Protokoll: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
4/2023
GZ:
SOS 7910-00
Sitzungstermin: 14.03.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Maier
Berichterstattung:der Vorsitzende, Frau Koller (AföO)
Protokollführung: Frau Klemm fr
Betreff: Außenbewirtschaftungsflächen auf Gehwegen, Plätzen, in Fußgängerzonen und auf straßenbegleitenden Parkplätzen
- Einbringung -

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Sicherheit, Ordnung und Sport vom 09.03.2023, GRDrs 4/2023, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat stimmt dem Konzept zur Genehmigung erweiterter Außenbewirtschaftungsflächen auf Gehwegen, Plätzen und in Fußgängerzonen zu.

2. Der Gemeinderat stimmt dem Betrieb von Außenbewirtschaftungsflächen auf straßenbegleitenden Parkplätzen während der Monate März bis Oktober jeden Jahres zu.

3. Die Verwaltung wird beauftragt, für einen Versuchszeitraum von zunächst zwei Jahren ab März 2023 wie vorgeschlagen zu verfahren.


Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


Der Antrag Nr. 65/2023 vom 10.03.2023 (FW) "Änderungsantrag zu GRDrs 4/2023 'Außenbewirtschaftungsflächen auf Gehwegen, Plätzen, in Fußgängerzonen und auf straßenbegleitenden Parkplätzen', STA 14.03.2023" liegt den Ausschussmitgliedern als Tischvorlage vor.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen wird sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll ist sie in Papierform angehängt.


Zunächst führt der Vorsitzende kurz in die Thematik ein und erinnert an die Genehmigung einer weitergehenden Außenbewirtschaftung für die Gastronomen während der Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie. Diese Lockerungen hätten sich auch aus Sicht der Verwaltung bewährt, sodass man sie dauerhaft fortführen könne. Entsprechende Anträge hätten die Gemeinderatsfraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN (Antrag Nr. 377/2022 vom 01.12.2022) und der CDU (Antrag Nr. 390/2022 vom 09.12.2022) gestellt. Mit der heutigen Beschlussvorlage lege man daher einen Vorschlag im beantragten Sinne vor. Der Bürgermeister betont, die temporäre Außenbewirtschaftung auf Parkplätzen sei zunächst auf zwei Jahre befristet.

Danach berichtet Frau Koller im Sinne ihrer Präsentation über die wesentlichen Grundzüge der Bestimmungen. Ergänzende Anmerkungen sind nachfolgend in zusammengefasster Form mit Verweis auf die jeweilige Foliennummer wiedergegeben. Unter aktiver Begleitung einiger Fraktionsmitglieder und aller Bezirksbeiräte habe man über die Thematik informiert und erachte die Vorlage als zustimmungsfähig. Sie erwähnt dabei auch die allgemein gewünschten, intensiveren Kontrollen.

Anschließend schildert die Berichterstatterin die Regelungen unter Corona-Bedingungen vor knapp drei Jahren (Folie 3), die nunmehr fortgeführt werden sollten. Es gehe im Wesentlichen zum einen um die Erweiterung der Straßenwirtschaftsfläche auf Gehwegen und Plätzen über die betriebseigene Fassade hinaus, also eine breitere Auslegung der Gestaltungsrichtlinien vom 19.04.2007, nach denen die Straßenwirtschaftsfläche in engem räumlichen Bezug zur Gaststätte stehen muss (Folie 7). Das wichtigste Kriterium sei dabei die in verschiedenen Konzepten festgelegte Restgehwegbreite (Folien 4 und 5) von 2,5 m (Regelmaß) sowie 2,0 m (Mindestmaß). Bei sehr geringer Fußgängerfrequenz könne vom Mindestmaß nochmals abgewichen werden (Folien 6 und 7). An diese beschränkten Flächen müssten sich die Gastronomen halten. Zum anderen gehe es um temporäre Straßenwirtschaften auf Parkplätzen mit zahlreichen Vorgaben (Folie 8). Hier wäge man zwischen öffentlichem Interesse der dem Parken gewidmeten Fläche und dem wirtschaftlichen Interesse der Gastronomen ab
(Folie 9). Dabei komme der Anhörung des Bezirksbeirats im Sinne einer Akzeptanz im Quartier eine erhöhte Bedeutung zu. Die Verwaltung schlage eine zweijährige Erprobung dieser Sondernutzungserlaubnis, jeweils temporär von März bis Oktober, vor. Für beide Sondernutzungsverfahren komme das übliche Genehmigungsverfahren zum Einsatz (Folie 10).


Für den einführenden Bericht und die Vorlage danken StR Peterhoff (90/GRÜNE), StR Serwani (FDP), StRin Köngeter (PULS) und StR Dr. Mayer (AfD).

