Die Bereitschaftspflege gewährleistet die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII als zeitlich befristete Notaufnahme von Kleinkindern und Kindern (konzeptionell bis sechs Jahre) in Pflegefamilien. Anlass sind Krisen- und Überforderungssituationen der Eltern und damit verbunden eine Gefährdung des Kindeswohls.
In Kooperation der stationären Inobhutnahme in Stuttgart und des Pflegekinderdienstes wurde 2000 ein Konzept für die Bereitschaftspflege entwickelt und erste Vorbereitungsseminare mit bereits tätigen Pflegeeltern und Tagesmüttern durchgeführt. 2001 starteten die ersten sechs Bereitschaftspflegefamilien. Bereits Ende 2001 waren es acht Bereitschaftspflegefamilien. Von diesen Bereitschaftspflegefamilien der ersten Stunde sind zwei noch tätig (eine weitere hat im April dieses Jahres altersbedingt aufgehört). Allein diese drei Bereitschaftspflegefamilien haben insgesamt 192 Kinder betreut, diese waren teilweise nur einige Tage in den Familien oder auch länger als 12 Monate. Zahlen zur Bereitschaftspflege
In den zurückliegenden 20 Jahren wurden 700 Kinder in Bereitschafspflegefamilien für einen vorübergehenden Zeitraum betreut. Dabei ist es bei 60 % der Kinder gelungen, die konzeptionell vorgesehene und durch Bindungsaspekten begründete Verweildauer von 6 Monaten nicht zu überschreiten.
45 % der Kinder wurden nach der Bereitschaftspflege zu ihren Eltern bzw. zu einem Elternteil entlassen, knapp 40 % kamen in längerfristige Pflegefamilien. Die anderen Kinder wechselten zu Verwandten, in Adoption oder in stationäre Gruppen. Es waren seitdem 60 Pflegefamilien in der Bereitschaftspflege tätig.
Zu Beginn (und bis ins Jahr 2013) standen für den Fachdienst Bereitschaftspflege keine separaten Stellenressourcen zur Verfügung. Es wurden Stellenressourcen aus der Abteilung Erziehungshilfe genutzt, die aus dem Bereich ambulante Hilfen kamen. Der Fachdienst Bereitschaftspflege, zunächst mit zwei Mitarbeiter*innen auf 1,7 Stellen, war bis 2011 dem Bereich Hilfen zur Erziehung in Stuttgart Wangen zugeordnet. 2011 wurde der Fachdienst Bereitschaftspflege Teil des Pflegekinderdienstes im Jugendamt. 2014 wurden 1,7 Stellen für diesen Arbeitsbereich geschaffen. Nach erneutem Stellenplanantrag in 2016 wurde eine weitere Stelle geschaffen, so dass der Fachdienst zwischenzeitlich mit 2,7 Stellen ausgestattet ist. Die Begleitung des Fachdienstes sichert einerseits den Kinderschutz in den Pflegefamilien, andererseits unterstützt der Fachdienst die Bereitschaftspflegefamilien in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Dies erfolgt durch Einzelgespräche, Hausbesuche, Gruppenangebote für die Bereitschaftspflegefamilien, Supervision, Seminare und Veranstaltungen. Dies sind Fachvorträge, Workshops zur Biografiearbeit, Gruppen mit den „Geschwisterkindern“ (leibliche Kinder der Bereitschaftspflege), Wochenendseminare, Herbstfest, Weihnachtsfrühstück etc.. Der Fachdienst Bereitschaftspflege versucht, durch geeignete Formen der Öffentlichkeitsarbeit, Familien für diese Aufgabe zu gewinnen. Für die Aufgabe kommen Familien aus Stuttgart sowie aus der unmittelbaren Umgebung in Frage, die selbst Kinder haben. Eine pädagogische Qualifikation wird nicht vorausgesetzt. Die Mitarbeiter*innen des Fachdienstes führen, immer im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte und