Landeshauptstadt Stuttgart
Technisches Referat
Gz: T
GRDrs 46/2023
Stuttgart,
02/09/2023


Klimafreundliche Kläranlagen



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Betriebsausschuss StadtentwässerungKenntnisnahmeöffentlich14.02.2023

Bericht:



Das Ziel der Landeshauptstadt Stuttgart ist es, bis 2030 klimaneutral zu sein, die Abwasserreinigung zu verbessern und damit die Qualität unserer Gewässer in Stuttgart weiter zu erhöhen. Dazu muss, bei steigenden Anforderungen des Gewässerschutzes, zukünftig Energie eingespart und effizienter genutzt werden. Gleichzeitig ist der Ausbau erneuerbarer Energiesysteme voranzutreiben. Dies hat sich die Stadtentwässerung Stuttgart (SES) als städtischer Eigenbetrieb zum Ziel gesetzt. Mit den vier großen Klärwerken, dem Kanalbetrieb und der zentralen Klärschlammverbrennung gehört die Stadtentwässerung Stuttgart zu den größten kommunalen Energieverbrauchern. Allein der Betrieb der Kläranlagen beansprucht rund 20 % der gesamten Stromkosten für alle öffentlichen Einrichtungen.

Die Stadtentwässerung sorgt dafür, dass die Abwässer von Stuttgart und von neun Partnergemeinden in vier Klärwerken an den Standorten Mühlhausen, Ditzingen, Möhringen und Plieningen geregelt abgeleitet und gereinigt werden, sowie der dabei anfallende Klärschlamm umweltgerecht entsorgt wird. Bei allen Maßnahmen zur energetischen Optimierung und zur Eigenstromproduktion darf die Abwasserreinigung und nachhaltige Schlammverwertung nicht negativ beeinflusst werden. Alle Maßnahmen zur energetischen Verbesserung, erfolgen in enger und konstruktiver Abstimmung mit dem Amt für Umweltschutz.


1. Einführung eines Energiemanagementsystems

Um die angestrebten Energieziele zu erreichen ist ein systematisches Vorgehen notwendig. Mit Hilfe, eines im Jahr 2020 gestarteten Energiemanagementsystems sollen alle relevanten Energieströme erfasst und in Zukunft effizienter gesteuert und nachhaltig optimiert werden können. Die bereits 2019 durchgeführte Treibhausgasbilanzierung des Betriebs ergänzt das Energiemanagementsystem in den Bemühungen auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Derzeit befindet sich das Energiemanagementsystem in der Entwicklung eines systematischen Messkonzeptes zur Erfassung aller relevanter Energieströme nach DIN EN ISO 50001 mit dem Ziel, diese effizienter zu steuern und zu optimieren. Basis für das Messkonzept ist die Identifikation der Hauptverbraucher von Energie auf den Kläranlagen und die Definition der notwendigen Messtechnik, um die Verbraucher über energetische Kennzahlen zu überwachen. Anschließend werden Energieströme verbraucherspezifisch und systematisch ausgewertet um Energieeinsparpotentiale zu erkennen. Gleichzeitig wird bei allen Erneuerungs- und Ausbauprojekten ein wesentlicher Fokus auf die Energieeffizienz gelegt.


2. Hauptklärwerk Mühlhausen

Das Hauptklärwerk Stuttgart Mühlhausen ist mit einer Ausbaugröße von 1.200 000 Millionen Einwohnerwerten das größte Klärwerk in Baden-Württemberg. Bereits heute kann durch Eigenenergieproduktion ein Teil der benötigten Energie zur Abwasserreinigung und Schlammverbrennung gedeckt werden. An verschiedenen Stellen des Prozesses wird Energie, in Form von Strom oder Wärme gewonnen.

2.1 Aktuelle Situation im Hauptklärwerk Mühlhausen
In ein klärwerksinternes Wärmeverbundnetz, wird über die Schlammverbrennung und die Blockheizkraftwerke Abwärme eingespeist, um den Wärmebedarf für die Schlammfaulung und die Betriebsgebäude zu decken. Im Jahr 2021 wurden mit den Blockheizkraftwerken 7 551 GWh Wärme und mit dem Betrieb der Wirbelschichtöfen einschließlich Dampfturbine 8 141 GWh Abwärme produziert. Der Wärmebedarf des gesamten Hauptklärwerks von 15 900 GWh konnte dadurch nahezu vollständig gedeckt werden. Somit ist das Hauptklärwerk Stuttgart-Mühlhausen praktisch wärmeautark.

