Protokoll:
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
103
1
Verhandlung
Drucksache:
220/2021
GZ:
Sitzungstermin:
20.04.2021
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
-
Protokollführung:
Frau Klemm
pö
Betreff:
Weiterbetrieb der Schnellbuslinie X1
- Einbringung -
Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 14.04.2021, GRDrs 220/2021, mit folgendem
Beschlussantrag:
1. Der Fortsetzung des Betriebs der Schnellbuslinie X1 vom 01.07.2021 an zunächst befristet bis Ende 2021 mit verändertem Taktangebot - Reduzierung auf die Hauptverkehrszeiten - wird zugestimmt.
2. Der Finanzierung des Betriebs der Schnellbuslinie X1 mit voraussichtlichen nicht durch Mehreinahmen gedeckten Betriebskosten von rund 525.000 Euro im Haushaltsjahr 2021 wird zugestimmt. Dies entspricht ca. 50 % des aktuellen Finanzierungsaufwandes. Die Deckung erfolgt im Teilhaushalt 810 Bürgermeisteramt, Amtsbereich 8107015 Referat Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität, Kontengruppe 43100 Zuweisungen und Zuschüsse für laufende Zwecke. Im Vergleich zum bisherigen Betriebsumfang werden rund 500.000 Euro eingespart.
3. Den erforderlichen überplanmäßigen Mehraufwendungen von rund 525.000 Euro im Haushaltsjahr 2021 wird zugestimmt. Diese werden gedeckt aus bisher nicht verplanten Mitteln der innerhalb der Ergebnisrücklage gebildeten davon-Position "Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung".
4. Über den weiteren Fortbestand der Linie wird im Lichte der weiteren Entwicklungen nach der Sommerpause 2021 entschieden.
5. Der Bericht zur Fördersituation wird zur Kenntnis genommen.
Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.
Einem mündlichen Antrag von StR
Peterhoff
(90/GRÜNE) folgend, wird dieser Tagesordnungspunkt in der heutigen Sitzung nicht wie geplant vorberaten, sondern lediglich eingebracht. Seine Fraktion wolle das Thema nochmals diskutieren und es danach im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vorberaten.
Einführend erläutert OB
Dr. Nopper
zusammenfassend die Hintergründe der Beschlussvorlage. Die Linie X1 werde außerhalb der Hauptverkehrszeiten wenig, insbesondere in der aktuellen Corona-Situation im Schnitt von nur elf Fahrgästen genutzt. Aus Sicht der Verwaltung werde auch ein Ende der Pandemie-Situation daran nichts ändern, zumal der X1 einen Parallelbetrieb zu S- und Stadtbahnen darstelle. Zudem sei das Land Baden-Württemberg nach wie vor nicht bereit, die Kosten für die Linie X1 auch nur teilweise zu übernehmen. Erst vor wenigen Tagen sei ein ablehnender Bescheid zur (Mit-)Finanzierung des X1 vom Land eingegangen. Mit einem auf die Kernzeiten beschränkten Angebot erkläre sich die Landesregierung einverstanden.
Die Verwaltung schlage daher die Beschränkung der Betriebszeiten des X1 auf die Hauptverkehrszeit vor. Neben der finanziellen Minderbelastung in Höhe von ca. 1 Mio. € jährlich für die Landeshauptstadt sehe er mit dem reduzierten Angebot die Chance einer besseren Akzeptanz des X1 bei der Bevölkerung, so OB Dr. Nopper.
Grundsätzliche Zustimmung zur Beschlussvorlage signalisieren StR
Kotz
(CDU), StR
Ozasek
(Die FrAKTION LINKE SÖS Piraten Tierschutzpartei) und StR
Serwani
(FDP). Hingegen hält es StR
Winter
(90/GRÜNE) für ein falsches Zeichen an die Bürger*innen, auf eine Reduzierung des Angebots zu setzen. Auch nach der Lockdown-Phase auf dem Weg aus der Pandemie halte er alternative Fahrangebote zusätzlich zu S- und U-Bahn auf dieser Strecke zur Entzerrung der Fahrgastzahlen für unumgänglich. Dem kann StR
Serwani
zustimmen. Im Übrigen, so StR
Winter
weiter, sei der X1 ein bedeutendes Versuchsfeld für neue Verkehrswegeführungen, flexible Schaltungen, Spurenwechsel, neue Antriebsarten und emissionsfreies Fahren. Bezogen auf die lange Anlaufphase des X1 lenkt er den Blick auf die Stadtbahnlinie U13. Diese sei nach schleppendem Anlauf heute stark frequentiert. Seine Fraktion werde einer Kürzung des X1 in der von der Verwaltung vorgeschlagenen Form nicht zustimmen.
