Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Sicherheit/Ordnung und Sport
Gz: 4611-00
GRDrs 117/2021
Stuttgart,
03/08/2021


Stuttgarter Bewegungspass - erfolgreiches Modell der Motorikförderung



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
SportausschussKenntnisnahmeöffentlich23.03.2021

Bericht:


Hintergrund und Ausgangslage
Bewegung und körperliche Aktivität spielen für eine gesunde Entwicklung eine wesentliche Rolle. Während Bewegungsmangel viertgrößter Risikofaktor für die Gesundheit und im Zusammenhang mit der Entstehung verschiedener Zivilisationskrankheiten und einem vorzeitigen Versterben steht, gilt ein körperlich aktiver Lebensstil als umfassender Schutzfaktor für die Gesundheit. World Health Organization (2009): Global health risks. Mortality and burden of disease attributable to selected major risk factors. Geneva: World Health Organization.

Gemäß der WHO liegen die Empfehlungen hinsichtlich der körperlichen Aktivität für Kinder unter sechs Jahren bei mindestens 180 Minuten pro Tag. Nur rund ein Viertel der Mädchen und Jungen in Deutschland im Alter von 3 bis 17 Jahren erreichen die Mindestanforderungen von 60 Minuten moderater körperlicher Aktivität am Tag. In der Altersgruppe der drei- bis sechsjährigen bewegen sich weniger als die Hälfte aller Kinder mindestens 60 Minuten am Tag. Finger, J.; Varnaccia, G.; Borrmann, A.; Lange, C.; Mensink, G., (2018): Körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle2 und Trends. In: Journal of Health Monitoring (3), S. 24–31.

Gründe dafür sind unter anderem die zunehmende Technisierung und der steigende Medienkonsum die in einer gleichzeitigen Abnahme kindlicher Bewegungsräume, z. B. durch Nachverdichtung und zunehmenden Verkehr stehen. Zimmer, Renate (2012): Handbuch der Bewegungserziehung. Grundlagen für Ausbildung und pädagogische Praxis (Überarb. Und erw. Neuausg., 11. Aufl.). Freiburg im Breisgau: Herder.

In Folge dieser bewegungsarmen Entwicklungen können motorische Defizite bzw. Übergewicht und Adipositas entstehen. Daten für die frühkindliche Motorik in Stuttgart werden durch die Schuleingangsuntersuchung flächendeckend erhoben. Bei dem Screening der grobmotorischen Fähigkeiten wurde bei jedem vierten Kind eine Auffälligkeit festgestellt. Landeshauptstadt Stuttgart, Gesundheitsamt (2018): Kinder mit auffälligem Screening der Grobmotorik 2018. Online verfügbar unter https://statistik.stuttgart.de/statistiken/sozialmonitoring/atlas/Stadtteile/out/atlas.html, zuletzt geprüft am 01.02.2020


Der Stuttgarter Bewegungspass
Um alle Kinder, unabhängig sozialer Unterschiede zu erreichen, eignen sich zur Umsetzung von präventiven gesundheitsförderlichen Maßnahmen besonders Kindertageseinrichtungen. Hier setzt der Stuttgarter Bewegungspass an, der vom Amt für Sport und Bewegung der Landeshauptstadt Stuttgart als Programm zur Bewegungsförderung und Verbesserung der motorischen Basisfertigkeiten von Kindergartenkindern im Alter von zwei bis sieben Jahren entwickelt wurde. Das kitabasierte Bewegungsprogramm wird seit 2016 im Rahmen von „kitafit“ in Stuttgarter Kindertagesstätten umgesetzt. Mit den Haushaltsplanberatungen 2020/2021 wurden für die Umsetzung dauerhaft jährlich 35.000 Euro zu Verfügung gestellt.

