Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz:
JB
GRDrs
904/2017
Stuttgart,
09/27/2017
Unterhaltsvorschusskasse - Sachstand nach der Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes zum 1. Juli 2017
Mitteilungsvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Jugendhilfeausschuss
Kenntnisnahme
öffentlich
16.10.2017
Bericht:
Am 1. Juli 2017 sind folgende wesentliche Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) in Kraft getreten (s. auch GRDrs 983/2016):
·
Aufhebung der Höchstbezugsdauer von bislang max. 6 Jahren.
·
Anhebung der Altersgrenze auf Vollendung des 18. Lebensjahres (bisher bis Vollendung des 12. Lebensjahres).
Sachstand zum 31. August 2017
Vom 01.07.2017 bis zum 22.09.2017 gingen 2.826 Anträge ein, davon 550 Anträge von alleinerziehenden Elternteilen, die keine Leistungen vom Jobcenter beziehen.
Eine Sachbearbeiterin/ein Sachbearbeiter in Vollzeit erhielten bis zur Reform ca. 10 Neuanträge im Monat, nun hat jede Vollzeitkraft innerhalb von zwei Monaten bereits mehr als 200 Neuanträge zu bearbeiten.
Momentan kann keine Aussage dazu getroffen werden, inwieweit die Antragszahlen noch steigen. Kalkuliert wurde mit ca. 4.000 reformbedingten Neuanträgen.
Derzeit werden die Anträge erfasst und, da die eingereichten Unterlagen meist unvollständig sind, ergänzende Angaben eingeholt.
Die Unterhaltspflichtigen werden mit Blick auf den Rückgriff parallel angeschrieben.
Das persönliche Erstgespräch mit dem antragstellenden Elternteil, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erläutert, Angaben ergänzt und eine Beratung über weitere Hilfen des Jugendamtes angeboten wurden, gehörte vor der Gesetzesänderung zum Standard, kann aber durch das große Antragsaufkommen derzeit nicht geführt werden.
Die bisherige Antragsbearbeitungszeit von durchschnittlich 3 Monaten kann nicht mehr eingehalten werden, im zweiten Halbjahr 2017 wird nur ein kleiner Teil der Anträge bewilligt werden können. Dies liegt neben der Vielzahl der Neuanträge auch an einem vor der Bewilligung notwendigen umfangreicheren Prüfverfahren. Anträge von Alleinerziehenden in einer prekären finanziellen Situation werden vorrangig bearbeitet.
Die Antragstellung erfolgt in den meisten Fällen schriftlich, bei den persönlichen Vorsprachen kam es bisher zu keinen sehr langen Wartezeiten.
Prüfverfahren
Durch die Prüfung der neuen Anspruchsvoraussetzungen für Kinder ab Vollendung des 12. Lebensjahres, die Berücksichtigung von Einkommen und die Abstimmung der Zuständigkeit mit dem Jobcenter, der Kindergeldkasse und der Wohngeldstelle wird die Bearbeitung sowohl der Anträge als auch der laufenden Fälle in Zukunft anspruchsvoller und aufwändiger. Vor der Gesetzesänderung wurden die UVG-Leistungen unabhängig vom Einkommen der Alleinerziehenden geleistet, die UVG-Reform bricht diesen Grundsatz auf und führt ab sofort eine Einkommensgrenze bei Alleinerziehenden und eine Einkommensanrechnung bei den Jugendlichen ein.
Rückgriff bei den Unterhaltspflichtigen
Beim der derzeitigen Situation in der Dienststelle Unterhaltsvorschuss – Antragsfülle und Fallzahlenschlüssel von 1:600 Fällen (siehe GRDrs 983/16) - muss der Rückgriff bei den Unterhaltsschuldnern zu Gunsten der Antragsbearbeitung erst einmal zurückgestellt werden. Bisher war eine zeitnahe Beurteilung der Leistungsfähigkeit, eine zügige Titulierung und regelmäßige Zahlungskontrollen in allen Akten Standard. Möglichst alle drei Monate wurden eingehende Zahlungen kontrolliert und bei deren Ausbleiben die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet.
