In Stuttgart wurde übergreifend ein Arbeitskreis der Krisendienste (AK Krisendienst) gegründet, in dem verschiedene in diesem Feld tätige Organisationen zusammenwirken. Im Juni 2020 begeht der AKL sein 35-jähriges Jubiläum.
Öffentlichkeitsarbeit 2020 Im Jahr 2020 sind folgende Aktivitäten geplant: · 25. September 2020, 18:00 Uhr bis 20:30 Uhr, Film & Podiumsdiskussion, Film: "Dem Himmel zu nah. Suizid.ZurückBleiben.WeiterL(i)eben.", AKL Stuttgart in Kooperation mit dem AK Krisendienst, Evangelisches Bildungszentrum Hospitalhof (verschoben auf 17.09.2021).
· 25. November 2020, 20:00 Uhr bis 21:30 Uhr, Benefizkonzert des Daimler Sinfonieorchesters zu Gunsten des AKL Stuttgart in der Leonhardskirche.
· 31. Oktober 2020, eine Gedenkfeier für Menschen, die durch Suizid verstorben sind, in der Markuskirche.
· Wie im letzten Jahr wird die verstärkte Zusammenarbeit mit dem Präventionsprojekt „Verrückt? Na und!“ an Stuttgarter Schulen fortgesetzt.
Förderung durch die Landeshauptstadt Stuttgart Die Landeshauptstadt Stuttgart fördert den AKL seit 1989. In den Beratungen zum Doppelhaushalt 2018/2019 wurde der Beschluss gefasst, ab dem Jahr 2018 den Fördersatz für Miet- und Mietnebenkosten sowie für die Personalkostenpauschalen auf 80 % zu erhöhen.
Zudem wird eine Sachkostenpauschale in Höhe von 4.600 EUR/ Vollzeitkraft/ Jahr gewährt. Für das Jahr 2019 wurde somit ein vorläufiger Zuschuss in Höhe von 163.700 EUR bewilligt.
Diese Veränderungen entsprechen einer Angleichung an die städtische Förderung der Angebote Sozialpsychiatrische und Gerontopsychiatrische Dienste. Fazit · Die unverzichtbare und kompetente Arbeit des AKL in der Krisenintervention und Suizidprophylaxe ermöglicht eine Sicherstellung der psychosozialen Versorgung in der Landeshauptstadt Stuttgart.
· Aufgrund der akuten Problemlage der Klientinnen und Klienten ist es notwendig, sofort auf Anfragen nach Beratungsgesprächen reagieren zu können. Wartezeiten für die Klientinnen und Klienten bestehen aktuell nicht.
· Die Vernetzung des AKL mit anderen in diesem Feld aktiven Organisationen verläuft gut und effektiv.
· Die Stellen- und Finanzausstattung ist im Verhältnis zur aktuellen Nachfragesituation auskömmlich.
Beteiligte Stellen --- Vorliegende Anträge/Anfragen --- --- Dr. Alexandra Sußmann Bürgermeisterin 1. Arbeitskreis Leben Stuttgart e. V., Fallbeispiele 2019/2020 2. Statistik des Arbeitskreises Leben Stuttgart e. V., Stand 2019 Arbeitskreis Leben Stuttgart e. V. Fallbeispiele 2019/2020 1. Mann, Mitte 60, in einer suizidalen Lebenskrise
Klient Herr B., alleinstehend, Mitte 60, kommt auf Anraten eines Bekannten zum AKL. Er ist ein ruhiger, kulturell interessierter Mann, der seit wenigen Wochen im Ruhestand ist. Diese Veränderung ist nicht einfach für ihn, da er seine sozialen Kontakte bisher über berufliche Bezüge gepflegt hat. Diese sind nun weggebrochen. Da seine Rente klein ist, kann er auch nur ausgewählt kulturelle Interessen pflegen und seine Sorge ist groß, dass er verarmen könnte. Freude bereitet ihm derzeit nur das Gärtnern in seinem kleinen Garten. Liebevoll pflegt er seine Blumen- und Gemüsebeete.