Hauptstromverbraucher ist die biologische Reinigungsstufe in den Klärwerken. Im Hauptklärwerk werden 37 000 MWh pro Jahr benötigt um das Stuttgarter Abwasser zu reinigen. Für einen drei Personenhaushalt lag der energetische Aufwand für die Abwasserreinigung im Jahr 2021 bei 98,7 kWh pro Jahr dies entspricht ca. 4 % des Stromverbrauchs eines Haushalts.

Im Jahr 2022 konnten im Hauptklärwerk rund 35 % des Strombedarfs durch die Dampfturbine in der Klärschlammverbrennung und die BHKWs selbst erzeugt werden. Ziel der SES ist es, bis 2035 den Strombedarf zu 90 % durch Eigenstromproduktion zu decken.
Bereits seit 2009 ist eine von den Bürgern gemeinschaftlich betriebene Photovoltaikanlage auf dem Dach der Rechen- und Sandfanganlage Mühlhausen in Betrieb. Die Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 30,24 kWp erzeugt jährlich rund 30 000 kWh Solarstrom und verringert gleichzeitig die CO2-Belastung der Umwelt um rund 20 Tonnen.

2.2 Wesentliche Maßnahmen zur energetischen Optimierung und Verbesserung der Eigenenergieproduktion
Bis zum Jahr 2035 können durch zusätzliche Energiegewinnungsanlagen und Modernisierung bestehender Anlagen ca. 14 000 MWh/a elektrischer Strom zusätzlich produziert werden. Gleichzeitig ergeben sich durch neue Technologien Einsparpotentiale von ca. 1080 MWh/a. Trotz zusätzlichen Wärmebedarfs für die Abwasserreinigung wird das Hauptklärwerk auch zukünftig wärmeautark sein.
Die umfangreichen Maßnahmen zur Energieneutralität werden nicht bis 2030 abgeschlossen werden können. Aus diesem Grund beabsichtigt der Eigenbetrieb Stadtentwässerung, in Abstimmung mit dem Amt für Umweltschutz alternative Energien in Form von Ökostrom oder biogene Brennstoffen zu beschaffen.

2.2.1 Solarfaltdach für die Biologie Nord im HKW Stuttgart-Mühlhausen
Große Flächen sind im Hauptklärwerk Stuttgart-Mühlhausen durch die biologische Abwasserreinigung in den Belebungsbecken belegt. Um diese Oberflächen für Photovoltaik zu nutzen und gleichzeitig den Anlagenbetrieb nicht einzuschränken, ist ein spezielles Solarfaltdach vorgesehen. In der ersten Ausbaustufe über dem Belebungsbecken Nord können 18 300 m2 genutzt werden. Dies ermöglicht eine Photovoltaik-Anlage mit ca. 2 MWp.

Kalkulierter Stromertrag: 1.800 MWh/Jahr
Geplante Investitionskosten: 8.000.000 EUR
Geplante Inbetriebnahme: 2025

2.2.2 Inbetriebnahme der neuen BHKW-Zentrale im HKW Stuttgart-Mühlhausen
Die bestehende Blockheizkraftwerk-Anlage (BHKW-Anlage) mit zwei BHKW-Modulen mit je 800 KW elektrischer Leistung wurde 2013 in Betrieb genommen. Nach einer Laufzeit von 10-15 Jahren sind diese verschlissen und zu ersetzen. Mit der neuen BHKW-Zentrale werden diese durch drei effizientere Module mit je 800 – 1.000 kW elektrischer Leistung ersetzt. Gleichzeitig wird die Versorgungssicherheit durch drei Module wesentlich erhöht. Die entstehende Abwärme wird in das klärwerkseigene Wärmeversorgungsnetz eingespeist.

Kalkulierter Stromertrag: 14.200 MWh/Jahr
Kalkulierter Wärmeertrag: 14.500 MWh/Jahr
Geplante Investitionskosten: 26.000.000 EUR
Geplante Inbetriebnahme: 2028

2.2.3 Ertüchtigung der Klärschlammverbrennungslinie Wirbelschichtofen 2 (WSO2) im HKW Stuttgart-Mühlhausen
Der bei der Abwasserreinigung anfallende Klärschlamm wird in einer Monoverbrennungsanlage verbrannt. Die Verbrennungslinie WSO2 stammt aus dem Jahr 1991 und ist zu erneuern. Nach Projektabschluss wird die Linie WSO 2 im Dauerbetrieb arbeiten. Durch den Einsatz von effizienterer Technologie kann die Eigenstromproduktion erhöht werden. Es ist geplant, im Rahmen der Ertüchtigung WSO2 eine Dampfturbine mit bis 1,6 MW elektrischer Leistung zu erstellen. Gleichzeitig wird die Wärme aus dem Verbrennungsprozess genutzt, um die Klärschlämme vor der Verbrennung zu trocknen. Abwärme wird in das Klärwerksinterne Wärmeversorgungsnetz eingespeist.

