Protokoll:
Ausschuss für Umwelt und Technik
des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
195
6
Verhandlung
Drucksache:
GZ:
Sitzungstermin:
16.05.2017
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
BM Pätzold
Berichterstattung:
Herr Arnold (SSB AG)
Protokollführung:
Frau Faßnacht
pö
Betreff:
80 m-Bahnsteig am Wilhelmsplatz Bad Cannstatt,
weiteres Verfahren
- mündlicher Bericht durch Herrn Arnold (Technischer
Vorstand SSB)
Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 02.05.2017, öffentlich, NNr. 163
Ergebnis: Mehrheitliche Zustimmung zu den Ziffern 1 und 3 des Antrags Nr. 98/2017, Prüfung einer Alternativplanung und erneute Berichterstattung durch die SSB im UTA
Herr
Arnold
(SSB AG) erinnert an das Ergebnis der letzten Beratung und informiert, die SSB habe vor, die Maßnahme zur Verlängerung der Bahnsteige zu vergeben. Die Umsetzung soll dabei so gestaltet werden, dass die Verlängerung des stadteinwärts führenden Bahnsteigs 2018 realisiert wird. Eigentlich hätte man eine Neuausschreibung vornehmen müssen, doch sei dies aufgrund des extrem engen Zeitfensters für bestimmte Arbeiten nicht möglich. Ab Mitte Oktober komme dauerhaft noch die U 19 auf diesem Streckenabschnitt hinzu, weshalb man die wesentlichen Teile schon vorher umsetzen möchte. Zudem wolle man während des Volksfestes keine Bauarbeiten dort durchführen. Außerdem spiele das Thema Entfluchtungskonzept eine wichtige Rolle, weshalb wenigstens der stadtauswärts führende Bahnsteig im Herbst zur Verfügung stehen soll.
Man habe sich inzwischen mit dem Land Baden-Württemberg, das die Maßnahme nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz fördert, ausgetauscht und die Konsequenzen für die Förderung erörtert. Nach der heutigen Sitzung werde man dem Zuwendungsgeber anzeigen, dass ein veränderter Bauablauf erfolgen wird, und darauf hinweisen, dass Teile der Mittel, die zur Verfügung stehen, erst 2018 abgerufen werden. Die Kostenerhöhung, die möglicherweise als Folge der aufgeteilten Realisierung entsteht, sei nicht zuwendungsfähig. Jedoch habe man insgesamt für diese Maßnahme eine Festbetragsförderung, weshalb ohnehin nicht mehr Fördermittel zu erwarten sind.
Das Thema Barrierefreiheit aufgreifend nimmt Herr Arnold Bezug auf das Schreiben des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung vom 10.05.2017. Gestern habe er Herrn Tattermusch geantwortet, wie die Beteiligung der Behindertenverbände beim Wilhelmsplatz erfolgt. Der SSB sei es ganz wichtig, die geplanten Maßnahmen mit dem Dachverband Integratives Planen und Bauen standardmäßig zu besprechen. Dies sei auch hier erfolgt. Jedoch müsse man feststellen, dass an diesem hoch belasteten Verkehrsknoten Maximalforderungen in Richtung Barrierefreiheit nicht umzusetzen sind - es sei denn, man hätte zusätzlichen Raum zur Verfügung. Zu bedenken bittet er auch, dass wichtige Haltestellen wie Olgaeck oder Stöckach ebenfalls nur einseitig barrierefrei zugänglich sind. Hinzu komme in diesem Fall das Verhältnis der Zahl von umsteigenden Fahrgästen: Von rund 16.000 Fahrgästen, die täglich zu bzw. von den Linien U 1 und U 2 dort umsteigen, gehen nur 240 in Richtung der Haltestellen in der Eisenbahnstraße. Die sonstigen von Vorschriften, die im Schreiben von Herrn Tattermusch angesprochen wurden, werden aus Sicht der SSB eingehalten.
Man werde die beschriebene Unterbrechung vornehmen und den zur Verfügung stehenden Zeitrahmen bis zur Verlängerung des zweiten Bahnsteigs, um das Thema der Leistungsfähigkeit genauer zu untersuchen. Dieses Thema stehe in Verbindung mit U 16 und U 19 sowie der Schnellbuslinie ohnehin an. Den Wegfall eines Fahrstreifens werde man dabei mit untersuchen. Diesbezüglich zeigt sich Herr Arnold nicht optimistisch, zu Ergebnissen zu kommen, welche man tatsächlich umsetzen kann, da laut Aussagen des Amts für Stadtplanung der Kfz-Verkehr im Bereich des Knotens Wilhelmsplatz Bad Cannstatt um rund 30 % gesenkt werden müsste, um die Voraussetzung zu schaffen, einen Fahrstreifen reduzieren zu können.
