Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz:
SI
GRDrs
146/2022
Stuttgart,
09/27/2022
Zwei sich ergänzende Freiwilligkeitsleistungen der Landeshauptstadt Stuttgart:
Bonuscard + Kultur und FamilienCard
Mitteilungsvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Kenntnisnahme
öffentlich
10.10.2022
Bericht:
a) Historischer Abriss Bonuscard + Kultur
Mit der Gemeinderatsdrucksache 346/2000 wurden zum 01.01.2001 die FamilienCard und die Bonuscard als sozial- und familienpolitische Instrumente eingeführt.
Anfangs galt bei Neuanträgen, dass das Einkommen in Höhe von 110 % des Sozialhilfesatzes nicht überschritten werden durfte (GDRs 75/2001).
Im Jahr 2002 wurde der Kreis der Bonuscard-Empfänger*innen auf die Bezieher*innen von laufenden Hilfen zum Lebensunterhalt und einmaligen Beihilfen sowie auf Einkommensbezieher (Schwellenhaushalte) unterhalb definierter Einkommen erweitert (GDRs 988/2001).
Leistungsempfänger*innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten ab 2009 die Bonuscard ebenfalls als freiwillige Leistung (GDRs 694/2008).
Zum 01.01.2010 wurde die Karte um den Begriff Kultur erweitert. Die Bonuscard + Kultur ermöglicht seit diesem Zeitpunkt die kostenlose Teilhabe an kulturellen Veranstaltungen in der Landeshauptstadt. Träger des Angebotes ist die im Dezember 2009 gegründete Initiative „Kultur für alle e. V.“.
Mit Jahresbeginn 2012 wurden die Leistungen zum Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) in Stuttgart eingeführt. Dabei wurde die Bonuscard + Kultur als „Berechtigungsausweis“ für die BuT-Leistungen Mittagessen und eintägige Ausflüge in Schulen und Kindergärten/-tagesstätten genutzt. Die Schwellenhaushalte, welche keinen Anspruch auf BuT-Leistungen haben, wurden den BuT-berechtigten Bonuscard-Inhabern gleichgestellt. Hierdurch hatten die Schwellenhaushalte Zugang zum ganzen Leistungsspektrum der Bonuscard + Kultur sowie der FamilienCard (GRDs 1267/-1137/-1258/-235/2012).
Im Januar 2015 wurde das Sozialticket eingeführt. Dies umfasst einen 50 %-igen Zuschuss auf Monatstickets für die Innenstadtzonen (GDRs 656/2014).
Durch die Festlegung neuer Einkommensgrenzen, bei den vergangenen Wohngeldreformen, wurde der Zugang über die Schwellenhaushaltsberechnung ab 2017 abgeschafft (GRDs 1390/2015). Da das Wohngeld nicht zu den existenzsichernden Leistungen gehört und die Leistungsberechtigten sich nicht in wirtschaftlich prekären Situationen befinden, ist der Kreis der Anspruchsberechtigten potentiellen Wohngeldempfängern mit den erwähnten Schwellenhaushalten gleichzusetzen.
Somit können seit 2017 die Leistungsberechtigten der folgenden sechs Rechtskreise die Bonuscard + Kultur ohne weitere Einkommensberechnung erhalten:
·
Wohngeld
·
Kinderzuschlag (nicht Kindergeld)
·
Leistungen nach dem SGB II
·
Leistungen nach dem SGB XII
·
Leistungen nach dem AsylbLG
·
Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII).
Zudem erhalten Schüler*innen aus den oben aufgeführten Rechtskreisen, außer den Beziehern von Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII), Zugang zum staatlichen Bildungs- und Teilhabepaket (BuT).
Im Sommer 2020 wurde die Möglichkeit geschaffen, den Antrag zur Bonuscard + Kultur digital über das Internetportal service-bw zu stellen. Die Anträge werden bis zur Erstellung der Karte, ohne Medienumbruch, bearbeitet. Das Verfahren fand von Beginn an eine hohe Akzeptanz. Im Herbst 2021 wurden schon über 50 % der unterjährig ausgestellten Bonuscards über das Online-Verfahren beantragt.
b) Weiterentwicklung Bonuscard + Kultur und Zusammenspiel mit der
FamilienCard
In den Ergebnissen der Armutskonferenz (GRDs 606/2019) wird u. a. ein Zuschuss für Sportmaterialien und eine Erweiterung der Kooperationspartner (mit einem finanziellen Ausgleich für diese) gefordert.
Zu bemerken ist, dass die Bonuscard + Kultur ein reiner Berechtigungsausweis ist. Die von den Partnern gewährten Ermäßigungen werden in der Regel nicht kompensiert.
Ausgenommen von dieser Regel ist insbesondere das Sozialticket, das direkt über das Budget des Sozialamtes finanziert wird. Dieser Betrag ist zurzeit auf jährlich 4,62 Millionen EUR gedeckelt.
