Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
428
11
VerhandlungDrucksache:
797/2022
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 13.12.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Klemm th
Betreff: Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in Modulbauweise

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 09.12.2022, öffentlich, Nr. 201
Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 07.12.2022, GRDrs 797/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Dem Konzept zur Errichtung von wiederverwendbaren Wohnmodulen zur Flüchtlingsunterbringung auf temporär verfügbaren Grundstücken wird zugestimmt.
2. Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) wird beauftragt, die Modulbauten im Namen und auf Rechnung der Landeshauptstadt Stuttgart zu errichten. Die Verwaltung wird ermächtigt mit der SWSG eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen, sowie eine Generalvollmacht zu erteilen, welche die SWSG in die Lage versetzt, alle erforderlichen Maßnahmen entsprechend umzusetzen.
3. Den Gesamtkosten für die unter Ziffer 1 aufgeführten Modulbauten (insgesamt 66) inklusive Vergütung der SWSG, Planungsmittel und Erschließung mit Gesamtkosten von rd. 20,34 Mio. EUR wird zugestimmt. Hinzu kommen Ausstattungskosten in Höhe von insgesamt ca. 0,43 Mio. EUR. Insgesamt ist mit einem Finanzierungsmittelbedarf in Höhe von rd. 20,77 Mio. EUR zu rechnen.

4. Die Baukosten in Höhe von 20,34 Mio. € EUR brutto werden im Haushaltsjahr 2023 im Teilfinanzhaushalt 230 - Liegenschaftsamt, Projekt-Nr. 7.233128 - Flüchtlingsunterkünfte in Modularbauweise, Ausz.Gr. 7871 - Hochbaumaßnahmen, gedeckt.

5. Der konkrete Finanzierungsmittelbedarf wird im Nachtragshaushaltsplans 2023 berücksichtigt. Die Verwaltung wird aufgrund der Unabweisbarkeit der Maßnahme ermächtigt die notwendigen Verpflichtungen einzugehen.

Es sei einfach unfassbar, leitet BM Pätzold die Aussprache zu dem Tagesordnungspunkt (Top) ein, wie jemand auf die Idee kommen könne, dem Vorsitzenden eines Sportvereins anzudrohen, sein Haus anzuzünden. Gehe es doch darum, Geflüchteten eine Unterkunft und ein angemessenes Umfeld zu ermöglichen. Er finde es, so BM Pätzold weiter, sehr lobenswert, dass der Vorsitzende des Vereins SportKultur e. V., Herr Strobel, Rückgrat bewiesen und sich nicht einschüchtern lassen habe. Er unterstütze diese Haltung und meine, es könne nicht sein, dass solche Menschen unter Beschuss kämen. Gleichgültig, wer hier lebe und hierherkomme obliege den Rechtsstaatlichkeiten, der demokratischen Grundordnung und dem Grundgesetz und habe diese einzuhalten. Der Vorsitzende bezeichnet den gestrigen einstimmigen Beschluss der Vorlage durch den Bezirksbeirat Plieningen als "starkes Zeichen". Gleichwohl müsse man an der Kommunikation arbeiten, räumt er ein, wichtig sei jedoch die klare Haltung der Stadt Stuttgart - Hass, Hetze und rechtes Gedankengut hätten in der Stadt nichts zu suchen.

Einhellig und ausdrücklich wird den sehr klaren Worten Beifall gezollt. Alle Fraktionen bekunden ihre Zustimmung zu der Beschlussvorlage.