Er könne die Argumentation für einen Weiterbetrieb der X1-Linie seines Vorredners in weiten Teilen nachvollziehen, so StR
Kotz.
Eine Reduzierung auf Zeiten mit echtem Zusatzbedarf halte seine Fraktion dennoch für sinnvoll, jedoch mit der Maßgabe, die dadurch eingesparten Mittel für andere, noch nicht abgedeckte Bedarfe im ÖPNV zu verwenden. Das Angebot werde auch mit der angestrebten Reduzierung grundsätzlich weiterbestehen, sodass das Versuchsfeld bestehen bleibe. Des Weiteren sieht er - an StR Winter gewandt - einen Widerspruch in der Vorgabe an die Bevölkerung, zuhause zu bleiben und gleichzeitig kaum genutzten ÖPNV aufrechtzuerhalten. Dazu betont StR
Winter,
man spreche über eine geplante Maßnahme ab 01.07.2021, eine Zeit, in der hoffentlich der massive derzeitige Lockdown kein Thema mehr sei. Hinzu komme die zeitweise Unterbrechung der S-Bahn-Stammstrecke im Sommer 2021 - in diesem Zusammenhang gewinne der X1 sicher an Attraktivität.
Auch StR
Ozasek
sieht die Fortsetzung des Versuchsfeldes des X1 mit der Zeiteinschränkung nicht gefährdet. Er ruft die Diskussion des Ausschusses über den Luftreinhalteplan (LRP) im Oktober 2020 ins Gedächtnis und verweist auf den Antrag Nr. 399/ 2020 vom 01.10.2020 seiner Fraktion "Land soll für Maßnahmen des Luftreinhalteplans bezahlen, Änderungsantrag zu GRDrs 624/2020". Mit der Linie X1, einer Maßnahme des LRP, würden der Stadt unter Durchbrechung des Konnexitätsprinzips vom Land Baden-Württemberg Aufgaben aufgebürdet. Dies stelle einen erheblichen Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Selbstverwaltung und Finanzhoheit der Kommunen dar. Auch eine Refinanzierung habe das Land nun abgelehnt, obwohl die Aufgabe der Luftreinhaltung dem Land obliege. Der Beschlussvorlage der Verwaltung könne man folgen, auch insofern, als seiner Ansicht nach der Eindruck "leerer Busse" gegenüber der Bevölkerung befremdlich wirken könnte. Nichtsdestotrotz stehe er zu seinen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Fahrgastkomfort im ÖPNV vor allem in Corona-Zeiten, sagt er zu einem entsprechenden Hinweis von StR
Winter.
Letzterer sieht eine Wende in der Haltung der Die FrAKTION LINKE SÖS Piraten Tierschutzpartei zum X1. StR
Ozasek
entgegnet, man wolle ein Betriebskonzept auf Basis einer Nachfrage-Evaluation mit klaren Finanzierungsverantwortlichkeiten aufsetzen.
Sehr bedauerlich sei, dass das Land auch einer hälftigen Jahresfinanzierung des X1 nicht zugestimmt habe, betont StR
Körner
(SPD). Einen Blick auf das stadtweite Busangebot, wie von StR Kotz angeregt, begrüße er. Er schlage ein Gesamtpaket für einen - auch versuchsweisen - Ausbau des städtischen Busangebots (z. B. Abendfahrzeiten) mit einem Volumen von ca. 3 Mio. € jährlich vor. Dabei werde der X1 zwar eine geringere Rolle spielen als bisher, es könnten andererseits jedoch neue Verbindungen in Betracht gezogen werden (z. B. Pragsattel - Stuttgart-Ost). Die unterjährige Diskussion über ein solches Paket sei aufgrund der Behandlung im Kontext der Haushaltsberatungen und des Nahverkehrsplans obsolet, findet StR
Ozasek.
Bezüglich Verbesserungen in anderen ÖPNV-Linien mit den beim X1 eingesparten Finanzierungsmitteln sei man bereits mit der SSB im Gespräch, so Herr
Dr. Münter
(S/OB) dazu erläuternd. Ein Ergebnis der Gespräche könne er jedoch nicht bis zur Sitzung des Gemeinderates am 06.05.2021 zusagen, betont er.
