Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 17.07.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Fuhrmann
Berichterstattung:Frau Dr. Koch (Agentur für Arbeit), Herr Schmalzl (IHK), Herr Linha (BW-Bank)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: "Blitzlicht Stuttgarter Wirtschaft"
- mündliche Berichte -

BM Fuhrmann schickt voraus, auf Wunsch des Ausschusses solle ein erster Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie geworfen werden. Es könne sich hier allerdings nur um eine Momentaufnahme handeln.

Die von Frau Dr. Koch verwendete Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.

Die Vorträge von Frau Dr. Koch, Herrn Schmalzl und Herrn Linha werden nachfolgend im leicht redigierten Wortlaut wiedergegeben.

Frau Dr. Koch (Agentur für Arbeit):

"Vielen Dank für die Einladung, hier zu sein, auch wenn der Anlass ein wenig erfreulicher ist. Wir haben eine deutliche Eintrübung am Stuttgarter Arbeitsmarkt, auch aufgrund der Coronakrise. Ich würde Ihnen gern zu den wesentlichen Rahmendaten, die uns im Moment, Stand Ende Juni, vorliegen, einen kurzen Überblick geben, und freue mich dann auf die Diskussion.

Wenn wir zunächst mal auf das schauen, wie sich der Arbeitsmarkt uns im Moment darstellt, so haben wir in der Landeshauptstadt Stuttgart im Moment, Juni 2020, rund 20.000 Personen, die arbeitslos sind. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,7 %. Das sind knapp die Hälfte mehr als im Vorjahr. Wir hatten im Juni 2019 in der Stadt Stuttgart rund 13.500 Arbeitslose bei einer Arbeitslosenquote von 3,9 %.

Wenn wir nur die Veränderung seit Beginn der Coronakrise betrachten, seit Mitte März, dann haben wir da immer noch einen Anstieg von 32 %. Die gute Nachricht ist, dass sich im letzten Monat dieser Anstieg der Arbeitslosigkeit verlangsamt hat, von Mai auf Juni haben wir einen deutlich geringeren Anstieg als von März auf April und von April auf Mai.

In dem nächsten Chart habe ich mal die Veränderungen gegenüber den Vorjahreswerten aufgetragen seit Januar 2017. Wir haben eigentlich seit 2013 einen kontinuierlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit gehabt bundesweit, aber insbesondere auch in Baden-Württemberg und in Stuttgart. Und wir haben eine Trendwende schon Mitte letzten Jahres gehabt, also seit den Juni-Zahlen 2019 steigt die Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg, aber auch in Stuttgart und der Region wieder an. Zunächst leicht, dann aber doch schon vor Corona deutlich. Das sind konjunkturelle Themen gewesen, die wir hatten, bei einer exportgeprägten Region, aber auch die Vorboten des Themas Transformation insbesondere in der Automobilwirtschaft. Vor dem Hintergrund muss man da auch bewerten, wie lange wird uns dieser Coronaeffekt am Arbeitsmarkt begleiten? Weil es eben nicht nur ein Coronaeffekt ist, sondern eben durchaus auch konjunkturelle und strukturelle Gründe vorher schon eine Rolle gespielt haben. Natürlich hat sich mit Corona dann ab März, das sind die drei Balken ganz rechts, diese Entwicklung deutlich verstärkt.

Im Moment betrifft der Anstieg der Arbeitslosigkeit stärker den Bereich der Arbeitslosenversicherung, also die Personen, die in der Agentur betreut werden. Aber auch die Arbeitslosigkeit im Bereich der Grundsicherung, im Bereich des Jobcenters, ist deutlich angestiegen. Wenn man dann nur auf den Coronaeffekt, wie ich ihn mal verkürzt nennen möchte, guckt, dann haben wir im SGB III einen Anstieg seit März um 44 %, im SGB II um knapp 24 %. Und wenn wir nur auf das SGB III, auf die Arbeitslosenversicherung, gucken, dann haben wir drei Viertel Zuwachs an Arbeitslosigkeit in der Agentur zu betreuen in Stuttgart gegenüber dem Vorjahr.

Die Zugänge sind, wenig verwunderlich, nach Branchen, nach Wirtschaftszweigen unterschiedlich. Das 'unterschiedlich' möchte ich gern in zwei Dimensionen mal anschauen. Wenn Sie zunächst mal auf die grauen Balken gucken, das sind die Zugänge in Arbeitslosigkeit von April bis Juni, also in der Zeit von Corona, nach den einzelnen Wirtschaftszweigen differenziert. Da sehen wir, wenn wir auf die blanken Zahlen gucken, den Handel mit 725 Personen, die neu in Arbeitslosigkeit zugegangen sind. Wenig überraschend, also eine besonders stark betroffene Branche, die absolut stärkste, gefolgt von der Arbeitnehmerüberlassung und dem Gastgewerbe.

Wenn wir auf das verarbeitende Gewerbe gucken, relativ weit rechts mit 414 Zugängen, ist das immer noch viel. Aber was die Grafik auch zeigt, und das ist die durchgezogene Linie mit den roten Zahlen, wie hat sich denn für die einzelnen Wirtschaftszweige der Zugang in Arbeitslosigkeit verändert? Wir haben beispielsweise, wenn Sie ganz rechts gucken, im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung von April bis Juni 2020 da keine großen Veränderungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum, d. h. das ist eine Branche, die ohnehin schon sehr volatil ist und wo viele der Personen, die dort arbeiten, auch - ich sage es mal in Anführungsstrichen - für uns alte Bekannte sind, die schon öfter bei uns waren und immer wieder in Arbeitslosigkeit kommen.

Beim Gastgewerbe, wo die Veränderung am stärksten ist, ganz links, mit mehr als doppelt so vielen Zugängen in Arbeitslosigkeit in dem Zeitraum dieses Jahr gegenüber dem vergangenen Jahr, da ist Arbeitslosigkeit für viele von den Personen ebenso wie im Verkehr und der Lagerei eine neue Erfahrung. Und dementsprechend sind die Kunden, die bei uns ankommen, dann auch unterschiedlich zu behandeln, unterschiedlich vorinformiert, was denn jetzt die nächsten Schritte sind, und haben auch unterschiedliche Unterstützungsbedarfe. Das ist, glaube ich, für die Beurteilung der Lage noch mal ganz wichtig.

Sorge macht uns der große Anstieg der Arbeitslosigkeit bei den jüngeren Personen unter 25 Jahren, wo wir schon vor Corona einen sehr starken Anstieg gesehen haben. Sie sehen diesen sehr steilen Pfad. Wenn auch von einem geringen Ausgangsniveau startend. Wir hatten im Juni 2019 bei den u25 eine Arbeitslosenquote von 2,5%, das ist auch bundesweit sehr gut. Haben jetzt aber fast eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr hingelegt und seit Corona noch mal einen Anstieg von etwa 50 %. Und das betrifft überwiegend die Altersgruppe der älteren Jüngeren, also 20 bis 24, die ganz Jungen sind da nicht so stark betroffen, und überwiegend nicht jene, die aus Ausbildung kommen, sondern jene, die aus Beschäftigung kommen, insbesondere aus Helfertätigkeiten. Also das ist eine Gruppe, um die wir uns jetzt auch in der Agentur stark kümmern, dass wir die möglichst doch noch in Richtung Ausbildung und in Richtung langfristige Beschäftigung dann entsprechend auch unterstützen können.

Bleiben wir kurz bei den Jüngeren zum Thema Ausbildungsmarkt. Ich nehme an, Herr Schmalzl wird dazu auch noch ein, zwei Worte sagen. Wenn wir da auf die blanken Zahlen gucken, dann zeigt sich der Ausbildungsmarkt, zumindest was den Ausbildungsbeginn 2020 angeht, noch recht stabil. Wir haben etwa gleich viele Ausbildungsstellen gemeldet in der Agentur. Und das sind alles bestätigte Meldungen. Also wir haben im April, Mai die Betriebe alle kontaktiert und haben gefragt, ist das noch so, wollt ihr noch ausbilden mit dem Beginn 2020? Und das sind alles Ausbildungsstellen, wo die Betriebe gesagt haben, ja, wir haben das ganz fest vor. Und auch auf der Bewerberseite haben wir in etwa ein gleiches Bild wie im Vorjahr, sodass wir für 2020 zuversichtlich sind, dass diejenigen Personen, die eine Ausbildung aufnehmen wollen, auch tatsächlich einen Ausbildungsplatz finden. Oder nicht deutlich mehr Schwierigkeiten haben, als das in den vergangenen Jahren schon der Fall war. Sorgen macht uns eher die Frage, was ist mit der Übernahme nach Ausbildungsende und dann perspektivisch in 2021, wie es dann weitergehen wird.

