Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik, Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
48
1
gemeinsame VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 22.02.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:BM Pätzold
Protokollführung: Frau Schmidt
Betreff: "Wohnungsbau in Stuttgart - Gesamtschau Instrumentarien und Strategien"
- mündlicher Bericht -

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll ist sie in Papierform angehängt.

Die Tagesordnungspunkte 1 "Wohnungsbau in Stuttgart - Gesamtschau Instrumentarien und Strategien" (mündlicher Bericht) und 2 "Zeitstufenliste Wohnen 2020 - Fortschreibung Potenziale für den Wohnungsbau in Stuttgart" (Kenntnisnahme der GRDrs 848/2021) werden gemeinsam aufgerufen. Die Aussprache ist unter NNr. 48 wiedergegeben.

Zu Beginn formuliert OB Dr. Nopper in seinem Statement die die Tagesordnungspunkte 1 und 2 anleitenden Fragen "Wie viele Wohnungen brauchen wir bis zum Jahr 2031?" und "Wie viele Wohnungen können und wollen wir in Stuttgart bis zum Jahr 2031 bauen und durch die städtische SWSG und Dritte bauen lassen?". Ihm sei vollumfänglich bewusst, dass Prognosen immer mit Vorsicht zu genießen seien. Bei aller Unsicherheit bleibe in Anbetracht der sehr langen Vorlaufzeiten beim Wohnungsbau aber nichts anderes übrig, als sich an Prognosen zu orientieren. Nach der von der Stadt durchgeführten Prognose ergebe sich bis zum Jahr 2032 als Mittelwert ein Bedarf von durchschnittlich 1.790 Wohneinheiten (WE) pro Jahr. Nach der Zeitstufenliste Wohnen (ZSL), die das Wohnungsbaupotenzial bis zum Jahr 2031 ausweise, könnten bis zu diesem Zeitpunkt 12.740 WE - also ca. 1.300 WE pro Jahr - entstehen. Dies seien knapp 500 WE weniger als die prognostizierten Bedarfe. Aus diesem Grund müssten im Interesse der Wohnungssuchenden alle Möglichkeiten für den Wohnungsbau ausgeschöpft werden, wie etwa bei der Innenentwicklung, der Nachverdichtung oder der infolge der Corona-Pandemie möglichen Umwandlung von Büro- in Wohnflächen. Zudem müssten die Vorhaben weiter beschleunigt werden; dies gelte insbesondere für Stuttgart Rosenstein, mit dem nach den bisherigen Planungen erst im Jahr 2031 - und wenn der Ergänzungsbahnhof käme, sogar noch später - begonnen werden könne. Die Bebauung über den Innenbereich hinaus sei für ihn die Ultima Ratio, wobei er jedoch davon ausgehe, daran nicht vorbeizukommen. Er rechne zumindest mit einer moderaten Entwicklung auf Arrondierungsflächen an den Bebauungsrändern bzw. der entsprechenden Vorbereitung dieser Flächen. Dies dürfe nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern entschieden werden, gegebenenfalls über einen Bürgerentscheid wie in Freiburg.

BM Pätzold berichtet im Sinne der Präsentation und gibt dazu folgende Ergänzungen:

- Folie 2: Über die Potenzialanalyse Wohnen (PAW) sei die Stadt nach Baumöglichkeiten im Siedlungsgebiet, Baulücken, Aufstockungen etc. "gescannt" worden. Die Zeitstufenliste Wohnen (ZSL) sei hingegen ein Instrument, in das Wohnbauflächen aufgenommen würden, die in der Entwicklung vorankommen. Szenario 1 bedeute die Abarbeitung der ZSL, Szenario 2 die Außenbereichsentwicklung und Szenario 3 die Arrondierung. Für Bedarfe und Sachstand gebe es eine gute Datengrundanlage anhand der drei Berichtsformen.
- Folie 3: Die Vormerkdatei steige an, gleichzeitig sinke die Zahl der Sozialmietwohnungen bzw. der Belegungsrechte, da diese zeitlich gebunden seien. Die Wohnungsbedarfsprognose müsse weiter beobachtet werden. So habe die Stadt zwischen 2019 und heute rund 11.000 Einwohner*innen verloren.
- Folie 4: Ende der 1990er-/Anfang der 2000er-Jahre sei eine Lücke aufgefahren worden, da der Wohnungsbau nicht mehr für notwendig erachtet worden sei (Abbildung links). Nach Lückenschluss sei in den letzten Jahren in Stuttgart und in der Region im Wohnungsbau zurückgefahren worden. Große Aufgabe sei nun, diesen wieder zu steigern und Potenziale schneller zu erhöhen.
- Folie 5: BM Pätzold betont die Wichtigkeit des Grundsatzbeschlusses Bodenpolitik (GRDrs 146/2021) und verweist auf die hohe Zahl an WE mit Bindung bei der SWSG, wodurch dauerhaft bezahlbarer Wohnraum gesichert werde.
- Folie 10: Speziell die Projekte der Nachverdichtung wolle man fördern, da dies oft im Bestand stattfinden könne und die Infrastruktur bereits vorhanden sei.
- Folie 15: Für die 16 ersten Flächen habe der Gemeinderat Personal bereitgestellt.
- Folie 20: Ziel sei grundsätzlich, die Potenziale möglichst effizient und dicht zu heben, um so viele WE wie möglich - insbesondere im bezahlbaren Wohnraum - umzusetzen.
- Folie 23: In den vergangenen Jahren sei viel Potenzial gehoben worden, aber wenig "nachgewachsen". Aufgrund der langen Vorlaufzeit müsse darauf geachtet werden, regelmäßig neue Potenziale nachzuschieben.
- Folie 27: BM Pätzold betont den langen Entwicklungszeitraum von 8 - 10 Jahren. Wohnungsbau sei eine Daueraufgabe und dürfe nicht vernachlässigt werden. Eine aufgefahrene Lücke merke die Stadt schmerzlich, weil sie nicht schnell geschlossen werden könne.
- Folie 28: Widerstände gegen Projekte dürften nicht von einer Entwicklung abhalten. Gegebenenfalls müsse es eine Mehrheit im Gemeinderat geben, die den Bau unterstütze.
- Folie 31: Auf das bestehende Delta zwischen Bedarf und Potenzial (roter Kasten unten rechts) weist der Referent besonders hin. Die Schwierigkeit liege im mehrfach angesprochenen langen Vorlauf bei Wohnbebauung. Wichtig sei, die 1. Tranche der PAW sowie die Potenziale der ZSL in die Entwicklung zu bringen.
- Folie 32: Ab 2032 sei der Bedarf noch nicht bekannt. Durch die Verschiebung der Gleisfreimachung mache sich das Potenzial von Rosenstein erst zu diesem Zeitpunkt bemerkbar. Es gebe zwar bereits die Fläche C1 im Rahmen der IBA, die aber nur ein kleiner Baustein sei. Um die Gesamtsumme von ca. 23.500 WE umzusetzen, müssten diese bereits heute auf den Weg gebracht werden.
- Folie 33: BM Pätzold betont die Wichtigkeit städtischer Bodenvorratspolitik, da auf eigenen Flächen schneller entwickelt werden könne. Aufgabe sei, den Wohnungsbau dauerhaft zu verstetigen.

