Protokoll: Ausschuss für Klima und Umwelt des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
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GZ:
Sitzungstermin: 21.04.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Pätzold
Berichterstattung:Herr Heitkamp (AfU)
Protokollführung: Herr Haupt as
Betreff: Grundwasseruntersuchungen auf per- und
polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in Stuttgart
- mündlicher Bericht -

Herr Heitkamp (AfU) betont, er werde über die Grundwasseruntersuchungen zu per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in Stuttgart berichten, die die Verwaltung auf Wunsch des Gremiums zusammengetragen habe. PFAS seien immerwährende chemische Verbindungen, die zum Schutz der Kleidung, der Textilveredelung und in der Galvanik hergestellt würden. Ein wichtiger Faktor für die LHS sei die Anwendung von PFAS in Schaumlöschmitteln. Diese seien vor einigen Jahren verboten worden und führten daher nicht mehr zum Eintrag von PFAS. Auf internationaler Ebene seien diese Schaumlöschmittel noch nicht untersagt worden. Derzeit wagten mehrere Länder diesbezügliche Vorstöße, da sich PFAS nicht durch die Sonne und deren UV-Strahlung auflösten. Sie vermischten sich nahezu nicht mit Wasser und nähmen kaum andere chemische Verbindungen auf. Gleichzeitig führten die PFAS zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Mensch und Tier. Daher würden sie seit dem Jahr 2006 von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) bemessen. Im Stadtgebiet Stuttgart seien bei 22 Grundwasseraufschlüssen insgesamt 36 Wasserproben durch die LUBW entnommen worden. Die Standorte seien der Stadtverwaltung bekannt. Vor einigen Jahren sei im AfU in dem Sachgebiet Altlasten und in dem Sachgebiet Grundwasserschutz das Thema PFAS diskutiert und das Problem diesbezüglich erkannt worden. Gleichzeitig hätten der Verwaltung die kumulierten Werte noch keinen Grund zur Besorgnis bereitet.


Aufgrund der jüngsten Pressemeldungen habe die Grundwassermessstelle P16 im unteren Schlossgarten Interesse erregt. Dort sei es in der Kumulation zu Prüfwertüberschreitungen gekommen: Es seien zahlreiche verschiedene PFAS-Stoffe vorhanden, welche sich kumuliert hätten. Jede PFAS-Substanz verfüge über einen einzelnen Grenzwert und in der Zusammensetzung sei es zu einer Überschreitung gekommen. Die Grundwassermessstelle sei nicht tief im Aquifer installiert und stelle einen relativ oberflächennahen Grundwasserleiter dar. Daher stellten die Werte an dieser Messstelle keinen außerordentlichen Grund zur Besorgnis dar. Allerdings plane die Verwaltung aufgrund der Berichterstattung und im Austausch mit der LUBW, im Stadtgebiet kursorisch Proben zu ziehen. Eine Probe verursache Kosten in Höhe von rund 150 bis 200 EUR. Diese Proben würden ohnehin bei den orientierenden Untersuchungen angestrebt. Anschließend werde sich ein konkreteres Bild über die aktuell sich akkumulierenden PFAS-Werte in den Grundwasserstockwerken ergeben. In den tieferen Grundwasserstockwerken wie beispielsweise im Unterkeuper seien bislang keine PFAS-Werte gemessen worden. Die Verwaltung gehe davon aus, dass die PFAS-Substanzen hauptsächlich über den Regen eingetragen würden und nicht durch einzelne Löschereignisse oder Schlämme wie in Rastatt, Baden-Baden oder Mannheim, die in großem Stil für flächendeckende Verunreinigungen gesorgt hätten. Dort bestünden erhebliche Probleme durch PFAS -Substanzen, da die Grenzwerte in weiten Teilen überschritten würden und damit Grundwasser, welches zur Wasserversorgung diene, beeinträchtigt werde. Herr Dr. Heitkamp betont, eine derartige Kumulation liege in Stuttgart nicht vor. Mit der Landeswasserversorgung und der Bodensee-Wasserversorgung bestünden zwei voneinander unabhängige Wasserversorger. Das in Stuttgart vorhandene Grundwasser werde nicht für Trinkwasser verwendet. Es sei eine verhältnismäßige Beprobung sowie eine Intensivierung des bereits bestehenden engen Austausches mit der LUBW zu diesem Thema geplant. Ebenso sollten möglicherweise wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem Aspekt hinzugezogen werden, ob in der Vergangenheit in der LHS bestimmte Herstellungsprozesse wie beispielsweise im Chemiepark im bayerischen Altötting stattgefunden hätten. Dort seien PFAS-Substanzen in Massen hergestellt worden und in den Untergrund gelangt.

Die Aussage von Herrn Heitkamp über den möglichen Eintrag der PFAS-Substanzen über den Regen in das Grundwasser statt über Löscheinsätze habe sie erschreckt und durchaus nicht beruhigt, betont StRin Munk (90/GRÜNE). Es stelle sich die Frage nach der Herkunft der PFAS-Substanzen, da diese derart flächendeckend eingetragen würden. Sie erkundigt sich nach einem möglichen Verbot dieser Substanzen bzw. der Entwicklung von Ersatzstoffen. Das Wasser suche sich den kürzesten Weg und das Vorkommen der PFAS-Substanzen in den oberen Grundwasserschichten sei wenig beruhigend. Ein Wassereintrag dauere oftmals Jahrzehnte und dadurch gelangten Substanzen verspätet in grundwasserführende Schichten. Herr Heitkamp betont, PFAS-Substanzen existierten überall und sickerten nach und nach durch die Verwerfungen in die Grundwasserzüge durch. Allerdings finde dabei keine Kumulation statt.