In dieser brüchigen Phase der Lebensveränderung hat ihn nun ganz aktuell die Kündigung seiner Wohnung wegen Eigenbedarf erreicht, in der er seit 35 Jahren lebt. Er hat 6 Monate Zeit, eine neue Wohnung zu suchen. Diese Nachricht zieht ihm den Boden unter den Füßen weg und stürzt ihn in eine schwere Krise mit starken Existenzängsten und sehr konkreten Suizidgedanken. Er erlebt sich in einer völligen Überforderung, Hoffnungslosigkeit und Antriebslosigkeit. Er kennt niemanden, mit dem er über die Situation sprechen könnte oder der ihn unterstützen könnte. In diesem Zustand kommt er zum AKL.
Er interessiert sich für die Unterstützung durch einen ehrenamtlichen Krisenbegleiter und sucht Hilfe, um mit seinen Ängsten und Blockaden bezogen auf die Wohnungssuche umgehen zu können. Vereinbart werden mit ihm Entlastungsgespräche als Krisenintervention, in denen ihm die Zusammenhänge seiner Ängste deutlich werden. Als praktische Hilfe bei der Wohnungssuche (z. B. fehlen ihm Computerkenntnisse, um digital auf Wohnungssuche zu gehen) und als Gesprächspartner findet eine Vermittlung an einen ehrenamtlichen Krisenbegleiter statt.
Außerdem sucht er einen Facharzt auf, um sich bezogen auf die depressiven Zustände medikamentös unterstützen zu lassen und er knüpft Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe, um sein soziales Netz zu vergrößern. Es folgen Wochen, in denen langsam Hoffnung in ihm wächst, dass sich die Dinge gut entwickeln könnten, abwechselnd mit emotionalen Einbrüchen, Einsamkeitsgefühlen und Existenzängsten. Vor allem als der Druck der Wohnungssuche steigt, wird es nochmal ganz eng in seinem Erleben und die Suizidgedanken verstärken sich erneut. Nun geht es darum, Druck herauszunehmen. Zuerst die Ängste besser zu verstehen, bevor die Wohnungssuche vorangetrieben werden kann.
Während dieser Zeit hilft ihm der Blick auf biografische Aspekte, die ihm seine Stress- und Angstmuster verdeutlichen. Er gewinnt zunehmend Verständnis für sein Erleben. Sehr stabilisierend ist die ganz engmaschige, kontinuierliche und sehr praktische Unterstützung durch den ehrenamtlichen Krisenbegleiter, der mit ihm die Wohnungssuche anpackt und ihn bei Wohnungsbesichtigungen begleitet, um ihm Sicherheit und Rückenstärkung zu geben.
Ihm gelingt es immer besser, in seinem Bekanntenkreis offen über seine Situation zu sprechen. Das hat eine sehr entlastende Wirkung. Als er dann tatsächlich innerhalb der 6 Monate bis zur Wohnungskündigung eine neue Wohnung mit kleinem Garten findet, ist seine Erleichterung groß. Im Rückblick versteht er diese Krise als einen wichtigen Entwicklungsschritt ins Rentnerdasein. Heute kann er sein Leben wieder genießen, zumal er sich in seiner neuen Wohnung sehr wohlfühlt, er neue soziale Kontakte gefunden hat und sich im Umgang mit anderen Menschen authentischer erlebt als jemals zuvor. 2. Junge trauernde Frau, 35 Jahre
Frau B. nahm den Kontakt zum AKL auf, nachdem ihre jüngere Schwester sich für alle völlig unvorhersehbar das Leben genommen hat. Sie war an einer schweren Depression erkrankt, wollte aber trotzdem ein Kind bekommen. Sie setzte unter ärztlicher Kontrolle ihre Medikamente ab. Dadurch verschlechterte sich ihr Zustand in kurzer Zeit rapide und wenige Wochen später starb sie durch Suizid. Für die Eltern und die einzige Schwester, Frau B., war ihr Tod ein Schock. Überwältigt von nicht regulierbaren Gefühlen des Schmerzes und Verlustes kam Frau B. zwei Monate nach dem Tod der Schwester zum AKL. Sie wurde von den Krisendiensten, die der Familie die Todesnachricht überbracht hatten, auf den AKL hingewiesen.
