Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 934/2019
Stuttgart,
10/29/2019



Masterplan Erlebnisraum Neckar
Projekt Naturoase Auwiesen / IKoNE Nr. 43
- Projektbeschluss




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und TechnikBeschlussfassungöffentlich12.11.2019



Beschlußantrag:

1. Der Entwurfsplanung des Projektes Naturoase Auwiesen in Stuttgart-Mühlhausen des Büros Planstatt Senner (Anlagen 1 und 2) und der Entwurfsplanung des Verbindungswerkes des Ingenieurbüros Bechert + Partner (Anlage 3) mit einem Gesamtkostenrahmen von 6,0 Mio EUR entsprechend Anlage 5 wird zugestimmt.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, auf Basis dieser Entwurfsplanung die erforderlichen Planfeststellungsunterlagen auszuarbeiten und bei den zuständigen Behörden einzureichen und auf Grundlage des Entwurfes und der mit der Planfeststellung verbundenen Nebenbestimmungen die Ausführungsplanung zu erstellen und die Vergabe der Bauarbeiten vorzubereiten.

3. Mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Neckar als Verwalter der Bundesliegenschaft „Bundeswasserstraße Neckar“ wird ein gesonderter Überlassungs- und Nutzungsvertrag für das Verbindungsbauwerk (zwischen Neckar und den Wasserflächen des IKoNE-Projektes) geschlossen.

4. Mit dem Zweckverband Landeswasserversorgung wird ein Vertrag zur Einrichtung und zum Betrieb von Grundwassermessstellen entlang der Trinkwasserleitung geschlossen.



Begründung:


Die Anlage eines Feuchtbiotops in Stuttgart-Mühlhausen ist eines von sechs Projekten, die im Rahmen des Masterplanes „Erlebnisraum Neckar – ein Masterplan für Stuttgart als Stadt am Fluss“ bis zum Jahr 2022 realisiert sein sollen (GRDrs. 818/2015). Nachdem die Entwurfsplanung auf der Grundlage der Ergebnisse der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 2 UVwG und in Abstimmung mit den beteiligten Ämtern fertiggestellt wurde, steht nun die Vorbereitung der Genehmigungsunterlagen an, um Anfang 2020 den Antrag auf Planfeststellung einreichen zu können. Für das Planfeststellungsverfahren wird mit einem Zeitraum von mindestens 1 Jahr gerechnet.

Auf Grundlage der Entwurfsplanung soll ab Sommer 2020 mit der Ausführungsplanung begonnen werden, in die dann die mit der Planfeststellung einhergehenden Nebenbestimmungen eingearbeitet werden. Baubeginn ist für Ende 2021 geplant. Es wird mit einer Bauzeit von ca. 1,5 – 2 Jahren gerechnet.

Für den Durchstich durch den Neckardamm zur Anbindung des Nebengewässers (Feuchtbiotops) an den Neckar werden Teile eines Grundstückes im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, verwaltet durch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Stuttgart, benötigt. Die benötigten Grundstücksanteile werden der Stadt kostenfrei für die Realisierung des Projektes zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug muss die Stadt dauerhaft und auf eigene Kosten für den Unterhalt und die Sicherung des Hochwasserschutzes sorgen.

Für die Realisierung des Projektes ist der Grunderwerb von mindestens zwei Flurstücken (Flurstücke 3139/1 und 3138 der Gemarkung Stuttgart-Hofen) notwendig. Der Grunderwerb gestaltet sich aufgrund der Eigentumsverhältnisse als sehr schwierig. Es handelt sich um zwei Erbengemeinschaften, bei denen noch nicht alle Mitglieder ausfindig gemacht werden konnten. Bisher besteht keine Einigkeit über einen Verkauf seitens der Erben. Flurstück 588 der Gemarkung Stuttgart-Hofen muss aus der Planung herausgenommen werden, um das Projekt umsetzen zu können; die Eigentümerin des Flurstücks lehnt einen Verkauf ab.

Im Hochwasserdamm liegt eine Leitung des Zweckverbandes Landeswasserversorgung. In verschiedenen Gutachten wurde ermittelt, dass durch die Anlage des Feuchtbiotops das Grundwasser nicht so stark ansteigt, dass die Leitung eingestaut wird. Der Zweckverband Landeswasserversorgung fordert jedoch die Einrichtung und den Betrieb von Grundwassermessstellen im Nahbereich der Leitung, um die Grundwasserstände überwachen und bei Bedarf Gegenmaßnahmen treffen zu können. Hierüber soll ein Vertrag geschlossen werden.