StR Currle (CDU) betont, für ihn sei es beruhigend, dass sich die PFAS-Substanzen lediglich in den oberen Grundwasserschichten befänden. Die Herkunft und der Eintrag dieser Stoffe sei bekannt. Wie von Herrn Heitkamp erwähnt werde offenbar kein Wasser aus den Grundwasserschichten entnommen. Die Verunreinigung des Grundwassers sei zwar bedauerlich, allerdings bestünden keine großen Probleme wie beispielsweise in Mannheim, da das Grundwasser in der LHS nicht als Trinkwasser verwendet werde.

Sie fühle sich nach den Aussagen von Herrn Heitkamp sehr gut aufgehoben, betont StRin Schanbacher (SPD). Die Ausführungen hätten ihr nach den Presseberichten ein Stück weit die Sorgen genommen. Zudem sei ein sehr strukturiertes und strategisches Vorgehen der Verwaltung bezüglich des Aspekts aufgezeigt worden, ob es sich um einen Einzelfall handle oder ob die Problematik an anderen Messstationen auftauche. Zudem müsse untersucht werden, ob Stoffe oder Materialien zu einem Eintrag von PFAS-Substanzen führten.

Auf die Frage von StR Gottfried (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), ob vergleichbare Messwerte in Bezug auf die Vergangenheit existierten, betont Herr Heitkamp, alle entsprechenden Zahlen seien in der Verwaltung vorhanden und könnten zur Verfügung gestellt werden. Dabei seien nicht alle Werte im Einzelbereich ausgewertet, sondern eher die Kumulation. Es zeige sich ein geringfügiger Anstieg, welcher sich nicht bedeutend weiterentwickle. Seit dem Verbot des Löschschaums sei die Bedeutung deutlich zurückgegangen, was auch an den Kläranlagen messbar sei. So seien Messungen nicht lediglich im Untergrund durchgeführt worden, sondern ebenso oberflächennah.

Es sei zu begrüßen, so StR Ozasek (PULS), dass das Bundesumweltamt im Februar dieses Jahres einen Antrag nach der Chemikalienverordnung REACH gestellt habe. Dieser Antrag sehe ein Verbot der PFAS-Substanzen in der EU mit begrenzten Ausnahmen vor. Herr Heitkamp ergänzt, über das Bundesumweltamt bestehe ein Vorstoß u. a. über die Niederlande und Finnland, die PFAS-Substanzen in der EU zu untersagen und lediglich in sehr wenigen Ausnahmen zuzulassen. Es seien anstatt der PFAS-Substanzen Ersatzstoffe gefunden worden. Nach Kenntnisstand von Herrn Heitkamp kämen PFAS-Stoffe möglicherweise noch in Backpapier und bei Regenjacken vor.

StR Ozasek betont, wie von StRin Munk ausgeführt sei der flächige Eintrag über Regen in den Ökosystemhaushalt beunruhigend. Die angekündigte flächige Beprobung durch die Verwaltung sei zu begrüßen. Bei dem Planerkongress ARCHIKON sei berichtet worden, dass führende Unternehmen kritische Stoffe beispielsweise aus Textilien entfernen und ersetzen könnten. Insofern könne zukünftig die Anwendung von PFAS auf sehr wenige Industrieprozesse begrenzt werden.

Auf Frage von StR Zaiß (FW), welche Schäden PFAS-Substanzen bei Mensch und Tier verursachten, erklärt Herr Heitkamp, nach seinem Kenntnisstand sei nachgewiesen, dass eine erhöhte Belastung durch PFAS-Stoffe krebserregende Auswirkungen auf Mensch und Tier mit sich brächten.

Herr Heitkamp betont bezüglich des mehrfach angesprochenen Eintrags der PFAS-Stoffe durch den Regen, die Verwaltung verfüge bei diesem Aspekt lediglich begrenzt über Expertenwissen. Allerdings sei ihr bekannt, dass PFAS-Substanzen überall auf der Erde vorkämen. Die Menschheit habe in den letzten Jahrzehnten vielerlei Stoffe erzeugt. So würde ohne den Menschen kein Nitrat in das Grundwasser eingetragen. Dies betreffe ebenso die Chlorkohlenwasserstoffe (CKW), welche sehr gefährliche Stoffe darstellten. Das AfU beschäftige sich tagtäglich damit, 20 bis 30 Jahre alte Akten durchzusehen und heutige Grundstückseigentümer auf Altlasten anzusprechen. Diese seien oftmals sehr überrascht, welche Kosten für die Beseitigung von Altlasten anfielen. Für die Beseitigung von PFAS-Substanzen würden sehr aufwendige energieintensive und kostspielige Prozesse über Aktivkohlefilter im Rheinland eingesetzt. In den USA würden derzeit Möglichkeiten gesucht, die "Forever-Chemicals" aufzuspalten. Es sei davon auszugehen, dass zu einem gewissen Zeitpunkt eine Art Biomasse bestehe, mit der PFAS-Substanzen aufgespalten werden könnten.

Da die PFAS-Problematik nicht jeden Tag behandelt werde, weist StR Sakkaros (CDU) auf einen diesbezüglichen Film nach einer wahren Begebenheit mit dem Titel "Vergiftete Wahrheit" hin.


Es werden keine weiteren Wortmeldungen geäußert und BM Pätzold stellt daher Kenntnisnahme des Berichts durch den Ausschuss für Klima und Umwelt fest.

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