Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 94/2023
Stuttgart,
03/13/2023


Förderprogramm "Nahversorgung konkret"
- Nahversorgungssituation in Stuttgart, durchgeführte und geplante Fördermaßnahmen und geplante Ausrichtung des Förderprogramms




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
02.05.2023
05.05.2023

Bericht:



Hintergrund und Zielsetzung des Förderprogramms

Die Landeshauptstadt Stuttgart unterstützt im Rahmen des gesamtstädtischen Förderprogramms Nahversorgung konkret seit 2016 den kleinteiligen Lebensmitteleinzelhandel und somit die wohnungsnahe Grundversorgung in ihren Stadtquartieren. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Arbeitsmarkt- bzw. SGB-geförderten Lebensmittelmärkten (CAP und Bonus) an den herkömmlichen, großflächigen Lebensmitteleinzelhandel nicht-rentablen Standorten.

Der Gemeinderat hat auch für den Doppelhaushalt 2022/23 wieder 100.000 EUR für das Förderprogramm Nahversorgung konkret zur Verfügung gestellt. Nach wie vor werden die Mittel dafür genutzt, die Nahversorgung an einzelnen Standorten mit besonders prekären Nahversorgungsstrukturen durch gezielte Investitionen in die Ladeninfrastruktur sowie besondere Beratungsangebote zu sichern und zu stärken. Immer häufiger werden auch alternative bzw. neue Marktkonzepte wie Mini-SB-Märkte, automatisierte Minimärkte oder Regiomaten als Bausteine der Nahversorgung geprüft, ebenso wie mobile Versorgungskonzepte (Verkaufswagen, Wochenmärkte, etc.).

Als wichtiges Kriterium für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des Förderprogramms Nahversorgung konkret gelten die Defiziträume. Darunter werden nicht-versorgte, strukturell unterversorgte oder in ihrer Versorgung gefährdete Standorte im Stadtgebiet verstanden. Konkret gelten als Defizitraum Teilräume des Stuttgarter Stadtgebiets, die im Umkreis von 500 m (fußläufige Erreichbarkeit) keinen Lebensmittelmarkt mit mehr als 200 m² Verkaufsfläche aufweisen.

Nahversorgungssituation in Stuttgart und Einflussmöglichkeiten der LHS

Der fortschreitende Strukturwandel im Einzelhandel, der auch die Lebensmittelbranche zunehmend verändert, hat in den letzten Jahren zu einer Vergrößerung der Anzahl und der Ausdehnung unterversorgter Teilräume im Stadtgebiet geführt. Entwicklungen, die hierbei eine maßgebliche Rolle spielen, sind u. a. die zunehmende Konkurrenz durch den Online- und Versandhandel, der allgemeine Trend hin zur Konzentration (d. h. es gibt immer weniger, aber größere Märkte) sowie Veränderungen im Einkaufsverhalten der Kunden. Erschwerend hinzu kommen vielerorts altersbedingte Betriebsaufgaben, Personalmangel und fehlende Nachfolger. Die jüngsten Folgen der Corona-Pandemie sowie die massiven Preissteigerungen im Lebensmittel- und Energiebereich haben auch in der Lebensmittelbranche, insbesondere auch im energieintensiven Lebensmittelhandwerk, sichtbare Spuren hinterlassen.

Zur Nahversorgung im weiteren Sinne zählen insbesondere Bank- und Postdienstleistungen, aber auch Apotheken, Ärzte sowie andere Einrichtungen des täglichen Bedarfs. Rationalisierungs- und Konzentrationsmaßnahmen führen auch in diesen Branchen zu Versorgungslücken in den Stadtteilen.

Eine Entspannung der Situation oder gar eine Umkehrung des derzeitigen Trends ist nicht wahrscheinlich. Die Stadtverwaltung kann den Strukturwandel aktiv begleiten, jedoch nicht aufhalten. Zu den Maßnahmen der LHS zählen die aktive Unterstützung der Bestandsbetriebe sowie die Entwicklung bzw. Implementierung von neuen, alternativen Konzepten zur Schließung von Versorgungslücken im Stadtgebiet. In den vergangenen Jahren konnten durch das Förderprogramm Nahversorgung konkret und das gemeinschaftliche Engagement des Amts für Stadtplanung und Wohnen und der Abteilung Wirtschaftsförderung bereits zahlreiche positive Entwicklungen unterstützt werden (z. B. Bonus-Markt light in Wolfbusch; kleines Lebensmittelgeschäft in Luginsland; Wochenmärkte u. a. in S-Nord und Uhlbach; Investitionszuschüsse zur Modernisierung mehrerer CAP- und Bonus-Märkte; Beratung und Investitionszuschüsse mehrerer Kleinstbetriebe zur Bestandserhaltung).