Die nachfolgenden Redner*innen danken für die ausführliche Präsentation.

StRin Fischer (90/GRÜNE) erklärt, die Problemlagen und Handlungsfelder beim Wohnungsbau seien nun klar umrissen. Auch wenn im dritten Jahr ein Einwohnerrückgang zu verzeichnen sei, bleibe der Hunger nach einer guten Wohnraumversorgung erhalten. Stuttgart sei nach wie vor attraktiv, und die Kernaufgabe der Wohnraumversorgung bleibe bestehen, wobei der Schwerpunkt auf öffentlichem, gefördertem Wohnraum liege. Das bis vor zehn Jahren vorherrschende Desinteresse in Gemeinderat, Bund und Land am Bau von Sozialwohnungen habe zu einer langen Interessentenkartei geführt und die Zahl der Sozialwohnungen aufgrund des Entfalls aus der Bindung weiter reduziert. Diese Engstelle müsse aufgebrochen werden, weshalb ihre Fraktion die Auflage eines Bündnisses für Wohnen 2.0 beantragt habe (siehe Antrag Nr. 117/2021), dessen Beantwortung noch ausstehe.

Die Stadträtin führt weiter aus, mit der ZSL gebe es eine sehr transparente Übersicht. Bei privaten Flächen könne die Stadt als Moderatorin fungieren und Hilfestellungen geben. Die vom ehemaligen OB Kuhn angestrebten 1.800 WE seien über die Jahre umgesetzt worden; die von OB Dr. Nopper angestrebten 2.000 WE würden leider verfehlt, da die vor 20 Jahren von der Bahn gekauften Flächen in immer weitere Ferne rückten. Mit der Bebauung von Außenflächen, gegen die sich ihre Fraktion wehre, könnten die Lücken nicht gefüllt werden. Grundsätzlich seien die Kaltluftentstehungsgebiete für die Stadt sehr wichtig und müssten Bestand haben. Man könne nicht freitags im Ausschuss für Klima und Umwelt Klimaschutz betreiben und dienstags im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik "die Häuser in die freie Landschaft bauen". Die Wohnraumversorgung der aktuellen Generation müsse auf bereits versiegelten Flächen in der Innenentwicklung erfolgen, um einen Schutz vor Überhitzung zu gewährleisten. Freiflächen müssten für künftige Generationen erhalten bleiben, denn Boden an sich sei nach Bebauung nicht mehr für die Landwirtschaft rückholbar. Ackerflächen, Grünland, Streuobstwiesen, Hecken und andere Biotope nähmen zusätzlich Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf; Böden seien der zweitgrößte CO2-Speicher der Welt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimagerechtigkeit zeige einen klaren Zielkonflikt zwischen Versiegelung und Klimaschutz auf, weshalb sie OB Dr. Nopper und die Fraktionen auffordere, sich auf Szenario 1 zu konzentrieren.

Bei der Identifizierung von Handlungsfeldern benennt StRin Fischer zunächst den Einsatz von mehr Personal und mehr Anstrengung in der Aktivierung von Potenzialflächen. Außerdem müssten in Mischgebieten konsequent 20 % Wohnraum umgesetzt werden. Es gebe einige Flächen wie den UFA-Palast oder Flächen von Aldi, die der Stadt in naher Zukunft als Potenzial zufallen werden. Zusätzlich müsse mehr Kraft zum Schließen von Baulücken aufgebracht und den Eigentümern entsprechende Angebote gemacht werden. Als Beispiel nennt sie ein positives Projekt in Stammheim, bei dem die Eigentümer von Familienhäusern in Stammheim-Süd ein Erstzugriffsrecht auf neu erbaute Geschosswohnungen erhalten haben.

Abschließend formuliert sie die Fragen, ob die Verwaltung noch Potenzial sieht, den durchschnittlichen Dichtewert von 72 WE pro Hektar zu steigern und wo bezüglich des Baulandmobilisierungsgesetzes Handlungsfelder für die Innenentwicklung gesehen werden. Sie hege die Hoffnung, dass bei Flächen städtischer Unternehmen wie der SSB noch mehr Anstrengung investiert werde.

Für OB Dr. Nopper ist es völlig unstrittig, alle Potenziale der Innenentwicklung zu heben. Kernfrage bleibe, was geschehe, wenn diese Potenziale nicht ausreichten, wonach es heute aussehe.