StR Peterhoff (90/GRÜNE) schließt sich diesem einführenden, wichtigen Signal des Bürgermeisters an. Auch sei er dem Sportverein für seine klare Haltung dankbar. Zudem betont er, es kursierten teilweise unwahre und schon widerlegte Gerüchte über den Wegfall von Spiel- und Fußballflächen. Außerdem gebe es mehrere Tranchen, mitnichten sei nur Hedelfingen betroffen. Seine Fraktion sei sehr entsetzt über die peinliche Kommentierung - das spiegele in keiner Weise die weltoffene Haltung der Stadt. Seit der Flüchtlingswelle 2015 sei man über alle Fraktionen hinweg mit der Stadtverwaltung und ihren damaligen Verantwortlichen immer einig und klar vorgegangen und habe es geschafft, über zahlreiche Tranchen hinweg den Stuttgarter Weg einzuhalten. Leider habe man im Lauf der Zeit auch größere Unterkünfte errichten müssen, um der großen Anzahl von Geflüchteten begegnen zu können. Es sei wirklich toll, dankt er den Stuttgarterinnen und Stuttgartern, dass sich jeweils bereits vor der Errichtung von Unterkünften ein Freundeskreis Flüchtlinge mit einer großen Menge an Ehrenamtlichen in der Stadt gefunden habe. Auch jetzt im Ukraine-Krieg habe man alle 8.000 Geflüchteten unterbringen können, 4.000 sogar in privaten Unterkünften. Wichtig sei in den nächsten Schritten eine gute Kommunikation des Stuttgarter Wegs. Dazu gehöre es auch, Präsenz zu zeigen - bedauerlicherweise seien die Verantwortlichen in der Verwaltung heute nicht anwesend. Er erwarte deren Präsenz und ein deutliches Signal in der heutigen Sitzung des Bezirksbeirats in Hedelfingen. StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) ergänzt, er vermisse eine klare, öffentliche Stellungnahme seitens OB Dr. Nopper. Der Stadtrat bekräftigt, rechtzeitige, korrekte Information und Kommunikation müssten die Grundlage jedes weiteren Vorgehens sein. Herr Zügel (LiegA) räumt ein, die Kommunikation sei verbesserungsfähig, und daran arbeite man.

Die Fraktion der CDU, äußert sich anschließend StRin Bulle-Schmid (CDU), könne den klaren Worten des Vorsitzenden und von StR Peterhoff folgen. Die Zeitungsberichte über die Vorfälle in Hedelfingen seien schockierend. Die persönlichen Drohungen seien ihr völlig unverständlich, zumal der Betroffene der Stadt helfe, ihrer gesetzlichen Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen, nachzukommen. Die Stadt nehme zudem gern Geflüchtete auf. Sie appelliere an die Dankbarkeit aller, dass man nicht in den Krieg involviert sei und finde ein Signal des Rats für die Unterstützung der Unterkünfte ebenso wichtig wie die Kommunikation gegenüber dem Stadtteil, dass nicht nur Männer in den Modulbauten untergebracht würden und den Menschen vor Ort damit Ängste zu nehmen. Sicher werde es BMin Dr. Sußmann und BM Fuhrmann in der heutigen Bezirksbeiratssitzung gelingen, ein positives Signal aus Hedelfingen in die Stadtgesellschaft zu senden. StR Pantisano gegenüber bestätigt Herr Zügel, es handle sich um Folgeunterbringungen für derzeit interimsweise untergebrachte Menschen. Es sei aber grundsätzlich nicht möglich, bescheidet der Leiter des Liegenschaftsamtes, den entsprechenden Vorschlag von StR Pantisano, in der Notfallkartei gelistete Personen in den zu errichtenden Modulbauten unterzubringen. Derzeit sei überhaupt nicht absehbar, wie sich die Zahlen angesichts der Kriegshandlungen und des Wintereinbruchs in der Ukraine zum Neuen Jahr entwickeln würden, zumal diese im Moment explodierten (33 bzw. 53 Ankömmlinge in den letzten zwei Tagen vs. zuvor 4 ankommende Personen pro Tag).

Auch StR Conzelmann (SPD) bekundet seine volle Solidarität für die Stellungnahme von Herrn Strobel. Damit spreche er auch für die Kolleginnen und Kollegen des Sportausschusses, schließlich erfülle der Sport eine große Integrationsaufgabe vor Ort.

Den vorherigen Wortmeldungen schließt sich StR Pantisano an und dankt Herrn Strobel für seine klare Haltung. Das zeige das Engagement der Menschen in Stuttgart in der Unterstützung von Geflüchteten. Bedauerlicherweise müsse er aus eigener Erfahrung die negativen Konsequenzen aus solchen rassistischen Drohungen bestätigen, die zudem meist einen Rückzug ins Private zur Folge hätten bzw. Menschen von ehrenamtlichem Engagement abhielten. Zudem habe es in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen (WA) am 09.12.2022 seiner Ansicht nach unglückliche Äußerungen dahingehend gegeben, ob nicht eher ukrainische Geflüchtete in Hedelfingen anstelle der syrischen unterkommen könnten. Man dürfe Flüchtlingsgruppen nicht gegeneinander ausspielen: Auch syrische Männer und Familien hätten ein Recht auf eine gute Unterkunft, und die seitherige, offene Handhabung der Stadt solle beibehalten werden.