Einhellig wird die Beschlussvorlage begrüßt und Zustimmung signalisiert. Dem vorliegenden Antrag Nr. 65/2023 der FW-Gemeinderatsfraktion hingegen kann mehrheitlich nicht zugestimmt werden. Irritiert über den Antrag zeigt sich StR Peterhoff. Entgegen den Ausführungen im Antrag beginne die Freiluftsaison mit entsprechenden Regelungen bereits im März. Den Antrag lehne seine Fraktion daher ab. Dem schließt sich StRin Schanbacher (SPD) an - mit dem Antrag werde der eigentlich unbürokratische Ansatz der Verwaltung konterkariert. Auch StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) spricht sich ablehnend aus, ebenso wie StR Serwani und StRin Köngeter. StR Kotz (CDU) hingegen sieht die im Antrag vorgeschlagene Lösung als sinnvoll an, und StR Dr. Mayer stimmt dem Antrag zu. Man habe, so StR Schrade (FW) erläuternd, insbesondere mit den FW-Bezirksbeiräten von Stuttgart-Mitte und -Süd gesprochen. Diese hätten die Sorge geäußert, dass die Gastronomen ihre Außenmöblierung über den von November bis Februar doch sehr kurzen Zeitraum nicht abbauten und dadurch auch in dieser Zeit Parkraum verlorengehe. Des Weiteren wolle der Antrag eine maßvolle und für alle Beteiligten ausgeglichene Regelung anstoßen.

StR Peterhoff freut sich über die Fortführung der in der Pandemie erfolgreich eingeführten Maßnahmen, die sich nachhaltig positiv auf die Stadt auswirkten. Eingehend auf den Betrieb der Außenbewirtschaftungsflächen auf Parkplätzen, konstatiert der Stadtrat, die Menge der Stellplätze werde nur marginal reduziert (115 von ca. 30.000 bewirtschafteten Parkplätzen). Deshalb und weil die Regelung insgesamt gut funktioniere, mache es Sinn, diese zu verstetigen. Er stelle deshalb den mündlichen Antrag, eine zusätzliche Beschlussantragsziffer 4 in die GRDrs 4/2023 aufzunehmen:

"4. Parkplätze, die erfolgreich temporär bespielt wurden, können nach Zustimmung des Bezirksbeirats auch baulich in eine Dauernutzung überführt werden."

Dazu gibt BM Dr. Maier baurechtliche Themen bei einer Dauernutzung zu bedenken, sollten die Gastronomen ihre Außengastronomie immer mehr ausweiten. Im Übrigen sei das Straßenrecht zu bedenken: Für eine dauerhafte Entziehung von Stellplätzen aus dem Straßenbereich müsse jeweils ein aufwendiges Entwidmungsverfahren eingeleitet werden. Aus diesen Gründen plädiere er dafür, die von der Verwaltung vorgeschlagene Regelung in der vorgelegten Form zu belassen.

Entscheidend dabei sei, so StR Kotz, die Bezirksbeiräte mit einzubinden und eine vernünftige Nutzung herzustellen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu sichern. Eine ganzjährige Widmung von Stellplätzen für Außenbewirtschaftung gehöre seiner Meinung nach schon allein deswegen nicht dazu, weil diese an vielen Tagen im Jahr wegen der hiesigen Wetterlage gar nicht genutzt werden könne. Die Vorlage begrüße er; sie berücksichtige sowohl den Aspekt der Außenbewirtschaftung auf Plätzen, Gehwegen und den Fußgängerzonen als auch die Möglichkeit der Nutzung von Parkplätzen für den Außenbereich von Gaststätten. Er betont, Letzteres dürfe - wie auch andere Veränderungen im Verkehrssystem - im besten Fall keine Beschränkungen für andere Mobilitätsteilnehmer darstellen. Bei der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN habe er oft den Eindruck, es gehe bei vielen Sachverhalten in erster Linie darum, Parkplätze einzuschränken. Auch wenn im Einzelfall wenige Stellplätze wegfielen, so sei es in der Summe aller Beschlüsse eben doch eine höhere Anzahl. Dem stimmt StR Schrade zu. Auch StR Dr. Mayer sieht im Wegfall von immer mehr Stellplätzen ein Problem. Dass sich kaum jemand beschwere, bedeute nicht gleichzeitig Zustimmung. Als Gemeinderat müsse man einen Gesamtüberblick haben und entsprechend entscheiden. Die Fraktion der Freien Wähler habe immerhin in den betroffenen Bezirken nach deren Haltung gefragt.

Anschließend bittet StR Kotz die Verwaltung um Prüfung folgender zwei Sachverhalte im Sinne einer urbaneren Stadt:

Der Betreiber eines Cafés in der Böblinger Straße habe ihm gegenüber geäußert, Parkplätze vor seiner Gaststätte wegen der vorbeifahrenden Stadtbahnen aus Sicherheitsgründen nicht nutzen zu dürfen. Er aber meine, so StR Kotz, Stadtbahnen seien ungefährlicher als kreuzender Kfz-Verkehr, und bitte um entsprechende Betrachtung.

Im zweiten Fall müsse der Gastronom des Café Gottlieb in der König-Karl-Straße künftig dafür sorgen, dass keine Menschen mehr auf dem Fenstersims vor seinem Betrieb Platz nähmen, obwohl dies mitnichten eine Außenbewirtschaftung darstelle. Das gehe nicht, meint StR Kotz, zumal man den Wirt damit zu einem Teil des städtischen Vollzugs mache. Deshalb bitte er um freundliche Rücknahme der ausgesprochenen Strafandrohung von 500 Euro im Falle des Nichteinhaltens.