Ich habe jetzt viel über die Arbeitsangebotsseite, über die Kundinnen und Kunden geredet, über die Arbeitslosen. Am Stellenmarkt merken wir natürlich den Einbruch auch sehr deutlich. Wir haben im Vergleich zum Vorjahr mehr als 40 % weniger Stellen, die bei uns gemeldet sind. Aber hier sehen wir auch so ein bisschen Licht am Ende des Tunnels, weil zumindest die Stellenzugänge in den letzten zwei Monaten schon wieder etwas gestiegen sind. Also die Betriebe melden durchaus wieder offene Stellen. Und wir können auch dabei behilflich sein, diese Stellen zu besetzen.

Letzter Punkt, auf den ich noch gucken möchte, ist das Thema konjunkturelle Kurzarbeit. Hier sehen Sie die Zahlen für die Gesamtagentur, aber in den dunkelgrauen Balken auch die Zahlen für die Landeshauptstadt Stuttgart. Wir haben, wenn wir alles zusammennehmen, seit März mehr als 7.700 Anzeigen von Kurzarbeit für mehr als 200.000 Personen. Das wäre etwa die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die wir in Stuttgart haben, für die Kurzarbeit angezeigt worden ist. Jetzt wissen Sie, die Anzeige von Kurzarbeit bedeutet zunächst einmal, dass das Unternehmen sich das Recht erwirbt, Kurzarbeit abzurechnen. Die abgerechnete Kurzarbeit - das läuft immer drei Monate nach, weil die Betriebe drei Monate Zeit haben dafür, die Kurzarbeit abzurechnen -, d. h. wir haben noch keine verlässlichen Zahlen dazu, wie viel Kurzarbeit tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Auf der Bundesebene gibt es eine erste Hochrechnung für die Inanspruchnahme im April. Da kann man davon ausgehen, dass wir so etwa bei 75 bis 80 % Inanspruchnahme liegen würden. Das heißt, wir könnten in Stuttgart bei etwa rund 40 % der Beschäftigten landen, für die im April Kurzarbeit in Anspruch genommen worden ist. Aber die ersten Zahlen haben wir da frühestens im nächsten Monat vorliegen.

Ich möchte ganz kurz vergleichen, wie stehen wir denn in Stuttgart im Vergleich zu Baden-Württemberg und im Vergleich zum Bund. Habe da immer auch die Ausgangssituation mit aufgezeigt, weil wir da in Baden-Württemberg, aber auch in Stuttgart für eine Großstadt eine relativ günstige Ausgangslage hatten, mal gestartet sind unmittelbar vor Corona mit einer Arbeitslosenquote von 4,4 %, etwas mehr als in Baden-Württemberg, aber deutlich günstiger als im Bund. Haben aber, und das betrifft Baden-Württemberg genauso wie Stuttgart, einen deutlich stärkeren Anstieg bei den Arbeitslosenzahlen. Im Bund etwas mehr als 20 %, in Stuttgart etwas mehr als 30 %, bedingt durch diese Wirtschaftsstruktur, geprägt auf der einen Seite durch die Automobilindustrie und auf der anderen Seite durch Handel und Gastgewerbe. Da schlägt es doppelt durch.

Ich habe gesagt, bei den u25 haben wir bei niedrigem Ausgangsniveau ein Thema, um das wir uns gut kümmern müssen. Da sieht man auch, dass die Veränderung da in Stuttgart noch mal deutlich stärker ist als in Baden-Württemberg und im Bund. Bei den offenen Stellen würde ich sagen, da liegen alle ungefähr gleichauf. Wenn man auf das Kurzarbeitergeld guckt, und da würde ich Sie bitten, insbesondere die letzten beiden Zeilen mal anzuschauen, weil das eine Relation ist, die glaube ich Sinn macht zu betrachten: Wie viele Personen haben wir in Anzeigen im Vergleich zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung insgesamt? Da liegt der Bund bei knapp über 30 %, 35 %, und wir liegen eben bei knapp der Hälfte, für die wir in Anzeigen sind, d. h. schon auch eine besondere Betroffenheit.

Was folgt daraus, was ist jetzt wichtig? Klar ist wichtig, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, Kurzarbeitergeld ist ein Instrument, um das zu erreichen. Aber natürlich tragen die Anstrengungen auf Landesebene und auf Bundesebene auch dazu bei. Ich glaube aber, besonders wichtig ist, dass sowohl bei Arbeitslosigkeit als auch in Kurzarbeit es gut ist, die Zeit für gezielte Qualifizierung zu nutzen. Wir sehen bei den Arbeitslosen, die zu uns kommen, eine hohe Bereitschaft dazu. Eine größere Bereitschaft als vor der Krise, sich mit dem Thema Qualifizierung zu beschäftigen. Und haben, obwohl wir die Agentur immer noch sehr eingeschränkt für persönliche Vorsprachen geöffnet haben, dennoch mehr Eintritte in Qualifizierungen, als wir das im Vorjahreszeitraum hatten: Also da sehen wir, dass da die Bereitschaft deutlich höher ist, und das Angebot der Bildungsträger ist da auch differenziert.

Ich habe es mal genannt, 'Keine Generation Corona: Übergang Schule - Beruf sichern'. Da habe ich vorhin schon was dazu gesagt. Ich glaube, das ist etwas, was wir alle gemeinsam ganz stark in den Blick nehmen müssen. Und gerade beim Thema Qualifizierung, aber auch bei vielen anderen Themen ist es sinnvoll, diese Maßnahmen der kurzfristigen Krisenbewältigung, wie ich sie jetzt mal nennen will, dann auch an langfristigen Zielen auszurichten. Und das ist hier in der Region ganz sicher insbesondere auch das Thema der Bewältigung der Transformation in der Automobilindustrie als prägende Branche für uns."

Herr Schmalzl:

"Guten Morgen, Herr Vorsitzender, Herr BM Fuhrmann, verehrte Stadträtinnen und Stadträte, meine Damen und Herren, die Kurzarbeit ersetzt Entscheidungen nicht. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Botschaft. Und die zweite Botschaft ist, die eigentliche Krise, wenn sie durchschlägt auf den Arbeitsmarkt, die steht uns noch bevor.

Aber lassen Sie mich einsteigen, natürlich hat Corona die Konjunktur in der Region, auch in der Landeshauptstadt komplett abstürzen lassen. Das ist so. Wir haben eine Umfrage durchgeführt Ende Juni. Und es wird Sie alle nicht überraschen, fast 50 % sehen eine schlechte Geschäftslage. Jetzt werden Sie sagen, jammern gehört doch immer zum Geschäft. Das ist aber in dem Fall wirklich so, dass wir sagen können, das ist eine ganz schlechte Stimmung, die wir hier haben. Und auch die Erwartungen in die kommenden Monate sind nicht sehr hoffnungsvoll.

Wie auch bereits in der Finanzkrise vor gut zehn Jahren zeigt sich, dass Baden-Württemberg und die Region eben besonders stark von dieser Krise betroffen sind. Das, was sonst so positiv bei uns durchschlägt, aber auch das überrascht Sie nicht, das schlägt natürlich jetzt ins Gegenteil um. Also der hohe Exportanteil zum Beispiel. Und wenn Sie dann sehen natürlich die Krise in der Automobilindustrie - die Probleme waren ja auch schon vor Corona da -, Transformation, ungeklärte außenwirtschaftliche Fragen, Zollstreitigkeiten und dergleichen, dann schlägt das durch. Also 25 % aller Exporte hängen direkt am Automobil. Damit das auch noch mal in Erinnerung gerufen sei. Im Übrigen auch 40 % aller Forschungsaktivitäten. Nur damit manche nicht glauben, dass es ohne Auto in der Forschungslandschaft einfach weitergehen kann.

Die Lieferkettenproblematik möchte ich an der Stelle auch ansprechen. Das hat besonders natürlich hier unsere exportorientierte Wirtschaft sehr stark getroffen. In der Region melden 60 % der Maschinenbauer eine schlechte Geschäftslage, und die Kapazitätsauslastung im Maschinenbau ist seit Jahresbeginn um gut 20 Prozentpunkte gesunken. In der Stadt Stuttgart ist jetzt die Entwicklung ähnlich, fast genauso wie in der Region. Wir haben einen kleineren Industrieanteil im Vergleich zu umliegenden Landkreisen, aber der Dienstleistungssektor ist eben, und das ist der Unterschied zu 2008/2009, in gleicher Weise betroffen. Aber da kommen wir gleich noch stärker dazu, das zu analysieren.

