Protokoll:
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
13
1
Verhandlung
Drucksache:
23/2020
GZ:
SWU
Sitzungstermin:
21.02.2020
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Fuhrmann
Berichterstattung:
Herr Bertram (ASW)
Protokollführung:
Frau Sabbagh
pö
Betreff:
Soziale Erhaltungssatzung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung für das Gebiet Nordbahnhof-, Mittnacht- und Rosensteinstraße in S-Nord
Evaluierung gemäß Auftrag aus der GRDrs 224/2012
Vorgang: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vom 11.02.2020, öffentlich, Nr. 49
Ergebnis: Kenntnisnahme
Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Referats Städtebau, Wohnen und Umwelt vom 22.01.2020, GRDrs 23/2020.
StRin
Fischer
(90/GRÜNE) begrüßt die Verlängerung. Sie bittet, den Umfang der genehmigungsfähigen Sanierungsmaßnahmen zu präzisieren. Beunruhigend sei in ihren Augen, dass auf Dauer eine einseitige Bevölkerungsentwicklung denkbar sei, da Mieterhöhungen auch ohne Modernisierung durchaus gängig seien. Bei Auslaufen der Satzung könne ein sehr hoher Nachholbedarf bestehen.
Die Vorlage mache deutlich, so StR
Mörseburg
(CDU), dass mit der Erhaltungssatzung nicht der ganz große Unterschied zum freien Markt durchgesetzt werden könne. Seine Fraktion sehe die Erhaltungssatzung im Hinblick auf das Eigentumsrecht eher kritisch. Sinnvoll sei eine solche Satzung im innenstadtnahen Nordbahnhofviertel.
Positiv bewertet StR
Adler
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), dass die Erhaltungssatzung ihren Zweck erfülle. Seine Fraktion habe sich schon immer für dieses Instrumentarium ausgesprochen. Die Tatsache, dass in vergleichbaren anderen Stadtteilen das Mietniveau im gleichen Zeitraum deutlich höhere Zuwächse verzeichnet habe, unterstütze die Forderung seiner Fraktion, das Instrument der Milieuschutzsatzung deutlich offensiver anzuwenden mit dem Ziel, perspektivisch 50 % des Stadtgebiets unter diesen Schutz zu stellen. Wenn auch die Wohnbevölkerung anderer Viertel mit solchen Instrumenten vor Verdrängung geschützt werde, träten die im Bericht dargelegten Segregationseffekte nicht auf. Einen überaus zögerlichen Umgang mit solchen Schutzinstrumenten, die nicht umsonst im BauGB enthalten seien, habe jedoch das Difu (Deutsches Institut für Urbanistik) der Stadt bereits vor zwei Jahren attestiert. Zur Umsetzung sei eine entsprechende Personalausstattung erforderlich. Gegenüber StR Mörseburg erklärt er, energetische Sanierungen würden durch Milieuschutzsatzungen nicht behindert oder ausgeschlossen. Insofern verhindere eine Milieuschutzsatzung nur Modernisierungen, die den Zweck verfolgten, diese Kosten auf die Mieterschaft abzuwälzen und Mieterhöhungen auf Dauer durchzusetzen.
StR
Conzelmann
(SPD) schließt sich weitestgehend seinem Vorredner an. Der Bericht bezeuge die Wirkung der Satzung. Die Gebiete müssten aber ausgeweitet werden. Mit der Satzung reagiere man auf die vorangegangenen Privatisierungen, indem man die größten Nachteile für die Mieterschaft abwende. Verdrängungseffekte und eine Art Ghettobildung könnten nur durch Ausweiten der Satzungsgebiete vermieden werden. Sanierungsrückstau könne in den Satzungsgebieten nicht vorkommen, da die Sanierung der Instandhaltung eines Gebäudes diene und nicht auf die Mieterschaft umlagefähig sei. Er regt an, eine Regelung in die Erhaltungssatzungen aufzunehmen, wie man mit Wohnungen im Satzungsgebiet verfahre, die während der Dauer der Erhaltungssatzung aus der Förderung fielen. Er hielte es für sinnvoll, wenn Eigentümer solcher Wohnungen sich um eine Bindungsverlängerung bemühten.
Ob Sanierung oder Modernisierung, für StR
Zaiß
(FW) geht es hier darum, was man in die Wohnungen investiere. Dies müsse bezahlt werden, und der Eigentümer werde dies immer irgendwo auf die Mieten umlegen. Andernfalls mache eine Modernisierung oder Sanierung keinen Sinn.
Zum Thema Sanierungen bestätigt Herr
Bertram,
eine Milieuschutzsatzung sei keine Sanierungsverhinderungssatzung. Im BauGB sei geregelt, dass eine Umsetzung der jeweils gültigen energetischen Standards nach der EnEV genehmigt werden müsse. Im Nordbahnhofviertel sehe man hiervon nicht allzu viel, weil diese Siedlung seit 1988 als Gesamtanlage unter Denkmalschutz stehe und an den Fassaden keine Änderungen vorgenommen werden dürften. Modernisierungen müssten sich also auf den Innenbereich beschränken.