Kalkulierter Stromertrag: 12.000 MWh/Jahr
Kalkulierter Abwärmeertrag: 21.900 MWh/Jahr
Geplante Investitionskosten: 146.000.000 EUR
Geplante Inbetriebnahme: 2028

2.2.4 Verbesserung der Belebungsbecken 7-12 im HKW Stuttgart-Mühlhausen
Die Belebungsanlage im südlichen Bereich des Hauptklärwerks stammt aus dem Jahr 1970 und ist zu ersetzen. Dies erfolgt durch neue effizientere Belebungsbecken und einer neuen hocheffizienten Prozesswasserbehandlung zur Elimination von Stickstoff.
Mit dieser neuen Technologie kann eine erhebliche Stromeinsparung gegenüber der bisherigen Behandlung erzielt werden. Allerdings ist für diesen speziellen biochemischen Prozess der Deammonifikation Wärme notwendig. Diese Wärme kann durch Abwärme aus der Verbrennungsanlage und der neuen BHKW-Zentrale bereitgestellt werden.

Kalkulierte Stromeinsparung: 1.080 MWh/Jahr
Kalkulierte benötigte Wärme: 850 MWh/Jahr
Geplante Investitionskosten: 75.000.000 EUR
Geplante Inbetriebnahme: 2034



2.2.5 Inbetriebnahme Solardach für die Biologie Süd im HKW Stuttgart-Mühlhausen
Im Zuge des Projekts der Verbesserung der Belebungsbecken 7-12 soll die gesamte Biologie Süd mit einem Solardach ausgestattet werden. Insgesamt können 13 700 m2 Fläche genutzt werden.

Kalkulierter Stromertrag: 1.300 MWh/Jahr
Geplante Investitionskosten: 10.000.000 EUR
Geplante Inbetriebnahme: 2034


3. Klärwerke Möhringen, Plieningen und Ditzingen

Die Klärwerke Möhringen, Plieningen und Ditzingen sind für eine Belastung von 100.000 – 150.000 Einwohnerwerten ausgebaut. Bereits heute kann in allen Klärwerken durch Eigenenergieproduktion ein Großteil der benötigten Energie zur Abwasserreinigung und Klärschlammbehandlung gedeckt werden.

3.1 Aktuelle Situation
Durch Blockheizkraftwerke werden aus dem entstehenden Klärgas in der Klärschlammbehandlung elektrischer Strom und Wärme gewonnen. Die dabei entstehende Wärme reicht überwiegend aus, um die Abwasserreinigung, die Schlammfaulung und die Betriebsstätten mit der notwendigen Wärme zu versorgen. Ziel ist es mit den geplanten Maßnahmen, dass die Klärwerke wärmeautark werden.
Der Eigenversorgungsgrad für das Jahr 2022 für elektrischen Strom stellt sich wie folgt dar:
Klärwerke Möhringen: 71 %
Klärwerk Plieningen: 52 %
Klärwerk Ditzingen: 32 %

3.2 Wesentliche Maßnahmen der energetischen Optimierung und Verbesserung der Eigenenergieproduktion
3.2.1 Photovoltaik-Anlagen in den Klärwerken Möhringen und Plieningen
Im Zuge des Klimaschutzkonzepts der Landeshauptstadt konnte auf den vorhandenen Gebäuden Photovoltaikanlagen installiert werden. Die Stadtentwässerung Stuttgart wurde dabei fachlich durch das Amt für Umweltschutz unterstützt.
Die Photovoltaik-Anlage in Möhringen, mit einer Leistung von 63,68 kWp hat seit 2021 ca. 167 000 kWh produziert. In Plieningen wurde die Photovoltaik-Anlage im April 2022 mit einer Leistung von 60,30 kWp in Betrieb genommen und hat im Jahr 2022 36 258 kWh/ a produziert.

Stromertrag: 100.000 kWh/Jahr
Investitionskosten: 220.000 EUR über stadtinternes Contracting
Inbetriebnahme: 2021/2022

3.2.2 Konzeptionelle Studie zur Wasserstoffnutzung im Klärwerk Plieningen
Die Wasserstofftechnologie ist insbesondere für die Stadtentwässerung Stuttgart eine innovative Technologie, um die energetischen Ziele zu erreichen. Sie kann dazu beitragen, dass die Energieströme innerhalb des Eigenbetriebs verbessert und die Verfahren zur Abwasserreinigung und Schlammbehandlung optimiert werden. Sinnvollerweise kann ein temporär vorhandener Stromüberschuss zur Wasserstoffproduktion genutzt werden.