Der Fokus bei der Umsetzung des Bewegungspasses liegt in der Qualifizierung der pädagogischen Fachkräfte bezüglich Bewegungsförderung und der Verbesserung der motorischen Fertigkeiten von Kindern im Vorschulalter. Die pädagogischen Fachkräfte werden dafür in einer eintägigen Schulung qualifiziert und erhalten zur Umsetzung eine Materialtasche, eine Spielesammlung sowie Bewegungspässe für die Kinder in ihrer Einrichtung (Abbildung 1).


Abbildung 1: Bewegungspass-Broschüre und Bewegungspass Materialien

In Stuttgart nehmen, Stand September 2019, 247 der insgesamt 575 Stuttgarter Kindertagesstätten teil. Insgesamt wurden bereits über 400 pädagogische Fachkräfte zertifiziert und über 30.000 Bewegungspässe an Stuttgarter Kindergartenkinder ausgegeben. Durch die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt, erhalten alle Kinder den Bewegungspass bei der Einschulungsuntersuchung. Außerdem findet der Bewegungspass Zugang in die Stuttgarter Sportvereine und wird für therapeutische Zwecke wie beispielsweise in der Adipositasprävention eingesetzt. Ziel ist die flächendeckende Einführung in allen Stuttgarter Kindertagesstätten sowie die kontinuierliche Verbesserung der Maßnahme und der Implementierung.

Nach Anfragen von Kitas, Vereinen und Gemeinden anderer Stadt- und Landkreise und einem Pilottransfer des Konzepts in den Zollernalbkreis, empfiehlt das Landesgesundheitsamt den Bewegungspass als gute Praxis der Gesundheitsförderung. Seit 2019 setzten außerdem der Landkreis Karlsruhe, Stadtkreis Karlsruhe, Landkreis Heilbronn sowie der Bodenseekreis das Konzept in ihren Kommunen um. Weitere Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg planen die Einführung oder zeigen Interesse an einem Transfer.


Gegenstand und Ziel der Evaluation des Stuttgarter Bewegungspass
Im September 2019 wurde eine flächendeckende Evaluation des Bewegungspass im Rahmen einer Masterarbeit durchgeführt. Die wissenschaftliche Studie untersuchte die Implementierung und Umsetzung des kommunalen Präventionskonzepts in Kindertageseinrichtungen in Stuttgart. Zentrales Ziel der Studie war es, Aufschlüsse darüber zu erhalten, wie die Kindertageseinrichtungen das Konzept und die Materialien des Bewegungspass bewerten, wie sie diese in ihrer praktischen Arbeit umsetzen (können) und welche konkreten Maßnahmen jeweils durchgeführt werden. Außerdem sollten hemmende Faktoren von bisher nicht teilnehmenden Einrichtungen festgestellt werden. Übergeordnetes Ziel war herauszuarbeiten, welche Rahmenbedingungen in der Kita zur erfolgreichen Umsetzung des Bewegungspass bestehen müssen.

Ergebnisse der Evaluation und Interpretation

1. Analyse der Verbreitung des Bewegungspass in Stuttgart
Im ersten Schritt wurden die teilnehmenden Einrichtungen im Hinblick auf ihre Einrichtungsmerkmale wie Trägerschaft sowie geografische Lage und den damit verbundenen Sozialindikatoren im Stadtteil analysiert.

1.1 Teilnahme nach Trägerschaft der Einrichtung
Die bundesweite Studie von Karing und Beelmann untersuchte 2019 die Präventionsarbeit in Kitas. Sie zeigt, dass die Einrichtungsmerkmale Trägerschaft und Einrichtungsgröße signifikant die präventiven Maßnahmen in Kindertageseinrichtungen mitbestimmen. Dabei steigt die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung von präventiven Maßnahmen der Gesundheitsförderung mit zunehmender Einrichtungsgröße sowie mit einer Trägerschaft bei öffentlichen Trägern. Die Evaluationsergebnisse in Stuttgart zeigen ebenfalls, dass die Teilnahme am Bewegungspass stark in Abhängigkeit der Trägerschaft variiert. Einrichtungen unter städtischer Trägerschaft nehmen am häufigsten am Bewegungsprogramm teil und haben zu 61,8 % (n=110) mindestens eine zertifizierte Fachkraft in der Einrichtung. In Kindertagesstätten unter Trägerschaft der Evangelischen Kirche sind nur in 27,9 % (n=29) der Einrichtungen Fachkräfte mit einer Zertifizierung für den Bewegungspass (Abbildung 2). Die Unterschiede der Mittelwerte in Abhängigkeit der Trägerschaft sind signifikant.

