Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 267/2020
Stuttgart,
10/06/2020


Stationsäquivalente Behandlung (StäB) in Stuttgart am Beispiel des Klinikums Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und GesundheitsausschussKenntnisnahmeöffentlich19.10.2020

Bericht:


Das Thema Home Treatment (stationsäquivalente Behandlung zu Hause) spielte in der Versorgung psychisch kranker Menschen im häuslichen Umfeld in Baden-Württemberg bisher nur eine untergeordnete Rolle.

Die Grundlagen, Menschen mit einer psychischen Erkrankung zu Hause zu behandeln, wurden 2018 durch das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PVVG)“ geregelt.

„Mit der Einführung einer stationsäquivalenten Behandlung wird eine neue, weitere Brücke zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor im Sinne der Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung angestrebt.“ (Ministerium für Soziales und Integration: „Landesplan der Hilfen für psychisch kranke Menschen in Baden-Württem-berg (Landespsychiatrieplan)“, 2018, Stuttgart, S. 55).

Bereits 2014 hat sich der Stuttgarter Gemeinderat mit diesem Thema befasst (Antrag 184/2014 „Versorgung für psychisch kranke Menschen weiterentwickeln“, Gemeinderatsfraktion der SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN). 2019 wurde der Wunsch nach einer Berichterstattung im Sozial- und Gesundheitsausschuss gestellt (s. Protokoll GRDrs 836/2019 „Gemeindepsychiatrischer Verbund Stuttgart (GPV): Sozialpsychiatrische Dienste - 2018 Sachstand“).

Gesetzesgrundlage für die stationsäquivalente psychiatrische Behandlung (StäB) ist das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen“ (PsychVVG). Psychiatrische Krankenhäuser mit regionaler Versorgungsverpflichtung können in medizinisch geeigneten Fällen, wenn eine Indikation für eine stationäre psychiatrische Behandlung vorliegt, anstelle einer vollstationären Behandlung eine stationsäquivalente psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld erbringen. (§ 115d, Abs. 1, SGB V). Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile, ärztlich geleitete, multiprofessionelle Behandlungsteams. Sie entspricht hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. (§ 39 Abs. 1, PsychVVG).

Damit wurde 2018 die psychiatrische Akut-Behandlung für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen im häuslichen Umfeld als Krankenhausleistung eingeführt. Diese Form der aufsuchenden Behandlung kann sinnvoll und effektiv sein und stellt in geeigneten Fällen für psychisch erkrankte Menschen, vom Kindes- und Jugendalter bis ins hohe Alter eine gute Alternative zur stationären Behandlung dar.

Nationale und internationale Erfahrungen weisen darauf hin, dass in diesen Fällen bei Betroffenen und Angehörigen in der Regel eine höhere Behandlungszufriedenheit besteht. Mit der Einführung von StäB wird die sektorenübergreifende Behandlung gestärkt. StäB ist dabei eine Weiterentwicklung des sog. Home Treatments. Mit StäB wurde auf der Grundlage von konkreten gesetzlichen Vorgaben die Möglichkeit einer flächendeckenden Akutbehandlung zu Hause geschaffen. Vorgeschrieben sind z. B. tägliche Besuche, eine 24 Stunden Erreichbarkeit an sieben Tagen die Woche sowie eine wöchentliche Facharztvisite. Vorgängermodelle waren u. a. der Aufbau von ambulanten Behandlungs-Netzwerken im Rahmen der integrierten Versorgung nach § 140 a – 140 d, SGB V und Modellprojekte nach § 64 b, SGB V.


Der Stuttgarter Weg - der Planungsprozess

Die Klinik für Spezielle Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit hat im Oktober 2018 begonnen, StäB umzusetzen.