Die bisherigen Bemühungen und Initiativen der Stadtverwaltung reichen jedoch – in Anbetracht der geschilderten Trends und Herausforderungen – nicht aus, um gesamtstädtisch betrachtet die Nahversorgungsstrukturen auf einem gleichbleibenden Level zu halten oder gar auszubauen. Während im Jahr 2015 noch 37 untervorsorgte, so genannte Defiziträume identifiziert wurden Quelle: Nahversorgung konkret – Handlungskonzepte für Stadtteile und Stadtquartiere ohne Lebensmittelversorgung, Landeshauptstadt Stuttgart, CIMA Beratung + Management GmbH, 2015, Datenerhebung 2014., geht die Verwaltung nach aktuellen Erhebungen von insgesamt 76 Defiziträumen in Stuttgart aus. Quelle: Fortschreibung des Zentren- und Einzelhandelskonzepts, Landeshauptstadt Stuttgart, Junker + Kruse Stadtforschung Planung, derzeit in Bearbeitung, Datenerhebung 2022. In den Defiziträumen leben derzeit insgesamt ca. 178.000 Menschen (= ca. 29 % der Stadtbevölkerung). Das bedeutet: Fast jeder dritte Bürger der LHS lebt in einem unterversorgten Gebiet. Eine Übersicht der aktuellen Defiziträume ist in der Anlage beigefügt.

Akuter Handlungsbedarf besteht in 24 Teilräumen (mit insgesamt ca. 30.000 Einwohner*innen), die als Defiziträume höchster Priorität bezeichnet werden können. In diesen Gebieten gibt es gar kein Nahversorgungsangebot, auch kein kleinflächiges Angebot mit eingeschränktem Sortiment, und der nächste Lebensmittelmarkt über 200 m² Verkaufsfläche ist mehr als 1.000 m entfernt.

Durchgeführte und geplante Fördermaßnahmen im DHH 2022/23

Das Förderprogramm Nahversorgung konkret wird federführend durch das Amt für Stadtplanung und Wohnen in Zusammenarbeit mit der Abteilung Wirtschaftsförderung bearbeitet. Zu den Aktivitäten zählen unter anderem die Verfolgung neuer Trends im Lebensmitteleinzelhandel, Angebotssondierung, Standorteinschätzungen und -prüfungen, Gespräche mit Hauseigentümer*innen sowie potentiellen Anbietern, Kontaktvermittlung, die Begleitung und administrative Abwicklung von Förderprojekten. Es handelt sich stets um standortspezifische Einzelfallprüfungen, die Vor-Ort-Termine, Recherchen und Verhandlungen mit den beteiligten Akteuren erfordern.

Die folgenden Projekte konnten im Doppelhaushalt 2022/23 begleitet und finanziell unterstützt werden:

Gemeinnütziger Lebensmitteleinzelhandel:

Förderung CAP-Markt Obertürkheim (100.000 EUR)

Die bislang größte Fördermaßnahme von Nahversorgung konkret war die finanzielle Unterstützung der Modernisierung des CAP-Markts in Stuttgart-Obertürkheim. Dieser Markt war seit 2016 im Fokus politischer Diskussionen um die Sicherstellung der Nahversorgung in den benachbarten Stadtbezirken Ober- und Untertürkheim (siehe auch gemeinsamer GR-Antrag Nr. 226/2016 aller Fraktionen, vom Ausschuss für Umwelt und Technik am 04.12.2018 nochmals bekräftigt).

Mit der Übernahme der beiden CAP-Märkte in Ober- und Untertürkheim im September 2021 durch die gfa süd gGmbH erhielten diese schließlich eine Zukunftsperspektive. Mit einer Komplettmodernisierung beider Märkte hat die gfa süd gGmbH diese beiden Standorte für die Zukunft aufgestellt und damit als einzige fußläufige Nahversorgungsangebote in den beiden Stadtteilzentren gesichert. Der Umbau in Untertürkheim erfolgte im Herbst 2022, in Obertürkheim im 1. Quartal 2023. Neben der energetischen Modernisierung erhielten beide Märkte optisch ein komplett neues Erscheinungsbild (neuer Bodenbelag, neue Regalierung, usw.). Daneben wurden auch funktionale Anpassungen zur Optimierung der Betriebsabläufe und der Kundenfreundlichkeit vorgenommen. In den Vorkassenbereich Untertürkheim zog außerdem die Postfiliale ein, in Obertürkheim wurde in diesem Bereich eine „Schlemmergasse“ installiert.