Ich muss nicht daran erinnern, dass der komplette Lockdown natürlich einzelne Teilbranchen besonders getroffen hat, die jetzt aber auch in den Genuss von Hilfsprogrammen kommen. Wobei ich auch dazusage, aus Sicht des Unternehmers/der Unternehmerin ist man dankbar für die Liquidität, aber es ist so, dass es mitunter als Tropfen auf den heißen Stein empfunden wird. Der Staat kann das niemals ersetzen, wenn der Umsatz komplett wegbricht. Aber ich glaube, das wissen auch alle. Gaststätten, Hotels, Messe, Veranstaltungsdienstleister, personenbezogene Dienstleistungen und den Handel möchte ich an der Stelle noch mal besonders erwähnen, weil da natürlich die hohen Standortkosten auch hinzukommen, die hohen Fixkosten. Sie alle wissen, was ein Händler hier bei uns an Fixkosten im Monat zahlt, das muss er ja erst mal erwirtschaften.

Im Wohnungsbau und der Bauwirtschaft gab es März noch wunderbare Erkenntnisse bei Umfragen, da haben die Unternehmen alle gesagt, Corona kennen wir nicht, das läuft völlig an uns vorbei. Mit Zeitversatz, das wissen die Wirtschaftler, holt das auch die Baubranche natürlich ein, Stichwort ist hier die Zuversicht natürlich, die überhaupt entsteht, damit auch kräftig investiert wird in den Bereich.

Im Bereich der IT sei mir doch die Anmerkung gestattet, dass es hier so eine Art Fehlvorstellung gibt in der Öffentlichkeit, dass die IT-Branche komplett profitiert hätte, sie sei sozusagen ein Corona-Krisengewinner. Das ist nicht der Fall, das muss man ganz klar sagen. Also wir hoffen jetzt mal, wenn es einen Digitalisierungsschub gibt, dass tatsächlich nicht nur Ersatz- und Notkäufe in der IT-Wirtschaft prägend sind, sondern auch systemische Wechsel. Also das wäre sehr, sehr schön, weil davon die IT-Branche auch profitiert. Homeschooling sei an der Stelle erwähnt.

Der Verkehr, Gütertransport ist insoweit natürlich auch betroffen. Der Transport der Waren des täglichen Bedarfs ist aber auf einem hohen Niveau weitergelaufen, wobei es gewisse Tendenzen in Richtung Onlinehandel gab. Aber auch da lohnt sich der genaue Blick. Teile dieser Branche leiden genauso.

Bei der Hotellerie und Gastronomie steht jetzt die Liquiditätssicherung im Vordergrund, das ist ganz wichtig. 25 % der Unternehmen droht in den nächsten Monaten die Insolvenz. Das ist eine klare Botschaft. Sie können über Liquiditätshilfen, über sinnvolle Instrumente wie die Kurzarbeit, die aus meiner Sicht schon Weltkulturerbestatus eigentlich verdient hätte in Deutschland, wer in die anderen Staaten blickt, der weiß, wovon ich spreche, mit dieser Kombination der Maßnahmen können Sie Monate überbrücken, aber wenn die Kosten hochgehen und der Umsatz einfach ausbleibt, weil die Zuversicht bei den Menschen nicht da ist, dann wird es einfach schwierig.

Auf die Bewertung der temporären Absenkung der Mehrwertsteuer komme ich gleich noch. Vielleicht noch mal zum Einzelhandel. Hier ist es so, dass der Handel in besonderem Maße auch in Stuttgart jetzt das Instrument der Kurzarbeit genutzt hat, genutzt haben musste. Wir müssen leider davon ausgehen, dass hier auch strukturell - ich habe vorhin gesagt, Kurzarbeit ersetzt Entscheidungen nicht -, dass hier tatsächlich dann ein dauerhafter Abbau kommt, weil die Fixkosten einfach zu hoch sind. Es gibt auch hier einzelne Ausnahmen in der Branche. Darauf möchte ich noch mal hinweisen, nicht dass man mich da falsch versteht. Der Lebensmitteleinzelhandel gehört dazu, die Baumärkte und auch die Wohnungswirtschaft. Der Chef von Möbel Hofmeister hat mir gesagt, die kaufen wie die Wilden, momentan Küchen und alles, was dazugehört. Also die Möbelbranche spürt das nicht in dem Maße. Ist klar, die Leute waren zuhause und haben sich überlegt, was sie tun können mit ihrer Zeit. Und da freuen wir uns für diese Branchen. Aber der gesamte Fachhandel, und das betrifft jetzt das Stadtgebiet Stuttgart, der auch darauf angewiesen ist, ein hochwertiger Fachhandel, wo die Menschen auch aus dem Umland nach Stuttgart reinkommen, das ist etwas, das mir sehr große Sorgen bereitet.

Vielleicht noch mal zur Exportwirtschaft. Hier haben wir sehr negative Prognosen. China zieht zwar wieder an, aber die Exportwirtschaft ist in einer rasanten Weise nach unten gegangen, dass es uns große Sorgen macht seitens der IHK - sonst spreche ich ja für die Handwerkskammern auch ein Stück weit mit, die aber auch zu recht gesagt haben, auch dort sind die Unterschiede groß. Die Friseure hat es natürlich anders getroffen als den Installateur, das wissen wir alles. Aber bei der Exportwirtschaft müssen wir sehen, dass es unser gemeinsames Ziel sein muss, dass der freie Welthandel, dass die Stärkung Europas in wichtigen Entscheidungen in den nächsten Monaten in den Mittelpunkt rückt. Wir erleben zwei Machtzentren: China und die USA. Und dort siegt der Protektionismus. Und wer das Wahlprogramm des Konkurrenten des US-Präsidenten gelesen hat, der weiß, da steht nichts von Abkehr vom Protektionismus drin, sondern da geht es in die gleiche Richtung. Und das stimmt nicht sehr optimistisch.

In der Landeshauptstadt haben wir verschiedene Kriterien und sehen, wie die sich entwickeln. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass vor der Krise das Thema Fachkräftemangel ganz oben stand. Das ist nach unten gerückt. Ich kann nur zusammengefasst sagen, den Unternehmen geht es ein Stück weit um die Liquiditätssicherung jetzt in diesen Monaten, das steht an. Und ansonsten geht es nur mit Zuversicht. Was die Binnennachfrage angeht, die hängt an dieser Zuversicht. Deswegen lassen Sie mich da auch zwei Sätze sagen zur Mehrwertsteuersenkung. Aus Sicht der Wirtschaft wäre es besser gewesen, man hätte sie dauerhaft gesenkt. Dann wäre auch die Bürokratie bei der Umstellung, die viele einzelne Betriebe wirklich an den Rand des Wahnsinns geführt hat, aber sind ja alle dankbar dafür, dass es auch Anreize gibt. Sagen wir es so, es soll ja keine Generalkritik sein, aber die dauerhafte Absenkung, um einen Anreiz zu schaffen, ist natürlich wünschenswert. Und ich glaube auch, dass die Politik nicht umhinkommen wird, dass sie im Herbst die Lage noch mal neu bewerten muss.

Zusammengefasst aus Sicht der Wirtschaft, die nachfrageorientierten Impulse, das Krisenmanagement kann ich nur sagen, ist ordentlich. Und das ist im Schwäbischen schon ein "gut". Da gibt es überhaupt nichts zu rütteln. Das sagen unsere Betriebe, die weltweit unterwegs sind. Und das ist sehr wichtig, dass man das immer wieder auch in Erinnerung ruft. Was die angebotsorientierte Seite angeht, da ist Nachholbedarf da in Deutschland. Nachfrageorientierte Seite heißt also, dass ich Hilfen gebe, direkte Hilfen, auch die Absenkung der Mehrwertsteuer, dann Kaufprämien und dergleichen, das ist in Ordnung, in der Hoffnung, dass es kein Strohfeuer ist und verpufft. Ich kann nur sagen, bei der Elektromobilität, das war ja so ein ganz heißes Eisen, Autokaufprämien, wo sich eigentlich keiner die Finger dran verbrennen möchte, und auch unsere Unternehmen sind 50 : 50. Die sagen irgendwo auch, die Kaufprämie kam ja nicht unbedingt unseren Herstellern zugute. Aber bei den Zulieferern hat das schon was gebracht. Weil es natürlich gerade im unteren Segment auch Kaufanreize ausgelöst hat. Aber wenn Sie jetzt auf die Elektromobilität gehen, da haben wir heute schon wahnsinnig lange Wartezeiten. Und da müssen Sie sehen, wann, zu welchem Stichtag diese Mehrwertsteuersenkung dann auch greift. Und ich hoffe, dass die Rechnung hier aufgeht, was auch die Prämien angeht. Dass auch entsprechend das Ergebnis dann kommt, wie es sich alle erwartet haben.

