Protokoll:
Sozial- und Gesundheitsausschuss
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
46
8
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
23.04.2018
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Wölfle
Berichterstattung:
Herr Dr. Priwitzer und Frau Winzer (beide GesundhA)
Protokollführung:
Herr Krasovskij
pö
Betreff:
Tuberkulose in Stuttgart
Rückblick, aktueller Stand, Perspektiven
- mündlicher Bericht -
Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.
Herr
Dr. Priwitzer
, Leiter der Abteilung Gesundheitsschutz und Amtsärztlicher Dienst beim Gesundheitsamt, und Frau
Winzer
, Leiterin im Sachgebiet Sozialdienst für Menschen mit Infektionskrankheiten, informieren die Ratsmitglieder analog der Präsentation zum Thema "Tuberkulose in Stuttgart - Rückblick, aktueller Stand und Perspektiven".
Im Rahmen der allgemeinen Aussprache bedanken sich die Ratsmitglieder fraktionsübergreifend bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des städtischen Gesundheitsamtes für die gute und engagierte Arbeit bei der Bekämpfung und Prävention von Tuberkulose.
Zu einer Frage von StR
Fuhrmann
(CDU) erläutert Herr
Dr. Priwitzer
, die in der Präsentation aufgeführten Fallzahlen würden sich auf meldepflichtige Tuberkulosefälle beziehen. Darüber hinaus gebe es nicht meldepflichtige Erreger der Tuberkulose, die nicht von Mensch zu Mensch übertragbar seien. Dazu gebe es aber keine Zahlen.
Für StR
Fuhrmann
ist ferner die Anzahl der städtischen Röntgenaufnahmen in Gemeinschaftseinrichtungen im Verhältnis zu der Flüchtlingsanzahl nicht stimmig. Diesbezüglich verweist Herr
Dr. Priwitzer
darauf, dass zwischenzeitlich das Röntgen in Erstaufnahmestellen ohne Probleme verläuft.
Auf gleichlautende Fragen von StR
Fuhrmann
, StRin
Seitz
(90/GRÜNE) und StR
Ehrlich
(SPD) eingehend, erklärt Herr
Dr. Priwitzer
, es sei mitunter nicht ganz einfach, Tuberkulose-Patienten zu der langwierigen Therapie zu motivieren. Immer wieder gebe es leider Betroffene, die sich nicht kooperativ zeigen würden, aus Unwillen, oder weil sie aufgrund von Suchterkrankungen oder schwerwiegenden psychischen Erkrankungen sich überfordert fühlten. Grundsätzlich werde versucht, hilfebedürftige Patientinnen und Patienten durch gewisse Anreize zur begleiteten Therapie zu motivieren. Bei der überwachten Medikamenteneinnahme im Gesundheitsamt würden den Menschen zum Beispiel auch Sozialarbeiterinnen zur Seite stehen, die bei Behördengängen, beim Thema Krankengeld etc. unterstützen könnten. Als weiterer Anreiz diene für viele die bereitgestellte kostenlose Fahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Falls die Motivationsversuche nicht fruchten, müssten im Rahmen der Verhältnismäßigkeit weitere Maßnahmen ergriffen werden. Für extreme Fälle gebe es eine geschlossene Klinik in der Oberpfalz, in die die Betroffenen eingewiesen und sie isoliert werden könnten. Man könne auch dort keinen zur Behandlung zwingen, aber in der Regel würden sich die Menschen schlussendlich doch kooperativ zeigen, um die Klinik verlassen zu können. Gegenüber StR
Adler
(SÖS-LINKE-PluS) verweist Herr
Dr. Priwitzer
in diesem Zusammenhang darauf, dass die Therapie der Tuberkulose grundsätzlich sehr langwierig sei, und in der Regel die Einnahme von mehreren Antibiotika für einen Zeitraum von rund sechs Monaten erfordere. Zudem könnten unangenehme Nebenwirkungen entstehen. Falls eine Resistenz vorliege, was glücklicherweise aber eher selten sei, könne sich die Behandlung bis zu zwei Jahre hinziehen.
