Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 27.10.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Sidgi (SWSG)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Bezahlbares Wohnen in Stuttgart mit mehr kommunalen Wohnungen!
- Antrag Nr. 293/2017 (SPD, 90/GRÜNE, SÖS-LINKE-
PluS) vom 12.10.2017

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

EBM Föll weist auf den als Tischvorlage ausgeteilten Antrag Nr. 894/2017 (CDU) hin, der dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ebenfalls beigefügt ist.

Zunächst begründen StRin Fischer (90/GRÜNE), StR Lutz (SPD) und StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) ihren gemeinsamen Antrag Nr. 293/2017.

Anschließend begründet StR Kotz (CDU) den Antrag seiner Fraktion. Dabei merkt er im Hinblick auf Antrag Nr. 293/2017 an, hier wäre ein ungefährer Zeitraum hilfreich, um seine Umsetzbarkeit zu beurteilen. Er regt an, die beiden Anträge, die ja nicht völlig konträr seien, im Bündnis für Wohnen zu behandeln. So werde man das große - und mehr oder weniger gemeinsame - Ziel schneller erreichen, als wenn man sich in einer Abstimmung für einen der beiden Wege entscheide.

EBM Föll freut sich über das in Antrag Nr. 293/2017 enthaltene Lob der SWSG, insbesondere auch von der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS. Allerdings sollte diese, wenn sie es ernst meine, dann auch bei den Bauprojekten, bei denen die SWSG ihren Wohnungsbestand ausweite, z. B. im Hallschlag und in der Keltersiedlung in Zuffenhausen, die Mieter nicht aufhetzen, sondern für diese Wohnbauprojekte werben.

Einen Beschluss im Aufsichtsrat der SWSG zufolge baue diese ihren Wohnungsbestand aus. In den kommenden Jahren stelle sie im Durchschnitt rund 350 Wohneinheiten (WE) fertig und werde ihren Wohnungsbestand von aktuell gut 18.000 auf 20.000 WE im Jahr 2024 erhöhen. Das sei ambitioniert, weniger aus finanziellen oder wirtschaftlichen Gründen, sondern aufgrund der knappen Flächen. Das Bauprogramm sei deshalb auch nicht gesichert. Schreibe man dieses Wachstum rein rechnerisch fort, erreiche man 2045 das Ziel von 30.000 WE, immer vorausgesetzt dass man die Flächen und Projekte finde. In der Zeitstufenliste stünden 24.000 WE. Es sei schlicht illusorisch, dass die SWSG 50 % davon realisieren könne. Und ein Zielbeschluss sollte wenigstens andeuten, wie man ihn erreichen wolle. Man wecke damit hohe Erwartungen, die man so nicht einlösen könne, und mache sich politisch unglaubwürdig. Der einzige Vorschlag in Antrag Nr. 293/2017 bestehe in der Ausübung der Vorkaufsrechte, die aus rechtlichen Gründen nur in Einzelfällen greife, z. B. wenn die in einer Sanierungssatzung formulierten Ziele durch den Erwerber gefährdet seien und dieser keine Abwendungsvereinbarung unterschreibe. Um das Ziel zu erreichen, gebe es nur drei Wege. Der erste sei, wenn ein Portfolio - ein paar hundert bis ein paar tausend WE - auf den Markt komme, dieses zu erwerben. Die Wahrscheinlichkeit sei sehr gering, denn die Eigentümer solcher Portfolios wollten nicht verkaufen, sondern zukaufen. Und wenn doch, gäbe es sicher noch andere Interessenten. Der zweite Weg sei eine große Außenentwicklung mit ca. 7.000 bis 8.000 WE im Birkacher Feld, Stammheim-Ost und Viesenhäuser Hof. Das schließe der Gemeinderat - wie im Übrigen auch die Verwaltung - aus. Die dritte Möglichkeit bestehe darin, dass künftig ausschließlich die SWSG auf den vorhandenen und zugekauften städtischen Flächen - Neckarpark, Roter Stich, Schoch-Areal, Rosenstein, Stöckach - baut. Damit käme man den 30.000 WE deutlich näher. Zugleich wäre dies aber das Ende des Bündnisses für Wohnen, da dann die anderen Wohnungsunternehmen bzw. Baugenossenschaften ausstiegen. Dies sei seinem Eindruck nach bisher nicht die Absicht zumindest der Fraktionen von 90/GRÜNEN und SPD gewesen. Deshalb falle auch diese Möglichkeit weg.