Zur Liquiditätssicherung haben Sie mitbekommen, dass wir über die Kammern die Soforthilfen im Auftrag des Bundes und des Landes geprüft und dann ausgezahlt haben. Und das, glaube ich, war sehr gut, dass wir das über diesen - mit Prüfung, aber doch trotzdem sehr schnellen - Weg dann auch hinbekommen haben. Also der Blick in die anderen Bundesländer lässt einen Verwaltungsmenschen wie mich eher erschaudern, welche Wege man dort gewählt hat. Also man hätte in Berlin auch das Geld gerne in Kreuzberg auslegen können auf einem Haufen und ein Schildchen dazu, bitte nehme sich doch jeder so viel, wie er braucht. Also ich sage das mal so ein bisschen spöttisch. Wir haben uns hier in Baden-Württemberg mit einem zweigestuften Verfahren bemüht, dass wir das gut machen. Jetzt geht es darum, dass wir uns auf die Ausbildung konzentrieren, das wurde ja schon angesprochen neben der Liquiditätssicherung. Überbrückungshilfeprogramm kommt noch, Gastroprogramm läuft, das ist alles wichtig, und wir müssen es auch zügig administrieren.

Vielleicht ein Hinweis noch bei der Liquiditätssicherung, dass es beim Infektionsschutzgesetz sehr klemmt. Also das ist etwas, was wir von den Betrieben bekommen. Da ist immer noch so gut wie kein Antrag ausgezahlt nach vier Monaten. Das ist so eine alte Falle der Politik, dass man sagt, man macht das bundeseinheitlich, und dann wartet halt einer auf den anderen, bis es dann endlich losgeht. Wir wissen, dass das andere Extrem, das natürlich komplett unterschiedlich ist, auch nicht gut ist. Aber so in der Mitte wäre es nicht schlecht. Aber die Unternehmen brauchen eine Liquidität. Also gerade bei dem Thema, ich glaube, sie könnten die meisten Anträge stellen, weil, über die Kurzarbeit sind ja viele Ansprüche übergegangen auf die BA, nach dem Infektionsschutzgesetz, wenn ihre Mitarbeiter in Quarantäne müssen, oder in Bezug auf die Kinderbetreuung, denn da ist es für ein normales Unternehmen sehr, sehr aufwendig. Also was sie da alles beiliefern müssen. Da ist es vielleicht ganz gut, wenn die Wirtschaftsförderung da auch einen Blick mit drauf hat, dass auch zügig diese Hilfen ankommen.

Ausbildung ja, die Umfragen hat Frau Dr. Koch auch schon dargestellt. Wir hoffen inständig, dass die Unternehmen bei ihrer Ausbildungsbereitschaft bleiben. Nur wenn ein Unternehmen in Existenznot ist, dann tut es sich schwer damit. Es tut sich nicht schwer damit, einen vorhandenen Azubi auch erfolgreich durch die Ausbildung zu bringen. Aber das Unternehmen tut sich enorm schwer damit, neue Verpflichtungen einzugehen. Und deswegen hatten wir aus der IHK in Stuttgart den Vorschlag entwickelt, dass man Prämien zahlt für die Betriebe. Das ist sehr gut. Und ich hoffe jetzt sehr, dass das Geld dann auch gut ankommt. Es soll ja auch über die BA abgewickelt werden. Sie wissen, für jeden Bestands-Azubi-Platz, der wiederbesetzt wird, soll es 2.000 € geben, und für jeden neuen, also darüber hinaus, 3.000 €. Und ich würde mich sehr, sehr freuen, wenn auch die Stadt Stuttgart vielleicht mit gutem Beispiel vorangehen würde, hier also diejenigen, die ausbilden, wenn die nicht diese existenzielle Not spüren wie manch anderer, es wäre super, wenn das ausgeglichen würde, was an anderer Stelle weggeht. Also dass man bei der Stadt Stuttgart vielleicht sagt, wir machen noch mal 10, 20 % oben drauf. Dann hätten Sie eine glückliche IHK an Ihrer Seite.

Das Thema digitale Kompetenzen, digitale Schule, das ist ein abendfüllendes Thema mit unterschiedlichen Erfahrungen, das spare ich mir jetzt. Bei uns in der Vollversammlung war die Kultusministerin, die musste sich auch viel anhören. Das gehört aber auch dazu, weil zwei Drittel aller Unternehmen gesagt haben, da geht noch was. Um das mal vorsichtig zu formulieren. Positiv möchte ich herausstellen, dass manche Lehrer und Lehrerinnen über sich da hinausgewachsen sind. Aber es geht ja um die Frage, wie es in der Zukunft dann auch weitergeht.

Ja klar, Innovation fördern, Zukunft gestalten, das ist das, was uns bei Corona wichtig ist, dass wir einfach diese Industrien fördern, dass die Förderprogramme hier greifen. Da geht es um die Zukunft, da geht es um die Start-up-Förderung. Das können wir auch gerne noch vertiefen.

Mobilität neu denken, aber gleichzeitig den Standort erhalten, das ist sehr, sehr wichtig. Wir haben einen Industriestandort. Und wir vergleichen uns mit anderen Industriestandorten. Wir sollten uns nicht mit - so wie es heute in der Zeitung steht - mit Luxemburg vergleichen, ob da die Schienen besser geputzt sind als bei uns. Also wir haben einen anderen Vergleichsmaßstab. Wir sollten Stuttgart immer mit München, mit Frankfurt und Hamburg, Berlin, mit den großen Wirtschaftsräumen vergleichen. Und dann sind wir mit dem Anspruch, dass wir da an der Spitze stehen, vielleicht gut unterwegs. Das wäre meine herzliche Bitte.

Und noch mal, es gibt sehr viele, die immer glauben, es gibt einen Wandel von der Industrie hin zur Dienstleistung. Diese Abhängigkeit der Dienstleistung auch in der Stadt Stuttgart von der Schlüsselindustrie, vom Maschinenbau, vom Anlagenbau, vom Automobilbau, die ist wahnsinnig hoch. Das gilt auch für die Forschung. Der größte Treiber bei der Künstlichen Intelligenz ist die Automobilindustrie. Und wenn die düstersten Prognosen eintreffen, dass wir am Ende der Dekade vielleicht kaum mehr Automobilproduktion in der Region haben, dann werden auch andere Branchen darunter leiden.

Letzte Bemerkung, wenn ich gesagt habe, die angebotsorientierte Seite, da ist noch Luft nach oben, dann gilt das auch natürlich im Besonderen für die große Politik. Aber aus Sicht der Wirtschaft wird es Sie nicht überraschen, wenn Sie auch hier die Entscheidungen treffen auf der kommunalen Ebene, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass erfolgreiches Unternehmertum möglich ist. Stichwort Belastungen. Einmal natürlich Bürokratie, aber auch andererseits Steuern, Auflagen, Beispiel Baugenehmigungsverfahren. Also das muss tatsächlich auch gut funktionieren. Also da muss ich Ihnen aber keine Stimmen liefern aus der Unternehmenswelt, ich glaube, da sind Sie bestens vernetzt. Das kennen Sie auch selbst, dass manche sehr drunter leiden. Wir brauchen eine digitale Verwaltung, in einem Bauamt dürfte Corona eigentlich keine Auswirkungen haben. Vielen Dank."

Herr Linha (BW-Bank):

"Sehr geehrter Herr BM Fuhrmann, sehr geehrte Gemeinderäte, ich freue mich, dass Sie mich eingeladen haben zum Blitzlicht Stuttgarter Wirtschaft. Ich habe mich gefragt, was kann ich für einen Beitrag leisten, um Ihnen ein Blitzlicht zu geben, wie es unseren Kunden geht? Darauf möchte ich den Fokus legen. Herr Schmalzl hat schon viel gesagt, wie es den Unternehmen geht, wie es der Industrie geht. Ich möchte den Zoom etwas enger fassen, dazu erkläre ich Ihnen ganz kurz, wofür ich verantwortlich bin. Ich bin hier in Stuttgart mit 200 Mitarbeitern gemeinsam verantwortlich für das Geschäftskundensegment, d. h. wir begleiten Kunden von null Umsatz bis etwa 15, 20 Mio. € Umsatz und freiberuflich Tätige. Wir haben etwa 20.000 Kundenverbünde, die wir begleiten in Stuttgart, und im Speckgürtel rund um Stuttgart sind es etwa die Hälfte. Das heißt wir haben da einen gewissen Spiegel, wie geht es den Unternehmen, was beschäftigt die Unternehmen, was treibt die Unternehmen, insbesondere die kleineren Unternehmen, die explizit bei uns in der Begleitung, in der Betreuung sind?