Während die Modernisierung des CAP-Markts in Untertürkheim im Rahmen des Förderprogramms zur Revitalisierung von Ladenlokalen aus dem Investitionsfonds Stadtteilzentren konkret bezuschusst werden konnte, wurde dem Gemeinderat mit der GRDrs. 367/2022 vorgeschlagen, die Modernisierungen in Obertürkheim mithilfe des Förderprogramms Nahversorgung konkret mit 100.000 EUR Förderzuschuss zu unterstützen. Der Beschluss in den beteiligten Ausschüssen erfolgte jeweils einstimmig. Bei den verwendeten Mitteln handelte es sich weitestgehend um Restmittel der vorangegangenen Doppelhaushalte, sodass in 2022/23 noch Budget für weitere Projekte zur Verfügung standen bzw. stehen.







Weitere Projektinitiativen von/mit CAP und BONUS

Neben diesem Projekt, wurde im 1. Quartal 2022 auch mit den anderen Trägern des gemeinnützigen Lebensmitteleinzelhandels, der BONUS gGmbH und der NintegrA gGmbH in Stuttgart Gespräche zum Status Quo der Märkte und möglichen Entwicklungsperspektiven geführt. Großes Potenzial wird von städtischer Seite in der Etablierung weiterer Kleinstmärkte gesehen. Insbesondere die BONUS gGmbH formulierte eine Absichtserklärung für diesen strategischen Ansatz. Durch die Abteilung Wirtschaftsförderung wurden im Austausch mit den Marktbetreibern die verschiedenen Defiziträume sowie darin bekannte Leerstände einer Prüfung für diese Konzeptidee unterzogen.

Folgende Projekte des gemeinnützigen Lebensmitteleinzelhandels sind derzeit konkret in Prüfung/Vorbereitung:

§ Übernahme des bestehenden Edeka-Marktes in der Helfferichstraße in Stuttgart-Nord durch CAP (bereits zugesagte Fördermittel i. H. v. 25.000 EUR).

§ Etablierung eines neuen BONUS-Marktes im Stadtteil Mönchfeld (Standortsuche und Gespräche mit Immobilieneigentümern laufen).

§ Prüfung der Umsetzung eines mobilen Versorgungskonzeptes (Lieferfahrzeug) in ausgewählten Defiziträumen durch die BONUS gGmbH (derzeit Konzepterarbeitung, Pilotphase 2023 denkbar).

§ Sonnenberg – Aktuell gibt es von Seiten dreier Eigentümer*innen Objektentwicklungen. Leerstehende Ladengeschäfte wurden in den letzten Jahren von neuen Eigentümer*innen erworben und werden derzeit neu entwickelt. Hier bestehen bereits Kontakte auch zu CAP und BONUS, um eine mittelfristige Entwicklung zu fördern.

Weitere Bausteine der Nahversorgung:

Neben dem gemeinnützigen Lebensmitteleinzelhandel unterstützt das Förderprogramm Nahversorgung konkret auch andere Nahversorgungsangebote, die zur Schließung vorhandener Versorgungslücken im Stadtgebiet beitragen. Unter anderem begleitet die Verwaltung derzeit – im Rahmen der zur Verfügung stehenden begrenzten Personalressourcen – folgende Initiativen:

§ Etablierung eines Wochenmarktes in Zazenhausen (bereits zugesagte Fördermittel i. H. v. 10.000 EUR, Standortprüfung abgeschlossen, aktuelle Herausforderung ist die Gewinnung von Marktbeschickern, mögliche Eröffnung im Frühjahr 2023).

§ Regiomaten – Pilotprojekte in Sonnenberg und Dachswald: Zur Aufrechterhaltung der wohnungsnahen Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs in Defiziträumen können Regiomaten (24-Stunden-Verkaufsautomaten) auf kleiner Fläche Abhilfe schaffen. In Sonnenberg wird eine Umsetzung derzeit auf dem Grundstück des Generationenhauses und im Dachswald auf dem Grundstück der evangelischen Kirche geprüft. Hier laufen Gespräche mit den Eigentümer*innen, potentiellen Betreiber*innen und potentiellen Bestückern möglicher Regiomaten.

§ Lieferladen.de – mobiles Versorgungskonzept für ausgewählte Defiziträume (derzeit Konzepterarbeitung, Pilotphase 2023 denkbar).

Hinzu kommen im Zuge der ganzheitlichen Bearbeitung des Themas Nahversorgung Aktivitäten der Abteilung Wirtschaftsförderung zum Erhalt der Bank- und Post-Infrastruktur in den Stadtbezirken (u. a. Mönchfeld, Rohracker, Luginsland).



