Das in der 1. Lesung in Aussicht gestellte „Kleinzellensendernetz“ aus dem Antrag 532/2015 soll nicht realisiert werden. Dies würde einen Deckungsbeitrag von 150k€ pro Jahr sowie zusätzlich ca. 20k€ im Stellenplan bedeuten.
Das beantragte „Kleinzellensendernetz“ ist ein Relikt aus vergangen Tagen, in denen Heerscharen von verunsicherten Bürgern vorwiegend psychisch begründet gegen angeblich krank machende Strahlung zu Felde zogen. Zwischenzeitlich gibt es mehr Studien, die die schädliche Wirkung von eingebildeten Nocebo-Effekten im Zusammenhang mit Mobilfunk nachweisen, als Studien, die wissenschaftlich haltbar einen schädlichen Einfluss von Mobilfunkstrahlung auf Menschen herzustellen versuchen.
Die Stellungnahme der Verwaltung ist aus mehreren Gründen hinfällig bzw. nicht akzeptabel.
Schnelle Datenübertragung, stabile Verbindungen, geringe Strahlung: Mobilfunk mit Kleinzellensender
Beantwortung / Stellungnahme
Das im Antrag beschriebene Kleinzellennetz wird im schweizerischen St. Gallen (ca. 78.000 Einwohner) eingesetzt. In Deutschland gibt es keine Großstadt, die ein vergleichbares Konzept verfolgt. Die Landeshauptstadt könnte hier bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen. In Stuttgart ansässige Institutionen, Einrichtungen und Technologieunternehmen Stuttgart verfügen aller Voraussicht nach über das wissenschaftliche und technische Knowhow, um ein solches Projekt erarbeiten zu können. Aussagen zum Umfang der Reduzierung der Emissionsbelastung und Energieeinsparung können derzeit nicht getroffen werden. Sie wären Teil des Projektauftrags.
Hinsichtlich der Hoffnung auf eine Energieeinsparung kann gesagt werden, dass das Gegenteil eintreten wird. Hochfrequente Sendeanlagen sind vom Wirkungsgrad her grundsätzlich schlecht (<50% auf HF-Seite, weitere Verluste im Basisband). Da insgesamt zur Netzabdeckung in vergleichbarer Qualität eine summarisch ähnlich hohe Sendeleistung benötigt wird, tritt bezüglich HF-Sendeleistung kein nennenswerter Einspareffekt auf. Es kommt jedoch noch weitere benötigte Energie hinzu um die vielen Kleinsender mit Signal zu versorgen und erfahrungsgemäß hat die Basisbandelektronik eines stärkeren Senders den in der Summe besseren Wirkungsgrad als die Basisbandelektronik vieler kleiner Sender zusammengenommen.
Ein Kleinzellennetz macht unter dem Aspekt des Zugewinns an Datenrate zweifellos Sinn, aber nur wenn die Infrastruktur zur Versorgung der Kleinzellenbasisstationen dies auch bedienen kann. Genau hier liegt der enorme finanzielle Aufwand, den ein Betreiber eher nicht stemmen will, da ein sehr teurer, stationsintensiver Basisstationsaufbau zu leisten ist. Will man die Netzabdeckung und damit die Nutzerversorgung qualitativ vergleichbar halten, ergibt sich wie oben ausgeführt keine nennenswerte Strahlungsbelastungsreduktion.
Wenn die Mobilfunkbetreiber von sich aus Interesse an der Kleinzellentechnik haben, dann werden sie in diese Richtung auch ohne städtischen Trigger aktiv. Mobilfunkbetreiber haben sicherlich bereits intern die beiden Szenarien gegeneinander abgewogen und bewertet. Sollte sich hieraus tatsächlich ergeben, dass Mobilfunkbetreiber die Kleinzellentechnik bevorzugen, so werden sie versuchen, diese in in Frage kommenden Bereichen auszurollen. Im Falle, dass Mobilfunkbetreiber zur Kleinzellentechnik tendieren, kann die Stadt bei der Suche nach den vielen notwendigen geeigneten Standorten unterstützen, wofür sie jedoch den Aufwand durch eine entsprechende Vermittlungsgebühr kompensieren sollte.
Es ist nicht einzusehen, dass die Stadt neben der Mooswand noch ein weiteres zweifelhaftes Forschungsprojekt finanziert, dessen Nutzen in diesem Fall vorhersehbar noch geringer ist als im Falle der Mooswand.
Dr.-Ing. Ralph Schertlen
Die STAdTISTEN