Ich werde in meinem Vortrag in einem ersten Teil einen Blick auf das Thema werfen, warum ist Baden-Württemberg besonders betroffen? Herr Schmalzl hat das schon ausgeführt. Ich werde dann aber im zweiten Teil ganz konkret auf die Situation unserer Kunden kommen, allerdings, und ich denke, da haben Sie volles Verständnis dafür, natürlich unter strengster Wahrung des Bankgeheimnisses und der DSGVO. Ich werde mich da auf sehr pauschalen Aussagen bewegen, ich glaube aber, dass die schon sehr aussagekräftig sind.

Was sind meine Kernbotschaften aus dem zweiten Teil? Die stelle ich einfach mal vorneweg. Unseren Kunden geht es im Moment noch relativ gut, was die wirtschaftliche Situation betrifft. Da hilft ganz stark, was über das Kurzarbeitergeld kommt. Da hilft ganz stark, was über die Soforthilfe gekommen ist. Da helfen auch die Kreditmittel, die Finanzmittel, die wir ausgereicht haben. Aber es ist eine extrem hohe Verunsicherung da, wie geht es weiter? Eine ganz, ganz hohe Verunsicherung, wie kann, nachdem diese Liquiditätsnotwendigkeiten mit Hilfsmitteln zugedeckt wurden, wie kann das in den Herbst hinein, wie kann es in den Winter hinein entsprechend weitergehen? Es fehlt eine tragfähige Perspektive, wenn ich mit unseren Kunden spreche. Das vorweg.

Jetzt zum Teil eins. Hier möchte ich anschließen an Herrn Schmalzl: Warum ist Baden-Württemberg besonders betroffen? Wir haben einen extrem hohen Außenhandel, was uns in der Vergangenheit unheimlich stark gemacht hat. Wenn man sich anschaut, mit welchen Ländern, was sind unsere Hauptaußenhandelspartner im Jahr 2019 gewesen? Dann fängt die Liste an sowohl im Import als auch Export mit China. Dann geht die Liste weiter: Im- und Export mit Frankreich, dann Im- und Export Italien, und dann kommt Im- und Export Niederlande. Und wenn man sich nur diese vier anschaut, die unsere Hauptaußenhandelspartner sind, dann sind zwei davon sehr, sehr stark von Corona betroffen gewesen. Und das hat Auswirkungen auf unsere wirtschaftliche Leistung, hat Auswirkungen auf die Lieferketten, das hat Herr Schmalzl auch schon angesprochen, die unsere Unternehmen in Baden-Württemberg zu spüren bekommen. Unsere Kollegen aus dem Research haben einen Vergleich gemacht unter den Bundesländern, wie die Bruttoinlandsproduktentwicklung 2020 sich darstellen wird, und da liegt Baden-Württemberg auf dem drittletzten Platz mit 7 % rückläufigem BIP. Natürlich haben wir ein deutlich höheres Niveau als andere Länder, die vielleicht rückläufig sind mit 5 %. Also das beste Bundesland nach der Prognose unseres Research liegt bei minus 5 %, wir bei minus 7 %. Das liegt eben genau an dieser engen Verknüpfung mit dem Ausland und dieser großen Abhängigkeit von Export und auch von Import von Waren und Dienstleistungen.

Die Kollegen des Research sind noch einen Schritt weitergegangen und haben Entwicklungen simuliert, wie kann es denn weitergehen, was ist eine Prognose für 2021? Und wenn dann für 2021 Baden-Württemberg in der Prognose mit anderen Unsicherheiten, mit der Annahme, dass keine zweite Welle kommt, mit der Annahme, dass die Lieferketten sich wieder stabilisieren, wenn wir dann sehen, dort ist Baden-Württemberg dann wieder führend mit einem Wachstum von 5 %, dann ist das einerseits, wenn wir nur diese Botschaft anschauen, eine tolle Botschaft, auf der anderen Seite aber muss man das natürlich in der Verkettung der Zeit sehen. Dort sind wir dann immer noch unterhalb des Niveaus von 2019. Von 2019 zu 2020 um 7 % nach unten, von einem niedrigen Niveau wieder 5 % gewachsen - also sehen wir schon, dass Baden-Württemberg da sehr stark betroffen ist. Und mit Baden-Württemberg natürlich auch Stuttgart als das Zentrum, so wie es beschrieben war, das auch ganz stark an Maschinenbau und Automobilindustrie hängt. Das zur generellen Einordnung, zu den generellen Zahlen, wie ein Research einer Bank mit ihren Modellen die Entwicklungen anschaut und simuliert.

Jetzt möchte ich gerne zum zweiten Teil kommen und wirklich aus dem Kreis der Unternehmen, aus dem Inneren der Bank berichten. Noch mal zur Einordnung, ich berichte jetzt über die Kunden, die wir betreuen und begleiten, d. h. das ist nur ein Ausschnitt der Kunden in Stuttgart. Allerdings können Sie davon ausgehen, dass wir mit unserer Sparkassenfunktion, mit der schon jahrhundertealten Tradition in Stuttgart einen sehr hohen Marktanteil haben und auch über die Branchen hinweg einen durchaus repräsentativen Schnitt an Kunden begleiten können.

Wir begleiten etwa 30 % der Kunden im Dienstleistungssektor. Wenn man da draufschaut, dann kann man pauschal nur schwierig Aussagen treffen, denn im Dienstleistungssektor sind zum einen beratende Berufe drin, Steuerberater, die sicherlich viel zu tun hatten in der Coronaphase, denn sie haben unterstützt bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld, haben unterstützt bei der Beantragung weiterer staatlicher Maßnahmen. Es sind auch unternehmensberaterische Berufsgruppen drin, die durchaus auch viel zu tun hatten. Da sind aber dann auch, im Dienstleistungssektor, die Reisebüros drin, die Gaststätten drin, die einfach massiv gelitten haben unter der Lockdownphase.

Wir haben dann in unserer Kundengruppe etwa 16 % Kunden, die im Gesundheitswesen tätig sind. Wir begleiten dort die freien Berufe, also die Ärzte, Ärzte unterschiedlicher Couleur, die Apotheken, wo man ganz pauschal mal sagen kann, das ist eine Berufsgruppe, wo wir uns weniger Sorgen machen.

Wenn man dann aber in die nächste Gruppe geht, 16 % Handel und Konsumgüter. Auch im Handel gibt es sehr unterschiedliche Situationen. Wenn Sie sich vorstellen, der Einzelhändler in der Stuttgarter City mit saisonaler Ware hat eine ganz andere Herausforderung als der Lebensmitteleinzelhändler. Der Einzelhändler mit saisonaler Ware hat wieder eine andere Herausforderung als der Einzelhändler, der Waren hat, die nicht verderblich sind, die dann durchaus auch zu einem späteren Zeitpunkt noch veräußert werden können.

Wir haben in unserer Kundenstruktur 8 % Bauwirtschaft. Das, was ich dazu sagen wollte, hat Herr Schmalzl schon gesagt, also dann spare ich mir das. Im Moment noch gut, aber durchaus mit auch negativeren Vorzeichen.

Wie haben wir uns der Krise genähert? Als Bank ist unsere Verantwortung zum einen, unsere Kunden an die Hand zu nehmen, mit unseren Kunden gemeinsam durch die Krise zu gehen. Das haben wir sehr ernst genommen und haben dabei auch intensiv uns den Kunden gewidmet und viele, viele Beratungsgespräche geführt. Die zweite Rolle als Bank ist, wir müssen auf unser Risiko schauen. Wir müssen schauen, wie entwickelt sich denn das Risiko für die Bank? Wie entwickeln sich eventuelle Ausfallquoten, die ja dann unser Geschäftsmodell massiv beeinflussen können? Wir haben also vom Start der Coronakrise hinweg ein enges Reporting aufgesetzt auf der Ebene aller Inanspruchnahmen der Kontokorrentlinien. Das ist ein sehr gutes Signal, wie ist die Liquiditätsentwicklung bei den Unternehmen? Das haben wir uns angeschaut und haben das über die Wochen hinweg verfolgt. Die Erwartung zunächst war, da wird es einen hohen Liquiditätsbedarf geben, da werden unsere Kunden stark diese Linien in Anspruch nehmen und ziehen, weil Liquiditätsengpässe da sind. Überraschenderweise ist jetzt über die Zeit von März bis heute diese Inanspruchnahme der Kontokorrentlinien, immer gesprochen auf der Portfolioebene, Einzelne können dann schon sich bewegt haben, aber auf der Portfolioebene haben wir keine Bewegung gesehen. Sogar 3 % weniger Inanspruchnahmen.

