Protokoll: Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
29
3
VerhandlungDrucksache:
192/2023
GZ:
JB
Sitzungstermin: 03.04.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Fezer
Berichterstattung:die Vorsitzende, Frau Schulze (JugA)
Protokollführung: Frau Kappallo fr
Betreff: Kindertagespflege - Übertragung der Trägerschaft ab 01.01.2024

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Jugend und Bildung vom 16.03.2023, GRDrs 192/2023, mit folgendem

Beschlussantrag:

Die Trägerschaft für die Kindertagespflege wird ab 01.01.2024 an den Caritasverband für Stuttgart e. V. übertragen.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Herr Hardt nimmt wegen Befangenheit im Sinne von § 18 GemO an der Beratung und Abstimmung dieses Tagesordnungspunktes nicht teil.


BMin Fezer berichtet von einem längeren Prozess und bezieht sich dabei auf die GRDrs 368/2022 mit dem Beschluss einer neuen Ausschreibung. Nachdem der Beschluss mit den Ausschreibungskriterien gefasst worden sei, seien Interessensbekundungen um die Trägerschaft in der Kindertagespflege eingegangen. Mehrere Fachexpert*innen des Jugendamts haben die eingereichten Unterlagen sorgfältig und gewissenhaft geprüft, in der Bewertungsmatrix inhaltlicher Einschätzungen dokumentiert und bepunktet. Mit der heutigen Vorlage werde ein Vorschlag unterbreitet. Besonders bedeutsam seien für die Trägerauswahl die Ausführungen zur Weiterentwicklung eines Gewaltschutzkonzepts und die Darstellung der trägerinternen Qualitätsstandards gewesen. Das Jugendamt und der Jugendhilfeausschuss als Teil des Jugendamts seien in besonderer Verantwortung, was den Kinderschutz und die Umsetzung der neuen Standards angehe. Jüngst sei ihr durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover deutlich geworden, dass es eine abstrakte Kindeswohlgefährdung bei einer Kindertagespflege geben könne. In dem besagten Fall musste die Kindertagespflege geschlossen werden, da Regeln missachtet wurden. Auch habe der Jugendhilfeträger bei diesem Fall Vorgaben nicht hinreichend kontrolliert, wobei Regeln des KJSG nicht eingehalten worden sind. Das Jugendamt als Jugendhilfeträger wolle nicht dieselben Fehler begehen.

Der Beschlussvorschlag sei nicht leichtgefallen, da der jetzige Träger, der Tagesmütter und Pflegeeltern e. V. im Bereich der Kindertagespflege sehr gute Arbeit geleistet habe. Aus Sicht der Verwaltung sollte nach erfolgter Bewertung die Caritas den Zuschlag erhalten. Dieser Vorschlag ändere nichts an der Wertschätzung gegenüber dem Tagesmütter- und Pflegeelternverein Stuttgart. Im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen, die vom Jugendhilfeträger einzuhalten seien, sehe die Verwaltung das ganze Thema organisatorisch in besseren Händen bei der Caritas als bei dem Verein Tagesmütter und Pflegeeltern Stuttgart e. V. Die Vorteile seien in der Vorlage dargestellt.