Auf Nachfrage von StR
Körner,
die gutachterliche Stellungnahme einsehen zu wollen, betont Herr
Dr. Münter,
er halte die gemeinsame Einsicht in die Stellungnahme im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik für angebracht. Es handele sich um eine ergänzende Stellungnahme zum Gutachten vom Oktober 2020 und um eine sehr komplexe, sich nicht selbst erklärende Rechtsmaterie. Es sei ohnehin eine Vorstellung des Gutachtens in nicht öffentlicher Sitzung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik gemeinsam mit Herrn Prof. Dr. Uechtritz (Anwaltskanzlei Gleiss Lutz, Stuttgart) geplant.
In vollem Umfang zustimmen kann StR
Serwani
den Ausführungen von StR Ozasek. Er bringt einen "City-Ring-Verkehr" ins Spiel, finanziert mit den beim X1 eingesparten Mitteln. Auch er bedauere die Haltung des Landes Baden-Württemberg zur Finanzierung von Maßnahmen des LRP sehr. Betonen wolle er in diesem Zusammenhang seine ablehnende Haltung zur Schnellbuslinie vom Remstal in die Stuttgarter Innenstadt, vor allem aufgrund der unmittelbaren Konkurrenzsituation zur S-Bahn.
Mindestens eine Einschränkung des Fahrtenangebotes des X1 sei angezeigt, schildert StR
Schrade
(FW) den Diskussionsstand seiner Fraktion. Aller Voraussicht nach werde man sogar die heutige Beschlussvorlage ablehnen. Neben der ökologischen Fragwürdigkeit des X1 habe dieser ein sehr schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis, was auch vom Bund der Steuerzahler bestätigt werde. Mit 8 Mio. € beziffere dieser die Gesamtkosten der Linie. Neue Antriebstechnologien müssten seiner Ansicht nach nicht zwingend auf der Strecke der Linie X1 erprobt werden, zumal deren nahezu ebene Streckenführung die Stuttgarter Topographie in keiner Weise widerspiegele. Ihn interessiert bei der Kostenübernahmediskussion, ob die einzelnen Maßnahmen in den Fortschreibungen des LRP kontinuierlich auf Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit geprüft würden.
Nach Ansicht von StR
Goller
(AfD) wären die Investitionen in den X1 an anderer Stelle besser eingesetzt. Einziger Grund zum - auch reduzierten - Weiterbetrieb der Linie sei die Verpflichtung zu einem umstrittenen, festgelegten Stickoxidwert. In einer Fortführung des Angebots sehe er die Verschwendung von Potenzial in ökologischer wie ökonomischer Hinsicht, zumal in den beiden Betriebsjahren keine verbesserte Akzeptanz zu sehen sei. Dass zudem seiner Meinung nach der X1 eine Ursache für Staubildung darstelle, widerlegt StRin
Köngeter
(PULS) mit der Feststellung, dass der Bereich bereits vor dem Betrieb des X1 stauträchtig gewesen sei. Ihre Überlegungen gälten auch der Möglichkeit des Auffangens von S- und U-Bahn-Ausfällen durch den X1 auf dieser Strecke. Dem widerspricht StR
Goller
entschieden mit der Aussage, Ersatzverkehre könnten jederzeit ad hoc eingerichtet werden.
Besonders wichtig sei ihr zu betonen, dass der X1 im Gegensatz zu anderen Teilen des ÖPNV barrierefrei für alle sei, beschließt StRin
Köngeter
ihre Ausführungen. Ihre Maßgabe für eine Reduzierung des X1-Angebots sei die Verwendung der Einsparmittel für Barrierefreiheit im ÖPNV. StR
Goller
verweist in diesem Zusammenhang auf die Barrierefreiheit auch anderer Busse (ausklappbare Rampen). Gegenüber StRin Köngeter sagt Herr
Dr. Münter,
das Ersetzen von Gelenk- zugunsten von Solo-Bussen sei derzeit aufgrund des erhöhten Platzbedarfs wegen der Corona-Pandemie nicht möglich. Vor der Corona-Phase habe man auf einen jeweils hälftigen Einsatz von großen und kleineren Bussen mit Augenmerk auch auf stark frequentierte Buslinien geachtet.
Der
Vorsitzende
betont abschließend, die Verwaltung lege den Schwerpunkt beim Weiterbetrieb des X1 auf Real- statt auf Symbolpolitik. Gegenüber StR Kotz, StR Körner, StR Serwani und StRin Köngeter sagt er konkrete Vorschläge zur alternativen Nutzung - auch im Rahmen der Barrierefreiheit - der beim X1 eingesparten Mittel nach Absprache mit der SSB zum nächsten Fahrplanwechsel zu.
OB
Dr. Nopper
stellt fest:
Die GRDrs 220/2021 ist
eingebracht.
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