Abbildung 2: Anteil teilnehmender Einrichtungen nach Trägerschaft (n=575)
1.2 Teilnahme nach Cluster des Stadtteils in der die Einrichtung liegt
Nach Kuntz et al. (2018) leiden Kinder mit einem geringen sozioökonomischen Status besonders häufig unter Bewegungsarmut. Die Ausprägung der Sozialindikatoren werden in Stuttgart durch das Sozialamt ausgewertet und die Stadtteile entsprechender Ausprägung in Cluster eingeteilt. Die Cluster bezeichnen eine Gruppe von Stadtteilen, deren soziale Struktur ähnliche Merkmale aufweisen (Landeshauptstadt Stuttgart, 2018). Das Amt für Sport und Bewegung versucht den Bewegungspass gezielt in Kindertagesstätten der Stadtteile mit Clustertypen 6, 7 und 8 zu implementieren. Dabei handelt es sich um Stadtteile mit überdurchschnittlich bis stark überdurchschnittlichen Anteil an Menschen, die ALGII-, Sozialgeld- oder Bonuscard-berechtigt sind. In diesen Stadtteilen sind die Einwohner in mehreren Gruppen überdurchschnittlich bis stark überdurchschnittlich von Armut betroffen.

Betrachtet man die Verbreitung des Bewegungspass in den einzelnen Clustertypen ist die weiteste Verbreitung des Bewegungspass in den sozialschwächsten Clustertypen 7 (67,1 %, n=49) und 8 (50,0 %, n=15) festzustellen. Dagegen ist der Bewegungspass in den sozialstärkeren Clustern 2 und 3 mit nur einem Drittel der Kindertageseinrichtungen in den Stadtteilen wesentlich geringer verbreitet (Abbildung 3).


Abbildung 3: Anteil teilnehmender Einrichtungen nach Clustertyp der Einrichtungen (n=570)


1.3 Teilnahme nach Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund im Stadtteil
Karing und Beelmann zeigen in ihrer Studie weiterhin, dass der Migrationshintergrund der Kinder in einer Einrichtung signifikant die Umsetzung präventiver Maßnahmen mitbestimmt. Demnach steigen die Chancen der Umsetzung präventiver Maßnahmen in Einrichtungen ohne Kinder mit Migrationshintergrund. Der Sozialdatenatlas Kinder und Jugendliche der Landeshauptstadt Stuttgart (2018) gibt Auskunft über den Anteil der Kinder von drei bis sechs Jahren mit Migrationshintergrund in den Stuttgarter Stadtteilen. Im Durchschnitt liegt der Migrationsanteil der Altersgruppe der drei- bis sechsjährigen in Stuttgart bei 61,7 %. Betrachtet man Abbildung 4, wird deutlich, dass die Verbreitung des Bewegungspass in Stadtteilen mit überdurchschnittlichen Anteil an Migrationshintergrund am höchsten ist (54,9 %). Jedoch wird der Bewegungspass als präventive Maßnahme mit 28,6 % (n=4) der Einrichtungen in Stadtteilen mit deutlich überdurchschnittlichem Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund am wenigsten häufig eingesetzt.