Was heißt das? Das heißt, dass die Maßnahmen der öffentlichen Hand sehr, sehr gut wirken, gewirkt haben. Ich hatte es vorhin gesagt, Thema Zuschüsse, Thema Kurzarbeitergeld, Thema Stundung, Stundung von Mieten, Stundung von Versicherungsleistungen, auch Thema Stundung von Zins und Tilgungen, wo wir dann noch mal einen Beitrag geleistet haben, das hat wirklich sehr gut gewirkt. Das war eine Unterstützung, war eine Hilfe in dieser Krise. In der Not hat das kraftvolle Unterstützen auch der Stadt Stuttgart bei dem Thema Unterstützung von Vereinen, wo Mieten teilweise auch ausgesetzt oder reduziert wurden, also dort dieses kraftvolle Helfen der öffentlichen Hand hat bisher gut gewirkt.

Wir haben dann einen zweiten Blick geworfen auf die Frage, wie entwickelt sich die Verschuldung unserer Kunden insgesamt? Bei der Verschuldung der Kunden insgesamt wirken die öffentlichen Förderkredite mit, d. h. bei der Verschuldung der Kunden insgesamt, wo dann langfristige Kredite und auch kurzfristige Darlehen mit drin sind im Unterschied zu den vorhin genannten kurzfristigen Inanspruchnahmen, dort haben wir eine leichte Steigerung um etwa 5 % gesehen. Also auch da kein deutliches Mehrverschulden unserer Kunden.

Wir haben dann die andere Seite noch angeschaut, wie entwickeln sich die Einlagen? Weil wir erlebt haben, dass viele unserer Kunden aus einer Phase kommen, wo über viele Jahre tatsächlich das Geschäftsmodell gut verdient hat, wo gute Rücklagen gebildet worden sind. Und bei unserer Kundengruppe, den kleineren Unternehmer*innen, sind die Rücklagen entweder im Unternehmen oder auf der Privatseite. Dort wird immer alles als eines gesehen. Diese Unternehmen verstehen sich tatsächlich als Unternehmer, der Unternehmen und Privat sehr eng verknüpft hat. Also haben wir uns angeschaut, wie haben sich die Einlagen entwickelt? Und dort haben wir festgestellt, dass die Einlagen sich nicht reduziert haben. Also auch da, auf der Ebene des Portfolios kein Rücklauf der Einlagen.

Jetzt kann es natürlich sein, dass wir als ein Haus, das mit Verwahrentgelt sehr kundenfreundlich umgeht im Vergleich zu anderen, vielleicht etwas mehr Einlagen zu uns bekommen haben, weil bei anderen Instituten das Einlagenverwahrentgelt früh einsetzt. Das kann durchaus sein. Aber für uns ist das ein guter Spiegel, dass die Liquiditätssituation bei unseren Kunden sich noch vernünftig entwickelt.

Der nächste Blick ist, was ist passiert bei den KfW-/L-Bank-Förderkrediten? Wir haben in der Phase seit März über 7.000 konkrete Beratungsgespräche protokolliert. Und wir haben zu diesen Beratungsgesprächen auch ganz früh unsere Rolle gesehen, auch Hinweise zu geben, beispielsweise beim Kurzarbeitergeld unseren Kunden zu sagen, wo kann der Kunde sich hinwenden, um zu verstehen, wie beantrage ich denn Kurzarbeitergeld? Denn für viele unserer Kunden war das das erste Mal überhaupt, dass sie in diese Situation kamen, Kurzarbeitergeld zu beantragen.

Auch das Thema der Zuschüsse haben wir sehr früh erstens auf unserer Homepage verlinkt, zweitens haben wir die Berater in die Lage versetzt, dass sie mit den Kunden konkret drüber sprechen können, wie geht das denn, wo muss ich mich hinwenden, um die Zuschüsse zu beantragen? Das sind über 7.000 konkrete Beratungsgespräche und davon über 1.000 konkrete Anfragen nach Kredit. Das ist der Spiegel, den ich Ihnen auch geben möchte. Viele unserer Kunden fragen nicht im ersten Schritt nach Kredit, weil ich durchaus auch Gespräche geführt habe mit Kunden, die gesagt haben, ich will mich nicht verschulden jetzt in der Phase, denn ich weiß ja nicht, wie es weitergeht. Ich weiß nicht, ob ich dann nachher den Kapitaldienst tatsächlich bringen kann. Die über 1.000 Anfragen im Bereich Kredit haben wir inzwischen so abgearbeitet, dass wir in Summe - das ist jetzt die Summe wirklich bezogen auf Stuttgart - 135 Mio. € Kredite aus öffentlichen Fördermitteln vergeben haben. In einem Durchschnittsvolumen von 320.000 €, d. h. wir haben da tatsächlich, wenn das der Durchschnitt ist, größere Summen gehabt, aber auch kleinere Summen. Wir haben unsere Kundengruppe tatsächlich sehr gut mit Kreditmitteln versorgen können.

Ein nächster interessanter Aspekt ist, dass bis heute etwa nur 30 % dieser Mittel abgerufen sind. Was heißt das? Das heißt, dass die Unternehmen unternehmerisch vorsichtig vorgesorgt haben, dass sie für den Fall der Fälle sich eine Liquiditätssicherung angelegt haben, mit uns den Vertrag geschlossen haben und jetzt dann abrufen können, wenn der Liquiditätsnotstand tatsächlich da ist. Das zeigt aus unserer Sicht ein gutes Bild für die Unternehmerinnen und Unternehmer hier in Stuttgart, dass die sehr vorsichtig agieren, dass Liquiditätspolster gebildet werden und dass dort Vorsorge getroffen wird. Vorsorge, und das ist der Punkt, wo ich wieder zu meinem Eingangsstatement zurückkomme, Vorsorge wird getroffen aus Unsicherheit, aus Verunsicherung. Es wird nicht investiert. Es wird Vorsorge getroffen, Liquidität wird vorgehalten. Es fehlt an Rahmenbedingungen, wo ein Unternehmer sagen kann, ich bilde aus, Herr Fuhrmann, Sie haben es selber auch gesagt, ich investiere, ich expandiere. Sondern man ist extrem verunsichert über die Dinge, die auf die Unternehmen zukommen werden.

Zu dieser extremen Verunsicherung gibt es auch Daten. Das Ifo-Institut hat eine Umfrage gemacht und berichtet, dass 20 % der Unternehmen eine Insolvenzgefahr sehen durch die aktuelle Krise. Da ist nicht verwunderlich, dass der Großteil der Unternehmen mit über 85 % Reisebüros sind, Reiseveranstalter sind, die eine echte Insolvenzgefahr sehen. Das geht dann weiter mit 76 % bei Hotels, mit knapp 70 % Gaststätten. Also dort wird eine existenzbedrohende Krise tatsächlich gesehen. Und die Frage wird sein, ob die bis 30.09.2020 ausgesetzte Insolvenzantragspflicht dann zu einer Insolvenzwelle im 4. Quartal führen wird.

Das ist das, was ich jetzt vorbereitet habe, was ich beitragen kann, einen Blick ganz konkret auf die Stuttgarter Unternehmerinnen und Unternehmer in der gebotenen Globalität. Unternehmerische Risiken werden von diesen Kunden gerne eingegangen. Unsere Kunden sind grundsätzlich positiv. Die haben grundsätzlich eine unternehmerisch positive Brille auf. Aber in vielen Gesprächen höre ich, dass im Moment die Unsicherheit überhandnimmt, dass die Verunsicherung lähmt und dass man keine klare, tragfähige Perspektive für die Zukunft hat.

Und noch ein letztes Wort: Wenn ich mit den Einzelhändlern hier in der Stuttgarter Innenstadt mich unterhalte, dann sind dort schon alarmierende Zeichen und Zahlen, denn dort wird formuliert, dass es zwar wieder mehr Menschen in der Stadt gibt, dass diese Menschen aber nicht in die Läden kommen und dass diese Menschen auch keine Kauflust haben. Und dass Anziehungspunkte fehlen. Große Veranstaltungen fehlen. Anziehungspunkte, wo Menschen in die Stadt kommen und dann eben noch in die Gaststätte gehen, noch in den Einzelhandel gehen, aus Lust am Kaufen etwas kaufen. Sondern die Kunden, die jetzt kommen und kaufen, die kaufen, auf Schwäbisch gesagt 'weil sie müssen'. Da braucht jemand einen Anzug, da braucht jemand ein Kinderspielzeug als Geschenk. Aber das wird nicht als Lustkauf gemacht, sondern die Menschen, die in der Stadt sind, haben immer eine Mission, immer einen Auftrag. Ich hatte jetzt jüngst gesehen, VVS hat auch Zahlen berichtet, dass deutliche Rückläufe im öffentlichen Nahverkehr sind, insbesondere im Gelegenheitsverkehr. Und das ist das, wovon dann die Innenstadt profitieren könnte.

