Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz: AKR 6235
GRDrs 845/2016
Stuttgart,
10/24/2016



Straßenbenennung



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich09.11.2016



Beschlußantrag:

Den in der Begründung aufgeführten Straßennamen wird zugestimmt.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Zur Orientierung der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sind Straßenbezeichnungen erforderlich. In einem Fall soll die Namensgebung dazu dienen, eine verdiente Persönlichkeit zu ehren.

Der Text des Ergänzungsschildes ist nachrichtlich erwähnt.


Finanzielle Auswirkungen







Dr. Fabian Mayer
Bürgermeister


Anlagen

     


Stuttgart-Mitte

Lfd.
Nr.
Bisherige Straßen-
bezeichnung
Straßenbeschrieb
A = Anfang
E = Ende
Neue Straßenbezeichnung
1Lederstr.
(violett)
A = Karlstr.
E = Holzstr.
Else-Josenhans-Str.

Text des Ergänzungsschilds:

Else Josenhans
1896 – 1945
Gestapo-Opfer im Hotel Silber

Mit der Vorlage 571/2016 wurden am 21. September 2016 bereits Straßennamen im neuen Dorotheenquartier beschlossen. Die an der Namensfindung beteiligten Stellen haben in diesem Zusammenhang weiterhin vorgeschlagen, die bisherige Lederstraße in Else-Josenhans-Straße umzubenennen.

Die Straßenfläche befindet sich im Eigentum der Landeshauptstadt Stuttgart. Einziger Anlieger mit einer Hausadresse ist das Hotel Silber. Es wäre im Zusammenhang mit der ins Auge gefassten Umbenennung nach Aussage des Stadtmessungsamtes von einer Adressenänderung betroffen und hat die neue Bezeichnung selbst vorgeschlagen. Eigentümerin des Gebäudes ist die Baden-Württemberg Stiftung gGmbH, die mit der Namensänderung einverstanden ist. Die Zustimmung traf erst nach der letzten Vorlage ein, so dass die Bezeichnung nicht zusammen mit den anderen Namen beschlossen werden konnte.

Die Bauherren des Dorotheenquartiers haben ein besonderes Interesse daran, dass die Beschlussfassung rasch erfolgt. Es befindet sich an der bisherigen Lederstraße ein Nebeneingang zu den neuen Gebäuden, für den die Türschilder möglichst bald in Auftrag gegeben werden sollen.

Im Rahmen der Anhörung beteiligter Ämter hat das Amt für öffentliche Ordnung sich gegen die Änderung des Straßennamens ausgesprochen, da die Lederstraße schon von alters her bekannt und an dieser Stelle historisch belegt ist. Damit ist sie nach Auffassung der Straßenverkehrsbehörde eines der letzten Relikte von Alt-Stuttgart, das nicht aus dem Stadtplan verschwinden sollte. Das Amt für öffentliche Ordnung macht darauf aufmerksam, dass zur Ehrung des Andenkens an alle Opfer der NS-Herrschaft schon das benachbarte Hotel Silber dient und die Hervorhebung nur einer einzelnen Person nicht die Umbenennung einer der wenigen verbliebenen historischen Sträßchen rechtfertigt.

Else Josenhans wurde 1896 als Else Meyer in Heilbronn geboren. Sie war die Tochter einer jüdischen Bankiersfamilie. In ihrem Heimatort heiratete sie den evangelischen Beamten Wilhelm Josenhans und bekam mit ihm zwei Töchter. 1922 zog die Familie nach Stuttgart um. 1933 bezog sie in der neu errichteten Kochenhofsiedlung ein Einfamilienhaus. Bald nach der Machtübernahme bekam auch die Familie Josenhans die Repressalien gegen jüdische Mitbürger zu spüren. Wilhelm Josenhans verlor wegen seiner jüdischen Ehefrau seine Arbeit als Verwaltungsbeamter und versuchte danach, seine Familie mit der Produktion und dem Vertrieb von Werbegeschenken über Wasser zu halten.