StRin
Bulle-Schmid
(CDU) kritisiert zunächst den gemeinsamen Antrag Nr. 98/2017, durch den die erneute Befassung mit dem Thema erforderlich wurde. Aus ihrer Sicht braucht es keine erneute Verkehrszählung, da der gesunde Menschenverstand ausreicht, um zu erkennen, dass dort kein weiterer Fahrstreifen weggenommen werden kann. Für die SSB sei es bedauerlich, nun unter erschwerten Bedingungen den zweiten Bahnsteig bauen zu müssen.
Sie weist weiter darauf hin, es gebe im Stadtgebiet mehrere weitere Stadtbahnhaltestellen, die nur zu einer Seite hin barrierefrei sind. Sie halte dies insbesondere am Wilhelmsplatz für vertretbar, da nur ein verschwindend geringer Anteil von Fahrgästen in Richtung Eisenbahnstraße gehe. Abschließend betont sie, ihre Fraktion werde einer Verringerung der Fahrspuren am Wilhelmsplatz und an der König-Karl-Straße nicht zustimmen.
Nach den Beobachtungen von StR
Peterhoff
(90/GRÜNE) bewegen sich "die umsteigenden Massen" am Wilhelmsplatz künftig auf einen Überweg zu. Es handle sich heute schon um 40 % der durchfahrenden Fahrgäste. Ihm ist wichtig, den Ausbau des ÖPNV dort voranzutreiben. Dort jedoch mehr Kapazitäten zu schaffen, heiße die Situation zu verschärfen. Die von Herrn Arnold dargelegten Zahlen bestätigten dies, weshalb es nun darum gehen müsse, mit Bedacht vorzugehen. Es sollen nicht vorschnell Fakten geschaffen werden, die für mindestens 15 bis 20 Jahre gelten würden. Nicht sinnvoll sei es außerdem, die Stadtentwicklung in eine Richtung voranzutreiben, welche die Verhältnisse für weitere Jahrzehnte zementiert. Ein Verkehrs-infarkt trete dann ein, wenn man den weiteren Ausbau beim ÖPNV dort bringt, aber keine weiteren Änderungen hin zu weniger MIV folgen. Einig sei man sich bereits dahingehend, dass an der Beskidenstraße eine Dosierung des Zuflusses nach Bad Cannstatt erfolgen wird, um die Funktionalität des ÖPNV zu gewährleisten.
Seine Fraktion freue sich über die weitere Untersuchung und über die Vorstellung der Ergebnisse derselben. Sie sei im Sinne der weiteren Entwicklung von Bad Cannstatt und damit auch im Sinne des ÖPNVs und der Nutzerinnen und Nutzer.
StRin
Gröger
(SPD) teilt die Freude über die Untersuchung und begrüßt eine Aufteilung der Baumaßnahme. Sie erinnert daran, dass zeitgleich zum Antrag Nr. 98/2017 ein Antrag zur Pförtnerampel an der Beskidenstraße eingereicht worden ist, welche bereits zum 01.10.2017 greifen soll. Es gehe um mehr als um den Wilhelmsplatz, da beide Maßnahmen zusammen gedacht werden müssen. Beim Wilhelmsplatz spiele auch der Martin-Maier-Steg eine Rolle, der heute lediglich mit Rolltreppen erschlossen sei. Sie fordert auch diesbezüglich eine Überprüfung, zumal es einen dritten Antrag gebe für eine Neuordnung am Parkhaus an der Eisenbahnstraße, wo es bereits einen Gemeinderatsbeschluss gebe. Sie erhofft sich, dass die SSB zu besseren Vorschlägen kommt, was die Barrierefreiheit anbelangt. Barrierefreiheit sei bei den Menschenrechten anzusiedeln und müsse so umgesetzt werden, dass alle Menschen gleichberechtigt laufen können. Aus ihrer Sicht "lohnt ein Blick in die Protokolle, wo es um die Radwegeverbindung in die Innenstadt ging".
