Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 922/2019
Stuttgart,
09/18/2019


Partnerschaftsprojekte zur Entwicklung kontaminierter Flächen in Bogotá mit Stuttgarter Expertise



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Klima und UmweltKenntnisnahmeöffentlich18.10.2019

Bericht:


Seit dem Jahr 2009 kooperiert die Landeshauptstadt mit der Stadt Bogotá in Kolumbien in Projekten zum Umgang mit kontaminierten Flächen (Altlasten) bei der Flächenrevitalisierung zur städtebaulichen Wiedernutzung. Die Zusammenarbeit wurde wie folgt durchgeführt:

Vom 01.01.2009 bis 31.12.2011 unterhielt die Landeshauptstadt eine dreijährige Partnerschaft für Entwicklung zur „Umweltgerechten Stadtentwicklung auf kontaminierten Flächen“. Der Partnerschaftsvertrag wurde gemeinsam mit Bogotá im Rahmen der European Development Days (EDD) 2008 am 17.11.2008 unterzeichnet. Anlässlich der EDD hatte die EU-Kommission die europäischen Kommunen aufgerufen, Entwicklungspartnerschaften mit Kommunen aus Lateinamerika, Afrika oder Asien einzugehen.

Vom 01.01.2009 bis 31.05.2013 erfolgte eine gemeinsame Beteiligung an dem durch die Europäische Union geförderten Projekt „INTEGRATION – Integrierte Stadtentwicklung“. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit sind in GRDrs 677/2014 ausführlich dargestellt. Sie waren so positiv und ermutigend, dass die Zusammenarbeit mit Bogotá in zwei Projekten fortgesetzt wurde.

1. 01.10.2014 bis 30.04.2017: „Nachhaltige Stadtentwicklung durch städtebauliche Erneuerung kontaminierter Flächen in Bogotá im Rahmen einer Internationalen Kommunalen Zusammenarbeit (IKZ)“

2. 01.10.2017 bis 31.08.2019: „Umsetzung von Verfahren zur umwelttechnischen Bewertung oberflächennaher Grundwasserressourcen in Bogotá D.C.“


Die Finanzierung beider Projekte erfolgte über das Programm „Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte“ (NAKOPA). Mit dem Angebot unterstützt die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt von Engagement Global entwicklungspolitisch aktive Kommunen aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).


zu 1.)
Nachhaltige Stadtentwicklung durch städtebauliche Erneuerung kontaminierter Flächen in Bogotá im Rahmen einer Internationalen Kommunalen Zusammenarbeit (Nakopa 1):

Die kolumbianische Hauptstadt Bogotá entwickelt sich dynamisch. Beim Bau neuer Gebäude und Anlagen auf Brachflächen, dem sogenannten Flächenrecycling, müssen in manchen Fällen zunächst Boden- und Grundwasserverunreinigungen beseitigt werden. Solche Kontaminationen zu untersuchen und zu bewerten, haben sich Stuttgart und Bogotá im Rahmen ihrer Projektpartnerschaft zur Aufgabe gemacht.

Bogotá stand 2014 im Umgang mit kontaminierten Flächen noch am Anfang der Entwicklung. Um wichtige Elemente der praktischen Umsetzung von Maßnahmen zur Untersuchung und Bewertung kontaminierter Flächen kennen zu lernen, wählte die Secretaria Distrital de Ambiente (das Umweltamt) von Bogotá ein geeignetes Areal aus. Auf der rund 6.000 m² großen Fläche im Westen der Stadt hatte ein deutscher Chemiekonzern Pflanzenschutzmittel (insbesondere Lindan) hergestellt, umgefüllt und umgeschlagen und dabei den Untergrund verunreinigt.

Im Zuge eines Stadtentwicklungsprojekts sollte hier ein Wohngebiet entwickelt werden. Dabei war sicherzustellen, dass die Bevölkerung nicht durch Schadstoffe gefährdet wird. Beraten und unterstützt von Stuttgarter Kollegen haben die Experten der Secretaria Distrital de Ambiente in Nakopa 1 anstehende Schritte zur Untersuchung und Bewertung des Untergrundes durchführen lassen.

