Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
SI
GRDrs
732/2017
Stuttgart,
08/21/2017
Teilhabe psychisch Kranker an Arbeit und Beschäftigung
- Sachstand 2016
Mitteilungsvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Kenntnisnahme
öffentlich
25.09.2017
Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1
Arbeit ist ein Grundbedürfnis des Menschen, ob mit oder ohne Behinderung. Teilhabe am Arbeitsleben ist wesentlich für die Lebensqualität des Einzelnen. Arbeit und Tagesstruktur sind als zentrale und stabilisierende Teilhabefaktoren zu bewerten.
Es bedarf besonderer Angebote, um für chronisch psychisch Kranke eine berufliche Perspektive aufzubauen oder eine Beschäftigung zugänglich zu machen, die der Leistungsfähigkeit der Betroffenen Rechnung trägt. Weiterhin ist ein differenziertes und anschlussfähiges System an Angeboten notwendig. Im Folgenden werden die Angebote der Teilhabe psychisch Kranker an Arbeit und Beschäftigung in der Landeshauptstadt Stuttgart dargestellt. Sozialplanerisch ist es grundlegend, sowohl für sehr leistungsgeminderte Menschen bis hin zu Personen, die dem regulären Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, Angebote zu entwickeln.
In allen Tagesstätten der Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) werden in begrenztem Umfang Beschäftigungsmöglichkeiten für psychisch Kranke organisiert, für die die Anforderungen in der Werkstatt zu hoch sind. Die Beschäftigungsmöglichkeiten sind vielfältig, niederschwellig, tagesgestaltend und -strukturierend und können stundenweise, je nach Belastbarkeit der Klientinnen und Klienten, ausgeführt werden.
Die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ist gemäß § 136 Abs. 1 des SGB IX eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie soll Menschen mit Behinderung, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt anbieten und ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Die WfbM fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. Sie verfügt über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst. Zum Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen gehören ausgelagerte Plätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die ausgelagerten Arbeitsplätze werden zum Zwecke des Übergangs und als dauerhaft ausgelagerte Plätze angeboten.
Für psychisch Erkrankte stehen Arbeitsplätze in der anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) des Rehabilitationszentrums Rudolf-Sophien-Stift gGmbH zur Verfügung. Das Tempo und die Anforderungen in der WfbM sind an den Bedürfnissen der Klientinnen und Klienten orientiert, der Arbeitsumfang kann zwischen 20 Wochenstunden und einer Vollzeittätigkeit liegen. Der Arbeitsumfang kann individuell angepasst werden. Die Begleitung findet durch psychosozial fachkundiges und geschultes Personal statt. Die Arbeitsangebote sind in unterschiedlichsten Bereichen möglich, wie beispielsweise der Gastronomie, Metallbearbeitung, Druck und Papierverarbeitung, Buchbinderei sowie Büro- und EDV-Dienstleistungen, handwerkliche und Montagearbeiten, Lager und Versandtätigkeiten, Hauswirtschaft und an den Interessen und Fähigkeiten der psychisch erkrankten Klientinnen und Klienten orientiert.
Die Landeshauptstadt Stuttgart hält ein breites und differenziertes System von Arbeitsangeboten für psychisch erkrankte Menschen vor. Dieser Bericht soll einen zusammenfassenden Überblick über die Angebote und Maßnahmen im Bereich der beruflichen Teilhabe für chronisch psychisch Kranke in der Landeshauptstadt Stuttgart geben. Alle Angebote haben zum Ziel, den völligen Verlust der Arbeitsfähigkeiten zu verhindern, vorhandene Ressourcen zu stützen und nach Möglichkeit auszubauen.