Erläuterungen zum Entwurf

Das Projekt Ikone Wagrainäcker/Naturoase Auwiesen ist das einzige der Neckarprojekte, das einen ökologischen Schwerpunkt hat und die Entwicklung charakteristischer aquatischer, amphibischer und terrestrischer Lebensräume der Aue in den Mittelpunkt stellt. Dabei wird auch das Naturerlebnis für die Menschen berücksichtigt.

Im Stadtteil Mühlhausen soll ein Feuchtbiotop in der Neckaraue mit Wasserflächen, Gebüschen, weiträumigen Schilfflächen und kleineren Inseln entstehen. Mit der Planung wird das Ziel verfolgt, Lebensräume, die in der Neckaraue einmal typisch und sehr weit verbreitet waren und im Zuge des Neckarausbaus und der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung in Stuttgart vollständig verloren gegangen sind, als Habitate für Tiere und Pflanzen neu herzustellen. Damit wird auch ein Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt. Der zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erstellte Bewirtschaftungsplan für den Neckar sieht vor, dass an der Bundeswasserstraße Neckar, einer Programmstrecke zur Verbesserung der Gewässerstruktur, in jeder Stauhaltung ein Stillwasserlebensraum hergestellt wird. Im Bereich der drei vollständig auf Stuttgarter Gemarkung liegenden Stauhaltungen ist dies der einzige Ort, wo die Anlage einer solchen Kinderstube für Fische hergestellt werden kann. Insofern entspricht die Realisierung des Projektes gesetzlichen Vorgaben. Ziel ist es auch, den Bürgern naturgebundene Erholung und Naturerlebnis in Stadtnähe zu ermöglichen.

Für das Feuchtbiotop wird die Wiese hinter dem Neckardamm abgegraben und neu modelliert. Über ein offenes Verbindungsbauwerk aus Beton wird das neue Gewässer mit Neckarwasser geflutet und bleibt auch dauerhaft mit dem Neckar verbunden. Nur im Havariefall oder zu Unterhaltungszwecken kann der Durchlass mit einem Schütz geschlossen werden.
Aufgrund der vorhandenen Trinkwasserleitung der Landeswasserversorgung muss die Gewässerverbindung im Bereich der Leitung als Düker ausgebildet werden. Zusätzlich wird entsprechend der Vorgaben des Zweckverbandes Landeswasserversorgung der Leitungsabschnitt im Bereich des Verbindungsbauwerkes in ein zugängliches Schachtbauwerk integriert. Die Dükerausbildung und das Schachtbauwerk führen zu höheren Baukosten für das Verbindungsbauwerk.

Um Sedimentation und Nährstoffeinträge zu minimieren, wird das Stillgewässer als
3-Kammer-System angelegt: Im Bereich des Verbindungsbauwerks entsteht ein Sedimentationsbecken, wo sich die meisten Sedimente ablagern werden. Das Sedimentationsbecken wird durch einen unter Wasser liegenden Damm von der zweiten Kammer getrennt. Durchlässe ermöglichen jedoch die Passage für die Tierwelt. Die Inselkette in der Mitte des Gewässers fungiert als weiterer Damm, der den hintersten Teil des Gewässers noch einmal separiert. Hier entsteht somit der nährstoffärmste Bereich, in dem auch die größten Gewässertiefen hergestellt werden können.


Die Gewässertiefen variieren. Flachwasser-, Mittel- und Tiefenwasserzonen sowie die langen Uferlinien der Inseln tragen zu Strukturvielfalt bei.

Die Fläche wird initial sparsam mit standortheimischen Arten bepflanzt und ansonsten der natürlichen Sukzession überlassen. Es werden Feuchtgebüsche, Schilfbestände, Schwimmblattgesellschaften und Hochstaudenfluren entstehen. Die Strukturvielfalt führt auch zu einer reichhaltigen Tierwelt (Amphibien, Libellen, Vögel, Nahrungshabitat für Fledermäuse u.v.m.).