Gesamtaufwendungen der Partnerstädte: 100.304,73 EUR

Projektaufwendungen Stuttgart: 65.826,60 EUR

Projektaufwendungen Bogotá: 34.478,13 EUR

Zuschuss BMZ/EG: 76.835,47 EUR
(Abrechnung vorbehaltlich vertiefter Prüfung durch Prüfungsämter des Bundes).

zu 2.)
Umsetzung von Verfahren zur umwelttechnischen Bewertung oberflächennaher Grundwasserressourcen in Bogotá D.C.“ (Nakopa 2):

Die deutsche Bundes-Bodenschutzverordnung stellt Grundlagen zur Altlastenbearbeitung, insbesondere auch zur Bewertung von Untersuchungsergebnissen zur Verfügung. Auf kolumbianischer Seite gibt es dafür keine entsprechenden Regelungen.


Daher verwenden internationale Investoren zur Beurteilung von Grundwasserkontaminationen auf Grundstücken in Kolumbien, die sie bebauen wollen, für Untersuchungstechniken und Prüfwerte jeweils die eigenen Standards des Herkunftslandes. Die Mitarbeitenden der Secretaria Distrital de Ambiente stehen bei der Prüfung und Genehmigung von Anträgen vor der Frage, ob sie die jeweiligen Vorgehensweisen akzeptieren oder eigene Anforderungen formulieren sollen.

Daran sieht man die Bedeutung von Regelungen zur Untersuchung und Bewertung von Kontaminationen. Diese Expertise brachten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stuttgarter Amts für Umweltschutz in das Projekt ein.

Durch Nakopa 2 haben die Kolleginnen und Kollegen aus Kolumbien eigene Untersuchungsstrategien und Bewertungsfahren für kontaminierte Standorte entwickelt. Diese wurden bei einem Pilotvorhaben exemplarisch unter den kolumbianischen Rahmenbedingungen überprüft. Als Pilotstandort diente der gleiche Standort wie bei Nakopa 1.

Im Januar 2019 wurden auf Basis der gemeinsam erarbeiteten Leitfäden Grundwasser-Messstellen gebaut und Proben untersucht. Die Ergebnisse wurden bei einem abschließenden Workshop Anfang August 2019 gemeinsam ausgewertet. Dabei wurde ein eigenes Regelwerk präsentiert, das den Umgang mit kontaminierten Flächen in Bogotá erleichtern wird.

Gesamtaufwendungen der Partnerstädte: 86.561,88 EUR

Projektaufwendungen Stuttgart: 57.463,17 EUR.

Projektaufwendungen Bogotá: 29.098,71 EUR.

Zuschuss BMZ/EG: 70.063,98 €
(vorläufige Abrechnung, vorbehaltlich der Prüfungen durch Engagement Global und Prüfungsämter des Bundes).

Ergebnisse beider Projekte:

Die Experten der Secretaria Distrital de Ambiente können nun auf Erfahrungen mit der Auftragserstellung, der Ausschreibung und Vergabe sowie der Durchführung und Bewertung der Altlastenuntersuchung zurückgreifen. Das erfolgreich umgesetzte Pilotvorhaben stärkt die fachliche Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Secretaria Distrital de Ambiente steht den internationalen Investoren Dank der Projekte als kompetente Partnerin gegenüber und wird bei anstehenden Verhandlungen bestehende Entscheidungsspielräume zum Wohl der Bevölkerung besser nutzen können.

Die Zusammenarbeit verleiht den Partnern eine bessere Wahrnehmung in der eigenen Verwaltung und eine höhere Kompetenz gegenüber den vor Ort tätigen Beratungsfirmen mit teilweise in Deutschland ausgebildeten Experten.


Bewertung:

Die Zusammenarbeit mit Bogotá war für beide Partner gewinnbringend, wenn auch in unterschiedlichen Bereichen.