unter Einbeziehung der zuständigen Bereichsleitung des Pflegekinderdienstes, das Bewerbungs- und Überprüfungsverfahren sowie die Vorbereitung der neuen Bereitschaftspflegefamilien durch. Dies findet in vielen Einzelgesprächen, Familiengesprächen sowie Hausbesuchen statt und umfasst auch die formale Eignungsüberprüfung, u. a. durch die Anforderung eines erweiterten Führungszeugnisses. Die Belegungssteuerung für die Aufnahme neuer Kinder in der Bereitschaftspflege erfolgt durch den Fachdienst, die Anfragen hierfür kommen aus den Beratungszentren. Vorrangig soll die Bereitschaftspflege den jüngsten Kindern zur Verfügung stehen und die Mehrzahl der aufgenommenen Kinder ist unter einem Jahr alt, teilweise werden auch Neugeborene unmittelbar aus der Klinik aufgenommen. Nach der Aufnahme eines Kindes in Bereitschaftspflege werden die Bereitschaftspflegefamilien durch den Fachdienst begleitet. Dies umfasst Einzelberatung, Familienberatung und Gruppenangebote. Im Rahmen der Begleitung finden jährlich mindestens zwei Hausbesuche statt. Regelmäßig werden vom Fachdienst begleitete Fallgruppen angeboten. Mit der Durchführung der Fallgruppen sind folgende Ziele verbunden: gegenseitiger Austausch, kollegiale Beratung, Weitergabe von Informationen, Prozess- und Selbstreflexion, fachliche Steuerung durch den Fachdienst, Einhalten von fachlichen Standards. Aus der Bereitschaftspflege nimmt mindestens die hauptverantwortliche Pflegeperson verbindlich teil. Unter der Federführung der Beratungszentren erfolgen regelmäßige monatliche Gespräche mit Beteiligung der Eltern, ggf. des Vormunds, der Bereitschaftspflegefamilie und des Fachdienstes. Der Fachdienst bereitet mit den Pflegepersonen diese Gespräche vor. Er wirkt durch Informationsweitergabe und fachliche Einschätzung an der Perspektivenklärung und Hilfeplanung mit. In dieser Zeit haben die Eltern (außer es ist aufgrund einer akuten Gefährdungssituation ausgeschlossen) Kontakte zu ihren Kindern. Diese können bis zu dreimal wöchentlich stattfinden. Bei einem Wechsel zu den Eltern (oder zu einem Elternteil) werden die Kontakte entsprechend intensiviert und finden täglich statt. Bereitschaftspflegefamilien
Die Pflegeeltern nehmen Kinder in akuten Krisensituationen auf. Diese Aufnahme geschieht meist sehr kurzfristig (zum Beispiel ein Anruf am Morgen, dass am Mittag ein neugeborener Säugling aus dem Krankenhaus abgeholt werden soll oder die Bitte, sich den Tag über bereit zu halten, da vermutlich durch das Beratungszentrum eine Inobhutnahme erfolgt). Zum Zeitpunkt der Aufnahme gibt es meistens nur sehr wenig Informationen zum Kind und seiner Situation. Die Pflegeeltern übernehmen mit wenig Hintergrundinformation die komplette Verantwortung für das Kind. Dabei wissen sie zum Zeitpunkt der Aufnahme nie, wie lange das Kind bei ihnen sein wird und wohin es danach geht.
Im weiteren Verlauf übernehmen sie die Versorgung des Kindes, geben ihm einen Platz in der Familie und in ihrem Herzen, ermöglichen die Kontakte zu den Eltern und unterstützen das Kind in seiner Entwicklung.
In der Bereitschaftspflege finden auch Kinder mit besonderen Bedarfen (Säugling, der über eine Sonde ernährt wird, Kind mit einer Sehbehinderung, Kind mit einer chronischen Erkrankung und vielen Krankenhausaufenthalten etc.) sowie teilweise auch Geschwister gemeinsam einen Platz.