In der heutigen "Sternstunde" des Rates müsse dieser die Probleme lösen, die in der Vergangenheit gesät worden seien, so StR Dr. Vetter (CDU). In den 1970er-Jahren habe es nahezu 630.000 Einwohner und 219.000 Wohnungen in Stuttgart, aber keine Diskussion über Wohnungsprobleme oder überhöhte Mieten gegeben. Für das Jahr 2018 seien 614.000 Einwohner und 313.000 Wohnungen ausgewiesen. Aus diesem Vergleich ergäben sich aus seiner Sicht verschiedene Ursachen. Eine Ursache liege in der Veränderung der Gesellschaft bezüglich ihrer Lebensform. Früher habe es mehr Mehrgenerationenhäuser gegeben, heute gebe es viel mehr Einfamilienhaushalte. Es bildeten sich Partnerschaften, die temporär mal die eine, mal die andere Wohnung nutzten, aber als Rückfallebene die eigene Wohnung aufrechterhielten. Jeder habe das Recht, selbstbestimmt zu leben. Allerdings stelle die Gesellschaft die Stadt vor Probleme, die gelöst werden müssten. Der Stadtrat vertritt die Meinung, die Politik trage an dieser Situation mit Verantwortung, denn das Links-Grüne-Mehrheitsbündnis im Rat verhindere seit 2009 die Ausweisung neuer Flächen und die Erhöhung der SIM-Quote. Diesbezüglich kritisiert er die Einkommensgrenze für den Anspruch auf eine Sozialmietwohnung, die sich in Stuttgart auf 52.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen (= 4.333 Euro/Monat) für einen Einpersonenhaushalt belaufe; andere Städte wie zum Beispiel München, Hamburg, Frankfurt oder Düsseldorf wiesen weitaus niedrigere Einkommensgrenzen zwischen 21.000 und 30.000 Euro auf.

In seinen weiteren Ausführungen geht StR Dr. Vetter auf die Details der Präsentation ein und thematisiert die ZSL, die für das Jahr 2020 nur noch 14.660 WE ausweise (Folie 22); in 2008 habe es noch über 22.000 WE gegeben. Die Verwaltung habe sich in der Frage der potenziell zu hebenden Wohnungen nun das erste Mal "ehrlich" gemacht und setze diese nun nur noch mit 50 % an. Es gebe zwar erfreulicherweise die PAW mit rund 18.300 WE, von denen der Großteil jedoch in privater Hand liege. Lediglich 13 % könnten auf Flächen der Stadt, des Landes oder des Bundes geschöpft werden. Er halte es für einen Irrglauben, dass Private das Wohnungsproblem in Stuttgart lösen könnten. Des Weiteren seien in der Bedarfsanalyse 1.790 WE/Jahr und demgegenüber 1.200 zu schöpfende WE/Jahr benannt worden, woraus sich ein Fehlbedarf von rund 500 WE/Jahr ergebe. Für die Lösung dieses Fehlbedarfs gebe es zum einen Möglichkeiten über die Nachverdichtung. Speziell dazu regt er einen Weg über die Änderung des Planrechts an, da es zahlreiche Bebauungspläne aus den 1950er-/1960er-Jahren gebe, die in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen worden seien und dringend überarbeitet werden müssten. Zum anderen regt er an, entlang der Infrastruktur Schiene nachzuverdichten oder zu arrondieren, um Menschen einfach von A nach B zu bringen. Mit Freude habe er in der Diskussion zur Bodenpolitik zur Kenntnis genommen, dass Außenentwicklung für die SPD durchaus wieder ein Thema sei, weshalb er gegenüber StR Körner das Angebot äußere, dafür bereitzustehen. In der Güterabwägung zwischen Klimaschutz und Wohnungsversorgung sei er nicht derselben Meinung wie StR Pantisano. Er bitte bis zur Sommerpause um eine Untersuchung, wie das Defizit von 500 WE/Jahr - auch im Rahmen von Arrondierungen, Lösungen im Außenbereich und mit Blick auf die Infrastruktur (Beispiel Rohrer Weg) - geschlossen werden könne.

Die Anwesenheit von OB Dr. Nopper in der heutigen Sitzung begrüßt StR Körner (SPD), der jedoch konkrete Aussagen vermisst. OB Dr. Nopper habe das mehrfach öffentlich kommunizierte Netto-Neubauziel von 2.000 WE/Jahr heute nicht in den Mund genommen. Auch von BM Pätzold erwarte er klare Äußerungen zum Ziel der Landeshauptstadt Stuttgart beim Wohnungsneubau. Neubauten bewegten sich in Stuttgart im historischen und im Städtevergleich auf einem sehr niedrigen Niveau; so seien in 2020 ca. 1.400 WE netto fertiggestellt worden. Gleichzeitig habe es zwischen 2010 und 2019 eine Zuwanderung von 50.000 Menschen gegeben. Mit Blick auf die Fraktion von 90/GRÜNE merkt er an, wer Menschen aufnehme und die Stadt attraktiv halten wolle, müsse auch mehr für den Wohnungsbau tun. Stuttgart sei mittlerweile die teuerste Metropole in ganz Deutschland. Normalverdiener könnten sich einen neuen Mietvertrag in der Stadt nicht mehr leisten; die Gentrifizierung schreite munter voran, ebenso die Stadtflucht. Diese Entwicklung lehne er mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt ab. Die städtische Fehlbedarfsprognose benenne für die letzten Jahre 7.000 WE; das vom Land in Auftrag gegebene Gutachten weise 13.000 WE auf. Er sehe mindestens einen Bedarf von 2.000 WE/Jahr; die Neubaupläne der ZSL hingegen liefen jedoch auf nur rund 1.000 WE/Jahr hinaus. An dieser Stelle erwarte er konkrete Aussagen der Stadtspitze, welches Ziel in den nächsten zehn Jahren angestrebt werde und wie die langen Planungsprozesse beschleunigt werden können. Das Statement von StRin Fischer habe er dergestalt verstanden, 1.000 WE/Jahr im Neubau seien insgesamt ausreichend. Gleichzeitig setzten sich 90/GRÜNE im Bund für 100.000 Sozialbauwohnungen/Jahr - also 1.200 WE in Stuttgart - mehr ein. Diese Argumentation sei nicht schlüssig.