Frau B. ist eine junge, beruflich sehr erfolgreiche Frau, die mit ihrem Partner zusammenlebt und bis zum Tod ihrer Schwester ein sehr ausgefülltes Leben hatte. Sie hatte ihr Leben gut im Griff, war sehr leistungsbereit und voller Energie. Der Suizid der Schwester zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Seither erlebt sie wiederholt emotionale Einbrüche, oft ausgelöst durch Alltagsbemerkungen anderer Menschen. Wenn z. B. jemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis von Kontakten mit der eigenen Schwester berichtet, ist es möglich, dass eine Welle des Schmerzes über sie hereinbricht, die sie nicht kontrollieren oder steuern kann. Dann versagt ihre Stimme oder ein Weinkrampf überfällt sie, oder sie versteinert und kann niemandem zeigen, was innerlich mit ihr los ist. Kontrolle zu haben, die eigenen Emotionen im Griff zu haben sind wichtige Aspekte für sie, um sich unter anderen Menschen wohl zu fühlen. Darum hat sie seit dem Tod der Schwester ihre sozialen Kontakte sehr reduziert. Sie nimmt wahr, dass sie Rückzug braucht, um sich selbst zu spüren und gut versorgen zu können. Und auch um Raum für ihre Trauer zu haben und die Erinnerungen an ihre Schwester zu pflegen.
Da ihre Arbeit jedoch viel Zeit und Raum fordert, oft große Projekte unter Zeitdruck zu erledigen sind und heftige Emotionen darin keinen Platz haben, kann sie sich diesen Raum nicht nehmen. Ihre Arbeit stellt einen großen Teil ihrer Identität dar, darum ist ein Kürzertreten bei der Arbeit für sie auch nicht vorstellbar. Diese Spannung führt zu einem seltsamen Entfremdungserleben mit einem Wechsel zwischen Gefühllosigkeit und emotionaler Überwältigung.
Zu ihren Eltern pflegt sie einen regelmäßigen Kontakt. Alle drei gehen auf ähnliche Weise mit ihrer Trauer um. Sie versuchen mit großer Tapferkeit weiterzumachen und füreinander da zu sein. Gespräche über die verstorbene Schwester werden kaum geführt, um vermeintlich nicht in der Wunde des Schmerzes zu rühren. Frau B. berichtet eher von einem Zustand der Sprachlosigkeit untereinander. Und wenn dann doch über die Schwester gesprochen wird, z. B. um zu entscheiden, wie der erste Jahrestag des Todes begangen werden soll, wirkt das seltsam unecht und surreal auf sie.
Frau B.‘s Erleben kann als stressbedingte Trauer- und Belastungsreaktion nach einer traumatisierenden Erfahrung verstanden werden. Beim AKL führt Frau B. Einzelgespräche. Hier ist ein Ort, an dem sie ihrer Trauer Raum geben kann, sich selbst spüren kann und die heftigen Gefühle durch einen haltgebenden Rahmen aushalten kann. Das hat eine tröstliche und heilsame Wirkung. Anlage 2 zu GRDrs 210/2020 Statistik des Arbeitskreises Leben Stuttgart e. V., Stand 2019 Im Jahr 2019 haben insgesamt 493 Menschen den Kontakt zum AKL Stuttgart e. V. gesucht. Daraus ergaben sich 218 längere Beratungen/Begleitungen und 275 kurze Kontakte. · Anfragen nach Gruppen (bezogen auf 218 längere Beratungen)
· Soziodemografische Daten Klientinnen und Klienten (bezogen auf 218 längere Beratungen)