Für StR
Ozasek
(SÖS-LINKE-PluS) muss allen klar sein, dass dieser Verkehrsknotenpunkt in seiner Bedeutung erheblich zunehmen und das Fahrgastaufkommen erheblich steigen wird. Daher brauche es eine langfristige Lösung. Nachdem die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen gilt und die Stadt einen entsprechenden Aktionsplan hat, könne man heute Haltestellen nicht mehr wie früher planen und bauen. Alle Menschen profitieren von barrierefreier Infrastruktur - abhängig von der Lebensphase, in der sie sich befinden. Der Fraktionsgemeinschaft sei es wichtig, diesen Knoten zugunsten des Fußverkehrs, des Radverkehrs und des ÖPNV umzugestalten und die Zerschneidungswirkung dieses Raums für Bad Cannstatt zu reduzieren. Daher müsse man die Frage der Reduzierung einer Fahrspur untersuchen. Seines Erachtens sind 30 % weniger MIV machbar, weshalb er um eine Aussage des Amts für Stadtplanung und Stadterneuerung bittet, "ob man sich auf diese Diskussion wirklich einlässt oder dies von vornherein ausschließt.
StR
Conz
(FDP) unterstreicht die Ausführungen von StRin Bulle-Schmid zu diesem Thema zu 100 %. Er bittet die Mitglieder des Ausschusses, die Wirkung von 80-m-Bahnsteigen zuzüglich der Zugänge für das Stadtbild zu bedenken. "Wir zerschneiden damit diese Gebiete, wenn wir überall diese 100-m-Wälle aufbauen." Ihm schwebt eine technische Lösung dahingehend vor, dass nur die Türen in den Stadtbahnen aufgehen, wo ein Bahnsteig davor ist.
Mit dem vorgeschlagenen Provisorium der SSB könne er leben, erklärt StR
Dr. Schertlen
(STd). Er fordert SSB und Stadtplanungsamt dazu auf, künftig Mittelbahnsteige in die Überlegungen einzubeziehen, weil u. a. die Barrierefreiheit sich damit ganz anders darstellen würde, aber auch die Platzverhältnisse und das Thema Aufgang zur Brücke am Wilhelmsplatz.
Herr
Arnold
stellt klar, selbst wenn die SSB überall den Maßstab anlegen wollte, dass von allen Seiten eines Hochbahnsteigs die barrierefreie Zuwegung möglich sein muss, so sei dies aus den räumlichen Verhältnissen heraus nicht zu schaffen. Die minimale Länge eines Bahnsteigs für einen 80-m-Zug betrage rund 75 m. Hinzu kämen zwei Rampen mit jeweils 17 m bis 18 m, insgesamt also rund 110 m. Die Bedingungen in den einschlägigen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien lauten nicht, dass man von beiden Seiten aus barrierefrei zugehen können muss. Es muss auf einer Seite ein barrierefreier Zugang geboten werden, welcher aus Sicht der SSB am Wilhelmsplatz im zentralen Bereich, wo auch die Hauptumsteigeströme sind, gegeben ist. Alle anderen Beziehungen seien nicht barrierefrei möglich.
Mit Blick auf die Badstraße merkt er an, selbstverständlich werden bei einer stärkeren Nachfrageentwicklung überall die Anlagen stärker ausgelastet. Dennoch bittet er zu berücksichtigen, dass sich die SSB mit den anderen Verkehrsarten arrangieren muss. Er erwartet angesichts der Diskussion, dass am Ende keine Lösung gefunden wird, um einen Fahrstreifen zu reduzieren, sodass man dann erneut am selben Punkt der Diskussion stehen wird. "Wer sich an die Diskussion um die Hauptradroute 1 erinnert, der weiß, was auf dem Tisch war." In der Bearbeitung der beiden Anträge werde man die Themen Mittelbahnsteige und die Frage, ob eine technische Lösung, bei der je nach Bahnsteiglänge nur ein Teil der Türen geöffnet werden, mit beantworten.
StR
Peterhoff
erinnert an die eingetretenen Veränderungen seit der Diskussion um die Hauptradroute 1. Durch die deutliche Zunahme des ÖPNV hält er eine Reduzierung des MIV von 30 % für machbar. Daher sollte man jetzt die verkehrliche Untersuchung machen und anschließend entscheiden.
BM
Pätzold
schließt den Tagesordnungspunkt ab mit dem Hinweis, dass der Ausschuss vom Vorschlag der SSB und den Vorschlägen zur weiteren Untersuchung
Kenntnis genommen
hat.
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