Beteiligte Stellen
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Vorliegende Anträge/Anfragen
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Werner Wölfle
Bürgermeister
1. Ausführlicher Bericht
Ausführlicher Bericht
Im Jahr 2015 wurde eine Vollerhebung der Stuttgarter Wohnangebote für chronisch psychisch kranken Menschen durchgeführt. In diesem Rahmen wurde auch die Tagesstruktur und die Teilhabe am Arbeitsleben der zum Stichtag 31.12.2015 insgesamt 928 Betreuten in den Wohnangeboten erfasst (GRDrs 657/2016 „Angebote im Bereich Wohnen für psychisch kranke Menschen – Sachstand 2015 und Perspektiven“). Im Betreuten Wohnen in Familien (BWF) wurden zum Stichtag 6 Personen betreut. Die übrigen 922 Klientinnen und Klienten wurden in einem stationären bzw. ambulanten Wohnangebot betreut. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede:
In den stationären Wohnangeboten haben nahezu alle Klientinnen und Klienten eine Tagesstruktur im Rahmen von Gruppenangeboten im Wohnheim oder einer Tätigkeit in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM). Zum Stichtag 31.12.2015 nutzten von den 244 stationär Betreuten 195 Personen (80 %) eine Tagesstruktur für chronisch psychisch erkrankte Menschen (eingeschlossen Tagesstruktur für Seniorinnen und Senioren). In einem WfbM-Arbeitsbereich waren 42 Personen (17 %) beschäftigt. 6 Personen (3 %) besuchten eine Maßnahme des WfbM-Bildungsbereiches/berufliche Reha. Eine Person (< 1 %) machte eine Ausbildung/Schule/Studium.
Im ambulant betreuten Wohnen (ABW) ist die Tagesstruktur der zum Stichtag 31.12.2015 678 Betreuten deutlich differenzierter: 186 Personen besuchten die Tagesstätte im Gemeindepsychiatrischen Zentrum (GPZ) oder hatten eine selbstgestaltete Tagesstruktur, 148 Personen hatten keine Tagesstruktur. Dies entspricht mit 334 Personen (49 %) der Betreuten. In einem WfbM-Arbeitsbereich waren 109 Personen (16 %) beschäftigt. In einem Zuverdienstprojekt des GPZ oder eines anderen Trägers übten insgesamt 110 Personen (16 %) eine arbeitsähnliche Tätigkeit aus. 28 Personen (4 %) waren im WfbM-Bildungsbereich beschäftigt oder in beruflicher Reha. Ein tagesstrukturierendes Angebot für erwachsene Menschen mit Behinderungen (in der Regel Seniorinnen und Senioren) hatten 17 Personen (3 %). Der verbleibende Anteil von 41 Personen (6 %) verteilte sich auf Bildungsmaßnahmen bzw. Gelegenheitsjobs. Die Gruppe der chronisch psychisch Kranken, die unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes leistungsfähig sind und mindestens drei Stunden täglich arbeiten können, ist gering. 37 Personen (6 %) gingen im Jahr 2015 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt bzw. einer Arbeitsgelegenheit nach SGB II und SGB III nach. Bei 2 Personen (< 1 %) fehlte die Angabe zur Tagesstruktur.
Im Folgenden werden die verschiedenen Angebote zur beruflichen Teilhabe dargestellt.
1. Stundenweise arbeitsähnliche Tätigkeiten bzw. Zuverdienstprojekte
Für psychisch kranke Menschen, deren Leistungsfähigkeit erheblich gemindert ist, bieten Leistungserbringer (wie Arbeitshilfeträger, Gemeindepsychiatrische Zentren (GPZ), Rehabilitationszentrum Rudolf-Sophien-Stift gGmbH) Beschäftigungsangebote nach § 11 Abs. 3 bzw. § 54 SGB XII an. Für die Klientinnen und Klienten sollen durch stundenweise Arbeit Betätigungsmöglichkeiten erschlossen werden. Drohende Vereinsamung und Verwahrlosung sollen vermieden werden, der Verlust der Arbeitsfähigkeit und persönlicher Kompetenzen verhindert und vorhandene Ressourcen gestützt und nach Möglichkeit ausgebaut werden. Die angebotenen Bereiche sind beispielsweise Textilrecycling, Papierrecycling, Kantinen, Garten und Natur, Kultur, Küchen und Catering. Im Rahmen des Projekts „RuBIn“ des Rehabilitationszentrums Rudolf-Sophien-Stift gGmbH werden auch inklusive, betriebsintegrierte stundenweise arbeitsähnliche Tätigkeiten angeboten.
