2019 für Deutschkurse von SI-IP aufgebracht. Die 2. Förderperiode dieses Programms läuft zum 31.07.2017 aus, so dass die Zuwendungen eine Anschlussfinanzierung sicherstellen.
Modul 4: Bürgerschaftliche Strukturen und Ehrenamt fördern
Mit den Mitteln des Pakts für Integration soll die Integration der geflüchteten Menschen sowohl durch bürgerschaftliches Engagement als auch durch die Zivilgesellschaft an sich weiter gefördert und den sich ändernden Rahmenbedingungen und den Erfordernissen langfristiger Integrationsprozesse Rechnung getragen werden. In der Landeshauptstadt Stuttgart werden quartiersbezogen an 5 Standorten Träger von Räumen der Begegnung (z. B. Familien- und Stadtteilzentren, Mehrgenerationenhäuser und Begegnungsstätten für Ältere) ausgewählt, um die Begegnung auf Augenhöhe zwischen ehrenamtlich Engagierten und Geflüchteten, zwischen alten und neuen Einwohnerinnen und Einwohnern eines Quartiers zu gestalten (vgl. GRDrs 995/2016 „Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus – Umsetzung des Konzepts „Willkommensräume“ der Task Force „Integration von Flüchtlingen“ und Ermächtigung zur Beschäftigung von Personal“).
Projekte und Maßnahmen zum Empowerment von Geflüchteten
Mit Projekten in den Unterkünften und u. a. in den Begegnungs- und Willkommensräumen, die die Landeshauptstadt Stuttgart extern bzw. in Kooperation mit den Trägern der Wohlfahrtspflege Stuttgart durchführt, sollen die Geflüchteten sich ihrer Stärken und ihres Potentials bewusst werden. Eine umfassende Konzeption zu den Themengebieten Selbstorganisation in der Unterkunft und im Leben allgemein, Fortbildungen und Workshops in den Flüchtlingsunterkünften sowie quartiersbezogene Angebote im Rahmen von Nachbarschaftsdialogen, ist zu erarbeiten.
OMID – frühe Hilfen für traumatisierte Flüchtlinge
Zunehmend wird die hohe Zahl der traumatisierten Geflüchteten erkennbar, bei denen nach dem Ankommen die Erlebnisse und der Schrecken der Flucht und Vertreibung zu unterschiedlich ausgeprägten psychischen Belastungen führen. Bei einer 50 %-Co-Finanzierung durch den Caritasverband für Stuttgart e. V. kann mit einer städtischen Förderung aus dem Pakt für Integration das Projekt für 2018 und 2019 um 100 % ausgedehnt werden, um so dem wachsenden Bedarf an frühen Hilfen für traumatisierte Geflüchtete gerecht zu werden.
Pro Familia
Junge geflüchtete Menschen und Zuwanderer sind wie alle Menschen ihres Alters mit der persönlichen, körperlichen und sozialen Reifung beschäftigt. In Deutschland angekommen, werden sie zudem mit den unterschiedlichen Sicht- und Lebensweisen im Zufluchtsland konfrontiert. Sie benötigen Orientierung im Alltag aber auch eine altersentsprechende und kultursensible Auseinandersetzung mit dem Thema Pubertät und Sexualität. Im Rahmen eines Vorbereitungskurses mit 5 Modulen à 2 Stunden werden Menschen, die ggf. selbst über einen Flucht- und/oder Migrationshintergrund verfügen, auf ihre Tätigkeit als Sprach- und Kulturdolmetscher im Bereich der sexuellen Bildung/Sexualpädagogik vorbereitet. Dabei steht der Austausch zwischen den Kulturen im Vordergrund, um das sexualpädagogische Angebot kultursensibel ausrichten zu können.
Externe Fahrtkosten der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen
Fahrtkosten sollen im Rahmen des Pakts für Integrationsmaßnahmen übernommen werden. Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) bieten geflüchteten Menschen während des Asylverfahrens stärkende Tagesstrukturen und einen ersten Schritt in Richtung Arbeitsleben in Deutschland (vgl. GRDrs 783/2017 „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) – Sachstandsbericht zum 15.08.2017“).
Die Sozialplanung des Sozialamtes wird im Rahmen des Paktes für Integration eine Gremienstruktur aufbauen, die fachliche und förderrechtliche Fragestellungen bearbeitet. Auch die stadtweite Umsetzung der Vorhaben des Paktes für Integration wird in dieser Struktur gesteuert. Weitergehend werden damit die Grundlagen einer fachlichen und abgestimmten Arbeit mit den Trägern der Wohlfahrtspflege gelegt.
Diese Gremienstruktur soll auch nach Beendigung des Paktes für Integration für eine nachhaltige und enge Zusammenarbeit aller Beteiligten bei der Integration von Flüchtlingen führen.