StR Lazaridis (90/GRÜNE) weist darauf hin, dass der Rat den Auftrag eines Interessenbekundungsverfahrens hinsichtlich der zu übertragenden Dienste und Aufgaben in der Kindertagespflege auf nur einen Träger der Verwaltung gegeben habe, die Kindertagespflege zu begutachten und eine Entscheidung zu fällen. Die Trägervielfalt sei ein hohes Gut, allerdings unterstütze seine Fraktion den Vorschlag der Verwaltung. StRin Ripsam (CDU) bedauert, wie ihr Vorredner, die Übertragung der Trägerschaft ab dem Jahr 2024 auf einen alleinigen Träger, schließt sich allerdings dem Vorschlag der Verwaltung an. StRin Meergans (SPD) spricht auch von einem gewissen Unwohlsein gegenüber der zukünftigen Organisation, die alleinige Trägerschaft auf den Caritasverband Stuttgart zu übertragen. Allerdings erinnert auch sie an die Beauftragung der Fachverwaltung, ein Interessenbekundungsverfahren durchzuführen. Der Rat betont, dass er der Empfehlung der Fachverwaltung folgen werde, ihm aber die Entscheidung schwerfalle. Im weiteren Verlauf äußert der Rat seine Wertschätzung den Trägern gegenüber und bezeichnet die Arbeit als wichtige Stütze in der Kindertagesbetreuung in Stuttgart. Abschließend bitten viele Ausschussmitglieder die Fachverwaltung um Ideen und Vorschläge, wie es mit dem Verein Tagesmütter und Pflegeeltern e. V. weitergehen und wie die Stadt ihn unterstützen könne und wolle. Dazu erwarten die Ratsmitglieder Vorschläge von der Verwaltung zu den nächsten Haushaltsplanberatungen.

StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) äußert, er sei mit der Zusammenarbeit mit der Caritas als Träger sehr zufrieden, und dabei dankt er ausdrücklich den Tagesmüttern und -vätern des Vereins für die gute Arbeit der letzten 40 Jahre. Der Stadtrat betont den vor allem familiären Umgang zwischen dem Verein und den Tagesmüttern, die eine wichtige Stütze in der Arbeit war, die es nun aufzufangen gelte. Er sehe die Verwaltung und die Caritas in der Verantwortung, das "familiäre Netzwerk" aufrechtzuerhalten und die über 40-jährige gewachsene Expertise zu bewahren. Diese Ansicht teilt StRin Hübsch (PULS). Die 40-jährige gute Arbeit des Vereins bemerkt auch StRin Höh (FDP) lobenswert. Allerdings sei die Entscheidung getroffen und sie vertraue hierbei der Fachverwaltung. Wie ihre Vorredner*innen spricht sich StRin Höh für eine Unterstützung des Vereins aus.

Insgesamt gebe es 200 Tagespflege-Personen, wobei 100 dem Verein und 100 Personen auf die Caritas entfielen, informiert Frau Schulze. Die Aufgaben seien für beide Träger identisch, nämlich Tagespflege-Personen zu qualifizieren, zu unterstützen, zu beraten sowie zu überprüfen, wie die Tagespflege-Personen mit den Kindern arbeiten. Sie habe die Hoffnung, dass es in 2023 gelinge, in dem Übergangsprozess die Kindertagespflege-Personen bei den beiden Trägern vertrauensvoll zu begleiten, sodass keine Person die Pflege beendet. Mit einer weiteren Vorlage für die Haushaltsplanberatungen werden die Rahmenbedingungen für die Tagespflege-Personen verbessert, sodass sich gegebenenfalls die eine oder andere Person überlegt, ein weiteres Kind mit aufzunehmen.

Frau Preiß ergänzt im Namen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, sie bedaure sehr, dass es in Stuttgart einen Träger weniger gebe. Die Kriterien der Entscheidungsfindung und der Bepunktung hätte sie sich, wie auch StRin Meergans erwähnt habe, in der Vorlage gewünscht, damit die Entscheidung mitgetragen werden könne. Es wäre hilfreich für die Beschäftigten, einen Sozialplan vorzuhalten. Ob es einen Sozialplan geben werde, so Frau Schulze, könne sie nicht beantworten. Mit beiden Trägern werde es gemeinsame Gespräche geben.