Im Weiteren führt der Mitarbeiter des Gesundheitsamtes aus, Aussagen zur Höhe der Dunkelziffer bei Tuberkulose-Erkrankungen seien schwierig. Nicht zuletzt, weil auch die Ärzteschaft heutzutage leider nicht ausreichend für das wieder zunehmende Problem der Tuberkulose sensibilisiert sei, was mitunter zu Verzögerungen führen könne, bis die richtige Diagnose gestellt werde. Auf StR Ehrlich eingehend, meint Herr Dr. Priwitzer, das Gesundheitsamt versuche verstärkt, die Ärzte zu informieren und zu sensibilisieren. In Kürze werde zum Beispiel ein Informationsbrief an die Pneumologen und Kliniken in der Stadt verschickt. Zudem gebe es auch übergeordnete nationale Stellen wie das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, das konsequent versuche, Öffentlichkeitarbeit zu betreiben, und bei Medizinern und in der Gesellschaft Informationen über die Krankheit zu verbreiten.
Zu einer weiteren Frage von StR
Ehrlich
, der wissen wollte, ob es eine Röntgenpflicht oder andere verpflichtende Untersuchungen für das Personal in den Gemeinschaftsunterkünften gebe, erklärt Herr
Dr. Priwitzer
, das Personal in den Unterkünften gehöre natürlich zu einer Risikogruppe. Allerdings würden die Mitarbeiter statistisch gesehen wesentlich seltener erkranken als andere Bevölkerungsschichten. Selbst im Falle einer Ansteckung würden gesunde Erwachsene in der Regel in weniger als 10 % der Fälle unmittelbar darauf erkranken. Durch den arbeitsmedizinischen Dienst würden zudem sogenannte Gefährdungsbeurteilungen erstellt. Danach könne einzelfallbezogen entschieden werden, ob für das Personal von bestimmten Gemeinschaftsunterkünften regelmäßige Untersuchungen sinnvoll seien, und wenn ja, welche.
Gegenüber StRin
Bodenhöfer-Frey
(FW) erläutert der
Mitarbeiter des Gesundheitsamtes
, theoretisch könne die Tuberkulose jedes Organ befallen. In drei Vierteln der Fälle sei die Lunge betroffen, in einem Viertel der Fälle andere Organe. Nur die Lungen-Tuberkulose sei dabei zum Großteil ansteckend, aber auch nicht ausnahmslos, da es geschlossene und offene Formen der Erkrankung gebe. Die Tuberkulose der anderen Organe sei dagegen nicht ansteckend.
Ferner berichtet StRin
Bodenhöfer-Frey
, dass sich früher die nach Deutschland kommenden Gastarbeiter zunächst einer Röntgenuntersuchung unterziehen mussten, bevor sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Die Stadträtin regt an, darüber nachzudenken, ein ähnliches Verfahren auch heutzutage bei den Geflüchteten anzuwenden. Dies sei aus seiner Sicht nicht sinnvoll, so Herr
Dr. Priwitzer
, zumal latente Tuberkulose-Infektionen auch Monate oder Jahre nach der Einreise wirklich ausbrechen könnten. Es werde auf Bundesebene zudem bereits überlegt, wer hauptsächlich an der Tuberkulose erkranke, und welche verpflichtenden Untersuchungen für welche Risikogruppen vorgeschrieben werden sollten. Er erinnert daran, dass bei Menschen mit erhöhtem Tuberkuloserisiko, wie Obdachlose oder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, durch das Gesundheitsamt bereits sogenannte Screening-Untersuchungen durchgeführt würden, um diese Risikogruppen zu überwachen.
StRin
Yüksel
(FDP) möchte wissen, ab wann und wie lange ein Tuberkulose-Betroffener ansteckend ist.
In der Folge stellt StR
Adler
mit Verweis auf die Präsentation fest, dass die Anzahl der hilfebedürftigen Erkrankten in den vergangenen Jahren sowohl bei Menschen mit einem Migrationshintergrund als auch ohne einen Migrationshintergrund gestiegen ist.
Danach stellt BM
Wölfle
fest:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss hat vom Bericht
Kenntnis genommen.
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