In allen Tagesstätten der acht Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) werden in begrenztem Umfang Beschäftigungsmöglichkeiten für psychisch Kranke, beispielsweise im Service oder in der Küche, organisiert, für die die Anforderungen in der Werkstatt zu hoch sind. Die Beschäftigungsmöglichkeiten sind vielfältig, niederschwellig, tagesgestaltend und -strukturierend und können stundenweise, je nach Belastbarkeit der Klientinnen und Klienten ausgeführt werden. Beispielsweise können Kleinteilmontage, Kuvertier- und Versandarbeit, einfachere Montagearbeiten, Hol- und Bringdienste, die Bearbeitung von Kinderkaufladenartikeln oder ähnliche Tätigkeiten angeboten werden.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Arbeitsaufträge der WfbM in die GPZ auszulagern.
So können Teilaufträge der WfbM in den GPZ bearbeitet werden. Teilweise steht die räumliche Situation in den GPZ dem entgegen (fehlende Lagermöglichkeit, kein eigenständiger Arbeitsraum, Palettenanlieferung nicht möglich). Die damit verbundene Anleitung erfordert intensive Betreuung durch arbeitspädagogisch geschultes Personal.
Die Beschäftigungsmöglichkeiten bzw. Zuverdienstprojekte erfüllen drei wichtige Funktionen. Die betroffenen Menschen erhalten einen kleinen Lohn, der für sie diese Arbeit wertvoll macht. Gleichzeitig erleben sie, dass sie etwas können und gebraucht werden. Hinzu kommen die äußerst positive Wirkung der Tagesstruktur und das Gemeinschaftsgefühl, weil die Arbeiten in der Regel in der Gruppe ausgeführt werden. Insgesamt stellen die Zuverdienstprojekte eine sinnstiftende und identitätsfördernde Unterstützung der betroffenen Menschen dar. Durch eine Stabilisierung sind auch andere Angebote der Teilhabe am Arbeitsleben langfristig denkbar.
Stundenweise arbeitsähnliche Tätigkeiten bzw. Zuverdienst-Angebote haben jedoch grundsätzlich nicht die Funktion einer Erwerbsquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts, sondern dienen als wesentlicher stabilisierender Faktor dazu, kostenintensivere Betreuungs- und Versorgungsformen nicht oder erst später notwendig zu machen.
Im Jahr 2016 waren beim Sozialamt insgesamt 145 Personen registriert, die eine Beschäftigungsmöglichkeit über Zuverdienstprojekte nach § 11 Abs. 3 bzw. § 54 SGB XII ausgeführt haben. Eine Aufschlüsselung nach den unterschiedlichen Behinderungsarten ist aufgrund der Daten leider nicht möglich.
2. Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM)
Nach § 136 Abs. 1 des SGB IX ist die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Für psychisch Erkrankte stehen Arbeitsplätze in der anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) des Rehabilitationszentrums Rudolf-Sophien-Stift gGmbH zur Verfügung. Das Tempo und die Anforderungen in der WfbM sind an den Bedürfnissen der Klienten orientiert, der Arbeitsumfang kann zwischen 20 Wochenstunden und einer Vollzeittätigkeit liegen und individuell angepasst werden. Die Begleitung findet durch psychosozial fachkundiges und geschultes Personal statt. Die Arbeitsangebote sind vielfältig und an den Interessen und Fähigkeiten der psychisch erkrankten Klientinnen und Klienten orientiert.
Die WfbM ist in zwei Organisationseinheiten gegliedert: den Berufsbildungsbereich und den Arbeitsbereich.