Der Ahorn-Bestand, welcher direkt an die City-Golf-Anlage angrenzt, wird gerodet. Dies ist sinnvoll, damit die Vögel nicht den Weg über die City-Golf-Anlage mit dem zum Projektgebiet hin gestellten Ballfangzaun nehmen müssen, sondern über eine Art „Einflugschneise“ ins Projektgebiet gelangen. Der Ballfangzaun wird mit schnellwüchsigen Gehölzen abgepflanzt, so dass dieses Hindernis von anfliegenden Vögeln und auch von Fledermäusen eindeutig erkannt werden kann.

Damit die Bürger das Gebiet erleben können und gleichzeitig Störungen des Naturschutzprojektes vermieden werden, werden die Besucherattraktionen in der Nähe des Geh- und Radwegs auf dem Neckardamm konzentriert.

Es gibt eine zentrale Platz- und Aufenthaltsfläche, auf der auch Fahrradständer angeboten werden. Von hier aus gibt es die Möglichkeit, auf einer Plattform direkt am Neckar den Fluss zu betrachten, auf einem Steg knapp über der Wasseroberfläche mit Blick über die Wasserfläche durchs Schilf zu laufen (Froschperspektive) oder aber den Aussichtshügel mit Aussichtssteg zu besteigen (Vogelperspektive). Die genannten Beobachtungspunkte sind auch barrierefrei erreichbar. Bis auf die beschriebenen Beobachtungspunkte soll das Gebiet zum Schutz der Tierwelt für Besucher nicht zugänglich gemacht werden.

Durch eine Verbreiterung des Hochwasserschutzdammes um ca. 7 Meter wird sichergestellt, dass auch im Hochwasserfall eine Revision und Reparatur der Leitung des Zweckverband Landeswasserversorgung jederzeit möglich ist, was bislang ohne die Gefahr eines Dammbruches nicht der Fall war. Dadurch auch können Aushubmassen, die bei der Modellierung des Stillgewässers anfallen, teilweise wieder eingebaut werden.

Mittelfristig soll der Neckardammweg bis zum Ruderclub auf 4 Meter verbreitert werden, um Fußgängern und Radfahrern mehr Platz zu bieten. Die Verbreiterung wird auch zur Planfeststellung beantragt. Der Abschnitt im Bereich des engeren Plangebietes wird mit dem Projekt realisiert; die Umsetzung des weiteren Verlaufs bis zum Ruderclub soll jedoch erst erfolgen, wenn die vorhandene Baumreihe aus Alters- oder Krankheitsgründen abgängig ist. Eine Nachpflanzung der Baumreihe ist dann weiter nördlich entlang der verbreiterten Trasse des Radwegs vorgesehen.

Auswirkungen auf Natur und Landschaft

Die Realisierung des Vorhabens entspricht gesetzlichen Vorgaben. Dennoch sind mit der Modellierung des Geländes und der Herstellung der Wasserflächen Beeinträchtigungen des Schutzgutes Boden sowie des Schutzgutes Tiere und Pflanzen verbunden. Hochwertige Aueböden (die aufgrund des Neckarausbaus allerdings nicht mehr die für Aueböden charakteristische Dynamik von regelmäßigen Überschwemmungen sowie regelmäßig schwankenden Grundwasserständen aufweisen) werden mit dem Bodenabtrag entfernt und durch Wasserflächen ersetzt. Fast der gesamte Bereich des geplanten Feuchtbiotops ist u. a. wegen der Archivfunktion gemäß Planungskarte Bodenqualität mit der Bodenqualität „sehr hoch“ (Qualitätsstufe 5) eingestuft. Knapp 24.000m³ Boden müssen verwertet (Wiedereinbau unter anderem für die Dammverbreitung ca. 13.000 m³) oder entsorgt werden. Ca. 9.900 m³ kulturfähiger Boden kann auf Ackerflächen ausgebracht werden. Eine Lehmüberdeckung von einem Meter über dem Grundwasserleiter wird erhalten.

Ebenso werden ehemalige, ebenfalls aufgrund des durch den Neckarausbau stark gestörten Wasserhaushaltes degradierten Auewiesen (die für Auestandorte charakteristischen Wiesenarten können nicht mehr nachgewiesen werden) beseitigt. In Teilbereichen handelt es sich dabei um eine magere Flachland-Mähwiese (FFH-Lebensraum-typ 6510) im Erhaltungszustand B. An ihre Stelle treten Wasserflächen mit reicher Unterwasserstruktur und differenzierten Tiefenzonen als Fischkinderstube und Lebensraum für Fische, Amphibien, Wasserinsekten und Vögel, Schilf- und Schwimmblattgesellschaften sowie Feuchtgebüsche und kleinflächig Wiesen mittlerer Standorte.

