Haushaltsantrag vom 10/18/2019
Nr. 769/2019

Haushaltsantrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei
Betreff

Wohnen ohne Umwege - Wohnungslosigkeit mit „Housing First“ beheben

Wir beantragen:

Begründung:

In Stuttgart gibt es nach Schätzungen der „Liga der Freien Wohlfahrtspflege“ 100 bis 150 obdachlose Menschen. Darunter sind die Menschen zu verstehen die „auf der Straße“ leben.

Wohnen ist Menschenrecht. In Stuttgart, einer der reichsten Städte Deutschlands, muss Obdachlosigkeit mit den bereits zur Verfügung stehenden- und neu zu schaffenden Instrumenten verhindert werden. Das Modellprojekt Housing First ("Zuerst ein Zuhause") kann zur Behebung von Obdachlosigkeit einen Beitrag leisten.

Seit Anfang der 90er Jahre wird der konzeptionelle Ansatz Housing First in zahlreichen Ländern und vor allem großen Städten erfolgreich zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit eingesetzt. Zu der Zielgruppe zählen obdachlose Menschen jeglicher Geschlechtsidentität sowie nationalen ethnischen, religiösen und kulturellen Herkunft mit multiplen Problemlagen. Die Menschen bekommen ohne Vorbedingungen einen unbefristeten Mietvertrag und sozialpädagogische Unterstützung.

Kerngedanke ist ein „Recht auf Wohnen“ ohne Vorbedingungen. Im Gegensatz zu herkömmlichen betreuten Wohnformen entkoppelt Housing First das Mietverhältnis vom Unterstützungsangebot und setzt für das Beziehen der eigenen Wohnung keine Bewährung in stufenweise vorangehenden Hilfemaßnahmen und keine Bereitschaft zu Abstinenz, Therapie, beruflicher Eingliederung oder anderen vereinbarten Hilfezielen voraus.

In zahlreichen Evaluationen sind mittlerweile die positiven Wirkungen des Ansatzes belegt. Nach einer von der EU-Kommission finanzierten Studie aus 2013 konnte in 80 bis über 90 % aller Fälle das Hauptziel des dauerhaften Wohnungserhalts erreicht werden (Projekte in Amsterdam, Glasgow, Kopenhagen und Lissabon); in den meisten Fällen zeigten sich positive Entwicklungen bei psychischen Erkrankungen sowie Drogenmissbrauch und traten insgesamt deutliche Verbesserungen der persönlichen Lebensqualität ein (s. Busch-Geertsema, 2013.) Der Housing First Guide Europe konstatierte 2016 ähnlich hohe Quoten der dauerhaften Beendigung von Wohnungslosigkeit z. B. für Projekte in Norwegen (93 %), Schweden (84 %) und Österreich (98,3 %) (s. Pleace, 2016).

Fast ein Jahr nach dem Projektstart von Housing First in Berlin sind 29 Berliner Obdachlose erfolgreich in eigene Wohnungen gezogen. 17 weitere Wohnungen sind nach Angaben der Projektpartner in Aussicht.

Thomas Adler Hannes Rockenbauch
(Fraktionsvorsitzender) (Fraktionsvorsitzender)


zum Seitenanfang