Abbildung 4: Anteil teilnehmender Einrichtungen nach Migrationshintergrund im Stadtteil (n=569)

1.4 Teilnahme nach Anteil an Kindern mit Auffälligkeit der Grobmotorik im Stadtteil
Daten zur motorischen Leistungsfähigkeit werden jährlich im Rahmen der Eingangsschuluntersuchung (ESU) flächendeckend in ganz Stuttgart erhoben. Das Gesundheitsamt dokumentiert die Untersuchungsergebnisse und stellt diese im Rahmen des Sozialmonitorings zur Verfügung. Im Untersuchungsjahr 2017 zeigte etwa jedes vierte Kind (27,3 %) in Stuttgart eine Auffälligkeit bei der grobmotorischen Untersuchung (Landeshauptstadt Stuttgart, Gesundheitsamt, 2018). Deutliche Unterschiede der grobmotorischen Auffälligkeit gibt es zwischen den Stadtbezirken und Stadtteilen. Die Werte variieren dabei von 13,6 % Auffälligkeit im Stadtteil Hölderlinplatz bis 42,1 % Auffälligkeit im Stadtteil Muckensturm.

Betrachtet man den Anteil zertifizierter Einrichtungen und die Stadtgebiete nach der motorischen Auffälligkeit, steigt der Anteil am Bewegungspass teilnehmender Einrichtungen in den Stadtteilen mit einer höheren Auffälligkeit der Kinder fast linear an (Abbildung 5). In Stadtteilen mit einer Auffälligkeit der Grobmotorik unter 16,9 % ist in jeder vierten Einrichtung eine Fachkraft für den Bewegungspass zertifiziert (28,0 %, n=7). In Stadtteilen mit einer Auffälligkeit der Grobmotorik über 37,8 % sind in 57 % (n=26) der Einrichtungen Fachkräfte mit einer Zertifizierung für den Bewegungspass.


Abbildung 5: Anteil der teilnehmenden Einrichtungen nach Auffälligkeit der Grobmotorik im Stadtteil (n=536)

2. Akzeptanz, Programmumsetzung und Zielgruppenerreichung
Um Erkenntnisse zur Akzeptanz, Umsetzung und Zielgruppenorientierung zu erhalten, wurde eine Fragebogenerhebung unter allen Stuttgarter Kindertageseinrichtungen durchgeführt. Der Rücklauf betrug 42% (n=235), wobei mit 114 Einrichtungen knapp die Hälfte aller befragten Einrichtungen den Bewegungspass umsetzen.

2.1 Wie und in welcher Weise wird der Bewegungspass in den Einrichtungen praktisch umgesetzt?
Der Bewegungspass wird von einem Großteil der Befragungsteilnehmer regelmäßig (min. alle zwei Wochen) eingesetzt. Er wird dabei am häufigsten für angeleitete Bewegungsstunden und im Bewegungsraum verwendet. Weniger Einsatz findet er im freien Spiel, im Außenbereich, bei Ausflügen oder zur Rückmeldung der motorischen Fähigkeiten bei Entwicklungsgesprächen mit Eltern (Abbildung 6).

Abbildung 6: Einsatzzweck der Materialien (n=95-104)
2.2 Wie werden die Unterstützungsstrategien und Hilfen für die Umsetzung des Programms von den Fachkräften in den beteiligten Einrichtungen beurteilt?
Die Zufriedenheit mit den Bewegungspass Materialien und der Integration dieser in der Einrichtung ist bei einem Großteil der Befragungsteilnehmer hoch. Die höchste Zufriedenheit besteht mit der Bewegungspass-Broschüre (s. Abbildung 7). Aber auch bei den weiteren Materialien des Programms zeigt sich eine sehr hohe Zufriedenheit.