StR Körner lenkt in seinen weiteren Ausführungen den Blick auf die enorme Steigerung der Nebenkosten um 1.000 - 2.000 Euro in diesem Jahr. Gleichzeitig dürften nicht bei der SWSG zum 01.07.2022 die Mieten um 6 % erhöht werden. Weil sich die Menschen das Wohnen in Stuttgart kaum noch leisten könnten, plädiert er für ein Mieten-Moratorium im Jahr 2022, das gleichzeitig Vorbild für andere Vermieter*innen sein müsse. Wichtig seien ebenso die Weiterführung des kommunalen Energiesparprogrammes, um die Warmmieten-Neutralität zu erreichen, und die kurzfristige Erhöhung des Wohngeldes. Die ZSL sei heute lediglich zur Kenntnisnahme vorgesehen, wobei er jedoch darum bitte, diese bis Juni/Juli zur Erreichung von 2.000 WE zu überarbeiten und zum Beschluss vorzusehen. Darüber hinaus benötige man eine Offensive für die Innenstadt und die Beschleunigung des Rosenstein-Quartiers durch den Beginn der Flächen A2 und A3 vor 2030. Es sei auch ökologisch nicht günstig, wenn WE im Umland - und dort häufig im Einfamilienhaus-Standard - entständen und die Menschen dann nach Stuttgart pendelten. Es sei klüger, auf der Markung Stuttgart in der Nähe von Arbeitsplätzen und Infrastruktur neue Wohnungen zu bauen. Dafür seien die Potenziale der ZSL mit 1.000 WE/Jahr jedoch nicht ausreichend. Gegenüber StR Pantisano moniert er, dieser lehne jede Außenentwicklung und viele Innenentwicklungsprojekte ab.

OB Dr. Nopper teilt die Einschätzung, dass Wohnen und Arbeiten wieder stärker zusammengeführt werden müssten. Für ihn sei der sich aus der städtischen Prognose ergebende Mittelwert von 1.790 WE ein Orientierungswert. Er habe darauf hingewiesen, alle Potenziale der Innenentwicklung noch intensiver auszuschöpfen, Projekte wie Rosenstein zu beschleunigen sowie die NeckarCity und Arrondierungsmaßnahmen zu überprüfen.

Für StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) ist das Bauen an sich Teil des Problems. Für die Lösungsfindung sei es wichtig, das Problem größer zu beschreiben, um Fehlschlüsse zu vermeiden. Wie StR Dr. Vetter richtigerweise bemerkt habe, gehe es nicht um zu viele Einwohner*innen und zu wenige Wohnungen. Es gehe vielmehr darum, dass die Instrumente zur Sicherung von bezahlbarem Wohnraum nicht wirkten. Großer Fehler sei 1990 die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit gewesen, womit das Thema Wohnen komplett dem Markt überlassen worden sei. Das Menschenrecht auf vernünftigen und bezahlbaren Wohnraum könne nicht über Angebot und Nachfrage geregelt werden, denn Boden sei kein vermehrbares Gut und ökologische Funktionen zerstörbar. Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum sei eine der drängendsten, denn sie führe zu Armut, Verdrängung und mehr Verkehr. Wenn pro Jahr 1.400 WE an bezahlbarem Wohnraum zur Verfügung ständen, wäre die Notfallkartei innerhalb von drei Jahren und innerhalb von zehn Jahren die Zahl von 8.000 Neubürger*innen "abgearbeitet". Wenn gebaut werde, müsse dies zu 100 % sozial (kein Eigentum) sein. Dafür müssten die SWSG und die Genossenschaften die tragende und alleinige Rolle übernehmen.

Mit Blick auf Bauflächen und Potenziale ist der Stadtrat der Meinung, in den kommenden zehn Jahren müsse die Stadt insgesamt "angefasst" werden, da man vor globalen Herausforderungen wie Klima- und Strukturwandel stehe. Er fordere eine fünffache Innenentwicklung, nämlich mehr WE, bessere grüne und öffentliche Räume, die Verkehrswende, mehr soziale und Versorgungsinfrastruktur und die Anpassung der Stadt an den Klimawandel. Dazu seien Vorschläge seitens der Verwaltung - erarbeitet von umfassenden Arbeitsgruppen - nötig. Die Kritik, seine Fraktion lehne sämtliche Vorhaben ab, weist er zurück, denn es handle sich lediglich um die Projekte Keltersiedlung und Hallschlag, mit denen ohnehin das Problem nicht gelöst werde. Ebenso dürften die Probleme eines zu klein geplanten Bahnhofes S21 nicht ihm angelastet werden, sondern den Verantwortlichen, die das Projekt unkritisch "durchgewunken" hätten.

Zu der von OB Dr. Nopper angesprochenen "Ultima Ratio" gehört für StR Neumann (FDP) auch das Thema Außenflächenentwicklung/Arrondierungen, wenn alle Optionen der Innenverdichtung ausgeschöpft seien. Für ihn sei angesichts des heute aufgezeigten Deltas nun der Zeitpunkt der "Ultima Ratio" gekommen. Er hege Zweifel an der PAW, die lediglich eine "Taube auf dem Dach" sei. Stattdessen müsse nun mit dem "Spatz in der Hand" gearbeitet werden, wie beispielsweise der von StR Dr. Vetter vorgeschlagenen Entwicklung an Infrastrukturpunkten in Stuttgart. Der Aspekt der Außenflächen sei viel zu emotional belegt. Er betont, es sei ökologisch unsinnig, Familien aus der Stadt "rauszutreiben", um in der Region Einfamilienhäuser zu bauen. Man dürfe sich nicht dem "Nimby" (Not in my backyard)-Prinzip hingeben.

In seinen weiteren Ausführungen geht StR Neumann auf die Potenziale ein, die überall bröckelten. Bei Stuttgart Rosenstein beispielsweise "grätsche" der Ergänzungsbahnhof hinein und verzögere die Entwicklung zusätzlich. Das Argument von StR Rockenbauch, Wohnen sei dem Markt überlassen worden, weist er zurück, denn es gebe heutzutage so viele Vorgaben wie noch nie, die das Bauen erschwerten. Zudem gebe es wesentlich mehr Bürgerbeteiligungen und Widerstände etwa gegen Verdichtung und Bodenbevorratung, wodurch das Nimby-Prinzip weiter befeuert werde. Dies werde in den Bezirksbeiräten insbesondere durch 90/GRÜNE betrieben. Durch dieses Verhalten seien die Zielvorgaben nicht erreichbar. Insofern begrüße er den Ansatz von StR Körner, zunächst das Ziel der Stadt Stuttgart zu formulieren und die Frage zu beantworten, ob man als Stadt wachsen wolle. Er vertritt die Meinung, die Stadt müsse sogar wachsen, um dem Transformationsprozess und der Gewinnung von Fachkräften zu begegnen. Auch wenn Stuttgart aktuell einige Einwohner verloren habe, bleibe der weltweite Megatrend des Zuzugs in Ballungsräume bestehen. Um die Attraktivität von Stuttgart zu erhalten, müsse das Thema Außenflächenerschließung mitdiskutiert werden. Ergänzend merkt er an, auch bei der Infrastrukturerschließung müssten andere Wege "gedacht" werden, wie die Ausweitung des Busverkehrs oder die Einrichtung einer Seilbahn.