Im Berufsbildungsbereich bietet die Werkstatt Trainingsarbeitsplätze und berufliche Qualifizierung an, teilweise mit der Möglichkeit, anerkannte Zertifikate zu erwerben. Der Berufsbildungsbereich dient zur Vorbereitung auf einen Arbeitsbereich der WfbM oder den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Werkstatt kooperiert dabei z. B. mit der Hoppenlau-Berufsschule in Stuttgart-West und mit der Industrie- und Handelskammer (IHK), Region Stuttgart. Für das Angebot des begleiteten inklusiven Berufsschulbesuchs wurde die Werkstatt 2017 im Rahmen der „exzellent-Preise“ der BAG WfbM in der Kategorie „Bildung“ ausgezeichnet.
In der Landeshauptstadt Stuttgart gibt es einen Träger einer WfbM für chronisch psychisch Kranke: das Rehabilitationszentrum Rudolf-Sophien-Stift gGmbH (RRSS).
Im Arbeitsbereich decken die Angebote des RRSS ein breites berufliches Spektrum ab, das von der Gastronomie über die Metallbearbeitung, Druck und Papierverarbeitung, Buchbinderei, Büro- und EDV-Dienstleistungen, unterschiedliche handwerkliche und Montagearbeiten, Lager- und Versandtätigkeiten bis hin zu hauswirtschaftlichen Tätigkeiten reicht.
Alle Arbeitsmöglichkeiten können sowohl im geschützten Rahmen der Werkstatt angeboten werden als auch auf betriebsintegrierten Plätzen bei unterschiedlichen Arbeitgebern in Stuttgart. Bei kooperierenden Unternehmen werden betriebsintegrierte Werkstattplätze (Außenarbeitsplätze) im gesamten Stadtgebiet in Voll- oder Teilzeit angeboten. Dabei handelt es sich um geschützte Arbeitsplätze, die in Firmen des allgemeinen Arbeitsmarktes angesiedelt sind. Das RRSS kooperiert in diesem Bereich mit über 150 Unternehmen. Die Aufgaben sowie deren Umfang und Schwierigkeitsgrad sind je Außenarbeitsplatz unterschiedlich. Die kooperierenden Unternehmen sind in verschiedensten Branchen vertreten. Dazu zählen beispielsweise Handwerk, Servicebereich, Sozialberufe, Bürobereich, Produktion oder Lager. Die Begleitung auf betriebsintegrierten Plätzen findet durch fachkundig geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RRSS statt. Im Jahr 2016 arbeiteten 187 Personen (38 %) der psychisch erkrankten Werkstattbesucher auf betriebsintegrierten Plätzen, absolvierten ein betriebliches Praktikum oder arbeiteten in einer betriebsintegrierten Außenarbeitsgruppe.
Der Belegungsstand wird jährlich vom RRSS erhoben. Am 31.12.2016 waren insgesamt 491 Personen in der WfbM beschäftigt. Davon 439 Personen (89 %) in Stuttgarter Leistungsträgerschaft. Im Berufsbildungsbereich waren 85 Personen (17 %) und im Arbeitsbereich der Werkstatt waren 406 Personen (83 %) beschäftigt.
Im Jahr 2016 konnten 41 Personen neu in den Berufsbildungsbereich aufgenommen werden. Davon kamen 3 Personen aus einer anderen Maßnahme der Agentur für Arbeit, 4 Personen aus einer anderen WfbM und 19 Personen waren davor ohne Beschäftigung. Aus einer medizinischen Reha wurden 10 Personen aufgenommen. 5 Personen kamen aus tagesstrukturierenden Maßnahmen. Im Jahr 2016 gab es insgesamt 67 Abgänge aus dem Berufsbildungsbereich. 48 Personen wechselten in den Arbeitsbereich, 16 Personen haben in Übereinkunft mit dem Kostenträger die Maßnahme u. a. aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen. Jeweils eine Person hat die Einrichtung gewechselt bzw. die Maßnahme auf eigenen Wunsch abgebrochen. Eine Person konnte auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.