Abbildung 7: Zufriedenheit mit den Materialien (n=94-104)

Die Zufriedenheit mit der Betreuung, Konzeption und Integration des Konzepts ist durchgängig hoch. Die pädagogischen Fachkräfte bestätigen die Unterstützung des Bewegungspass bei ihrer praktischen Arbeit, insbesondere für die Umsetzung der Ziele des Orientierungsplans zum Thema „Körper“ sowie „Gesundheitsförderung“. Die Ergebnisse bestätigen außerdem eine gute Integration des Bewegungspass in den Einrichtungen unabhängig der Trägerschaft und deren pädagogischer Konzeption. Einzig die These, dass die Durchführung des Bewegungspass keinen Mehraufwand erfordert kann durch die Befragungsergebnisse nicht vollständig bestätigt werden. Siehe Abbildung 8.

Abbildung 8: Bewertung der Betreuung und Integration in die Einrichtung (n=98-106)

2.3 Wie kommt der Bewegungspass bei der Zielgruppe an und kann mithilfe des Programms das Verhalten der Zielgruppe positiv beeinflusst werden?
Fast alle Befragungsteilnehmer bestätigen, dass der Bewegungspass die Kinder in ihrer motorischen Entwicklung unterstützt und dabei auf eine große Akzeptanz der Kinder trifft. So attestieren die pädagogischen Fachkräfte, dass der Bewegungspass zu mehr Bewegung motiviert und die Vergabe der Sticker die Motivation die Fertigkeiten zu üben erhöht. Nach Ansicht der pädagogischen Fachkräfte wird der Bewegungspass größtenteils gut von den Eltern aufgenommen. Der Bewegungspass führt in den Einrichtungen außerdem häufig dazu, dass regelmäßig angeleitete Bewegungsstunden stattfinden. Dass der Bewegungspass die Fachkräfte dabei unterstützt, die Bewegungszeit in ihren Einrichtungen zu erhöhen, bestätigen dagegen nur etwas über die Hälfte aller Teilnehmer.

Abbildung 9: Einschätzung der Wirksamkeit und Akzeptanz (n=94-106)

2.4 Nachhaltigkeit
Die Befragungsergebnisse zeigen bei einem Großteil der Befragungsteilnehmer eine langfristige und nachhaltige Umsetzung des Bewegungspass. Fast dreiviertel aller Einrichtungen, die seit 2016 an einer Zertifizierung für den Bewegungspass teilgenommen haben, setzten den Bewegungspass zum Zeitpunkt der Befragung in der Einrichtung ein.
Gründe, warum der Bewegungspass nicht mehr umgesetzt wird, ist mehrheitlich das Ausscheiden der für den Bewegungspass zertifizierten Fachkraft (n=9, 36,0 %). Personalmangel und die Umsetzung des Bewegungspasses durch eine Kooperation werden jeweils von drei Einrichtungen genannt, ebenso wie die fehlende Passung zur Konzeption der Einrichtung.


Fazit und Ausblick
Die Ergebnisse zeigen eine weite Verbreitung des Bewegungspass in Stuttgart über Träger und Stadtbezirke, bzw. Stadtteile und deren sozioökonomischen sowie motorischen Merkmale hinweg. Die Befragungsteilnehmer bewerten den Bewegungspass überwiegend positiv und zeigen eine hohe Zufriedenheit mit dem Konzept, den Materialien und der Integration dieser in der Einrichtung. Der Einsatz des Bewegungspass und der Materialien erfolgt dabei regelmäßig, meist über mehrere Jahre, hauptsächlich für angeleitete Bewegungsstunden. Weiterhin geben die Fachkräfte an, dass der Bewegungspass die Kinder zu mehr Bewegung motiviert sowie unterstützt, die motorischen Fertigkeiten zu entwickeln. Diese subjektive Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte kann auch durch verbesserte Ergebnisse der Einschulungsuntersuchung in Stuttgart seit Einführung des Bewegungspass bestätigt werden. Der Bewegungspass ist in vielen Familien bekannt. Kinder wie Eltern zeigen eine hohe Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem Bewegungspass. Neben der Kita ist Bewegung in der Familie und ein bewegungsfreundliches Wohnumfeld elementar für ein gesundes Aufwachsen. Der Bewegungspass kann eine Brücke schlagen und auch in diesen Bereichen die Bewegungsförderung unterstützen.