Ich freue mich jetzt auf die Diskussion, auf Ihre Fragen und stehe dafür gerne zur Verfügung. Vielen Dank."

BM Fuhrmann sowie die Vertreter der Fraktionen danken für die Berichte und die im Zusammenhang mit den vielen Anträgen auf Kurzarbeitergeld und Soforthilfe geleistete Arbeit.

StRin Fischer (90/GRÜNE) erinnert daran, dass die Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA) früher jedes Jahr oder wenigstens alle zwei Jahre im WA berichtet habe. Nach einem zehn Jahre andauernden Wachstumskurs hätten sich bereits vor Corona Abschwächungstendenzen abgezeichnet. Nun werde alles von einer strukturellen Krise überlagert. Die Coronakrise wirke sich nicht nur bei sozial schwachen Kindern in der Schule, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt deutlich aus. Die Abhängigkeit der Dienstleistungen von Arbeitsplätzen in der Produktion werde in Stadt und Region schon länger als Problem diskutiert. Es gelte, Innovationen - auch bezüglich der Energiewende - anzukurbeln, die Digitalisierung zu gestalten, den Gründergeist zu fördern. Die Firma Mahle sei für sie ein Paradebeispiel dafür, wie schwierig es sei, ein automobilgeprägtes Unternehmen in eine andere Richtung zu steuern und zu entscheiden, wie die Investitionen danach ausgerichtet werden sollten. Auch bei Firmen wie Eberspächer sei nicht allein Corona für die Probleme verantwortlich, da es hier bereits im Vorfeld strukturelle Probleme gegeben habe. Um eine dauerhafte Umsteuerung komme man nicht herum. Aktuell sehe ihre Fraktion eine durchaus positive Ausrichtung, da viele Firmen sich für die Zukunft sehr stark aufgestellt hätten. Auch die Bank berate die Unternehmen sehr dienstleistungsorientiert. Gegenwärtig fehle aber die Sicherheit, die Unternehmen dazu bewege, Kredite aufzunehmen. Positiv bewertet sie, dass die Bundesregierung für die Sicherung von Ausbildungsplätzen 500 Mio. € zur Verfügung stellt.

Als Einzelhändlerin und damit selbst Betroffene lobt StRin Porsch (CDU) die schnelle Bearbeitung der Anträge. Sie befürchtet, dass nach dem Auslaufen der ausgesetzten Pflicht zur Anzeige der Insolvenz am 30.09.2020 die Zahl der Insolvenzen stark steigt. Sie unterstreicht das Bekenntnis zum Industriestandort mit Verzahnung zur Dienstleistung. Nur wer einen sicheren Arbeitsplatz in der Industrie habe, könne im Handel, in der Gastronomie und - ganz allgemein - Dienstleistungen konsumieren. Die Krise habe gezeigt, wie alles miteinander zusammenhänge. Insofern stimme sie nicht mit den Fraktionen überein, die den Automobilstandort Stuttgart wiederholt infrage stellten. Nur mit einer gesunden Industrie und Wirtschaft auch in diesem Sektor besitze man Innovationskraft und könne in neue Technologien investieren. 200.000 Stuttgarter*innen seien von Kurzarbeit betroffen. Dies bedeute für die Familien ein Drittel weniger Einkommen, was der Einzelhandel zu spüren bekomme. Erschreckend sei die Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit u25 um 50 %. Hier stelle die Ausbildungsprämie von 2.000 oder 3.000 € nur einen Tropfen auf dem heißen Stein dar. Wie von Herrn Schmalzl angeregt, sollte die Stadt Stuttgart hier mit gutem Beispiel vorangehen. Angesichts dieser weltweiten Krise müsse die Stadt Rahmenbedingungen schaffen und um jeden Arbeitsplatz in Stuttgart kämpfen. Hierzu bittet sie die Referenten um konkrete Vorschläge. Zentral sei zunächst die Liquiditätssicherung. Die Banken dürften die Unternehmen nicht im Stich lassen. Unter Verweis auf einen Antrag ihrer Fraktion wünscht sie sich eine enge Verzahnung der BA, der IHK und der BW-Bank mit der Abteilung Wirtschaftsförderung und der Rathausspitze.

StR Adler (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) erinnert daran, dass unter dem Druck der Mobilisierung für Klimaschutz - Fridays for Future - überall diskutiert worden sei, ob man weitermachen könne wie bisher. Dies sei wissenschaftlich klar verneint worden. Auch Frau Dr. Koch habe auf bereits bestehende strukturelle Krisen durch Überkapazitäten z. B. im Handel und weitere Transformationsherausforderungen in Form der Verkehrswende, der Veränderung von Konsummustern, der Änderung des Mobilitätsverständnisses und Veränderungen in der Energiewirtschaft hingewiesen. Die Coronakrise habe diese Debatte im Frühjahr 2020 abrupt beendet. Nun dürfe man nicht wieder auf den Zustand vor der Krise zurück, sondern müsse sich z. B. die Frage stellen, ob man am hohen Exportanteil festhalten wolle. Angesichts der riesigen Herausforderungen müssten die Mittel für Maßnahmen zur Anpassung an die Veränderungsprozesse eingesetzt werden. In den Vorträgen von Herrn Schmalzl und Herrn Linha habe er Lösungsansätze vermisst. Die von Herrn Schmalzl erwähnte Ausbildungsquote bei der Stadt weise darauf hin, dass der öffentliche Sektor bzw. die Daseinsvorsorge als stabilisierendes Element in einer solchen Krisensituation von enormer Bedeutung sei und ausgebaut werden müsse. Man müsse sich von der einseitigen Exportzentrierung lösen. Und nicht zuletzt fragten sich die Unternehmen, wie sie diesen Transformationsprozess finanziell stemmen könnten. Laut DIW vereinige 1 % der Bevölkerung 35 % des Vermögens auf sich. Die Politik müsse dafür sorgen, dass dieser kleine Teil der Bevölkerung an den Transformationskosten beteiligt werde.

Die Berichte hätten gezeigt, so StRin Schanbacher (SPD), dass es bisher noch gut laufe, die Sorge jedoch groß sei. Die Transformation - Digitalisierung, Klimaschutz - sei bereits in vollem Gange. Gerade Stuttgart als Industriestandort müsse sich ihrer bewusst annehmen. Man müsse Beschäftigung sichern und ein Wirtschaftsstandort mit guten und fairen Arbeitsplätzen bleiben. Unter diesem Aspekt könne man die Coronakrise auch als Chance begreifen, z. B. würden mehr Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch genommen. Wichtig sei nun ein antizyklisches Verhalten. Die Stadt müsse mit gutem Beispiel vorangehen und investieren sowie Investitionen fördern. Die Kommunalpolitik müsse sich einbringen, wenn es um Bauvorhaben, Abbau der Bürokratie, verkaufsoffene Sonntage, Schaffung von Anziehungspunkten in der Stadt, kostenlosen ÖPNV an Samstagen etc. gehe. Auch Stuttgart-Schecks zur Unterstützung von Kultur, Gastronomie und Wirtschaft seien diskutiert worden. Klar sei, dass man unterstützen müsse. Sie erinnert an einen Antrag ihrer Fraktion vom Vorjahr zum Transformationsprozess in der Automobilindustrie und die Auswirkungen auf die Stuttgarter Arbeitsplätze. Diese Diskussion müsse dringend auch im WA geführt werden. Bei der Jugendarbeitslosigkeit könne sie nicht nachvollziehen, warum sie gerade im - systemrelevanten - Pflegebereich höher sei als in anderen Bereichen. Sie wünscht sich von den Unternehmen eine langfristige Perspektive im Umgang mit ihren Beschäftigten. Laut IHK sei die Zahl der Ausbildungsplätze von 2019 bis 2020 um 23 % gesunken. Dies sei in den Vorträgen so nicht sichtbar geworden. Sorge bereite ihrer Fraktion, wie mittlere Unternehmen Kredite erhalten könnten.

Zur Kurzarbeit merkt StR Neumann (FDP) an, dass während der Krise 2009 nur 1.700 Stellen von Kurzarbeit betroffen gewesen seien, in der aktuellen Krise jedoch 11.000. Das könne natürlich auch damit zu tun haben, dass dieses Instrument damals noch nicht so bekannt gewesen sei. Die Initiative #stayopen von PAYONE ermögliche stationären Einzelhändlern, innerhalb von 24 Stunden einen Online-Vertriebskanal aufzubauen als Alternative zu ihrem stationären Vertriebskanal. Interessant wäre es nun zu wissen, wie dies insbesondere von kleineren Einzelhändlern angenommen worden sei.

