Protokoll: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
78
1
VerhandlungDrucksache:
564/2018
GZ:
StU
Sitzungstermin: 13.07.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:Herr Grund (BaurA)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Bericht zum Vollzug der Zweckentfremdungssatzung in 2017 und 2018 und Evaluation des Landes zum Zweckentfremdungsverbotsgesetz

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 22.06.2018, Nr. 62
Ergebnis: Vertagung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 26.06.2018, Nr. 271
Ergebnis: Zurückstellung

Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Städtebau und Umwelt vom 13.06.2018, GRDrs 564/2018. Sie ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Zunächst berichtet Herr Grund anhand einer Präsentation, die dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt ist. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt. Zu Folie 11 merkt er ergänzend an, die VGH-Entscheidung sei nicht veröffentlicht, auf Wunsch könne er sie den Mitgliedern des Ausschusses gerne zumailen.

Die Vertreter der Fraktionen danken für den Bericht.



Seine Fraktion bezweifle, so StR Rudolf (CDU), dass mit dieser Maßnahme auch nur ein kleiner Teil des Wohnungsproblems gelöst werden könne. Angesichts des immensen Aufwands sei dies der falsche Ansatz. Seine Fraktion habe sich zur Lösung des Problems bereits in der Generaldebatte Wohnen detailliert geäußert. Außerdem verweist er auf einen Antrag seiner Fraktion zur Wohnungsbauoffensive. Seine Fraktion hoffe, dass die fünf Jahre bald vorbei seien und die Regelung wieder korrigiert werden könne. Bei den Stuttgarter Hausbesitzern handle es sich um Schwaben, die eine Wohnung nicht ohne Grund leer stehen ließen. Deshalb halte seine Fraktion zusätzliche gesetzliche Vorgaben für ein falsches Zeichen und lehne eine Verschärfung des Gesetzes, wie sie OB Kuhn in der Generaldebatte vorgeschlagen habe, ab.

Dagegen sehe ihre Fraktion in der Zweckentfremdungssatzung ein wichtiges Instrument, um mehr Wohnraum zu schaffen, erklärt StRin Fischer (90/GRÜNE). Problematisch sei, dass das Gesetz in vielen Situationen nicht greife. Gerade bei den schwierigen Fällen sei das Eingriffsrecht oft nicht gegeben. Einige Punkte, z. B. in Bezug auf Airbnb, müssten auf Landesebene nachgebessert werden. Garantiemietverträge der Stadt, bei denen die Stadt quasi als Vermittlerin auftrete, befürworte ihre Fraktion, wolle hier aber noch einen Schritt weitergehen, indem die Stadt selbst als Mieterin Wohnungen anmiete und diese dann untervermiete. Hier verweist sie auf Antrag Nr. 163/2018 ihrer Fraktion (s. a. NNr. 79).

StR Lutz (SPD) betont den hohen Stellenwert, den Wohnen für seine Fraktion habe. Die Stadtgesellschaft habe die Pflicht, für Wohnraum zu sorgen. Der große Gewinn der Satzung liege in der Prävention. Er begrüßt die Beratungen. Wichtig wäre für seine Fraktion - und es sollte so beschlossen werden -, dass die aufgelisteten Punkte auch umgesetzt würden. Unter anderem müsse auch die Übergangszeit irgendwann beendet sein. Stuttgart sollte - wie andere Städte auch - unterhalb der Landesgesetzgebung eine Regelung mit Vermietungsportalen treffen. Er fragt nach der Berechnung der Ausgleichszahlung.

Ernüchternd findet StR Adler (SÖS-LINKE-PluS) die Bilanz. Dies liege u. a. an der unzureichenden Personalausstattung. OB Kuhn habe sich in der Generaldebatte für eine Nachschärfung des Instruments ausgesprochen. Stuttgart gehe hier nicht konsequent vor. Den Einwand der Fraktionen von CDU, Freien Wählern und nun auch der SPD gegen die Ahndung von Zweckentfremdung, weil dies die korrekten Vermieter verärgern würde, könne er nicht nachvollziehen. Er verweist auf Artikel 14 des Grundgesetzes, wonach Eigentum verpflichte und sein Gebrauch dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen habe. In München werde z. B. der Leerstand vor 2016 im Gegensatz zu Stuttgart nicht legalisiert. § 2 des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes (ZwEWG) für Baden-Württem-berg müsse deshalb klar und nicht interpretierbar gefasst werden. Freiburg habe diesen Paragrafen im Gegensatz zu Stuttgart offensiv interpretiert und so einen Prozess riskiert. Dieses Risiko gehe die Stadt Stuttgart an anderer Stelle ja durchaus auch ein. In seinen Augen sei es Aufgabe der Stadt, ihren Rechtsstandpunkt, den sie im Gesetz verankert sehen wolle, durch Rechtsprechung durchzusetzen. Ein richtiger Schritt sei auch, dass die Betreiber von Online-Plattformen wie Airbnb zur Auskunft verpflichtet werden sollen. Ziel sei dabei nicht, Bußgelder für die Stadt einzunehmen, sondern Leerstand und Zweckentfremdung zu vermeiden. Neben einer besseren Personalausstattung müsse die Definition von Leerstand in der Satzung überarbeitet werden. In Hamburg heiße es hier z. B. "Als Beginn des Leerstehenlassens von Wohnraum gilt grundsätzlich der Auszug des letzten Bewohners, bei Neubauten der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit". Man brauche in Stuttgart einen anderen Geist, der sich den Wohnungsuchenden verpflichtet fühle.