Hinderliche Faktoren nicht teilnehmender Einrichtungen waren mehrheitlich ein eigenes Bewegungskonzept, bestehender Personalmangel bzw. der Wechsel der zertifizierten Fachkraft.

Die Ergebnisse sprechen dafür, dass der Bewegungspass grundsätzlich für jede Kindertageseinrichtung geeignet und umsetzbar ist und sein Ziel, einen Beitrag zur gesundheitlichen Chancengleichheit zu leisten, erfüllt. Der weitere Ausbau des Programms in Stuttgart ist ausgehend von den Evaluationsergebnissen sinnvoll. In den kommenden Jahren werden die Bemühungen zur weiteren flächendeckenden Umsetzung des Bewegungspasses darauf liegen, auch weitere nicht städtische Einrichtungen zu erreichen sowie noch mehr Kindertageseinrichtungen in Stadtteilen mit deutlich überdurchschnittlichen Migrationshintergrund. Bis 2025 sollen mindestens zwei Drittel aller Einrichtungen für den Bewegungspass zertifiziert sein.

Der Corona-Pandemie geschuldet, konnten im Jahr 2020 keine Qualifizierungsfortbildungen für den Bewegungspass durchgeführt werden. Aus diesem Grund wurde ein Konzept zur Online-Qualifizierung entwickelt, über das im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2022/2023 näher informiert wird.

Der dringende Bedarf für eine umfassende Bewegungsförderung wird durch die aktuelle Corona-Pandemie zusätzlich verschärft: Untersuchungen der WHO zeigen, dass im Vergleich vor Ausbruch der Corona-Pandemie, die körperliche Aktivität aller Menschen im Mittel um 31% gesunken, der Fernseh- und Medienkonsum hingegen um bis zu 66% gestiegen ist. Eine in Deutschland durchgeführte Studie stellt fest, dass die jeweiligen Lebensumstände großen Einfluss auf die körperliche Aktivität haben. Die meiste Bewegung hätten im Lockdown Kinder gehabt, die in einem Einfamilienhaus in einer kleinen Gemeinde leben. Junge Bewohner eines mehrstöckigen Hauses in der Großstadt seien am wenigsten aktiv gewesen. Grund dafür sind fehlende Bewegungsflächen im Wohnumfeld. Steffen C. E. Schmidt, Bastian Anedda, Alexander Burchartz, Ana Eichsteller, Simon Kolb, Carina Nigg, Claudia Niessner, Doris Oriwol1, Annette Worth & Alexander Woll (2020): Physical activity and screen time of children and adolescents before and during the COVID-19 lockdown in Germany: a natural experiment Eine Übertragung des Konzepts des Bewegungspasses in den öffentlichen Raum erscheint in diesem Zusammenhang sinnvoll und konnte an zwei Pilotstandorten in Stuttgart bereits erfolgreich realisiert werden. Fest installierte Bewegungspass-Geräte wurden erstmals 2019 in Uhlbach als Ergänzung eines bestehenden Spielplatzes eingebaut. Eine Aktivierung des öffentlichen Raumes konnte in Stammheim durch das Aufbringen von Bewegungspass-Bodenmarkierungen 2020 erreicht werden.

Eine weitere Übertragung des Konzepts ohne Einbauten oder Bodenmarkierungen kann durch „Drachenstarke Stadtteiltouren“ erreicht werden. Digitale Routen können Bewegungsmöglichkeiten im Stadtteil verbinden und Familien Impulse für Bewegungsfertigkeiten geben. Diese Routen werden aktuell entworfen und sollen spätestens im Frühjahr digital verfügbar sein. Ziel ist es, in jedem Stadtbezirk mindestens eine „Drachenstarke Stadtteilroute“ zu entwickeln sowie das Konzept der Bewegungspass-Geräte und Bodenmarkierungen weiter auszubauen.



Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Dr. Clemens Maier




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