Die Kita-Gebührenbefreiung wird vom Jugendamt zum einen über Mindereinnahmen und aber auch Mehrausgaben finanziert. Gebührenermäßigungen beispielsweise bei Musikschulen oder den Stuttgarter Bädern, werden über die jeweiligen Haushalte der Anbieter finanziert.
Seit Juni 2022 fördert das Amt für Sport und Bewegung, im Rahmen des zeitlich befristeten Projektes KOMBINE, Sportanbieter (Vereine) jährlich mit 50 EUR pro Bonuscard-Inhaber*in, wenn der Anbieter die Förderung zur Ermäßigung von Mitglieds- oder Kursgebühren einsetzt.
In Ergänzung zur Bonus- und FamilienCard wurde im Doppelhaushalt 2022/2023, unter Federführung des Kulturamtes, die Einführung des Kulturpasses beschlossen (GDRs 995/2021). Dieser soll allen Stuttgarter*innen, die das 16. Lebensjahr vollenden, im Wert von jeweils 100 EUR zum Geburtstag geschenkt werden. Innerhalb von zwei Jahren können mittels dieses Guthabens Kulturangebote wie beispielsweise Museen, Theater, Konzerte oder Kino genutzt oder auch Bücher in Stuttgarter Buchhandlungen gekauft werden. Dieses Instrument ist ein weiterer Baustein zur kulturellen Teilhabe von Jugendlichen.
Es ist hier darauf hinzuweisen, dass alle Bonuscard + Kultur-Inhaber*innen unter 17 Jahren gleichzeitig anspruchsberechtig sind, die FamilienCard zu erhalten. Somit stellt die Bonuscard + Kultur den hauptsächlichen Zugang zur FamilienCard dar.
Der zusätzliche Zugang über die Einkommensgrenze ist daneben zu vernachlässigen. In einem vereinfachten, niederschwelligen Verfahren, wird aber Alleinerziehenden und Familien, denen der Zugang zur Bonuscard + Kultur beispielsweise über den Wohngeldbezug nicht möglich ist, der Weg zum Erhalt der FamilienCard eröffnet. Der Zugang für Schwellenhaushalte zur FamilienCard ist über die Einkommensgrenze in Höhe von 70.000 EUR geregelt.
Neben den 60 EUR Guthaben der FamilienCard erhalten die Kartenbesitzer eine monatliche Ermäßigung auf die Gebühren bei städtischen Kindertageseinrichtungen. Das jährliche Guthaben in Höhe von 60 EUR kann in den Bereichen Sport, Bewegung, Musikschulen und Kultur eingesetzt werden. Ein darüberhinausgehender Bedarf kann im Einzelfall über Stiftungsgaben finanziert werden.
Die Instrumente Bonuscard + Kultur und FamilienCard werden ständig weiterentwickelt. Dies beinhaltet auch die Akquise von neuen Angebotspartnern (z. B. VfB-Tickets zu ermäßigten Preisen, Zahlungsmöglichkeiten mit der FamilienCard bei Partnern wie die Sprungbude, Ravensburger Kinderland Kornwestheim, DAV oder Neckar Käpt´n).
Seit Sommer 2020 ist es möglich, im Online-Shop der Stuttgarter Bäder die FamilienCard als digitales Zahlungsmittel einzusetzen. Für 2022/23 ist geplant, dies auch im Online-Shop der Wilhelma zu ermöglichen. Gegenwärtig wird zudem an den Strukturen des FamilienCard IT-Systems gearbeitet, um die Digitalisierung weiter auf den Weg zu bringen. Die digitale Antragstellung sowie ein Online-Zahlungsportal für die weiteren FamilienCard-Angebote sind in der Entwicklung.
Das Sozialamt
berät aktiv Träger und Einrichtungen über den Umfang der Freiwilligen Sozialleistungen. Die Mitarbeiter*innen der Dienststelle stehen den Trägern und städtischen Dienststellen auch für Mitarbeiterschulungen und Informationsveranstaltungen zur Verfügung.
Auch die Bürger*innen erreichen die Dienststelle auf allen Kommunikationswegen. Besonders hervorzuheben ist die offene Sprechzeit, in welcher die Bürger*innen, ohne Terminvereinbarung, in Bezug auf die Freiwilligen Sozialleistungen umfangreich beraten werden. Zudem werden alle Informationen über die verschiedenen Freiwilligkeitsleistungen allen Bürger*innen auf der Internetpräsenz der Landeshauptstadt zur Verfügung gestellt. Besonders hervorzuheben ist die gedruckte FamilienCard-Broschüre, die in allen Bürgerbüros und Bürgerinformationsstellen ausliegt.
