Antrag und Anfrage vom 04/29/2024
Nr. 139/2024

Antrag und Anfrage
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

PULS-Fraktionsgemeinschaft
Betreff

Auf Lebensrealitäten reagieren: flexible Kinderbetreuungsmodelle für Stuttgart prüfen und Randzeitenbetreuung ermöglichen
Begründung:

Die Lebens- und Arbeitsrealitäten der Menschen sind vielfältig. Laut DGB-Index „Gute Arbeit 2023“ arbeiten 24% der befragten Beschäftigten oft bis sehr häufig am Wochenende, 26% sind regelmäßig von 18 bis 23 Uhr berufstätig, 8% befinden sich oft oder sehr häufig im Nachtdienst (1). Schicht- und Abenddienste sowie Wochenendarbeit werden dabei in nahezu allen Branchen erbracht, am häufigsten jedoch in den von Frauen dominierten Dienstleistungsberufen. Dies zeigt deutlich, dass eine Randzeitenbetreuung einen wichtigen Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf darstellt, insbesondere für berufstätige Alleinerziehende.

Bisher fehlt in Stuttgart ein solches Modell, das Eltern entlastet und das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellt. Andere Städte haben bereits verschiedene Lösungsansätze für diese Herausforderungen entwickelt:

Im Jahr 2019 führte die Stadt Würzburg das Kinderbetreuungsmodell "Flexi24" ein, das Familien eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung ermöglicht (2). Dieses Modell richtet sich besonders an Eltern, die im Schichtdienst arbeiten oder abendliche Aus- bzw. Weiterbildungen verfolgen. Aktive Senior*innen und Erzieher*innen im Ruhestand übernehmen bei „Flexi24“ die Betreuung im Hause der Familie, wodurch die Kinder durch die wechselnden Arbeitszeiten der Eltern nicht aus ihrer gewohnten Routine gerissen werden. Interessierte Eltern bzw. Sorgeberechtigte müssen bestimmte Nachweise erbringen, um das Angebot nutzen zu können. Die Kosten für die Betreuung richten sich nach dem Einkommen der Sorgeberechtigten, damit ist das System sozialverträglich. Die Vermittlung der Betreuungspersonen erfolgt über die Stadt.

Auch der von der Stadt Berlin geförderte mobile Kinderbetreuungsservice „MoKiS“ richtet sich an Eltern mit besonderen Arbeitszeiten (3). Potenzielle Betreuungspersonen werden vom Jugendamt überprüft und geschult. Die Betreuung kann auch von einer bekannten oder befreundeten Person der Familie durchgeführt werden. Die ergänzende Kinderbetreuung ist für Eltern mit Kita-Kindern und Schulkindern der ersten beiden Grundschuljahre kostenfrei.

Unter anderem in Bochum und Essen gibt es das Angebote „Sonne, Mond und Sterne“, das vorrangig berufstätige oder sich in einer Ausbildung befindende Alleinerziehende (in Pflegeberufen) unterstützen soll, die aufgrund ihrer Arbeits- oder Ausbildungszeiten auf zusätzliche Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder in Randzeiten angewiesen sind (4).

Beim Stuttgarter Kita-Forum wurde die Wichtigkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mal wieder deutlich gemacht, und die Notwendigkeit von flexiblen Betreuungszeiten im Kita-Betrieb sowie die Relevanz sozialer Gerechtigkeit in der Kinderbetreuung unterstrichen. Aufgrund der herausfordernden Lage am Arbeitsmarkt und der derzeitigen Diskussion um die Kürzung von Betreuungszeiten sind wir uns bewusst, dass ein Betreuungsangebot in Randzeiten voraussichtlich nicht im Rahmen des regulären Kita-Angebots erfolgen werden kann. Dennoch blicken wir interessiert in andere Kommunen und deren kreative Problemlösungen.

Deshalb beantragen wir:

  1. Die Verwaltung berichtet im Jugendhilfeausschuss über die derzeitige Bedarfssituation und die bereits bestehenden Angebote der Randzeitenbetreuung.
  2. Das Jugendamt wird beauftragt, die Einführung einer flexiblen 24-Stunden-Betreuung zu prüfen und zu untersuchen, ob das Würzburger „Flexi24“-Modell auch in Stuttgart umsetzbar wäre. Dafür setzt sich die Verwaltung mit der Stadt Würzburg in Verbindung.
  3. Das Jugendamt prüft die Finanzierung zusätzlicher Personalkosten für den Betrieb einer Randzeitbetreuung einschließlich Nacht-, Wochenend- und Feiertagszuschläge, um eine gerechte Vergütung der Betreuungskräfte sicherzustellen.
  4. Die Untersuchung erfolgt unter Einbeziehung der Projektgruppen „Angebotsveränderungen“ oder/und „Alternative Angebote“ des Kita-Forums sowie unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Erziehungsberechtigten.
  5. Die Ergebnisse der Prüfung sollen dem Gemeinderat innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss vorgelegt werden, um über die nächsten Schritte zu entscheiden.


Gezeichnet:
Verena Hübsch, Ina Schumann, Deborah Köngeter, Thorsten Puttenat, Christoph Ozasek


Quellen:
(1) DGB-Index Gute Arbeit, Jahresbericht 2023, https://index-gute-arbeit.dgb.de/++co++5d56994c-6390-11ee-b880-001a4a160123
(2) Flexi24, Stadt Würzburg, https://www.wuerzburg.de/themen/jugend-familie/kinderbetreuung-wuerzburg/kindertagespflege/523259.FLEXI24---steht-fuer-flexible-Kindertagespflege-zu-Hause.html
(3) MoKiS Berlin, https://www.mokis.berlin
(4) SkF Bochum, „Sonne, Mond und Sterne“ – ergänzende Kinderbetreuung in Randzeiten, https://skf-bochum.de/sonne-mond-und-sterne


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