StR Puttenat (PULS) stellt fest, dass alle Parteien mehr Wohnraum anstrebten, sich aber wieder und wieder "verhedderten" und nichts vorangehe. Seine Fraktionsgemeinschaft interessiere sich neben den bekannten Instrumenten v. a. für kreative und ungewöhnliche Potenziale, wie beispielsweise die von StR Kotz vorangetriebenen Containerlösungen. Er berichtet von Kontakten mit der Firma Aldi, die über der neu zu bauenden Filiale Deckerstraße 120 - 150 WE plane. Auch Rewe gehe in diese Konzeptionierung, wodurch im Schulterschluss zahlreiche WE entstehen könnten. Er möchte wissen, ob diese Kooperationen auch mit anderen Gewerben möglich seien. Neben Neubauten sind für den Stadtrat auch die Potenziale im Bestand wichtig, weshalb er weitere Informationen zu Leerständen erbittet. Dies gelte ebenso für pandemiebedingte Veränderungen hin zu mehr Homeoffice und dadurch freiwerdende Büroflächen.

Für StR Schrade (FW) sind die dargestellten Prognosen mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden. Durch Zu-/Wegzüge und wirtschaftliche Entwicklungen etc. könne der Bedarf nie genau definiert werden. Er könne StR Dr. Vetter zustimmen, dass im Jahr 2009 durch die Streichung von zehn in Vorbereitung befindlichen Baugebieten ein Paradigmenwechsel stattgefunden habe. Dadurch sei das Signal ausgesendet worden, Stuttgart sei "zu Ende entwickelt" und benötige diese WE nicht mehr. Konfliktpotenziale und Widerstände seien im Wohnungsbau normal, weshalb sich die Frage stelle, was die Bürgerschaft bereit sei mitzutragen. Darüber hinaus gehe es darum, die Qualitäten der Stadt zu erhalten und den Zielkonflikt zwischen Wohnungsbau und Klimaschutz zu lösen. Dafür sei die von OB Dr. Nopper und Verwaltung skizzierte Linie der Stadt "nicht die schlechteste", denn sie stelle einen guten Mittelweg dar. Er plädiere dementsprechend für eine moderate Außenentwicklung, die an den Bedarf angepasst sei. Die Wachstumsgrenze sei bis dato noch nicht erreicht. Wer sich für eine nur geringe Erhöhung des Wohnraumes ausspreche, müsse auch den daraus entstehenden Druck aushalten. Wie von StR Neumann dargestellt, werde Wohnungsbau heutzutage sehr stark reguliert. Abschließend lenkt StR Schrade den Blick auf Region und Land. Gegenüber StR Körner äußert er die Vermutung, viele Familien zögen bewusst aufs Land, da dort bessere Entfaltungsmöglichkeiten gegeben seien. Pendeln sei ebenfalls kein Argument, da es auch zahlreiche Auspendler gebe, die in Stuttgart wohnten und in der Region arbeiteten.

Die Präsentation von BM Pätzold verschafft StR Dr. Mayer (AfD) einen guten Ausblick und ist in der Lage, den Kurs der kommenden Jahre zu bestimmen. Es gebe viele widerstrebende Anforderungen und Ziele. Es sei Aufgabe der Stadt, für Wohnungsbau zu sorgen; die Frage sei, auf welche Art die Stadt dies tun solle. Sie könne selbst bauen, selbst alles kontrollieren, Bauunternehmen mit immer mehr Vorschriften überziehen oder darauf vertrauen, dass Experten ihre Sache gut machen werden. In der weiteren Überlegung müsse die Stadt Prioritäten beim Wohnungsbau setzen. Es müsse bewusst sein, dass man sich im Herzen einer der wichtigsten Industrieregionen in Europa befinde und das auch bleiben wolle. Dies bedeute im Umkehrschluss, Stuttgart sei kein Kurort oder ländliche Region und müsse den Bedingungen eines Wirtschaftsstandortes gerecht werden. Zudem stoße Innenverdichtung an natürliche Grenzen, wenn ein Mindestmaß an Lebensqualität auch in der Innenstadt erhalten werden solle. Somit komme man nicht umhin, nach außen zu erweitern. Der Stadtrat hält den sozialen Wohnungsbau für ein überholtes Modell; er präferiert stattdessen eine bedarfsabhängige Wohngeldregelung, was eine Verringerung von Bürokratie bedeute. Es könne auch im Mietwohnungsbestand - ohne Bindung an bestimmte Wohnungen - gefördert werden. Grundsätzlich sollten Vorschriften für den Wohnungsbau besser reduziert als ausgeweitet werden.

Zum Orientierungswert von durchschnittlich 1.790 zusätzlichen WE/Jahr nimmt OB Dr. Nopper Stellung, der betont, die Umstände hätten sich ausweislich der Prognose leicht verändert, und auf veränderte Verhältnisse sollte entsprechend reagiert werden. Er formuliert die Frage, ob Wohnen und Arbeiten wieder stärker zusammengeführt oder noch mehr getrennt werden sollten. In der Aussprache seien drei Punkte zum Tragen gekommen, wie die von StR Puttenat genannten Auswirkungen der Pandemie, die von StRin Fischer erfragten Reserven der Innenentwicklung und die von StR Rockenbauch angemahnten weiteren Instrumente.