c) Zahlenmäßige Entwicklung Bonuscard + Kultur und FamilienCard
Anzahl Karteninhaber*innen Bonuscard + Kultur und FamilienCard:
Jahr
Anzahl
Bonuscard + Kultur
Inhaber
Anzahl
FamilienCard
Aufladungen
2011
68.043
45.155
2012
65.627
42.533
2013
66.169
41.048
2014
68.574
41.379
2015
77.763
40.507
2016
72.666
39.885
2017
65.348
36.410
2018
65.099
37.336
2019
59.028
36.961
2020
64.190
27.142*
2021
65.704
22.296*
*pandemiebedingter Rückgang
Nutzung Bonuscard + Kultur:
Seitens des Sozialamtes können wir bezüglich der Bonuscard-Nutzung nur die Anzahl der erworbenen Sozialtickets konkret erheben, da diese - wie erwähnt - von der SSB mit dem Sozialamt abgerechnet werden. Zur Nutzung bei unseren Partnern liegen keine Zahlen vor. Hervorzuheben ist aber insbesondere die Funktion als Berechtigungsausweise beim Jugendamt, dem Schulverwaltungsamt und den Stuttgarter Tafeln.
Jahr
Anzahl
2019
209.825
2020
156.424
2021
154.055
Nutzung FamilienCard:
Einrichtung / Angebot
Umsatz
Buchungen
Verteilung
2020
2021
2020
2021
2020
2021
Waldheime und Freizeiten
13.191,20 EUR
19.795,70 EUR
243
350
3,25 %
3,22 %
Eissportzentrum Waldau
5.201,20 EUR
8.737,70 EUR
683
821
1,28 %
1,42 %
Fernsehturm
9.681,76 EUR
21.696,41 EUR
384
762
2,39 %
3,53 %
Jugendhäuser, Jugendfarmen
13.859,00 EUR
12.933,04 EUR
298
292
3,41 %
2,11 %
Stuttgarter Bäder
72.032,65 EUR
150.448,97 EUR
7.159
11.805
17,75 %
24,50 %
Museen
1.810,20 EUR
3.087,70 EUR
107
193
0,45 %
0,50 %
Planetarium
2.115,00 EUR
4.849,00 EUR
111
241
0,52 %
0,79 %
Private Anbieter
16.524,50 EUR
24.897,97 EUR
440
611
4,07 %
4,06 %
Schulen (ab 2020)
23.537,73 EUR
30.060,78 EUR
418
550
5,80 %
4,90 %
Vereine, gemeinnützige und mildtätige Organisationen
191.538,97 EUR
194.622,43 EUR
4.751
4.498
47,20 %
31,70 %
Wilhelma
20.528,50 EUR
112.895,70 EUR
592
2.868
5,06 %
18,39 %
Musikschule
22.977,80 EUR
22.015,28 EUR
457
428
5,66 %
3,59 %
Kinder- und Familienangebote
12.845,85 EUR
7.919,84 EUR
287
193
3,17 %
1,29 %
Summe
405.844,36 EUR
613.960,52 EUR
15.930
23.612
100,00 %
100,00 %
d) Aktuelle wirtschaftspolitische Situation
Die aktuelle Situation in Bezug auf Inflation und Kostensteigerungen im Energiebereich führt zu einer erheblichen Mehrbelastung für alle privaten Haushalte.
Dieser Mehrbelastung begegnete die Bundesregierung mit zwei Entlastungspaketen. Inzwischen wurde das dritte Entlastungspaket am 03.09.2022 durch die Regierungskoalition beschlossen. Detailregelungen liegen bei Erstellung dieser Vorlage allerdings noch nicht vor.
Transferleistungsbezieher haben durch einen einmaligen Zuschlag i. H. von 200 EUR pro Person, neben den allgemeinen Entlastungen (z. B. 9-Euro-Ticket, Abschaffung EEG-Umlage, Senkung Treibstoffpreise), im Besonderen profitiert.
Für Personen, die Sozialgeld, Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Sozialgesetzbüchern Zweites und Zwölftes Buch (SGB II, SGB XII) erhalten, werden bei angemessenem Heizverhalten die Kosten für Heizenergie vom Jobcenter bzw. dem Sozialamt übernommen.
Haushaltsenergie ist im Regelbedarf enthalten. Über die Erhöhung des Regelbedarfs wird im Rahmen der Einführung des Bürgergeldes aktuell diskutiert.
Für Haushalte außerhalb des Sozialleistungsbezugs kann vom Sozialamt bei rechtzeitiger Kenntnis eine finanzielle Unterstützung geprüft werden, bevor die Energiezufuhr eingestellt wird.
Zu dem aktuellen Entlastungspaket 3 müssen die Regeln durch die Bundesregierung abgewartet werden.
Beteiligte Stellen
Referat WFB
Vorliegende Anträge/Anfragen
Antrag Nr. 171/2022 vom 20. Mai 2022 der CDU-Gemeinderatsfraktion
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Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin
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<Anlagen>
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