In Deutschland und in einer weltoffenen Stadt wie Stuttgart müsse jede*r, die/der Schutz für sein Leben suche, Aufnahme finden, betont StR Serwani (FDP), und freut sich über den Stuttgarter Weg. Gleichwohl gebe es leider offensichtlich eine wachsende Zahl von "ewig Gestrigen", die ihrer Angst vor anders aussehenden Menschen Ausdruck verliehen. Hier helfe nicht nur eine frühzeitige Kommunikation, sondern auch die volle Härte des novellierten Gesetzes zur Ahndung von Drohanrufen gegenüber denjenigen, die Herrn Strobel einschlägig bedroht hätten. Hass und Hetze hätten in Stuttgart keinen Platz, hebt der Stadtrat hervor.

Allen vorherigen Äußerungen schließt sich StRin Köngeter (PULS) an.

Der in der öffentlichen Debatte angeschlagene Ton, so StR Schrade (FW), sei in keiner Weise gerechtfertigt und die entstandene Hysterie nicht angebracht.

StR Peterhoff begrüßt die nachhaltige, langfristig nutzbare Modulbauweise der Flüchtlingsunterkünfte. Es liege auf der Hand, so der Stadtrat, dass das Tempo bei der Errichtung von Unterkünften für Geflüchtete erhöht werden müsse, um dem gestiegenen Flächenbedarf nachkommen zu können. Die von SportKultur e. V. geforderten Kompensationsmaßnahmen für die entfallende bzw. eingeschränkte Nutzung der Flächen finde er legitim.

Die Fraktion der CDU, so StRin Bulle-Schmid, stehe klar hinter der Beschlussvorlage. Ihr gegenüber erläutert Herr Zügel, die Einrichtung einer Lärmschutzwand an der Amstetter Straße zum Schutz der Unterkünfte sei einerseits noch nicht entschieden, andererseits ständen diese näher an der Straße als das mehrstöckige benachbarte Wohnhaus. StRin Bulle-Schmid hatte zuvor hinterfragt, ob Letzteres nicht auch geschützt werden müsste.

Zu der Frage von StR Conzelmann nach der Übernahme der Erschließungskosten in Anbetracht der zeitlich befristeten städtischen Nutzung der Fläche in Hedelfingen erläutert Herr Zügel, neben den von dem Stadtrat erwähnten Strom- und Wasserkosten gehörten auch der Ausbau von Straßen sowie Infrastruktur-Einrichtungen zu einer Erschließung. Es werde zunächst eine interimsweise und rückbaubare Strom-, Gas- und Wasserversorgung installiert. Bei einer Folgenutzung müsse erneut verhandelt werden, vorerst könnten entstehende Kosten jedoch nicht abgerechnet werden. Die Fläche gehöre der Stadt zu einem Drittel, die restlichen zwei Drittel würden von der Stadt gepachtet.

StR Schrade hebt positiv hervor, die als eigene Wohnungen ausgestatteten Module seien sehr hochwertig im Vergleich zu früheren Unterkünften, was Herr Zügel bestätigt. Es handle sich bei den neuen Bauten um teurere Wohncontainer, die eine gute Aufenthaltsqualität ermöglichten. StR Schrade fährt fort, gleichwohl zeige die Gemengelage der Debatte den zunehmenden Mangel an geeigneten Flächen in der Stadt. Die Verwaltung sei hier aufgefordert, aufmerksam zu bleiben, und es müssten, so der Stadtrat mit Blick auf vorherige Diskussionen in der heutigen Ausschusssitzung, Bauflächen geschaffen werden. Er frage sich, ob die Stadtverwaltung grundsätzlich bereit sei, ggfs. vom Bezirksbeirat vorgeschlagene Alternativstandorte zu prüfen. Er betont zugleich, es spreche nichts gegen die drei in der Vorlage erwähnten Standorte. Herr Zügel verweist in dem Zusammenhang auf eine lange Liste weiterer zu prüfender Grundstücke, so z. B. in Plieningen die Prüfung einer Friedhofserweiterungsfläche. Nun wolle man aber zunächst die vorliegenden Vorschläge beschließen, um erst dann weitere Alternativen ins Auge zu fassen, damit keine weitere Zeit verlorengehe. Des Weiteren könnten die Modulbauten nach ihrer jetzt vorgesehenen Verwendung der Nutzung auf anderen Grundstücken zugeführt werden.

Nachdem keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, dankt der Vorsitzende den Fraktionen für ihre klare Haltung.


BM Pätzold stellt fest:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik stimmt dem Beschlussantrag einmütig zu.

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