Geplante Ausrichtung des Förderprogramms Nahversorgung konkret im Doppelhaushalt 2024/25

Die Herausforderungen im Bereich der Nahversorgung sind groß, der Strukturwandel schreitet weiter voran. Der Unterstützungsbedarf bei den kleinteiligen Nahversorgungsbetrieben sowie den Arbeitsmarkt- und SGB-geförderten Märkten zeigt sich in einem bislang nicht bekannten Maße. Die Anzahl und Ausdehnung der unterversorgten Gebiete in Stuttgart wird durch die oben genannten Gründe voraussichtlich weiter zunehmen und damit auch der Handlungsdruck für die LHS im Zuge der Wahrnehmung ihrer Pflicht zur kommunalen Daseinsvorsorge.

Zur Bündelung der Kräfte, die zur Unterstützung der Nahversorgung vor Ort erforderlich sind, wird vorgeschlagen, die im Doppelhaushalt 2024/25 zur Verfügung stehenden Mittel zu erhöhen – bei gleichzeitiger Fokussierung der Aktivitäten. Für die künftige Ausrichtung der Aktivitäten im Bereich Nahversorgung und damit auch des Förderprogramms „Nahversorgung konkret“ wird eine inhaltliche Fokussierung auf den Erhalt und die Stärkung bzw. Weiterentwicklung der Arbeitsmarkt- und SGB-geförderten Lebensmittelmärkte sowie eine räumliche Fokussierung auf wenige ausgewählte Defiziträume höchster Priorität (siehe oben) vorgeschlagen. Dies erscheint mit den aktuell verfügbaren Personalkapazitäten händelbar und setzt am wirkungsvollsten Punkt an.

Es wird daher vorgeschlagen, die städtische Handlungsfähigkeit bei der Unterstützung der Nahversorgung vor Ort im Vergleich zu den vergangenen Jahren zu erhöhen. In den Doppelhaushalten 2018/19 bis 2022/23 stellte der Gemeinderat jeweils 100.000 EUR für das Förderprogramm Nahversorgung konkret stadtweit zur Verfügung.

Für die künftige Ausrichtung des Förderprogramms wird eine inhaltliche Fokussierung auf den Erhalt und die Stärkung bzw. Weiterentwicklung der Arbeitsmarkt- und SGB-geförderten Lebensmittelmärkte sowie eine räumliche Fokussierung auf wenige ausgewählte Defiziträume höchster Priorität (siehe oben) vorgeschlagen. Dies erscheint mit den aktuell verfügbaren Personalkapazitäten händelbar und setzt am wirkungsvollsten Punkt an.

Die gemeinnützigen Märkte erfüllen, neben ihrer sozial- und arbeitsmarktpolitischen Bedeutung, eine wichtige Ergänzungsfunktion zur Sicherstellung der Nahversorgung an Standorten, die für den herkömmlichen Lebensmitteleinzelhandel als nicht (mehr) rentabel eingeschätzt werden. Für Defiziträume haben die Märkte den genau richtigen Ansatz. Auf verhältnismäßig kleinen Flächen bieten Sie ein Vollsortiment und tragen durch ihren gemeinnützigen Ansatz und ihre Mittelpunktfunktion in den Stadtquartieren zur Identitätssteigerung vor Ort bei. Seit Anfang 2022 zeigt sich jedoch ein ambivalentes Bild. Einerseits besteht vonseiten der gemeinnützigen Träger wieder ein gesteigertes Interesse an der Übernahme bzw. Eröffnung neuer Märkte an bislang nicht versorgten Standorten. Gleichzeitig kämpfen einige Bestandsmärkte mit den allgemein stark gestiegenen Betriebskosten, akutem Personalmangel sowie den oben genannten Problemen des Strukturwandels im Einzelhandel, verändertem Einkaufsverhalten, etc.

Der Förderfokus soll deshalb auf der finanziellen Unterstützung der bestehenden und neu hinzukommenden BONUS- und CAP-Märkte in Defiziträumen mit höchster Priorität (Definition siehe oben) liegen. Dabei sind vor allem bei Übernahmen und Neueröffnungen meist erhebliche Investitionen in Ladenbau und Ladeninfrastruktur notwendig. Mit Investitionskostenzuschüssen aus dem Förderprogramm Nahversorgung konkret kann die Sicherung und Ausweitung der Versorgungsstrukturen punktuell unterstützt werden.


Beteiligte Stellen

OB/82


Vorliegende Anträge/Anfragen


Keine

Keine




Peter Pätzold
Bürgermeister





- Übersicht der Defiziträume

<Anlagen>


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