Der Vorsitzende bittet, der Verwaltung Details zu beiden Einzelfällen zukommen zu lassen, damit sie daraufhin erneut betrachtet werden könnten.

Die Vorlage führe folgerichtig die unbürokratische in der Pandemie gewählte Vorgehensweise für "mehr Stadt" fort, meint StRin Schanbacher. Statt Blechlawinen vor den Cafés habe man dann Lebens- und Aufenthaltsfläche. Dass man die Diskussion darüber in den Bezirken vor Ort geführt habe, sei wichtig gewesen, betont sie. Man könne dem mündlichen Antrag von StR Peterhoff folgen, sofern die Bezirke jeweils einverstanden und über die notwendigen Grundlagen und Einwände informiert seien. Ihrer Fraktion lägen bisher keine negativen Rückmeldungen vor.

StR Rockenbauch hebt hervor, seine Fraktion sei Mit-Urheber der Regelung, Gastronomie auf Parkplätzen zu ermöglichen. Der Vorlage und dem mündlichen Antrag von StR Peterhoff könne man dort folgen, wo der Bezirksbeirat es jeweils befürwortet. Besonders gelte das für den Bezirksbeirat Mitte, mit dem seiner Meinung nach jede Ausweitung von Außengastronomie innerhalb des City-Rings grundsätzlich besprochen werden müsse, um ein Überhandnehmen zu verhindern, der Jugend Kulturraum zu bieten und ohne Verzehrzwang öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellen. BM Dr. Maier sagt die regelhafte Einbeziehung der Bezirksbeiräte zu und betont, deren Meinung - auch in Stuttgart-Mitte - sei der Stadtverwaltung sehr wichtig. Deshalb habe man diese auch bereits im Vorfeld in die Regelungsgestaltung einbezogen. Die letzte Entscheidung allerdings obliege aus formalen Gründen in jedem Fall der Straßenverkehrsbehörde.

Er habe sich gefreut, dass die Verwaltung das Gespräch mit den Bezirken gesucht habe, sagt StR Serwani, und von dort großes Lob und Zustimmung für die Neuerung der Regelung vernommen. Durch die Außengastronomie werde die Innenstadt belebt. Insofern habe die Corona-Pandemie hier auch ihr Gutes gehabt. Die vorläufige Befristung der Ausweitung befürworte er. Verstärkte Kontrollen halte er allerdings für wichtig. Der Wegfall einzelner Parkplätze stellt seiner Meinung nach kein Problem dar, zumal ihm z. B. aus Stuttgart-West keinerlei Einwände bekannt seien. Danach kommt der Stadtrat auf sehbehinderte Menschen zu sprechen. Von der Nikolauspflege sei der Wunsch geäußert worden, diese neben blinden Menschen bei der Ausweitung der Gastronomie auf den Gehwegen in den Blick zu nehmen.

In dem chinesischen Schriftzeichen für Krise, beginnt StRin Köngeter ihre Ausführungen mit Blick auf die Corona-Krise, steckten die Wörter "Gefahr" und "Chance". Letztere habe man mit der ausgeweiteten Außenbewirtschaftung genutzt. Eingehend auf die aktuelle Diskussion über Sicherheit im öffentlichen Raum sagt sie, ihr sei Gastronomie zur sozialen Kontrolle lieber als der Einsatz von Sicherheitsdiensten und Ordnungskräften. Andererseits müsse Raum auch frei von Konsumzwang zur Verfügung gestellt werden. Dem mündlichen Antrag von StR Peterhoff könne ihre Fraktion zustimmen.

Bis auf kleine Details sehe er Einigkeit bei der Beschlussvorlage, so StR Schrade, allerdings habe ihn in der vergangenen Woche angesichts der Energielage negativ überrascht, dass in einer dem Rathaus nahegelegenen Gastronomie Heizstrahler eingesetzt worden seien. Dafür habe er kein Verständnis.


Nachdem keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, lässt der Vorsitzende zunächst über den mündlichen Antrag von StR Peterhoff abstimmen.

BM Dr. Maier stellt fest:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik stimmt dem mündlichen Antrag bei 5 Gegenstimmen mehrheitlich zu.

Danach wird über den Antrag Nr. 65/2023 der Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion abgestimmt.

BM Dr. Maier stellt fest:

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik lehnt den Antrag Nr. 65/2023 bei 5 Ja-Stimmen mehrheitlich ab.

Abschließend lässt der Vorsitzende über die Beschlussziffern 1 bis 3 der GRDrs 4/2023 abstimmen.

BM Dr. Maier stellt fest:

Die GRDrs 4/2023 ist einstimmig eingebracht, mit der Maßgabe, eine zusätzliche Beschlussantragsziffer 4, wie von StR Peterhoff mündlich beantragt, aufzunehmen.

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