Entsprechend den Vereinbarungen mit den Sorgeberechtigten, den Eltern und den beteiligten Fachkräften erhalten die Kinder therapeutische Unterstützung, gehen in die Kindertageseinrichtung und werden in der Pflegefamilie in ihrer Entwicklung gefördert.
Die Pflegeeltern begleiten die Kinder im Übergang zurück zu ihren Eltern, zu Verwandten oder in eine andere Pflegefamilie (in seltenen Fällen verbleibt das Kind in der Pflegefamilie) oder in eine Einrichtung der Kinder– und Jugendhilfe. In diesen, möglichst behutsam gestalteten Übergängen sind die Pflegeltern Begleitung und Lots*innen für die Kinder. Das eine Mal ist das der gut gestaltete behutsame Übergang in eine neue dauerhafte Pflegefamilie, ein anderes Mal die Übergabe des Kindes am Flughafen an seine Eltern, die mit ihm in eine unbestimmte Zukunft in ihr Herkunftsland fliegen, oder das mühevolle Kontakthalten und Kontakt neu aufbauen zur Mutter in der Justizvollzugsanstalt, damit Mutter und Kind eine gemeinsame Zukunft haben können.
Die Pflegeeltern erstellen Dokumentationen über die Entwicklung der Kinder und geben den Kindern Foto- und Lebensbücher mit.
Die Bereitschaftspflegefamilie erhält für das Kind und die Betreuung ein besonderes Pflegegeld in Höhe von derzeit 2028 Euro monatlich. Das Pflegegeld wird nur für die Tage bezahlt, an denen ein Kind betreut wird.
Resümee
Im Zusammenwirken von Familien (die in der Regel keine pädagogischen Fachkräfte sind) und dem Fachdienst Bereitschaftspflege ist es gelungen, ein hochprofessionelles Angebot für Kinder und ihre Familien in besonderen Notsituationen zu schaffen. Die Kinder haben einen sicheren Ort in einer Familie und Erwachsene, die sich intensiv um sie kümmern. Oftmals spielen auch die älteren leiblichen Kinder der Bereitschaftspflegefamilie eine ganz wichtige, positive Rolle im Hilfegeschehen. Gleichzeitig gewinnen die beteiligten Fachkräfte Zeit, um – wo immer möglich mit den Eltern gemeinsam - geeignete Hilfen zu entwickeln und Lösungen zu suchen. Die nochmal deutlich benannten Anforderungen speziell auch an Inobhutnahmesituationen im neuen Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz (§ 42 SGB VIII) können mit der aktuellen Konzeption und Arbeitsweise gut berücksichtigt werden. Der Einbezug der Eltern durch regelmäßige Eltern-Kind-Kontakte, monatliche Gespräche aller Beteiligten, weitere ergänzende Hilfen für die Familien und die Kinder sowie der Familienrat finden hier ihren Platz. Das Angebot der Bereitschaftspflege steht mit flexiblen Platzzahlen zur Verfügung und ist im Vergleich zu stationären Inobhutnahme deutlich kostengünstiger. All die Jahre ist es gelungen, für die herausfordernde Tätigkeit geeignete Bereitschaftspflegefamilien zu finden, aber selten konnte für alle Kinder ein Platz in einer Bereitschaftspflegefamilie zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es deshalb, weiterhin ausreichend Pflegefamilien für diese verantwortungsvolle Aufgabe zu finden, die bereits tätigen Bereitschafspflegefamilien in ihrer Aufgabe so zu begleiten und zu unterstützen, dass sie den Kindern und der herausfordernden Tätigkeit gerecht werden und möglichst lange mit dabeibleiben. Beteiligte Stellen - - - Vorliegende Anträge/Anfragen - - - - - - Isabel Fezer Bürgermeisterin Aktuelle Konzeption der Bereitschaftspflege Link zum SWR-Film: "Mutter auf Zeit", https://www.youtube.com/watch?v=ryv5DGIrfwE zum Seitenanfang