Er erwarte von den Antragstellern schon einen Vorschlag, mit welchem Ansatz sie das Ziel erreichen wollten. Den Antrag könne man zwar beschließen, doch werde er nichts bewirken. Er bezeichnet ihn als Illusionstheater.

Ein zentrales Problem sieht StR Klingler (AfD) in der Situation im Baurechtsamt, das möglichst schnell zu einem Bauberatungsamt werden sollte. Beschleunigte Verfahren führten zu mehr Bautätigkeit z. B. auch privater Eigentümer. In der Zeitstufenliste Wohnen seien einige Flächen aufgeführt, darüber hinaus könne man höher bauen, ein
Dächerprogramm auflegen oder auch Bundesstraßen überbauen, etwa zwischen dem Schwanentunnel und der nächsten Brücke. Er betont, dass mit der neuen Mehrheit von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD und SÖS-LINKE-PluS im Gemeinderat der Bau von Sozialwohnungen extrem zurückgegangen sei. Es gelte nun, gemeinsam neue Wege zu finden und nicht nur unrealistische Pläne aufzustellen.


StR Dr. Oechsner (FDP) zitiert aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Trotz der hohen Wohnkosten zögen viele Menschen nach Stuttgart, weil hier die Verdienstmöglichkeiten, außer bei der öffentlichen Hand, sehr gut seien, was sich im Mietquotienten - Einkommen zu Kaltmiete - niederschlage. Auch seine Gruppierung sei für den kommunalen Wohnungsbau. Doch sei es ein Trugschluss, dass das Wohnen insgesamt damit deutlich billiger werde. In Frankfurt und Hamburg mit einem städtischen Wohnungsanteil von 14 % sei das Wohnen gemäß dem Mietquotienten deutlich teurer als in Stuttgart. Wenn nun alle neuen Wohnungen ausschließlich von der SWSG gebaut würden, halte er dies für ungesund für die Stadt. Es müsse unterschiedlichste Wohnbautätigkeit möglich sein. Grundsätzlich müsse der absolute Bedarf ermittelt werden. Offensichtlich wolle man die Stadt vergrößern, die Frage sei, wie? Indem man höher baue oder auch auf der grünen Wiese? Doch folgten dem Bekenntnis, dass man mehr Wohnungen wolle bzw. brauche, keine Taten. Weil zwischen dem 10 %-Anteil der SWSG am Gesamtwohnungsbestand und den Mieten kein kausaler Zusammenhang bestehe, sollte der Antrag Nr. 293/2017 zunächst im Bündnis für Wohnen diskutiert werden.

Nach diesen Anmerkungen äußert sich Herr Sidgi zu den Anträgen. Die SWSG begrüße den regelmäßigen sachorientierten Dialog mit dem Gemeinderat. Dem Antrag Nr. 293/2017 entnehme er, dass die Arbeit der SWSG geschätzt werde und man eine stärkere Aktivität der SWSG als positiv für die Wohnungspolitik, einen sozial ausgewogenen Wohnungsmarkt und eine mietpreisdämpfende Wirkung ansehe. Infolgedessen seien Wachstumsziele gut für das Unternehmen. Er unterstreicht den deutlichen Anstieg der Neubauzahlen, sowohl in Bezug auf die Pläne als auch - in den Jahren 2015 und 2016 - die Fertigstellungen. Das Ziel sei ambitioniert: 2024 werde die SWSG voraussichtlich über 20.000 WE haben.

Um Wohnungspakete, die zum Verkauf stünden, werde sich die SWSG in enger Abstimmung mit der Verwaltung bemühen. Allerdings seien diese eher selten. Zum einen, weil es in Stuttgart, z. B. im Vergleich zu Frankfurt oder Hamburg, eine signifikant höhere Quote von selbst genutzten Eigentumswohnungen gebe (Frankfurt knapp 19 %, Hamburg über 20 %, Stuttgart fast 30 %), und deutlich mehr Mietwohnungen als in den anderen beiden Städten sich in der Hand von Privatpersonen befänden. Damit sei der Anteil der Wohnungen gewerblicher Vermieter in Stuttgart prozentual wesentlich geringer, und entsprechend auch die Möglichkeit, große Portfolios zu erwerben. Hinzu komme, dass die Verkaufspreise eventuell nicht mehr wirtschaftlich bzw. tragbar seien, wenn bekannt sei, dass die SWSG den politischen Auftrag habe, erwerben zu müssen. Dies bleibe ein Thema für die Zukunft.