Die Kolleginnen und Kollegen in Bogotá sind fachlich gut ausgebildet. Neben der fehlenden Gesetzgebung mangelt es an praktischer Erfahrung im Umgang mit einer Altlasten-Gesetzgebung, mit der Durchführung von Untersuchungs-, Sanierungs- und Kontrollmaßnahmen sowie der praktischen Aus- und Bewertung von Untersuchungsergebnissen. Über diese Expertise verfügt das Amt für Umweltschutz der LHS seit Jahren. Beispiele aktueller innerstädtischer Projekte sind das Quartier am Wiener Platz (ehem. Galvanik Schoch-Areal), die Keltersiedlung Zuffenhausen (ehem. Teerfabrik) oder das Wohnbauprojekt der ISARIA Wohnbau AG in Stuttgart Nord (ehem. Chemikalienhandlung Rümelinstraße 24-32).

Das Amt für Umweltschutz der LHS leistet mit den Projektpartnerschaften einen Beitrag im Rahmen der bundespolitischen Zielsetzung zur kommunalen Entwicklungszusammenarbeit: die Stärkung von Strukturen auf lokaler Ebene, die Schaffung von Voraussetzungen für eine stabile und nachhaltige Entwicklung von Gesellschaften sowie die Verbesserung der Zukunftsperspektiven für die Menschen vor Ort. Kommunen sind wichtige Wissensträger und durch die Zusammenarbeit auf Augenhöhe können beide Partner voneinander lernen und sich weiterentwickeln. Das BMZ unterstützt mit dem Programm Nakopa, die nachhaltige Entwicklung lokaler Lösungsansätze zu globalen Fragen im Sinne der Agenda 2030.

Mit Beschluss des Gemeinderates im Mai 2018 und der Unterzeichnung der Mustererklärung des Deutschen Städtetags „2030 – Agenda für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ erklärt sich die Landeshauptstadt bereit, die Vereinbarungen der Agenda 2030 zu sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklungszielen weltweit auf lokaler Ebene mit konkreten Maßnahmen umzusetzen. Die beschriebenen Projekte und Maßnahmen schaffen die Voraussetzungen, die globalen Ziele SDG 15 „Landökosysteme schützen und wiederherstellen“ und SDG 17 „Globale Partnerschaften zur Nachhaltigen Entwicklung stärken“ strategisch zu verankern und umzusetzen.

Projektpartnerschaften stellen eine attraktive Ergänzung zu Städtepartnerschaften dar. Sie sind thematisch fokussiert und befassen sich mit Themen von beiderseitigem Interesse. Die Unterstützung kommt gezielt anstehenden Aufgaben und konkreten Projekten zugute.

Insgesamt kann für die Zusammenarbeit mit Bogotá festgestellt werden, dass der Aufwand sich gelohnt hat. Beide Seiten haben durch ihre gegenseitigen Erfahrungen einen hohen Mehrwert aus der Zusammenarbeit gewonnen, der sich fachlich wie auch persönlich positiv auf die jeweils eigenen Aufgaben und Herausforderungen am heimischen Arbeitsplatz auswirkt. Lerneffekte wurden erzielt. Zudem hat der zielorientierte und geduldige Einsatz der Kollegen im Amt für Umweltschutz als Beitrag eines durch das BMZ gewünschten und geförderten entwicklungspolitischen kommunalen Engagements maßgeblich zu einer künftigen Verbesserung der Lebensbedingungen in Bogotá beigetragen.


Perspektiven:

Abhängig von der Interessenlage der Partner und der weiteren Abstimmung ist eine Weiterführung der Zusammenarbeit mit Bogotá denkbar, sowohl auf dem Gebiet des Umgangs mit kontaminierten Flächen wie auch in einer thematischen Erweiterung z. B. auf Fragen des Klimaschutzes, bei denen auf beiden Seiten unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen vorliegen. Eine weitere Konkretisierung steht noch aus.




Beteiligte Stellen

Keine.


Vorliegende Anträge/Anfragen

Keine.
Keine.




Peter Pätzold
Bürgermeister





Keine.

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