Hinsichtlich der Begründung der Auswahlentscheidung verdeutlicht Herr Pohl, dass ein Verein von ehrenamtlichem Engagement getragen werde und dabei nicht qualitativ hochwertige Handbücher, Ablaufpläne und Checklisten vonseiten der Fachverwaltung erwartet werden können. An Herrn Pohl gewandt äußert die Vorsitzende, bei den Themen Kinderschutz und Qualitätssicherung sei die Fachverwaltung in engem Austausch mit allen Trägern - egal wie klein oder wie groß der Träger sei. Die Trägervielfalt charakterisiere die Jugendhilfelandschaft in der Stadt. Allerdings stelle das Kindeswohl am Ende das Wichtigste dar, das es prioritär zu erreichen gelte. Relevant bei den Bewerbungsunterlagen sei der Inhalt und welche Akzente gesetzt werden, so die Vorsitzende.

Das Jugendamt werde bereits morgen mit beiden Trägern das weitere Vorgehen gemeinsam abstimmen und den Unterstützungsbedarf zur Gestaltung des Übergangs konkretisieren. Die Entscheidung werde den Trägern transparent dargestellt. Die Fachverwaltung habe sehr mit sich gerungen und sich die Entscheidung nicht leichtgemacht, ergänzt die Vorsitzende. Der Tagesmütter- und Pflegeeltern-Verein habe gute Arbeit im Bereich der Beratung und Interessenvertretung von Pflegeeltern geleistet. Die Vorsitzende sagt zu, weiterhin im Gespräch zu bleiben und neue Perspektiven gemeinsam mit dem Verein zu erschließen. Die Vorsitzende wendet sich an den Tagesmütter- und Pflegeeltern-Verein und äußert, dass sich die Fachverwaltung freuen würde, gemeinsam mit dem Verein für die Jugendhilfe sich einzubringen.

In dem vor vier Jahren gestarteten "Pro Kindertagespflege"-Bundesprogramm, bei dem sich die größten Veränderungen im Bereich der Kindertagespflege ergeben hätten, so Frau Schulze, seien beide Träger vonseiten der Fachverwaltung intensiv unterstützt worden. Beide Träger hätten zusätzliche Personalressourcen erhalten, um in der Qualifizierung die kontinuierliche Kursbegleitung zu stemmen. Frau Schulze erörtert, die Fachverwaltung sei froh gewesen, dass sich beide Träger auf die 11-seitige Aufgabenbeschreibung umfangreich beworben haben. Sie dankt den Mitarbeiter*innen der beiden Träger, die sich große Mühe bei der Bewerbung um die Trägerschaft in der Kindertagespflege gemacht hätten. Die Verwaltung habe sich die Entscheidung zur Vergabe nicht leicht gemacht. Letztlich fiel die Entscheidung klar für die Tagesmütter-Börse der Caritas aus, ergänzt die Vorsitzende. Morgen werde in Einzelgesprächen die Entscheidung besprochen und die Frage gestellt, was der Verein für das gemeinsame Übergangsmanagement benötige. Die Vorsitzende bedankt sich für das Vertrauen des Rats, den Vorschlag der Fachverwaltung mitzutragen.

Frau Schulze betont die Gemeinsamkeit von Jugendamt und beiden Trägern, die in 2023 diese Arbeit gemeinsam durchführen und verantworten. Das gemeinsame Übergangsmanagement betreffe auch die Mitarbeiter*innen und die Geschäftsführung der Träger. Zur Vorlage erörtert Frau Schulze, beim Trägerauswahlverfahren habe sich die Fachverwaltung an anderen Trägerauswahlverfahren im Kita-Bereich orientiert. Hinsichtlich einer Perspektive des Vereins sehe die Fachverwaltung ein mögliches Themenfeld im Bereich Beratung, Information und Begleitung von Pflegeeltern. Falls gewünscht, unterstütze die Fachverwaltung die Begleitung und Lobbyarbeit für Pflegeeltern als gute Ergänzung zu den bestehenden Strukturen im Jugendamt.


BMin Fezer stellt fest:

Der Jugendhilfeausschuss beschließt bei 1 Enthaltung einstimmig wie beantragt.

zum Seitenanfang