Die SWSG - und auch er selbst - bemühten sich, politische Diskussionen zu vermeiden. Dennoch müsse er zum Antrag und dem Abstimmungsverhalten der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS in der Vergangenheit eines sagen: Bei den letzten von der SWSG im Aufsichtsrat vorgestellten Maßnahmen - Keltersiedlung, Auf der Steig, Lübecker, Dessauer und Düsseldorfer Straße - könnten insgesamt knapp 500 neue und knapp 250 öffentlich geförderte Wohnungen entstehen. StR Adler (SÖS-LINKE-PluS) habe ihm gegenüber wiederholt mitgeteilt, was er von diesen Maßnahmen halte, und er habe dies auch in der Öffentlichkeit diskutiert, z. B. bei einer Podiumsdiskussion im September im Hallschlag. StRin Fischer habe im Aufsichtsrat dagegen erklärt, dies heiße in letzter Konsequenz, dass man die Potenziale auf bereits bebauten Grundstücken auch sozialverträglich nutzen müsse. Man müsse bei Entmietungen oder von Abriss bedrohten Gebäuden schon genau hinschauen, wie man mit den Mietern umgehe. Aber wenn man durch den Bau von 100 bis 200 WE 50 bis 100 % mehr Wohnfläche auf bestehenden Grundstücken in der Innenentwicklung generieren könne, müsse man konstruktiv und sachorientiert handeln. Es passe nicht so ganz zusammen, wenn man in einem Antrag 30.000 WE fordere und andererseits konsequent gegen alle Nachverdichtungsprojekte der vergangenen Monate gestimmt habe.

Grundsätzlich sei das Wachstumsziel nach seiner Einschätzung richtig und gut, und die SWSG beschäftige sich auch damit, dass der kommunale Wohnungsbestand und das städtische Wohnungsunternehmen wachsen sollten. Doch müsse man auch die Unterschiede zu den referenzierten Städten konstatieren und die Rahmenbedingungen zur Grundstückssituation in Stuttgart berücksichtigen. Deshalb plädiere er dafür, mehr in den wirklichen Kausalketten zu diskutieren, wie auch StR Rockenbauch vorgeschlagen habe.

StRin Fischer erklärt, den Mietendruck könne man mit dem Antrag nicht senken, doch müsse die Stadt eine größere Verfügungsgewalt über preisgünstigen Wohnraum haben. Dies betreffe nicht nur Sozialwohnungen, doch seien diese besonders wichtig, weil man sie jahrelang vernachlässigt habe. Abhilfe schafften hier die Wohnungsbauprogramme des Landes und der Stadt.

Die SWSG sei ein wichtiger Player, um abgesehen von Sozialmietwohnungen noch mehr günstigen Wohnraum anbieten zu können. Die Trendwende müsse verstärkt und das Potenzial vergrößert werden. Hier erwähnt sie die Personalwohnungen beim Klinikum und die Sanierung des Bürgerhospitals. Bei der Stadtreparatur sollte man nicht nur auf die einzelne Fläche schauen, sondern eruieren, ob man eventuell Flächen zukaufen könne. In Mühlhausen gebe es umfangreiche Flächen, die noch nicht in der Zeitstufenliste Wohnen enthalten seien. Das Bündnis für Wohnen sei sehr wichtig nach langer Sprachlosigkeit in der Stadt. Die konstruktive Beteiligung der Genossenschaften sehe sie durch den Zielbeschluss nicht gefährdet. Bei großen Entwicklungsflächen müsse im Zuge einer sukzessiven Entwicklung jeder einen fairen Anteil bekommen. Die SWSG müsse nicht nur bei Neubauflächen ein Potenzial ausschöpfen, sondern auch auf eigenen Flächen verdichten und Zukäufe intensivieren. Die Diskussion mit den Baugenossenschaften sei ein wichtiger Baustein im Bündnis für Wohnen. Sie müssten bei der Planung und Realisierung weiterer Flächen selbstverständlich berücksichtigt werden.

StR Lutz sieht kreatives Denken des Gemeinderats in Bezug auf den Wohnungsbau als unbedingt notwendig an. Die notwendige Nachverdichtung müsse man gemeinsam und nachvollziehbar begründen. An StR Dr. Oechsner wendet er sich mit dem Hinweis, das Gutachten der Hans-Böckler-Stiftung sei gut, doch gebe es eine große Bandbreite an Einkommen. Die "Flucht ins Eigentum" erlebe er in vielen Gesprächen. Menschen kauften sich eine Wohnung, weil die Zinsen so günstig seien, seien aber mit der Tilgung überfordert, wenn die Zinsen wieder anstiegen.

