Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OBM
GRDrs 817/2013
Stuttgart,
09/05/2013



Willkommenszentrum für Neubürger in Stuttgart



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Internationaler Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Verwaltungsausschuss
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
19.09.2012
20.09.2013
25.09.2013



Beschlußantrag:

1. In Stuttgart soll zunächst in Form eines Pilotprojekts ein Willkommenszentrum für Neubürger sichtbar im Stadtzentrum als „Stuttgart-Haus“ eingerichtet werden. Nach einer Aufbauphase erfolgt die Pilotphase von Mitte Juli 2014 bis Dezember 2016. Mitte 2015 ist eine Evaluation vorgesehen.

2. Die Abteilung Integration wird beauftragt, in enger Kooperation mit den zuständigen Stellen ein Konzept zu erarbeiten und die Federführung für den Aufbau und die Begleitung des Zentrums zu übernehmen. Sie koordiniert ein trägerübergreifendes Netzwerk „Willkommen in Stuttgart“, bei dem die verschiedenen Akteure mit Haupt- und Ehrenamtlichen eingebunden werden. Über das Konzept wird vor Beginn der Aufbauphase berichtet.

3. Die LHS Stuttgart stellt für die Schaffung der räumlichen Infrastruktur jährlich 50.000 EUR zur Verfügung. Die Finanzierung erfolgt im Teilhaushalt 810 - Bürgermeisteramt, Amtsbereich 8107030 - Abteilung Integration, Kontengruppe 44310 - Geschäftsaufwendungen. Im Entwurf zum Doppelhaushalt 2014/2015 sind jeweils 50.000 EUR bereits berücksichtigt. Der voraussichtliche Bedarf an drei Stellen wird durch Drittmittel finanziert.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Ausgangslage

Bundesweit wird über eine Willkommenskultur diskutiert; einige Kommunen haben bereits Welcome-Center für Neubürger mit dem Fokus auf ausländische Fachkräfte eingerichtet (z.B. Hamburg mit etwa 10 Personalstellen).

In Stuttgart fehlt ein solches Willkommenszentrum, in dem alle Neubürger und auch potenzielle Neuzuwanderer (Fachkräfte, die nach Stuttgart ziehen wollen) Orientierung/Beratung zum Leben und Arbeiten bekommen können und bei Bedarf schnell an die richtigen Stellen weiter geleitet werden.

Die Einwohnerzahl Stuttgarts steigt seit einigen Jahren kontinuierlich. Dies ist unter anderem auf eine verstärkte Zuwanderung aus dem Ausland zurückzuführen. Im Jahr 2012 zogen 26.342 Deutsche und 22.447 Pass-Ausländer nach Stuttgart, davon kamen 16.587 aus dem Ausland. (Wegzüge im gleichen Zeitraum: 26.685 Deutsche und 16.585 Ausländer / Saldo: + 5.862, davon 3.909 Ausländer).

Durch die EU-Erweiterung und die schlechte wirtschaftliche Situation in manchen EU-Staaten wird vor allem die Zuwanderung aus dem europäischen Ausland in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Im ersten Halbjahr 2013 kamen bereits 5.350 Neuzuwanderer aus EU-Staaten nach Stuttgart (Wegzüge 3.495 / Saldo +1.855).

Auch die Zahlen der ausländischen Studierenden steigen. Im Sommersemester 2013 waren an der Uni Stuttgart 4.510 Ausländer eingeschrieben, darunter 3.498 Bildungsausländer (Personen, die ihre Hochschulberechtigung im Ausland erworben haben). An der Uni Hohenheim waren von den 1.115 ausländischen Studierenden 786 Bildungsausländer.

Allerdings verlassen viele ausländische Studierende Stuttgart nach ihrem Hochschulabschluss aufgrund verschiedener Probleme beim Übergang vom Studium in den Beruf. Hier verschenkt Stuttgart viele Ressourcen und Potenziale, die für den hiesigen Arbeitsmarkt genutzt werden könnten.

Unsere Wirtschaft sucht dringend Fachkräfte und wirbt gezielt im Ausland dafür (Ingenieure, Pflegekräfte). Auch die im Ausland angeworbenen Fachkräfte gilt es schnell zu integrieren und in Stuttgart längerfristig zu halten.