Nach Ansicht von StR Zaiß (FW) sollte das Zweckentfremdungsverbot wieder abgeschafft werden. In ein leer stehendes baufälliges Haus könne niemand einziehen. Er fragt nach der Mietdauer, wenn die Stadt ein solches Haus anmiete und renoviere. Darüber hinaus wirft er die Frage auf, ob in Anbetracht der Verpflichtung eine Obergrenze für die noch zulässige Wohnungsgröße festgelegt werden müsse. Wenn eine Wohnung nicht öffentlich gefördert sei, sollte es jedermanns Privatangelegenheit sein, was er damit mache.

Auch StRin Yüksel (FDP) sieht im Zweckentfremdungsverbot einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum, das verfassungsrechtlich geschützt sei. Der Bericht habe an der Auffassung ihrer Gruppierung nichts geändert. Die Effizienz der Satzung sei mehr als fraglich, zumal zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens leer stehender Wohnraum ohnehin ausgenommen sei.

Als falsches Instrument bezeichnet StR Klingler (BZS23) die Satzung. Natürlich brauche man Wohnungen, doch dies erreiche man eher, wenn z. B. die Baugenehmigung schneller erfolgen würde. Grundsätzlich sollte ein Eigentümer über sein Eigentum frei verfügen können. Außerdem sollte man sich fragen, warum die Eigentümer nicht vermieten wollten.

EBM Föll erklärt, dass die Verwaltung das Zweckentfremdungsverbot für richtig und erfolgreich erachte. Der Erfolg könne nicht nur daran gemessen werden, wie viele Wohnungen nachweislich nun wieder vermietet seien. Der Erfolg liege vor allem in der - nicht messbaren - präventiven Wirkung, die sich z. B. durch Beratung ergebe. Er betont, dass man keine gute Politik für Hauseigentümer mache, wenn man diese an den sehr wenigen schwarzen Schafen ausrichte. Die ganz überwiegende Zahl der Eigentümer verhalte sich korrekt, und an diesen sollte sich die Politik orientieren.

Gegenüber StR Adler führt er aus, die von diesem genannten 3.000 leer stehenden Wohnungen beinhalteten mit Sicherheit auch solche, die z. B. wegen Mieterwechsel oder Sanierung vorübergehend leer stünden. Dies sei jedoch für einen Wohnungsmarkt unabdingbar. Mit Blick auf das Landesgesetz macht er deutlich, dass die Verwaltung die Satzung nicht in rechtswidriger Art nachjustieren dürfe, selbst wenn sie dazu aufgefordert werde. Dagegen sei der von Herrn Grund geschilderte Nachjustierungsbedarf angemessen. In der Beratung könne man jedoch nicht alle Eigentümer überzeugen, für eine kleine Zahl hartnäckiger Eigentümer benötige man Eingriffsinstrumente, z. B. Bußgeld oder Vermietungsgebot. Dabei stellt er an StR Zaiß gewandt klar, dass selbstgenutztes Wohneigentum hiervon nicht betroffen sei. Ebenso spiele auch die Wohnfläche pro Kopf überhaupt keine Rolle.

Die Verwaltung wolle den in Antrag Nr. 163/2018 formulierten Gedanken in modifizierter Form aufgreifen. Es gebe in Stuttgart eine gewisse Zahl an Hauseigentümern, die aufgrund ihres Alters überfordert seien oder keinen Kredit mehr für eine Renovierung erhielten. Diesen wolle die Stadt ein freiwilliges Angebot machen, dergestalt, dass die Stadt eine Wohnung für einen festen Zeitraum anmiete, saniere und dann weitervermiete. Hierzu solle dem Gemeinderat im zweiten Halbjahr 2018 ein Programm zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Aber damit, so betont er ausdrücklich, erreiche man natürlich nur die Kooperationswilligen.

Abschließend stellt er Kenntnisnahme fest.
zum Seitenanfang