Für die in Randbereichen der heutigen Wiese vorkommenden Zauneidechsen werden Ersatzhabitate im Bereich der Hochfläche nördlich des Vorhabengebietes als CEF-Maßnahme vorgezogen hergestellt. Hier wird als Ausgleich auch das bestehende Grünland aufgewertet.

Der Ausgleich für den Verlust der mageren Flachland-Mähwiese wird durch die Entwicklung dieses Lebensraumtyps im FFH-Gebiet Greutterwald im Anschluss an dort bestehende Mähwiesen erbracht. Damit können die dortigen FFH-Mähwiesenflächen vergrößert werden.

Der Ahornbestand im südöstlichen Plangebiet entspricht den Kriterien der Biotopkartierung als Feldgehölz. Die ökologische Qualität ist nicht hoch. Ein Ausgleich erfolgt durch die Aufwertung des Gehölzbestandes auf der nördlichen Böschung, der teilweise geschütztes Biotop ist. Die hier entstandenen und nicht genehmigten Gärten und wilden Bauten wurden bereits im Vorfeld der Maßnahme aufgelöst. Das Biotop wird aufgewertet und vergrößert, indem die standortfremden Robinien entfernt und teilweise durch standortheimische Arten ersetzt werden; insgesamt wird ein lichtes Gehölz entstehen, um Verbundstrukturen für die Zauneidechse zu schaffen.

Vorübergehend starke Beeinträchtigungen und damit insbesondere eine Beeinträchtigung der Erholungsfunktion werden während der Bauzeit auftreten, wenn die Erdmassen abgefahren und die zur Strukturierung der Gewässersohlen erforderlichen Materialien zugefahren werden. Zur Abwicklung der Baustelle und insbesondere zum Bau des Einlassbauwerks muss der Dammweg zeitweise gesperrt werden. Insgesamt jedoch sind die mittel- und langfristig günstigen ökologischen Wirkungen des Projektes deutlich höher einzuschätzen als die aufgeführten Beeinträchtigungen. Als Fachgutachten zur Beurteilung der nachteiligen und der günstigen Wirkungen werden zur Planfeststellung eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung sowie ein landschaftspflegerischer Begleitplan erstellt.

Finanzielle Auswirkungen


Auf Grundlage von GRDrs 818/2015 wurden für die Realisierung bisher Mittel in Höhe von 4.675.000 EUR einschließlich aktivierungsfähige Eigenleistungen der ausführenden Ämter zur Verfügung gestellt.
Für die Umsetzung des Projektes sind im Verwaltungsvorschlag zum Doppelhaushalt 2020/2021 bzw. der Finanzplanung die Mehrkosten von 1.325.000 EUR aus GRDrs 298/2019 enthalten.

Von den Gesamtkosten in Höhe von 6.000.000 EUR (einschließlich bisher angefallener Planungsmittel vor 2016) entfallen auf den Teilergebnishaushalt 610 – Amt für Stadtplanung und Wohnen, Amtsbereich 6107010 – Stadtplanung 262.091 EUR und den Teilfinanzhaushalt 660 – Tiefbauamt für Investitionsmaßnahmen 5.737.909 EUR.

Die Maßnahme ist beim Land Baden-Württemberg zur Förderung angemeldet (Förderrichtlinie Wasserwirtschaft). Entsprechende Förderanträge werden von der Verwaltung noch gestellt. Zudem wird beim Verband Region Stuttgart eine Förderung als Landschaftsparkprojekt beantragt.



Beteiligte Stellen

Referate T, WFB und SOS

Vorliegende Anträge/Anfragen

Keine

Erledigte Anträge/Anfragen

Keine



Peter Pätzold
Bürgermeister


Anlagen

Anlage 1 Entwurfsplanung Freianlagen/Feuchtbiotop
Anlage 2 Entwurfsplanung Aussichtskanzel und Schilfsteg
Anlage 3 Einlassbauwerk
Anlage 4 Übersichtslageplan mit Ausgleichs-/Artenschutzmaßnahmen
Anlage 5 Kostenzusammenstellung


<Anlagen>



zum Seitenanfang