Die Notwendigkeit für ein zentrales Willkommenszentrum für Neubürger

Wer neu in Stuttgart ist, meldet sich in den dezentralen Bürgerbüros an, Drittstaatsangehörige sprechen zudem bei der Ausländerbehörde vor. Deren Mitarbeiter/innen haben weder die Zeit, auf detaillierte Fragen einzugehen, noch den Überblick über die vielfältigen Angebote und Dienste in Stuttgart.

Obwohl es ein umfassendes Beratungsangebot gibt (Sozialamt/Erstberatungs- und Clearingstelle und Fachstelle Migration, Migrationsdienste der freien Träger, Agentur für Arbeit, Hochschulen, Jugendamt, Gesundheitsamt, Schulbehörden etc.), verlieren Neuzuwanderer oftmals viel Zeit, bis sie die richtigen Ansprechpartner/ Beratungsstellen/ Angebote in Stuttgart finden. Nicht selten sind auch die Hemmschwellen gegenüber Behörden und Beratungsstellen hoch.

Das bestehende, insbesondere auch das bewährte dezentrale Beratungsangebot soll den Neubürgern durch eine zentrale Erstanlaufstelle schnell und passgenau zugänglich gemacht werden. Dieses neu zu schaffende Willkommenszentrum ersetzt somit nicht die vorhandenen Beratungsstellen und ist auch keine Beschwerdestelle für unzufriedene (Neu-)Bürger, sondern ein „Türöffner“ zum Bürgerservice und in die Bürgergesellschaft (Lotsenfunktion).

Für Neubürger aus dem Inland reichen in der Regel allgemeine Informationen aus. Größer ist der Beratungsbedarf für Zuwanderer aus dem Ausland. Erfahrungen aus Hamburg zeigen, dass etwa 80 % der Einzelfallberatungen von ausländischen Neuzuwanderern in Anspruch genommen werden (überwiegend in Englisch).

Das Willkommenszentrum ist somit eine Erstanlaufstelle für Studierende, Fachkräfte und Familien, die neu nach Stuttgart kommen, also in erster Linie für EU-Bürger und Drittstaatsangehörige. Aber auch den deutschen Neubürgern steht das Willkommenszentrum offen.

Vor allem ausländische Studierende haben vielfach kaum Kontakte außerhalb der Hochschule und somit auch keine sozialen Unterstützungsnetzwerke beim Übergang vom Studium in den Beruf. Aber auch Partner/Angehörige von neu zugewanderten Fachkräften benötigen oftmals Ansprechpartner und Lotsen.

Im Willkommenszentrum erfolgt eine Erstberatung und ein Lotsen zu Fachberatungsstellen bei allen Fragen bzgl. Studieren, Arbeiten, Deutschlernen, beruflicher Qualifizierung, Anerkennung von ausländischen Abschlüssen, Aufenthaltsrecht, Kita-Platz, Schule, Wohnen, Vereine, Kultur, Kontakte.

Angeboten werden:


Das Willkommenszentrum soll zentral und gut sichtbar in der Innenstadt angesiedelt sein. Von folgendem Raumbedarf ist auszugehen: großer Eingangsbereich, zwei bis vier Büros mit EDV-Arbeitsplätzen, ggf. Veranstaltungsraum. Voraussichtlich werden drei Stellen benötigt in Form von kostenneutralen Ermächtigungen, da durch Drittmittel finanziert.


Zeitplan für die Umsetzung

Nach Vorstellung des Konzepts sind in der Aufbauphase von Januar bis Juni 2014 folgende Aufgaben zu erledigen: Die Pilotphase soll von Juli 2014 bis Dezember 2016 dauern, Mitte 2015 erfolgt eine erste Evaluation.

Falls das Zentrum als Erfolgsmodell weitergeführt werden soll, bedarf es vor der Sommerpause 2015 einer Klärung der Anschlussfinanzierung in Form von Folgegesprächen mit Förderern sowie in welcher Höhe insgesamt Sachmittel für das Willkommenszentrum im Entwurf des Doppelhaushalts 2016/17 zu veranschlagen sind.


Kooperationspartner und Netzwerke

Bestehende Beratungsdienste werden aktiv eingebunden indem sie feste Sprechstunden im Stuttgart-Haus anbieten sowie Infoveranstaltungen organisieren:
Nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen bieten städtische Fachämter (Amt für öffentliche Ordnung/Abteilung Einwohnerwesen mit der Ausländerbehörde und den Bürgerbüros, verschiedene Dienste der Fachämter und der Bezirksämter, Jobcenter, Existenzgründerbüro der Wirtschaftsförderung u.a.) keine Dienstleistungen im zentralen Neubürgerservice an. Sie kooperieren aber eng und verbindlich mit dem Willkommenszentrum, soweit dies mit den vorhandenen Personalressourcen gestemmt werden kann.