Die Anmerkungen und Fragen der Ausschussmitglieder greift BM Pätzold auf und erklärt gegenüber StRin Fischer, es werde bereits mit erhöhten Dichten gearbeitet. Er erinnert beispielhaft an den NeckarPark, der von 450 WE auf 800 bzw. 950 WE angehoben worden sei. Dazu müssten das mögliche Bauvolumen und ein qualitätsvoller öffentlicher Raum beachtet werden. Durch eine höhere Dichte ergebe sich ein Mehrwert aufgrund besserer Nahversorgung, gutem ÖPNV-Anschluss und nahem Arbeitsplatz. Um eine Stadt der kurzen Wege zu ermöglichen, sei die Dichte etwa im Gebiet Rosenstein deutlich erhöht worden. Auch beim Schafhaus sei von 200 auf über 400 WE erhöht worden, und das Eiermann-Gelände werde ebenfalls als Wohnstandort entwickelt. Das von StR Dr. Vetter skizzierte gesellschaftliche Problem kann der Bau-Bürgermeister bestätigen. So habe es Mitte der 1960er-Jahre 25 Quadratmeter Wohnflächenbedarf pro Person gegeben, aktuell liege man bei rund 40 Quadratmetern und einem hohen Anteil (über 50 %) an Ein-Personen-Haushalten. Darauf müsse die Stadt reagieren und beispielsweise entlang der Verkehrsadern nachverdichten. Auch in der Region gebe es Wohnungsbau-Schwerpunkte an den zentralen ÖPNV-Knotenpunkten. Dazu sei die IBA ein gutes Werkzeug, die zeige, dass auch in der Region dicht und urban gebaut werden könne. Aus diesem Grund werde beispielsweise parallel zum vierten Betriebshof in Hausen Wohnbebauung geprüft, da dort der ÖPNV deutlich verbessert werde. Die Diskussion zur Seilbahn zeige das Spannungsfeld, in dem man sich befinde. Der ÖPNV müsse ausgebaut werden, um Wohnen und Arbeiten besser miteinander zu verbinden. Gleichzeitig müssten jedoch Wohnungen im nahen Umfeld umgesetzt werden. Ziel beim Gelände Rosenstein sei die schnellstmögliche Entwicklung - insbesondere der A2-Flächen -, was aber durch Gleisrückbau und Entwidmung limitiert werde. Eine Einschätzung des zeitlichen Horizontes könne heute noch nicht gegeben werden.

BM Pätzold verweist in seinen weiteren Ausführungen auf die Diskussion mit Land und neuem Landesbauministerium, wo Planungsprozesse verschlankt werden können. Er könne diesbezüglich jedoch nur wenig Hoffnung machen, denn eine gewisse Qualität und soziale Mischung müssten erhalten bleiben. Gegenüber StR Körner verweist er auf die in der ZSL dargestellten Optionen; derzeit könne auf die Schnelle keine Fläche gefunden werden, die kurzfristig weitere 500 WE/Jahr bringe. Wichtig sei der Hinweis, was heute auf den Weg gebracht werde, habe Auswirkungen auf die kommenden zehn Jahre. Die ZSL müsse auf weitere Bedarfe geprüft und die Potenziale gleichzeitig schnell "auf Baustelle" gebracht werden. Die von StR Neumann als "Taube auf dem Dach" gekennzeichnete PAW sei gleichzeitig Ansporn und betone die Wichtigkeit von privaten Eigentümer*innen bei der Lösung der Wohnraumproblematik. Bei ablehnenden Eigentümern könne das Bauland-Mobilisierungsgesetz mit einem Baugebot und Unterstützungsangeboten hilfreich sein, um Baulücken zu schließen. Der Wohnungsbau könne nur gemeinsam - mit Privaten, der SWSG und Baugenossenschaften - und über Förderung und Eigentum vorangebracht werden.

Die Auswirkungen des Homeoffice, so BM Pätzold weiter, seien noch nicht bekannt. Die Firmen seien noch unschlüssig darüber, ob und wie viele Büroflächen frei würden. Gleichzeitig könne mehr Homeoffice den Bedarf an Wohnraum (Stichwort: Arbeitszimmer) weiter steigern. Andererseits seien geteilte Büroräume in Wohngebieten denkbar. Die Verwaltung werde die weitere Entwicklung zu diesem Aspekt aufmerksam begleiten. Den von StR Schrade aufgeführten Zielkonflikten habe er nichts hinzuzufügen. In diesem Spannungsfeld müsse agiert und die Diskussion im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts geführt werden. Er betont, die Entwicklung von Potenzialen verursache stets Kosten; so rechne man im Vorfeld für Rosenstein mit 1 Mrd. Euro an Investition in Infrastruktur. Um auch die Potenziale der PAW zu heben, sei eine gesellschaftliche Akzeptanz der Nachverdichtung vonnöten. Er sei froh über die rege Diskussionsplattform zwischen Architektenkammer, Kommunen und dem Landesbauministerium mit dem Ziel, Wohnungsbau zügiger voranzubringen.

Die ZSL ist für StRin Schiener (90/GRÜNE) ein "Zahlenfeuerwerk". Forderungen und Schuldzuweisungen allein, wie sie von ihren Vorrednern vorgebracht worden seien, brächten jedoch keine Wohnungen. Ihre Partei habe vorausschauend erkannt, was es bedeute, wenn der Außenbereich bzw. die landwirtschaftlichen Flächen überbaut würden. Das von StR Neumann thematisierte "Nimby-Prinzip" sei ein Schlag ins Gesicht der Bürgerschaft, die seit Jahren den Erhalt der Freiflächen fordere. Es sei zwar ein Anstieg von 20 auf 40 Quadratmetern Wohnraum pro Person zu verzeichnen, aber beispielsweise die Stadt Hannover reagiere darauf mit einer Deckelung auf 30 - 35 Quadratmeter und stelle dafür fünf Hektar für gemeinschaftliche Wohnprojekte zur Verfügung. Es müsse nicht jeder ein Gäste- oder Arbeitszimmer vorhalten. Der gesellschaftliche Aspekt kommt der Stadträtin in der Diskussion zu kurz. Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, im Innenbereich zu reagieren, wie etwa die Aufnahme von Friedhofserweiterungsflächen oder Wohnungen im Ufa-Kino; auch die Einkaufsgewohnheiten befänden sich im Wandel. Sie plädiert dafür, die Gesetzgebung zu überarbeiten, um neue Möglichkeiten zu eröffnen, wie beispielsweise Kitas in der Nähe großer Arbeitsplatzstandorte.