7. Ausblick und weiteres Vorgehen
Die "Task Force Integration von Flüchtlingen", die seit Mitte 2015 regelmäßig getagt hat, hat zunächst dafür gesorgt, den in hoher Zahl ankommenden Flüchtlingen insbesondere eine sofort funktionierende menschenwürdige Unterbringung und ärztliche Versorgung zu gewährleisten, erste Schritte in die Arbeit und Gesellschaft zu konzipieren und dazu ämter- und trägerübergreifende Kooperationsstrukturen in der Flüchtlingsarbeit aufzubauen und zu etablieren sowie bürgerschaftliches Engagement zu fördern und zu stützen. Mit dem Dienstleistungszentrum in der Jägerstraße konnten in diesem Rahmen wichtige Serviceleistungen für Geflüchtete unter einem Dach gebündelt werden (Ausbildungscampus, Asylstelle der Ausländerbehörde, Abteilung Flüchtlinge des Sozialamts und Bürgerservice Soziale Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Einbindung des Jobcenters). Nachdem die Leistungen und Angebote für Geflüchtete nach und nach vom "Krisenmodus" in den Regelbetrieb übergeführt konnten, ist es nicht mehr notwendig, die “Task Force Integration von Flüchtlingen" in der bisherigen Form weiterzuführen. Bis auf die Themenbereiche Familien/Kinder/Jugendliche und Bildung sowie Kommunikation / Öffentlichkeitsarbeit werden inzwischen alle früheren Arbeitsgruppen-Themen im Rahmen der regelmäßigen Ämtergespräche des Referats Soziales und gesellschaftliche Integration (SI) bearbeitet und zunehmend als eine Aufgabe der Regeldienste umgesetzt. Die referatsübergreifende Zusammenarbeit erfolgt themenbezogen, bspw. mit dem Referat Jugend und Bildung zu unbegleiteten minderjährigen Ausländern und zur sozial inklusiven Quartiersentwicklung sowie der OB-Abteilung Kommunikation bei Informationskampagnen und Publikationen zum Themenbereich Migration/Vielfalt/ sozialer Zusammenhalt. Bestimmte Aufgaben werden im Rahmen neu ausgerichteter Kooperationsnetzwerke bearbeitet, wie das Deutschkursangebot für Geflüchtete im Gesamtprogramm Sprache. Die Vermittlung von demokratischen Werten und die Stärkung des Bürgerengagements für ein solidarisches Miteinander in Vielfalt bleibt eine Aufgabe der gesellschaftlichen Integrationspolitik. Diese betrifft alle Bevölkerungsgruppen, nicht nur die Stuttgarter/-innen mit Fluchtgeschichte. Für die Umsetzung des "Paktes für Integration" (für Flüchtlinge) des Landes Baden-Württemberg bedarf es einer neuen Kooperationsstruktur in Zusammenarbeit mit den freien Trägern der Flüchtlingssozialarbeit, die mit der GRDrs 532/2017 dem Gemeinderat präsentiert wurde. Die Flüchtlingsintegration ist jedoch nur ein Teilbereich der gesamtstädtischen Aufgabe einer gesellschaftlichen Integration aller Bevölkerungsgruppen mit der Teilhabe aller Einwohnerinnen und Einwohnern an den Angeboten, Chancen und Möglichkeiten, die unsere Stadtgesellschaft bietet. Auch die klassische Migrantenintegration ist nur ein Teilbereich der gesellschaftlichen Integrationspolitik, die in Zukunft weitergedacht und weiter gefasst werden muss, um die gleichberechtigte Teilhabechancen für alle Bevölkerungsgruppen - unabhängig von Herkunft und anderen Merkmalen - zu gewährleisten. Die notwendige integrationspolitische Neuausrichtung wurde bereits mit der Umstrukturierung der Geschäftskreise des Oberbürgermeisters angelegt. Im Referat Soziales und gesellschaftliche Integration sind zentrale integrationspolitische Aufgaben in einem Fachreferat gebündelt: die Sozialpolitik einschließlich der Flüchtlingsintegration, die Arbeitsmarktpolitik des Jobcenters und die Aufgaben der Abteilung Integrationspolitik. Mit dem Gesundheitsamt, dem Eigenbetrieb Leben und Wohnen und dem Beauftragten für Menschen mit Behinderungen sind weitere Schwerpunkte der sozialen Inklusion im Referat SI verankert. Gesellschaftliche Integrationspolitik im Sinne der Sicherstellung gleichberechtigter Teilhabe und der Stärkung des sozialen Zusammenhalts ist selbstverständlich auch eine zentrale Aufgabe der anderen Referate. In der praktischen Umsetzung gilt es bedarfsgerechte Angebote für alle Bevölkerungsgruppen weiterzuentwickeln, insbesondere für Menschen mit einem erhöhten Hilfebedarf. Daher bedarf es einer neu einzurichtenden, gesamtstädtischen Steuerungsgruppe zur konzeptionellen und strategischen Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Integrationsarbeit in Stuttgart mit konkreten Zielen, Aufgabenstellungen und Aktionsplänen für alle benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Eine solche Steuerungsgruppe geht demzufolge im Interesse der Inklusion und Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen in der Landeshauptstadt Stuttgart inhaltlich über das Thema „Integration Flüchtlinge“ und auch über das Thema „Migration“ hinaus (Geflüchtete machen lediglich rd. 2 % der Stadtbevölkerung aus, Migrantinnen/Migranten rd. 45 %). Diese gesamtstädtische Steuerungsgruppe wird beim Referat Soziales und gesellschaftliche Integration eingerichtet. zum Seitenanfang