StR Zaiß (FW) hat infolge der Krise eine Verlangsamung des Lebens und ein Umdenken in vielen Bereichen wahrgenommen. Bei der Automobilindustrie habe sich bereits vor der Coronakrise eine Rezession bzw. Krise angedeutet, die durch die Pandemie beschleunigt worden sei. Das Umdenken in der Mobilität und der Energiewende habe dazu beigetragen und bei den übrigen Wirtschaftszweigen Verunsicherung ausgelöst. Die Hilfen von Staat, Land und Stadt hätten bislang eine größere Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Stuttgart verhindert. Sollte es zu einer zweiten und dritten Welle kommen, werde eine massive Rezession auch im starken Wirtschaftsraum Stuttgart eintreten. Die Hilfen durch KfW-Kredite oder Stundungen müssten schließlich irgendwann zurückgeführt werden. Aktuell werde, wenn überhaupt, nur sehr zurückhaltend investiert.

StR Puttenat (PULS) schließt sich den Fragen seiner Vorredner*innen an.

Zu den Fragen und Anmerkungen führt Frau Dr. Koch aus, 2009 sei ein viel stärker eingegrenzter Bereich der Wirtschaft betroffen gewesen. Anzeigen von Kurzarbeit seien damals vorwiegend aus dem verarbeitenden Gewerbe von größeren Unternehmen gekommen. In der aktuellen Krise sei das Instrument Kurzarbeit deutlich breiter und von deutlich mehr kleineren Betrieben genutzt worden. Sie macht deutlich, dass das Instrument aber auch damals schon sehr bekannt gewesen sei.

Die Jugendarbeitslosigkeit sei insbesondere in den Branchen Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Logistik, insbesondere was Helfertätigkeiten anbelange, sehr stark gestiegen. Nicht betroffen seien die Bereiche Pflege und Erziehung. Zur Bewältigung der Krise müssten alle Beteiligten das Ihre beitragen, so etwa die BA die Beratung und Vermittlung sowie die Finanzierung von Förderleistungen. Um einzelne Aktivitäten koordinieren zu können, wäre es gut, wenn die Stadt hierfür die Plattform biete. Hinsichtlich des Übergangs Schule - Beruf gebe es ein Arbeitsbündnis Jugend und Beruf, das eine solche Plattform liefern könnte. Aktuell fänden auch wieder Beratungstermine in den Schulen statt. Falls der Übergang momentan nicht gelinge, stünden genügend Ersatzangebote zur Verfügung. Auch hier gelte es, sich gut abzustimmen.

BM Fuhrmann unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit. An StRin Fischer gewandt bestätigt er, auch er halte einen eventuell jährlichen Bericht der BA im Ausschuss für sinnvoll.

Mit Blick auf die Ausbildung erklärt Herr Schmalzl, die IHK erkenne keine Diskrepanz bei den Zahlen. In der Region seien die Ausbildungsplätze um 23 % gesunken, in einzelnen Branchen wie der Gastronomie in Stuttgart - Geschäftsreisetourismus - sogar um 40 %. Hier könne man den Unternehmen keinen Vorwurf machen. Wer keinen Umsatz mache, könne auch nicht ausbilden. Die Unternehmen hätten kein Interesse an einem Fachkräftemangel nach der Krise. Gegenüber StR Adler betont er, es sei zu begrüßen, dass sich der Staat unternehmerisch betätige. Doch könne er unternehmerisches Handeln in einer freien Wirtschaft niemals ersetzen. Er merkt an, dass die Unternehmen Anträge bei der BA stellten. Die Auszahlung erfolge jedoch erst nach dem Ende der Probezeit, im Regelfall also nach 6 Monaten. Die Region sei außerordentlich stark von Familienunternehmen geprägt, die die Kündigung von Azubis oft als letztes Mittel ansähen. Man dürfe auch nicht außer Acht lassen, dass die Produktionskosten - Arbeitslöhne und Energie - am hiesigen Standort doppelt so hoch seien wie in anderen Ländern, mit der Folge, dass die Produktion verlagert werde. Die Transformation sei Thema in allen Unternehmen. Er gibt ein klares Bekenntnis zum freien Welthandel ab. Davon profitiere der Wohlstand in der Region. Er stimme StR Adler darin zu, dass die Klima-Außenpolitik sich schnell ändern müsse. Es bringe nichts, wenn Deutschland schnell voranschreite und andere Länder in der gleichen Zeit zurückschritten. Klimapolitik müsse weltweit gemeinsam betrieben werden. Die regionalen Unternehmen stellten sich der Verpflichtung. Die größten Fortschritte beim Einsparen von Emissionen seien - aufgrund von enormen Investitionen - in der produzierenden Wirtschaft zu verzeichnen.

Konkrete Zahlen zur Initiative #stayopen kann Herr Linha nicht nennen, bietet aber an, sie nachzuliefern. Die Initiative #gemeinsamdadurch der Sparkassen sei zu seiner Überraschung nicht gut angenommen worden. Dies könne aber auch daran liegen, dass insgesamt zu viele Initiativen gestartet worden seien. Gegenüber StRin Schanbacher führt er aus, bei Einzelunternehmern, die mit ihrem persönlichen Vermögen hafteten, könne die Kreditentscheidung auf das Geschäftsmodell und das Vermögen abgestellt werden. Bei Unternehmen, bei denen das Risiko zu groß sei, um es mit dem Privatvermögen abzudecken, schaue man bei der Vergabe eines Kredits auf die persönliche Kreditwürdigkeit und das Geschäftsmodell. Hier tauche die Frage nach dem Geschäftsmodell der Zukunft und der Strategie zur Krisenbewältigung auf. Komme man zu der Überzeugung, dass das Geschäftsmodell tragfähig, die Planung vernünftig, man auf Eventualitäten vorbereitet und das Unternehmen darüber hinaus kapitaldienstfähig sei, stehe einer Kreditvergabe nichts im Wege. Davor stehe jedoch immer die Entscheidung des Unternehmers, ob er investieren wolle oder nicht. In einem neuen Programm könnten Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern eine Bürgschaft von der Bürgschaftsbank erhalten und damit einfacher einen Bankkredit bekommen.

Nachhaltigkeit sei der BW/LBBW sehr wichtig. Als eine der wenigen großen Banken sei die LBBW einer Initiative beigetreten, in der gemeinsam mit anderen Banken Kriterien für eine nachhaltige Kreditvergabe entwickelt würden. Die LBBW habe sehr früh Green-Bonds emittiert und engagiere sich in enger Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Stuttgart bei Stella. Erst jüngst sei ein Team etabliert worden, das Unternehmen bei der nachhaltigen Transformation berate. Mit Blick auf die Verzahnung von Wirtschafts- und Dienstleistungsstandort frage die Bank die kleineren Unternehmer, die quasi als "verlängerte Werkbank" der großen fungierten, wie sie auf eine Phase, in der die großen Unternehmen vormals ausgelagerte Bereiche wieder zurückholten, vorbereitet seien. Die seit zwanzig Jahren von den Banken erwartete große Welle an Übernahmen von Betrieben in die nächste Generation sei bislang ausgeblieben, und sie werde nach seinem Dafürhalten auch nicht kommen, da viele - insbesondere kleine und mittlere - Unternehmen entweder in der Familie weitergegeben würden, wobei die Bank nicht involviert sei, oder das Geschäftsmodell als nicht zukunftsfähig aufgegeben werde. Dadurch gingen Arbeitsplätze unwiederbringlich verloren. Er sei gerne bereit, an einem runden Tisch mit Vertretern der Agentur für Arbeit und der IHK über ein Geschäftsmodell der Zukunft zu diskutieren.

Über das von StR Adler nachgefragte Verhältnis der in den "verlängerten Werkbänken" im In- und Ausland Beschäftigten lägen der Bank keine Zahlen vor.

StR Currle (CDU) regt an, die Referentinnen und Referenten zu einer weiteren Runde vor Weihnachten erneut einzuladen.

Der Idee eines runden Tisches im kleinen Rahmen, eventuell mit einem Teil des Ausschusses, kann auch BM Fuhrmann etwas abgewinnen. Hier werde sich die Verwaltung ein Format überlegen.



Herr Schmalzl richtet die Bitte an den Ausschuss, auf die Unternehmerinnen und Unternehmer insbesondere in den Branchen Gastronomie, Handel und Kreativwirtschaft zuzugehen und sie anzuhören. Bei bundesweit 1,7 Mio. Beschäftigten in der Kreativwirtschaft könne man nicht mehr von "schmückendem Beiwerk" sprechen, vielmehr sei auch diese Branche wichtig.


BM Fuhrmann stellt fest:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen hat von den Berichten Kenntnis
genommen.


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