Stand der Planungen

Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsakteure sowie Hochschulen befürworten klar die Einrichtung eines zentralen Neubürgerservices und möchten in diesem aktiv mitwirken.

Beim OB-Ratschlag Integration am 3. Juli 2013 im Rathaus haben sich auch weitere Akteure für die Einrichtung eines Willkommenszentrums ausgesprochen und ihre Mitarbeit angeboten (Migrationsdienste, Agentur für Arbeit, IQ-Beratungsstelle zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse der AWO). Sie können mit bestehenden Personalressourcen Sprechstunden an bestimmten Wochentagen anbieten sowie thematische Informations-Veranstaltungen mit eigenen Referenten organisieren.

Zudem wird die Bürgergesellschaft aktiv eingebunden: Migrantenkulturvereine insbesondere über das Forum der Kulturen, Unternehmerverbände und Religionsgemeinden der Migranten über die Abteilung Integration, Bürgervereine aus den Stadtbezirken über die Bezirksämter und die Stabsstelle Bürgerschaftliches Engagement. Weitere Bürgerinitiativen können sich mit diversen Angeboten beteiligen: Begleitung der Neuzugewanderten bei Behördengängen, thematische Stadtführungen, dezentrale Begegnungs- und Beteiligungsforen in den Stadtbezirken, Mitwirkung beim regelmäßigen Welcome Club für Neubürger und bei Informationsveranstaltungen für ausländische Studierende zu Semesterbeginn.

Die Robert Bosch Stiftung hat signalisiert, dass sie bereit wäre, eine Personalstelle für drei Jahre zu finanzieren.

Als weitere Förderer (Personal- und/oder Sachkosten) kommen in Betracht: Agentur für Arbeit, Kammern, Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (positive Signale), und ggf. weitere Förderer seitens der Wirtschaft.

Auch eine anteilige Finanzierung im Rahmen der Projektförderung durch das Integrationsministerium BW ist möglich. Die Abteilung Integration wird einen Antrag auf Fördergelder für eine halbe Personalstelle sowie für Sachmittel stellen.

Die Arbeit des Willkommenszentrums soll in der Pilotphase auch wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.


Mehrwert für die Stadt

In den letzten zehn Jahren lag der Fokus stark auf sozial eher benachteiligten Zuwanderergruppen. Die aktuelle Herausforderung ist es, auch gut qualifizierte Immigranten (ausländische Studierende, aus dem Ausland angeworbene Fachkräfte sowie EU-Neubürger und ihre Familien, die von sich aus zu uns kommen) mit bedarfsgerechten Maßnahmen beruflich und gesellschaftlich zu integrieren.

Laut dem Fachkräftemonitor der Industrie- und Handelskammern werden zwischen 2013 und 2030 allein in der Region Stuttgart 67.000 Fachkräfte fehlen. Fachkräftemangel bedeutet vielfach auch Verlust von bestehenden Arbeitsplätzen, da Aufträge zurückgehen oder Produktionen ausgelagert werden.

Angesichts der Problematik ist es unumgänglich, das gesamte Fachkräftepotenzial zu mobilisieren – neben den einheimischen Fachkräften auch das Potenzial außerhalb Deutschlands.

Ein Willkommenszentrum als Servicestelle für Neubürger ist dabei ein zentraler Baustein auf kommunaler Ebene neben weiteren notwendigen Maßnahmen, die tlw. auf Landes- und Bundesebene zu erfolgen haben.

Neben der Wirtschaft profitiert auch die Stadt von einem Zuwachs an Fachkräften und ihren Familien, im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs und durch zusätzliche Gesamtsteuereinnahmen pro Einwohner.

Laut der Haushaltsanalyse 2012 der IHK Region Stuttgart bekommt Stuttgart im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs in 2012 Schlüsselzuweisungen in Höhe von 570 Euro pro Einwohner. Beim positiven Bevölkerungssaldo von 5.822 in 2012 macht das über 3,3 Mio. Euro Mehreinnahmen für die Stadt.