StR Kotz (CDU) kann für andere Meinungen durchaus Verständnis aufbringen, plädiert aber dennoch für eine stärkere Verdichtung auf Stuttgarter Gemarkung und die Freihaltung von Flächen in der Region, da in Stuttgart die Infrastruktur bereits vorhanden sei, die in anderen Gebieten erst aufgebaut werden müsse. Er verweist auf den Grundsatzbeschluss zur Bodenvorratspolitik (siehe NNr. 30/2022 GR), der nur dann zum Tragen komme, wenn auch eine Planungsvorratspolitik betrieben werde. Es fahre nicht sofort der Bagger vor, wenn an den Rändern zur Arrondierung Planrecht geschaffen werde. Nachfolgende Generationen könnten dann entscheiden, ob diese Flächen letztendlich gebraucht würden oder nicht. Ein weiterer Aspekt sei die Langfristigkeit von Planungsprozessen in Stuttgart; im Vergleich mit anderen Städten sei die Landeshauptstadt definitiv zu langsam. Dies habe natürlich mit der Vielzahl der Bauprojekte zu tun, aber mit den Strukturen der letzten 20 oder 30 Jahre könnten zukünftige Vorhaben wie Rosenstein oder NeckarCity nicht mehr "gewuppt" werden. Er erwarte gerne einen Vorschlag der Verwaltung, wie darauf reagiert werden könne. Beispielhaft verweist er auf die Stadt Hamburg, die viele Aufgaben in eine Gesellschaft ausgegliedert habe, wodurch die Abläufe schneller vonstattengingen.

Mit dem aufgezeigten Mangel an 500 WE/Jahr in den nächsten zehn Jahren will sich StR Kotz nicht zufriedengeben. Diese Lücke müsse durch Möglichkeiten beim temporären und mobilen Wohnen geschlossen werden. Der Stadtrat berichtet über ein Gespräch mit dem Verein Adapter Stuttgart, der in alten Gewerbe- und Verwaltungsgebäuden modulares Wohnen installiert. Davon wünsche er sich schnell Beispiele in der Stadt, denn es gebe viele Menschen, die sich ein derartiges Wohnen vorstellen könnten. Ein anderes Beispiel seien Wohnkuben auf Stelzen, die über versiegelten Flächen wie Parkplätzen Raum finden könnten (Beispiel Parkplatz Inselbad). Gegenüber diesen Möglichkeiten sei die Haltung der Stadt bei Genehmigungen zu vorsichtig. Er erwarte eine klare Ansage, wie mit dieser Situation umgegangen werde, und ermuntere die Verwaltung, mehr zu wagen.

Am Ende der heutigen Diskussion dürfe nicht eine simple Kenntnisnahme stehen, mahnt StR Körner. Er stelle fest, OB Dr. Nopper habe sich von einem zentralen Wahlkampfversprechen bei den WE verabschiedet, "nämlich auf 1.800 brutto von 2.000 netto". Dies sei zwar nachvollziehbar, aber es sei nicht akzeptabel, von 1.800 WE/Jahr als Orientierungsgröße zu sprechen und gleichzeitig im entscheidenden Planwerk der Stadtspitze lediglich 1.160 WE/Jahr auszuweisen. Er fordert erneut einen Beschluss über die ZSL, so wie es früher ohnehin praktiziert worden sei. Gegenüber StRin Schiener merkt er an, es müsse transparent sein, wie der Gemeinderat zu den konkreten Flächen stehe. Er habe sich bemüht, auf Unterschiede und Widersprüche hinzuweisen. Die GR-Fraktion 90/GRÜNE lehne die größten Vorhaben aus ZSL und PAW ab. In der überarbeiteten ZSL müsse die von OB Dr. Nopper neu genannte Zielzahl von 1.800 WE realistisch hinterlegt und gleichzeitig ein Vorschlag zu dessen Erreichung gemacht werden. BM Pätzold habe dazu bereits 3.000 WE aus der PAW genannt; hinzugenommen werden könne das von StR Kotz genannte modulare Wohnen und aus der Sicht von StR Körner die Beschleunigung der Fläche A2 und Arrondierungen. Damit könnten 20.000 WE erreicht werden, die dann zur demokratischen Debatte gestellt würden. Er habe leider schon zu oft erlebt, dass bei jeder Diskussion der Wohnungsneubau als nachrangig betrachtet werde. Der Gemeinderat habe die Erhöhung des kommunalen Wohnungsbestandes von 20.000 auf 30.000 WE beschlossen, und es müsse benannt werden, wo diese zusätzlichen WE entstehen können.

Mit dem Vorschlag zu Überarbeitung und Beschluss der ZSL zeigt sich OB Dr. Nopper einverstanden.

StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) vertritt die Meinung, auch bei der SPD beständen Widersprüche. Er erinnert an den Verkauf von mehreren tausend LBBW-Wohnungen, die sich heute bei Vonovia befänden, sowie die lange Verantwortlichkeit der SPD für Wohnungspolitik im Bund. Mit Rosenstein werde eine Fläche diskutiert, die für die heutige Problemsituation keine Lösung darstelle. Parteien, die für Natur- und Umweltschutz kämpften und wertvollen Boden erhalten wollten, seien nicht dafür verantwortlich, wenn Familien die Stadt verließen. Dies seien diejenigen, die in großen Beständen Wohnungen besäßen und die Mieten ständig erhöhten. Ein weiterer Grund für den Wegzug von Familien sei der Mangel an Grünflächen. Auf die Frage, wie bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden könne, sei neu bauen nicht die Antwort, denn eine neu gebaute Wohnung sei - auch gefördert - immer teurer als eine bereits bestehende. Daher müsse Ziel sein, bereits bestehende geförderte Wohnungen zu erhalten. Als Beispiel nennt er die Wohnungen der Keltersiedlung, die von 6,50 Euro/Quadrat-meter im Bestand auf 12 Euro/Quadratmeter (gefördert) im Neubau anstiegen.