Es stellt sich zudem heraus, dass bei zahlreichen Anträgen der Kinder über 12 Jahren keine aktuellen Daten zu den Unterhaltspflichtigen vorliegen, da die Trennung der Eltern schon Jahre zurückliegt und den antragstellenden Elternteilen keine aktuellen Adressen mehr bekannt sind. Die Recherche nach den aktuellen Adressen und den persönlichen Verhältnissen dieser Unterhaltsschuldner erschwert ebenfalls den Rückgriff.
Dies obwohl gerade die Bedeutung des Rückgriffs bei den Unterhaltspflichtigen in den Richtlinien zum erweiterten UVG besonders herausgehoben wird:
„Das UVG ist eine besondere Hilfe für alleinerziehende Elternteile und deren Kinder; anspruchsberechtigt ist das jeweilige Kind. Es will gerade nicht den Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltspflicht entlasten. Einem konsequenten Rückgriff kommt daher entscheidende Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr angesichts der haushaltspolitischen Verantwortung der UV-Stellen (Personalausstattung, der wichtigen Signalwirkung für die Zahlungsbereitschaft von Unterhaltschuldnern sowie des zunehmenden Stellenwertes des UVG in der Öffentlichkeit.“
Bearbeitung der bereits vor der Gesetzesänderung laufenden Fälle
Die Bearbeitung der bereits laufenden Fälle und der Beitreibungsfälle beschränkt sich momentan auf das allernotwendigste. Es können weder Unterhaltstitel beantragt werden
noch können die jährlichen Beurteilungen zur Ermittlung der Werthaltigkeit von Forderungen erfolgen.
Die bislang halbjährliche Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen bei den alleinerziehenden Elternteilen kann künftig nur noch ein Mal pro Jahr stattfinden. Es ist davon auszugehen, dass es dadurch wieder zu Überzahlungen kommt, die bei einem Anteil von 70% Alleinerziehenden im Jobcenter-Bezug zu weiteren Einnahmeausfällen führen werden.
Ein Forderungsverlust durch Verwirkung und/oder Verjährung droht auch für Forderungen der Vergangenheit, wenn die Bearbeitung der Bestandsfälle nicht in der bisherigen Intensität erfolgen kann.
Das Land geht aufgrund einer Erhebung des Rechnungshofes anlässlich der Prüfung im Jahr 2015 von einer Fallzahl von 394 Fällen pro Vollzeitstelle in der Unterhaltsvorschusskasse aus. Auch das Sozialministerium griff diese Fallzahl in einer Erhebung zu den reformbedingten Mehrkosten auf. Eine Umfrage bei den umliegenden Landkreisen ergab, dass sich die meisten Stadt- und Landkreise an diesem Fallzahlenschlüssel von ca. 1:400 halten (Anlage 1).
Isabel Fezer
Bürgermeisterin
Anlage 1 "Stellensituation und Rückgriffsquote in ausgewählten Stadt- und Landkreisen
in Baden-Württemberg"
Stellensituation und Rückgriffsquote in ausgewählten Stadt- und Landkreisen
in Baden-Württemberg
Stadt/Landkreis
bewilligte Stellen
bereits besetzt
Fallzahlenschlüssel
Anzahl der laufenden Fälle zum 30.06.2017
Rückgriffsquote
seit 01.07.2017
Stadt Stuttgart
bis zu 3
1
600 Fälle pro SB
1822
30,1
Ludwigsburg
6
4
328 Fälle pro SB
1216
32,12
Stadt Heilbronn
2 mit Option auf weitere
2
394 Fälle pro SB
570
46,2
Heilbronn
3
1,5
394 Fälle pro SB
918
34,83
Esslingen
bis zu 10
6,5
400 Fälle pro SB
1212
34,8
Rems-Murr
5,35
3,35
377 Fälle pro SB
1061
30,85
Hohenlohekreis
1
1
300 Fälle pro SB
296
43,46
Schwäbisch Hall
2
2
495
39,53
Böblingen
3,75
2,75
372 Fälle pro SB
966
32,19
Ostalbkreis
bis zu 6
2
500 Fälle pro SB
906
43,65
Göppingen
4,6
3,6
400 Fälle pro SB
885
30,05
Main-Tauber
2
253 Fälle pro SB
434
32,49
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