Die Stuttgarter Gesamtsteuereinnahmen pro Einwohner liegen in 2012 bei 1.635 Euro. Bei zusätzlichen 5.800 Einwohnern sind dies nochmals etwa 9,5 Mio. Euro. Umgekehrt verliert die Stadt wichtige Ressourcen und Potenziale, wenn Fachkräfte wegziehen, wenn sie hier keine berufliche Perspektive entwickeln.

Aus integrationspolitischer Sicht ist es entscheidend, dass die geplanten Willkommensstrukturen (Willkommenszentrum als zentrale Erstberatungsstelle im engen Zusammenwirken mit dem Kooperationsnetzwerk der Fachstellen und mit Freiwilligen der Bürgergesellschaft) die vielfach propagierte Willkommenskultur konkret erfahrbar machen und fördern.

Die Willkommens- und Anerkennungskultur beschränkt sich nach dem Stuttgarter Kooperationsansatz nicht nur auf die Beschäftigten des künftigen Willkommenszentrums, sondern ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller beteiligten Institutionen sowie der Freiwilligen, die mit ihrem Engagement für ein weltoffenes Stuttgart als Heimat für alle stehen. Die Potenziale der international geprägten Zivilgesellschaft werden gezielt für die Erstintegration der Neu-Stuttgarterinnen und Neu-Stuttgarter eingesetzt.

Die Stärken der Abteilung Integration sind Aufbau und Koordinierung von breit aufgestellten Kooperationsnetzwerken mit starker Beteiligung verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure einschließlich der Migrantenorganisationen. Eine wichtige Rolle in diesem Netzwerk spielen auch die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsakteure aus der Stadt und aus der Region – nicht nur als Arbeitsvermittler und Arbeitgeber sondern auch als Mitgestalter verschiedener Serviceangebote im künftigen Willkommenszentrum oder bei anderen Veranstaltungen.

Somit entstehen unter dem gemeinsamen Leitziel einer gelungenen Erstintegration von Neubürgern zugleich neue und erweiterte Kooperationen zwischen Fachdiensten, Migrantenorganisationen, Kultureinrichtungen, etablierten Bürgervereinen, Hochschulen und der Wirtschaft - „Willkommen in Stuttgart“ als ein breit angelegtes gesamtstädtisches Partnerschaftsprojekt statt dem üblichen Nebeneinander von verschiedenen Zuständigkeiten.

Da wir kein exklusives Willkommenskonzept nur für die hoch qualifizierten Fachkräfte verfolgen, bekommen bspw. auch Flüchtlingskinder oder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Willkommensangebote: bedarfsgerechte Sprachförderung, kostenlose Teilhabe an Kultur oder Mitgliedschaft im Sportverein, Sozialpraktika etc. Die Abteilung Integration ist in der Lage, eventuelle Mehrkosten für solche zielgruppenspezifischen „Willkommenspakete“ aus eigenen Projektmitteln und über Sponsoren abzudecken.

Das Stuttgarter Modell, das kooperativ angelegt ist und bestehende, gut funktionierende Strukturen mit dem zentralen Neubürgerservice verbindet, könnte auf andere Großstädte in Baden-Württemberg und darüber hinaus übertragen werden.


Finanzielle Auswirkungen

Die drei Personalstellen für das Willkommenszentrum werden aus Drittmitteln (Wirtschaft, Stiftungen, Land/Bund) finanziert. Es handelt sich somit um kostenneutrale Ermächtigungen.

Der Aufbau des Willkommenszentrums wird durch vorhandenes Personal der Abteilung Integration und weiterer beteiligten Stellen unterstützt, die im Kooperationsnetzwerk „Willkommen in Stuttgart“ zusammenwirken.

Die Stadt Stuttgart stellt zur Schaffung der räumlichen Infrastruktur des Willkommenszentrums Mittel in Höhe von 50.000 EUR jährlich für das auf zunächst drei Jahre angelegte Projekt zur Verfügung. Im Entwurf zum Doppelhaushalt 2014/2015 sind bereits jeweils 50.000 EUR berücksichtigt.


Beteiligte Stellen

Die Referate WFB, AK und RSO haben die Vorlage mitgezeichnet.
Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.


Vorliegende Anträge/Anfragen

Antrag der SPD-Gemeinderatsfraktion Nr. 358/2013 vom 22.08.2013 "Praktizierte Willkommenskultur in Stuttgart: Ein Welcome-Center für alle Neubürger"

Erledigte Anträge/Anfragen

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Fritz Kuhn

Anlagen






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