Am 9. November 1933 wurde das Haus der Familie mit Lehm und Dreck beworfen und mit dem Schriftzug „Jude“ denunziert. Im Herbst 1941 wurde Else Josenhans der Name Sarah zugewiesen, und sie bekam einen Judenpass ausgestellt. Damit war der Judenstern verbunden und das Verbot, aus Deutschland auszureisen. Ein Teil des Familienvermögens wurde als Judensteuer eingezogen. Im Killesberg, der nahe am Wohnort der Familie lag, begannen die ersten Judentransporte in den Osten. Zunächst waren sogenannte „Mischehepartner“ noch ausgenommen. Bei Bombenalarm wurde Else Josenhans als Jüdin der Zutritt zum Bunker verweigert. Als das Haus der Familie nach einem Bombenangriff in Flammen stand, brannte es nieder, weil Juden nicht beim Löschen geholfen wurde.

Ende Januar 1945 erhielt Else Josenhans den Bescheid zur Deportation in den Osten. Damit war ihr klar, dass ihre Lebenszeit dem Ende zuging. Allerdings war inzwischen schon offensichtlich, dass der Krieg verloren und die Rettung nahe war. Nach einer Behandlung durch eine befreundete Ärztin ließ sich Else Josenhans als transportunfähig ins Robert-Bosch-Krankenhaus einweisen. Während ihrer Genesung bekam sie dort Besuch von einem Mann, der ihr anbot, die ganze Familie gegen Auslieferung des Familienschmucks über die Schweizer Grenze zu bringen. Als sich die ganze Familie dann am vereinbarten Treffpunkt einfand, entpuppte sich der scheinbare Helfer als Polizeispitzel. Sie wurden von der Gestapo verhaftet und in verschiedene Gefängnisse gebracht.

Else Josenhans kam in das Gestapo-Gefängnis im ehemaligen Hotel Silber. Dort befahl der Stuttgarter Gestapochef die Tötung aller verbliebenen Gefangenen, als die alliierten Truppen auf dem Vormarsch nach Stuttgart waren. Else Josenhans wurde am 11. April 1945 auf grausame Weise ermordet. Ihr Leichnam wurde im jüdischen Teil des Steinhaldenfriedhofs ohne Sarg heimlich verscharrt. Nach Kriegsende wurde sie in das Familiengrab auf dem Waldfriedhof umgebettet. Eine dreifach gelegte Schnur hatte sie dabei noch um den Hals.


Stuttgart-Bad Cannstatt

Lfd.
Nr.
Bisherige Straßen-
bezeichnung
Straßenbeschrieb
A = Anfang
E = Ende
Neue Straßenbezeichnung
2Ohne BezeichnungA = Altenburger Steige 21
E = Auf der Altenburg 1A
Altenburger Staffel
3Ohne BezeichnungA = Haldenstr. 25
E = Züricher Str. 22
Offenburger Staffel

Ein Bürger hat sich bei der Stadtverwaltung gemeldet, weil die zwei Treppenverbindungen in Bad Cannstatt zwar mit Straßenschildern versehen, aber nicht im offiziellen Stadtplan aufgeführt sind. Allerdings sind sie in Straßenverzeichnissen des Internets überall zu finden.

Die Recherche beim Haupt- und Personalamt sowie beim Stadtmessungsamt hat ergeben, dass beide Bezeichnungen nie offiziell beschlossen wurden. Aus diesem Grund wurden sie auch nie in den Stadtplan eingetragen. Es lässt sich nicht mehr aufklären, wann und aus welchem Grund die Straßenschilder mit den Bezeichnungen angebracht wurden. Die derzeitige Situation führt – insbesondere aus Sicht des Rettungsdienstes - zu Irritationen, wenn die Staffeln vor Ort ausgeschildert und Ortskundigen auch unter diesem Namen bekannt sind, gleichzeitig aber über den Stadtplan nicht ermittelt werden können.

Angesichts dieser Umstände soll nun der Stadtplan an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und die Staffeln offiziell benannt werden. Die Namensgebungen haben keine Adressenänderungen zur Folge. Die Flächen befinden sich im Eigentum der Landeshauptstadt Stuttgart. Der Bezirksbeirat Bad Cannstatt hat den Benennungen einstimmig zugestimmt.



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