Abschluss der Studie: 2022
Kosten: 20.000 EUR

3.2.3 Studie Emission-Control im Klärwerk Möhringen
Bei der Abwasserreinigung werden die Abwasserinhaltsstoffe durch Mikroorganismen aus dem Abwasser entfernt. Bei dem biochemischen Reinigungsprozess entsteht unter anderem biogenes CO2 (Kohlendioxid) und N2O2 (Lachgas). Vor allem die Entstehung des N2O2 steht in Konkurrenz mit dem Energieverbrauch in der biologischen Reinigungsstufe.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts wird ein Analyse-System eingesetzt, welches Treibhausgase, die bei der Abwasseraufbereitung entstehen, direkt messen kann. Damit liefert es eine Datengrundlage direkter Emissionen in den Belebungsbecken, um die Abwasserreinigung hinsichtlich Treibhausgasen zu optimieren.

Abschluss der Studie: 2024
Kosten: 15.000 EUR

3.2.4 Neue leistungsstarke Blockheizkraftwerke im GKW Ditzingen
Die beiden bestehenden BHKWs mit einer Leistung von je 150 kW werden durch neue BHKWs mit einer Leistung von je 250 kW ersetzt werden. Des Weiteren wird eine neue Gasreinigungsanlage zur effizienteren Klärgasverstromung installiert. Der Aufbau einer neuen Elektrotechnik für das neue Blockheizkraftwerk, sowie der Neubau von Betriebsräumen mit E-Ladeinfrastruktur ist vorgesehen

Kalkulierter Stromertrag: 1.800 MWh/a
Kalkulierter Wärmeertrag: 2.000 MWh/a
Geplante Investitionskosten: 6.300.000 EUR
Geplante Inbetriebnahme: 2024

3.2.5 Inbetriebnahme der Photovoltaik-Anlage im GKW Ditzingen
Im Klärwerk Ditzingen wird eine Photovoltaik-Anlage mit einer derzeit angenommenen Leistung von ca. 380 kWp über den alten Schlammtrockenfeldern installiert.

Kalkulierter Stromertrag: ca. 350 MWh/Jahr
Geplante Investitionskosten: 800.000 EUR
Geplante Inbetriebnahme: 2024

3.2.6 Ertüchtigung Klärwerk Möhringen
Das Klärwerk Möhringen stammt aus dem Jahr 1954. Die letzte umfängliche Erneuerung der Abwasserreinigung erfolgte in den 90er Jahren. Im Rahmen einer Bedarfsplanung wurde ein umfänglicher Erneuerung- und Sanierungsbedarf festgestellt. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Abwasserreinigung auf Grund der besonderen Situation an der Körsch. Im Rahmen der Neuplanung des Klärwerks Möhringen, inklusive einer 4. Reinigungsstufe wird besonderes Augenmerk auf Energieeffizienz gelegt. Ziel ist es das Klärwerk wärme- und bilanziell stromautark zu konzipieren.

Geplante Investitionskosten: ca.100.000.000 EUR
Geplanter Projektabschluss: ca.2040


4. Ausblick

Der Eigenbetrieb Stadtentwässerung Stuttgart leistet durch die aktuellen Projekte und Maßnahmen einen Beitrag zur Klimaneutralität. Die Grundlage für die Erreichung der Ziele im Bereich der Klimaneutralität bietet der Green Deal. Dieser legt die Anforderungen an die Betreiber von Kläranlagen fest.

Der Green Deal wird auch neue Anforderungen im Bereich der Klimaneutralität und Energieeffizienz enthalten. Derzeit liegt die neue EU-Kommunalabwasserrichtlinie im Entwurf vor. Jeder Mitgliedstaat soll sicherstellen, dass Kläranlagen bis Ende 2040 Energieneutralität erreichen. Die dafür benötigten Energiemengen sollen vollständig aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Für Kläranlagen über 100.000 EW sollen ab 2025 Energieaudits verpflichtend eingeführt werden.

Beteiligte Stellen

Referat SWU


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dirk Thürnau Jürgen Mutz
Bürgermeister Erster Betriebsleiter





Tiefbauamt/Stadtentwässerung Stuttgart (SES), Energiemanagement Broschüre 2022

Siehe Dateianhang



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Anlage 1 zu GRDrs 46_2023 Energiebroschüre.pdf