Im Jahr 2016 konnten in den Arbeitsbereich der WfbM 60 Personen aufgenommen werden. Davon wurden 48 Personen aus dem Berufsbildungsbereich aufgenommen, 5 Personen kamen aus einer anderen WfbM, 6 Personen wurden nach einer Unterbrechung wieder aufgenommen. Eine Person hatte vor der Aufnahme eine Tagesstruktur in einem stationären Wohnheim. Im Jahr 2016 gab es 35 Abgänge aus dem WfbM-Arbeitsbereich. 20 Personen wurden nach Übereinkunft mit dem Kostenträger entlassen, 12 Personen wurden auf eigenen Wunsch entlassen. Insgesamt 2 Personen haben die Einrichtung gewechselt oder aus sonstigen Gründen die Maßnahme abgebrochen. Auch hier konnte eine Person auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden.
Im Mittelpunkt der Planung der WfbM des RRSS stand in den vergangenen Jahren die Dezentralisierung und sozialräumliche Orientierung der Werkstattplätze. Inzwischen gibt es neben der Hauptstelle in S-Möhringen in der Schockenriedstraße Außenwerkstätten und betriebsintegrierte inklusive Außengruppen in S-Mitte, S-Vaihingen, S-Bad Cannstatt, S-Feuerbach, S-West und im Landkreis Esslingen sowie in den Räumen des Gemeindepsychiatrischen Zentrums (GPZ) S-Freiberg und betriebsintegrierte Außenarbeitsplätze im gesamten Stadtgebiet. Seit 2013 kann im inklusiven Gastronomieprojekt „Rudolfs“ Teilhabe und Beschäftigung im Café des Treffpunkts Rotebühlplatz mitten in der Landeshauptstadt Stuttgart für psychisch erkrankte Menschen angeboten werden. Das RRSS kooperiert hier mit der Volkshochschule, der Musikschule und dem Treffpunkt 50plus. Bei den gastronomischen Arbeitsabläufen arbeiten ausgebildete Küchen- und Servicekräfte mit psychisch erkrankten Menschen zusammen. Ein weiteres Projekt der Werkstätten des RRSS zur Inklusion psychisch erkrankter Menschen soll im Rahmen des Stadtmuseums im Wilhelmspalais entstehen. Hier finden derzeit Planungsgespräche zur Übernahme der Museumsaufsicht statt.
3. Inklusionsbetriebe
Ab dem 01.01.2018 werden die Integrationsbetriebe gesetzlich in Inklusionsbetriebe umbenannt. Inklusionsbetriebe bieten schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit besonderen Vermittlungshemmnissen sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zudem erhalten sie arbeitsbegleitende Betreuung, berufliche Weiterbildung und die Teilnahmemöglichkeit an außerbetrieblichen Trainings- und Bildungsmaßnahmen. Das Angebot der Inklusionsunternehmen gilt auch für behinderte oder von Behinderung bedrohte psychisch kranke Menschen.
In Stuttgart gibt es fünf rechtlich selbständige Inklusionsbetriebe. Der Caritasverband für Stuttgart e. V. unterhält die „Carisma Gebäudemanagement und Service GmbH“ und die „Markt und Service gGmbH“. Die Nikolauspflege – Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen betreibt die „NIKOWerk GmbH“, das Anna Haag Mehrgenerationenhaus betreibt die „TANDiEM gGmbH Integrationsunternehmen“ und das Sozialunternehmen NEUE ARBEIT gGmbH hat 2004 die „NintegrA gGmbH“ gegründet. Durch die Schaffung von Arbeitsplätzen soll benachteiligten Menschen die Integration in die Arbeitswelt ermöglicht werden. Beispielsweise arbeiten in der NintegrA langzeitarbeitslose und behinderte Menschen in der Holzverarbeitung und sind in CAP-Lebensmittelmärkten tätig.
Der Personenkreis der psychisch Erkrankten wird generell durch Inklusionsunternehmen noch zu wenig erreicht. Nach Angaben des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) sind nur 25 % der schwerbehinderten Beschäftigten in Inklusionsunternehmen psychisch erkrankt.