Zur Frage, was zulässig sei, zitiert er aus dem Infobogen für Eigentümer: Waschbecken, Dusche, Badewanne, halbhohe Fliesen. Nicht zulässig: Dusche
und
Badewanne, hochwertige Sanitärausstattung mit Eckbadewanne, Whirlpool oder Bidet. In der Küche dürften Herd und/oder Spüle zur Verfügung gestellt werden, nicht jedoch eine Einbauküche. Zulässige Bodenbeläge seien Laminat, Teppichboden, Linoleum oder vergleichbare Qualität, nicht zulässig seien Parkett, Natursteinfliesen oder gleichwertige Alternativen. Eine Zentralheizung sei zulässig, nicht jedoch Fußbodenheizung, zusätzliche Kachelöfen und offene Kamine. Eine zeitgemäße Elektroinstallation, ausreichende belastbare Anschlüsse seien zulässig, nicht zulässig seien automatische Steuerungstechniken. Handbetriebene Rollläden seien zulässig, nicht aber elektrische. Bei Wohnungen ab 70 m² dürfe ein Balkon mit mehr als 4 m² angebaut werden. Gegensprechanlagen und elektrische Türöffner seien zulässig, Videosprechanlagen nicht. Er fasst zusammen, zulässig sei der ganz normale aktuelle Standard.
In Bezug auf Mieterhöhungen und Sanierungsstau erklärt er, die Verwaltung hoffe, dass die Mietpreisbremse in einer gesetzlich zulässigen Fassung demnächst wieder installiert werde. Insofern sei auch im ehemaligen Milieuschutzgebiet nur das laut dem Infobogen Zulässige zulässig. Dies ziehe gegebenenfalls Mieterhöhungen nach sich. Allerdings könnten diese auch aktuell schon zulässig sein. Modernisierungen bis zum aktuellen Standard könnten auch während der Satzungsdauer auf die Mieten umgelegt werden. Sollten bis zum Auslaufen der Satzung neue Erkenntnisse vorliegen, müsse man prüfen, wie man damit umgehe und mit welchen gesetzlichen Instrumenten man gegebenenfalls gegensteuern könne. Dies könne im Zusammenhang mit einer Beschlussvorlage zur Verlängerung der Satzung diskutiert werden.
Insgesamt handle es sich um 182 Wohngebäude mit 1.481 Wohneinheiten.
Bezüglich der Ausweitung der Gebiete und der personellen Ausstattung müsse zwischen seiner Abteilung - Stadterneuerung und Wohnbauentwicklung - und der Abteilung Wohnen unterschieden werden. Seine Abteilung sei für die Satzungsvorbereitung und die Erhebung der Voraussetzungen im Rahmen vorbereitender Untersuchungen zuständig und könne hier etwa zwei Gebiete/Jahr abarbeiten. Problematisch verhalte es sich in der Abteilung Wohnen, die bereits über die Maßen ausgelastet sei. Hier werde mit Sicherheit personell nachgerüstet werden müssen. Falls die drei aktuell untersuchten Gebiete zur Satzung beschlossen würden, benötige man sofort mehr Personal. Grundsätzlich sei das Gebiet am Nordbahnhof mit einem großen Player, der sich mit den Formalien auskenne, sehr viel einfacher zu handhaben als die drei anderen Gebiete, in denen es einen erheblichen Anteil an Streubesitz gebe, wodurch Beratungsleistungen für Einzeleigentümer erforderlich würden. Hierfür müsse das Personal in der Abteilung Wohnen unbedingt aufgestockt werden.
Die Bindungsverlängerung geförderter Wohnungen lasse sich mit der Milieuschutzsatzung nicht umsetzen. Hier müsse man beim Auslaufen der Bindung auf die Eigentümer zugehen und versuchen, sie zu einer freiwilligen Verlängerung zu motivieren.
Zu den Wegzügen gebe es zwar Zahlen, aber keine Erhebungen, was die Gründe anbelange.
BM
Fuhrmann
merkt gegenüber StR Adler an, er teile dessen Ansicht, dass man mit Blick auf die SWSG die Tatsache, dass die Mieten bei der LBG nach einer Sanierung dennoch nur bei 6,60 €/m² lägen, selbstkritisch beurteilen müsse. Er warne aber davor, nur auf die Zahl zu schauen, da es im Einzelfall auf die Sanierungsmaßnahme ankomme. In der Vorlage sei die Rede von 16 Wohnungen mit moderaten Maßnahmen. Er stellt abschließend fest:
Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen hat von der GRDrs 23/2020
Kenntnis genommen.
Zur Beurkundung
Sabbagh / pö
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