StR Rockenbauch weist zunächst "persönliche Angriffe" von EBM Föll zurück, dass StR Adler (SÖS-LINKE-PluS) hetzen und nicht sachlich argumentieren würde. Dies sei schlechter Stil und problematisch angesichts der bestehenden Herausforderung. Das Hauptproblem hätten Menschen mit der Politik, wenn sie merkten, dass die realen Probleme von der Politik zerredet, nicht jedoch gelöst würden. Tatsächlich finde zulasten von Menschen mit geringeren Einkommen ein Austausch der Wohnbevölkerung statt, wie das Difu dargelegt habe. Als Hauptgrund für den Austausch benenne die Difu-Studie den Ersatzneubau, der, so räumt er ein, angesichts des politischen Ziels nicht immer vermeidbar sei. Seine Fraktionsgemeinschaft wolle ihn möglichst vermeiden und stattdessen z. B. Gebäude aufstocken. Für eine sozialverträgliche Gestaltung streite seine Fraktionsgemeinschaft hart, aber sachlich, und sie werde die SWSG beim Ausbau ihres Wohnungsbestands unterstützen. Allerdings dürfe sich die Durchschnittsmiete nach einem Umbau nicht erhöhen. Seine Fraktionsgemeinschaft habe im Haushalt viel Geld für Grundstückserwerb eingeplant. Darüber hinaus sehe sie die Stadt in der Verantwortung, mit einer städtischen Wohnraumversorgung nach Wiener Vorbild eine zweite Säule aufzubauen. Die Stadt müsse die ordnungspolitischen Instrumente im Rahmen der Gesetze selbstbewusst einsetzen, um nicht in künftigen Entwicklungs- und Nachverdichtungsgebieten sowie Gebieten, an denen die Stadt Interesse habe, wie z. B. das EnBW-Areal, in ein normales Bieterverfahren zu kommen. In Tübingen und Freiburg sei man damit sehr erfolgreich, und er wünsche sich auch in Stuttgart eine sachliche Diskussion dieser Instrumente. Agiere die Stadt nur als Bieter, sehe er nicht die Chance, das langfristige Ziel zu erreichen. Die Stadt sollte sich mit den ordnungspolitischen Mitteln um Wohnungsportfolios bewerben. Seine Fraktionsgemeinschaft wolle auf städtischen Flächen vorrangig städtische Entwicklung mit der SWSG als Hauptpartner sehen. Er kündigt weitere Anträge seiner Fraktionsgemeinschaft zum Thema an.

EBM Föll übt Kritik am Kommunikationsstil von StR Rockenbauch. Zudem spreche seine Fraktionsgemeinschaft doppelzüngig im Ausschuss und in der Öffentlichkeit. Zum Beispiel habe ein Mitglied seiner Fraktionsgemeinschaft verkündet, die Maßnahmen, die die SWSG durchsetze, dienten eigentlich nur dem Aufhübschen des Hallschlags, um ihn anschließend zu verkaufen. Das sei eine dreiste Lüge.

Nach Einschätzung von StR Kotz müsse zunächst die Vision Stuttgart 2030 diskutiert werden, bevor man z. B. über die Einwohnerzahl spreche. Natürlich müsse für diese Zahl eine notwendige Mischung unterschiedlicher Wohnungen vorhanden sein.

Nicht nachvollziehen könne er den Ansatz von StRin Fischer. Der Wechsel städtischer Wohnungen vom Klinikum zur SWSG schaffe doch keine einzige neue Wohnung. Wenn man dem realen Ziel näherkommen wolle, mache der Antrag Nr. 293/2017 tendenziell eher mehr kaputt, als er erreiche. Mit dem Ausschließlichkeitsanspruch der SWSG stelle er die anderen Partner auf lange Zeit deutlich in die zweite Reihe. Das werde zu Irritationen führen. Er plädiert nochmals für den Antrag seiner Fraktion.

Abschließend stellt EBM Föll fest:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen lehnt die im Antrag Nr. 894/2017 beantragten Gespräche des Oberbürgermeisters mit den Partnern im Bündnis für Wohnen mit 7 Ja- und 9 Nein-Stimmen mehrheitlich ab.

Dem Antrag Nr. 293/2017 stimmt der Ausschuss mit 9 Ja- und 7 Nein-Stimmen mehrheitlich zu.

EBM Föll sagt zu, dass der Antrag auf die Tagesordnung der nächsten oder übernächsten Gemeinderatssitzung gesetzt werden solle.
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