4. Angebote zur Eingliederung auf den Allgemeinen Arbeitsmarkt
Die Abklärung der Leistungsfähigkeit mit Blick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist oftmals langwierig und schwierig, zumal krankheitsbedingt große Schwankungen auftreten können. Gesplittete Zuständigkeiten, unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zu Maßnahmen der Rehabilitation, Qualifizierung und Beschäftigung in SGB II und III sowie Anforderungen unterschiedlicher Kostenträger machen die Lage oftmals unübersichtlich. Deshalb ist ein umfassendes Zusammenwirken der Rehabilitationsträger notwendig.
Die Landeshauptstadt Stuttgart bietet mit dem bereits seit 2009 aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Deutschland (ESF) geförderten Projekt „reIntegra“ in gemeinsamer Trägerschaft des RRSS und des Sozialunternehmens NEUE ARBEIT gGmbH sehr gute Möglichkeiten für Menschen mit chronischer psychischer Erkrankung, die Abklärung ihrer Leistungsfähigkeit und den Einstieg in eine geeignete Form von Arbeit zu bewältigen. „reIntegra“ bot im Jahr 2016 insgesamt 120 Menschen in diesem Rahmen berufliche Beratung (auch Peer-Beratung) und Erprobungsmöglichkeiten bzw. Praktika an.
Mit dem Programm „Rehabilitation psychisch kranker Menschen“ (RPK) des RRSS steht schwer psychisch beeinträchtigten Menschen die Möglichkeit einer integrierten medizinisch-beruflichen Rehabilitation zur Verfügung. Insbesondere nach einer Akutbehandlung ist umfassende Unterstützung notwendig, um im Alltag und im Berufsleben wieder Fuß zu fassen. Für die medizinische und berufliche Rehabilitation hält das RRSS 24 vollstationäre und 20 ambulante Plätze zur Verfügung. Die medizinische Reha soll die Klientinnen und Klienten gesundheitlich stabilisieren, um Krankheitsfolgen zu überwinden und einem Rückfall vorzubeugen. Ziel der beruflichen Rehabilitation ist die berufliche Um- bzw. Weiterorientierung. Innerhalb der Maßnahme können verschiedene Tätigkeitsfelder sowohl in Werkstätten als auch externen Betrieben erprobt werden. Durch Arbeitstrainings sollen die beruflichen Fertigkeiten erlernt, verbessert und trainiert werden, um die berufliche Wiedereingliederung zu ermöglichen. Die Finanzierung der RPK ist abhängig vom Einzelfall und wird von den Kranken- bzw. Rentenversicherungsträgern bzw. der Agentur für Arbeit getragen.
Die „Unterstützte Beschäftigung“ nach § 38 a SGB IX wird in Stuttgart im Auftrag der Agentur für Arbeit durch die „individuelle betriebliche Qualifizierung“(InbeQ) von der Bietergemeinschaft Sozialunternehmen NEUE ARBEIT gGmbH und RRSS angeboten. Im Rahmen dieses Angebots können Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung oder psychischen Erkrankung stark in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch dem Arbeitsmarkt noch zur Verfügung stehen, durch eng begleitetes betriebliches Training bei der Vermittlung in Arbeit unterstützt werden. In Stuttgart stehen nur 5-8 Plätze zur Verfügung, die Vermittlungszahlen in den allgemeinen Arbeitsmarkt liegen bei über 50 %.
Für psychisch Kranke, die nach § 16 d SGB II förderfähig sind, kommen auch Arbeitsgelegenheiten in Frage, die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereiten sollen. Arbeitsgelegenheiten sind zeitlich befristet, haben einen gemeinnützigen Charakter und werden durch Arbeitshilfeträger organisiert. Sie sind Teil des besonderen Arbeitsmarktes für Menschen, deren Zugang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erschwert ist. Arbeitsgelegenheiten sind zugänglich für Personen, die zwar als leistungsfähig für Tätigkeiten von mindestens drei Stunden am Tag unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes eingestuft sind, die jedoch gleichzeitig massive Vermittlungshemmnisse aufweisen, wie es oftmals bei schwer psychischen kranken Menschen der Fall ist. Für diese Personengruppe werden Arbeitsgelegenheiten über das Jobcenter finanziert.
