Haushaltsantrag vom 10/22/2013
Nr. 457/2013

Haushaltsantrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Haushalt 2014/15 Antrag Nr. 33
Überfällig: Ein Mobilfunkkonzept für Stuttgart

Mobilfunk hat sich rasant innerhalb von kaum zwei oder drei Dekaden durchgesetzt und die Kommunikation in der Gesellschaft revolutioniert. Die Festnetz-Telefonie wurde nahezu verdrängt. Immer öfter werden immer größere Datenpakete drahtlos übertragen. Geräte werden entwickelt – wie die Tablet-PCs –, die auf dieser Technologie aufbauen, Programme und Apps ohne Zahl entwickelt und die Cloud wird immer mächtiger.
Für die kommenden Jahre werden weiter enorme Zuwachsraten vorhergesagt. Angesichts dieses rasanten Ausbaus der Mobilfunknetze stellt sich die Frage nach möglichen Gesundheitsgefährdungen durch Mobilfunkstrahlung immer stärker. Immer mehr Gutachten belegen, dass Mobilfunk nicht so harmlos ist, wie er von Betreibern und Lobbyisten gerne dargestellt wird. Studien liefern neue Erkenntnisse über die Wirkungsweise der Strahlung auf den menschlichen Körper. Unbestritten ist, dass Langzeitwirkung und Auswirkungen auf Schwangere, Föten und Kinder noch nicht ausreichend erforscht sind.
Viele unsere Nachbarn haben deutlich niedrigere zulässige Grenzwerte. Die Weltgesundheitsorganisation stuft die Strahlung als „möglicherweise krebserregend“ ein. Europarat und die Europäische Umweltagentur warnen und appellieren zu einer Vorsorgepolitik: Strahlungsbelastungen sollen möglichst weit minimiert werden, solange gesundheitsgefährdende Strahlungen nicht definitiv ausgeschlossen werden können.
Die Strahlenbelastung muss selbstverständlich dort gemessen werden, wo die Exposition am höchsten ist. Der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart gebührt das Verdienst, erstmals in Deutschland eine solche worst-case-Messung in Auftrag gegeben zu haben. Beauftragt wurde ein renommiertes, unabhängiges Institut, die Belastung durch hochfrequente elektromagnetische Strahlung von Mobilfunksendeanlagen im Gebiet Vogelsang im Stuttgarter Westen zu messen.
Gemessen wurde dort, wo die Menschen leben und arbeiten, wo sie der Strahlung die meiste Zeit ausgesetzt sind, also auf Stockwerksebene – und damit nicht wie die „offiziellen“ Messungen der Bundesnetzagentur (BNA), die eine Unschärfe in der Vorschrift „nutzt“, anderthalb Meter über dem Erdboden. Das Gutachten belegt, dass die Belastungen weit höher sind als von der BNA verlautbart. Sie liegen um ein Vielfaches über dem Schweizer Grenzwert, um ein 20-faches über dem in Paris und um ein 200-faches über dem in Südtirol zulässigen Wert.
Zur Massierung der Strahlenbelastung trägt der weitgehend unkontrollierte Wildwuchs an Sendeanlagen bei. Die vier großen Mobilfunkanbieter betreiben 13 Netze nebeneinander in Stuttgart; entsprechend überdimensioniert ist die Zahl der Sendeanlagen.

Auch der derzeit erfolgende Aufbau des LTE-Netzes, der absehbar zu einer Verdoppelung der Strahlenbelastung führen wird, verläuft unkoordiniert und ohne Steuerung der Verwaltung, welcher über das Baurecht eine gewisse Steuerung offen steht. Absehbar ist, dass immer größere Datenpakete übertragen werden und der Ausbau ungehemmt weitergehen wird. Fachleute gehen davon aus, dass die Mobilfunk-Technologie noch vor dem Jahr 2030 mit dem Datenaufkommen völlig überfordert sein dürfte.
Keine Frage: Die Technologie hat klare Stärken, auf die kaum jemand verzichten will. Dadurch kann aber nicht jedes mögliche Risiko in Kauf genommen werden. Ein erster Schritt wäre, die Strahlenexposition durch eine koordinierte Standortplanung zu minimieren. Als Grundlage hierfür kann ein Mobilfunkkonzept dienen. Ein solches haben bereits die Bezirksbeiräte in West (einstimmig), in Bad Cannstatt, Plieningen und Süd gefordert.


Wir beantragen:

1. Die Stadt Stuttgart erstellt auf Grundlage der bestehenden Senderstandorte ein Strahlenkataster über die von Mobilfunksendeanlagen ausgehende Strahlenbelastung im Stadtgebiet Stuttgart.
2. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, ein Mobilfunkvorsorgekonzept zur Eindämmung der unkontrolliert zunehmenden Strahlenbelastung zu erstellen.
3. Die Stadtverwaltung versucht modellhaft in einem geeigneten Stadtbezirk, die Strahlenbelastung aus der Mobilfunkversorgung durch Vergleichsmäßigung zu minimieren.
4. Hierfür werden in den Haushalt eingestellt:

200.000 EUR


Silvia Fischer Peter Pätzold


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