Vorausgegangen war seit 2017 eine intensive Vorbereitung auf das Thema unter Leitung des Zentrumsleiters Herrn Prof. Dr. Dr. Bürgy. Durchgeführt wurde z. B. eine Vortragsreihe mit Workshops in 2017 mit prominenten Vertreterinnen und Vertretern von Kliniken mit Home Treatment-Erfahrung aus dem ganzen Bundesgebiet mit dem Ziel, für Stuttgart ein passendes Modell zu entwickeln. In den Workshops wurden in Expertenrunden, bestehend aus klinikinternen Mitarbeitern, Vertretern der Sozialplanung, des Furtbachkrankenhauses und freien Trägern (GPV) mögliche Home Treatment-Modelle für Stuttgart diskutiert. Anschließend fanden öffentliche Vorträge für ein breiteres Fachpublikum statt. Dieser Prozess war wichtig, um sowohl diese neue Behandlungsform im Klinikum als auch im GPV Stuttgart zu implantieren. Vorrangig in der Orientierung am Eppendorfer Modell (Prof. Lambert) fand die eigene Modellentwicklung klinikintern sowie die ökonomische und klinische Planung der Umsetzung statt. In der Gerontopsychiatrie des Klinikums gibt es ein eigenes StäB-Team, für die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Klinik für Suchtmedizin gibt es bereits entsprechende Planungen.

Die Erfahrungen des Klinikums mit StäB sind positiv. 2019 wurden 51 Patientinnen und Patienten zwischen 19 und 63 Jahren behandelt. Das Durchschnittsalter lag bei 45,2 Jahren. Überwiegend handelte es sich dabei um Patientinnen und Patienten mit paranoiden Schizophrenien und depressiven Störungen. Dabei ist StäB besonders geeignet für Personen, die absprachefähig sind, für Personen, die negative Vorerfahrungen in der Klinikgemacht haben und für Personen, bei denen eine Hospitalisierung zu befürchten ist. Bei den genannten geeigneten Fällen kommt es zu weniger Behandlungsabbrüchen und die Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten und Angehörigen steigt. Auch die Psychiatrie-Erfahrenen schätzen die recovery- und empowermentorientierte Haltung und die Behandlung auf Augenhöhe. Besondere Chancen bietet die enge Verzahnung der Klinik als Teil des Gemeindepsychiatrischen Verbundes mit den Gemeindepsychiatrischen Zentren (GPZ) der Landeshauptstadt Stuttgart und seinen Funktionsbereichen, wie z. B. ambulant betreutes Wohnen, der Tagestätte, der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) und des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SpDi).

Probleme gibt es mit der Finanzierung, die Verhandlungen mit den Krankenkassen sind noch nicht abgeschlossen. Die Ausweitung von StäB wird erst bei ökonomischer Planungssicherheit in Stuttgart erfolgen.

Die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Rudolf-Sophien-Stifts Stuttgart wird im 1. Halbjahr 2020 mit stationsäquivalenter Behandlung (StäB) beginnen.

Verschiedene Klinken in Baden-Württemberg bieten ebenfalls Behandlungsmodelle nach StäB an, wie z. B. das Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg.


Fazit

· Die stationsäquivalente Behandlung (StäB) ist gerade in Ballungsräumen eine gute Möglichkeit, Patientinnen und Patienten der Akutversorgung nachhaltig und mit hoher Akzeptanz zu Hause zu behandeln.

· Die Patientinnen und Patienten können von einer guten Einbindung der Klinik in einen gut funktionierenden Gemeindepsychiatrischen Verbund und seiner Gemeindepsychiatrischen Zentren profitieren.

· Damit besteht eine gute Voraussetzung, um wohnortnahe Versorgung im Sinne des PsychKHG Baden-Württemberg mit einer wohnortnahen medizinischen (Akut-) Be-handlung zu kombinieren und so insgesamt eine ambulante, sektorübergreifende Versorgungsstruktur zu implantieren bzw. zu stärken.

Beteiligte Stellen

Das Referat WFB hat die Vorlage mitgezeichnet, weist jedoch darauf hin, dass "prinzipiell zu solchen Mitteilungsvorlagen die Mitzeichnung nicht erforderlich ist. Aufgrund des Abschnitts zu den noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen mit den Krankenkassen und den dadurch bedingten Problemen mit der Finanzierung (Seite 3) wird von WFB nochmals nachdrücklich darauf hingewiesen, dass abgeschlossene Verhandlungen mit den Krankenkassen und eine gesicherte Finanzierung Voraussetzung für die Ausweitung von StäB in Stuttgart sind".


Vorliegende Anträge/Anfragen

---
---




Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin





Stationsäquvalente Behandlung (StäB) in Stuttgart am Beispiel des Klinikums Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit"

<Anlagen>


zum Seitenanfang


File Attachment Icon
GRDrs 267_2020 Anl. 1 StäB .pdf