Das RRSS bietet seit 2015 den durch die Aktion Mensch geförderten Dienst zur betrieblichen Inklusion psychisch erkrankter Menschen „RuBIn“ an. Der Dienst richtet sich an Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung bereits längere Zeit aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind und die gerne direkt den Wiedereinstieg im Betrieb und nicht im geschützten Rahmen erproben möchten. Ziel der Teilnehmenden von RuBIn ist es, ihre Belastbarkeit zu erproben und Selbstsicherheit über die eigene Leistungsfähigkeit zu gewinnen. 2016 nahmen 144 Menschen mit psychischer Erkrankung an RuBIn teil, davon 77 % ohne Schwerbehindertenausweis, 53 % seit über 24 Monaten ohne Arbeit, 83 % mit Berufsausbildung und 22 % mit Studienabschluss. Diese Gruppe profitiert sehr von der angebotenen Beratung (auch Peer-Beratung) und den betrieblichen Erprobungsmöglichkeiten und wird von den vorhandenen Angeboten der Regelfinanzierung noch zu wenig erreicht.
5. Ausblick
Alle Angebote haben zum Ziel, den Verlust der Arbeitsfähigkeit zu verhindern, vorhandene Ressourcen zu stützen und nach Möglichkeit auszubauen. Generell gilt es, auf eine Durchlässigkeit der Maßnahmen vom besonderen zum allgemeinen Arbeitsmarkt hin zu achten. Nur so können die Chancen für zeitweise oder auf längere Sicht stark leistungseingeschränkte psychisch Kranke verbessert werden.
Die Landeshauptstadt Stuttgart hält ein breites und differenziertes System von Arbeitsangeboten für psychisch erkrankte Menschen vor. Die dauerhaften, projekt-unabhängig finanzierten Möglichkeiten, niederschwellige und barrierefreie Beratung und Erprobungsmöglichkeiten können noch weiter ausgebaut werden. Die hohe Nachfrage nach Projekten wie „reIntegra“ und „RuBIn“ zeigt, wie groß dieser Bedarf ist. Beide Projekte sind derzeit jedoch nur zeitlich befristet gefördert. Die Finanzierung von reIntegra ist noch bis Ende 2017 durch EFS-Mittel gesichert. Die Aktion Mensch-Förderung von RuBIn endet 2020. Eine Weiterführung der Angebote wird sozialplanerisch unterstützt und vom Träger angestrebt.
Die Angebote und Maßnahmen im Bereich der beruflichen Teilhabe für chronisch psychisch Kranke in der Landeshauptstadt Stuttgart sind vielfältig, bedürfen jedoch dem stetigen Ausbau und der Weiterentwicklung. Als vernetzendes Gremium gibt es den „Initiativkreis Arbeit und Beschäftigung für psychisch erkrankte Menschen“ (IKAP). Dieser besteht seit dem Jahr 2004 und hat die kontinuierliche Weiterentwicklung und Vernetzung der bestehenden Angebote zum Ziel.
Das Bundesteilhabegesetzt (BTHG) wirkt sich auch auf die Arbeit- und Beschäftigungssituation chronisch psychisch Kranker aus. Durch einen offenen Leistungskatalog soll auf die individuellen Bedarfe jedes einzelnen Menschen noch passgenauer eingegangen werden können. Zusätzlich sollen Alternativen zur WfbM durch andere Leistungsanbieter eingeführt werden, für die grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für eine WfbM gelten (mit Ausnahme der förmlichen Anerkennung, der Mindestplatzzahl und der für eine WfbM geltenden räumlichen und sächlichen Ausstattung).
Insgesamt ist mit den Veränderungen durch das BTHG eine erhebliche Umgestaltung verbunden, deren Auswirkungen noch nicht abzusehen sind – nicht zuletzt, weil viele Regelungen in der Umsetzung noch offen sind. Diesen Umsetzungsprozess gilt es nun aktiv zu begleiten, damit sich die in den Neuregelungen steckenden Chancen verwirklichen und sich die Leistungen für Menschen mit Behinderung personenzentriert zu einer individuellen Unterstützung weiterentwickeln.
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