Der Stadtrat bestätigt den von StR Dr. Vetter angesprochenen gesellschaftlichen Wandel. So lebten beispielsweise in Stuttgart-West über 50 % der Menschen in Ein-Perso-nen-Haushalten, und viele der über 60-Jährigen, v. a. Frauen, bezahlten mehr als 40 %, teilweise über 50 % ihres Haushaltseinkommens oder der Rente für die Miete. Häufig lebten diese Menschen in viel zu großen Wohnungen, die sie gar nicht wollten. Man müsse sich daher Gedanken darüber machen, wie mit dem Bestand gearbeitet werde. Er schlägt vor, Bestandswohnungen umzubauen (Anbau, Aufstockung, nicht mehr verkaufen oder abreißen) oder Tauschprogramme aufzulegen, um die Mieten zu senken. Viele Parameter könnten von den Kommunen gar nicht gesetzt werden, aber man könne sich dafür einsetzen, auf Landes- und Bundesebene andere Rahmenbedingungen, wie einen bundesweiten Mietendeckel festzulegen.

Für OB Dr. Nopper ist eine Problemlösung allein durch den Bestand nicht ersichtlich.

Für eine stärkere Zusammenführung von Wohnen und Arbeiten spricht sich StRin Köngeter (PULS) aus, da sonst eine weitere Zunahme von Pendelverkehr generiert werde. Es bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen Arbeitsplätzen und benötigtem Wohnraum, aber die Stadt sei permanent mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze beschäftigt. Dies sei zwar verständlich, da dadurch wichtige Steuern für die Stadt generiert würden, gleichzeitig müsse aber auch entsprechender Wohnraum geschaffen werden. Das Thema gehe in der Tat "an die Wurzeln", jedoch sei eine Diskussion darüber erforderlich, wie viel Wirtschaft und Wohnen dem Umland noch "gegönnt" werde, wenn alles nach Stuttgart gezogen werde. Außerordentliche Zustimmung äußert sie zum Vorschlag von BM Pätzold zur Einrichtung von dezentralen Büroarbeitsplätzen in Wohngebieten. Viele Firmen wie Mahle, Daimler oder Allianz zentralisierten jedoch ihre Arbeitsplätze an einem Standort und generierten dadurch neue Wegstrecken, was diesem Ansatz entgegenstände. Mit Blick auf die Äußerungen von StR Pantisano kann sie sich der Forderung nach Reaktivierung von vorhandenen Potenzialen anschließen. Es müsse der Leerstand verringert und der vorhandene Wohnraum besser auf die Personen verteilt werden. Dadurch könnten WE schneller zur Verfügung gestellt werden als durch Neubau. Für sie gehe das Thema des bezahlbaren Wohnraums über das reine Bauen hinaus. Jeder Haushalt in Stuttgart müsse darüber informiert werden, dass die Möglichkeit eines Wohnungstausches bestehe. All diese Aspekte müssten Hand in Hand gehen und deutlich ausgebaut werden.

OB Dr. Nopper erklärt, es werde nicht die gesamte Wirtschaft in Stuttgart versammelt, man sei vielmehr damit beschäftigt, so viele Firmen wie möglich in Stuttgart zu halten. Als Beispiel nennt er das Unternehmen Wüstenrot & Württembergische, das demnächst ins Umland abwandere. Dem Vorschlag nach Reaktivierung könne er zustimmen.

Temporäre Bau-Ideen sind für StRin Fischer zwar charmant und im Einzelfall sinnvoll, eckten aber an das "durchaus ehrenwerte" Baurecht an. Für die Personen der Vormerkdatei würde dauerhafter, kein temporärer Wohnraum benötigt. 90/GRÜNE hätten mit ihrer Wohnungspolitik dafür gesorgt, dass in der Stadt durch Verdichtung viel mehr Wohnungen z. B. am Pragsattel, im NeckarPark und auf dem Eiermann-Gelände gebaut würden. Für die 1.120 WE aus Szenario 3 (Folie 18) gebe es Kompensation in der Innenstadt. Sie werde diese Frage bei der Fläche Galeria Kaufhof nochmals aufwerfen, um 20 % Wohnen zu realisieren. Die Stadt müsse es sich nicht antun, die Grün- und Freiflächen zu überbauen. Es sei nicht in Ordnung, die Landwirtschaft einfach abzutun, zumal viele Menschen mehr Nahversorgung begrüßten. Die von der SPD an die Verwaltung gestellte Forderung, sich auf 2.000 WE festzulegen, produziere am Ende nur weitere Enttäuschung, wenn diese nicht realisiert würden.

Gegenüber StR Kotz merkt BM Pätzold an, mobiles und temporäres Wohnen werde weiterverfolgt. Hilfreich seien dazu die Erfahrungen aus dem Projekt Prießnitzweg. Ebenso würden die Möglichkeiten bei Parkplätzen geprüft. Bei Flüchtlingsunterkünften bestehe die Notwendigkeit eines dauerhaften Erhalts. Das Baurecht sei zwar eine Hürde, dennoch solle so viel wie möglich umgesetzt werden. Leerstand gebe es weniger als gemeinhin vermutet. Manche Gebäude, die saniert würden, vermittelten den Eindruck des Leerstandes. Im Vorschlag des Umzuges sei "wenig Musik" enthalten.

StRin Köngeter kann ein gewisses Maß an Leerstand durch Sanierung oder Wohnungswechsel nachvollziehen. Es gebe allerdings viele Wohnungen, die über einen langen Zeitraum leer ständen, wie beispielsweise in der Bad Cannstatter Altstadt. Auf den Hinweis von BM Pätzold, diese Wohnungen zu melden, entgegnet die Stadträtin, es müsse ein Instrument entwickelt werden, um diese Eigentümer anzusprechen und zu informieren. Den Vorwurf der Enteignung weise sie entschieden zurück.

StR Rockenbauch betont, die Frage des Bedarfs müsse in der Diskussion ebenfalls bearbeitet werden. Es könnten nicht nur Potenziale beschlossen werden; vorrangig sei die Notfallkartei.

Dem Antrag von StR Körner (SPD) folgend stellt BM Pätzold fest:

Die Ausschüsse für Stadtentwicklung und Technik sowie für Wirtschaft und Wohnen haben vom mündlichen Bericht sowie vom Inhalt der GRDrs 848/2021 Kenntnis genommen. Sie wird nicht als vorberaten betrachtet. Es folgt eine weitere Vorlage, StR Körner geht hier von Juni/Juli aus, in der u. a. die Inhalte der Potenzialanalyse Wohnen enthalten sein werden, um diese entsprechend zu beschließen.
zum Seitenanfang