Haushaltsantrag vom 12/10/2015
Nr. 1035/2015

Haushaltsantrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Dr. Schertlen (STd), Die STAdTISTEN
Betreff

Deckungsbeitrag zum Haushalt - keine Umsetzung des Antrags 532/2015 (Kleinzellensendernetz)

Haushaltsantrag

Das in der 1. Lesung in Aussicht gestellte „Kleinzellensendernetz“ aus dem Antrag 532/2015 soll nicht realisiert werden. Dies würde einen Deckungsbeitrag von 150k€ pro Jahr sowie zusätzlich ca. 20k€ im Stellenplan bedeuten.

Das beantragte „Kleinzellensendernetz“ ist ein Relikt aus vergangen Tagen, in denen Heerscharen von verunsicherten Bürgern vorwiegend psychisch begründet gegen angeblich krank machende Strahlung zu Felde zogen. Zwischenzeitlich gibt es mehr Studien, die die schädliche Wirkung von eingebildeten Nocebo-Effekten im Zusammenhang mit Mobilfunk nachweisen, als Studien, die wissenschaftlich haltbar einen schädlichen Einfluss von Mobilfunkstrahlung auf Menschen herzustellen versuchen.

Die Stellungnahme der Verwaltung ist aus mehreren Gründen hinfällig bzw. nicht akzeptabel.

Zur relevanten Emissionsbelastung kann gesagt werden, dass diese im Mittel unverändert bleibt, im ungünstigen Fall jedoch sogar noch ansteigt. „Relevant“ meint dabei, was wirklich auf Personen einwirkt. Eine „große“ (also bisherige, konventionelle) Antenne steht auf Hausdächern und hat einen Mindestabstand zu Personen von mindestens einigen Metern, die Sendeleistung beträgt 10 bis 50 Watt. Entscheidend für die Strahlenbelastung ist die Fläche, auf die die elektromagnetische Welle wirkt. Bei „kleinen“ Antennen des Kleinzellennetzes sind die Antennen auf Grund der Netzstruktur deutlich näher bei Personen.
Bei „großen“ Antennen hat man einen viel größeren Abstand zu Personen und damit gemäß der Zunahme der Kugeloberfläche mit dem [Abstand quadriert (4*Pi*r
2)] schnell eine menschlich relevante kleine Fläche von einem Bruchteil der gesamten Kugeloberfläche, was die absorbierte Leistung auf der Körperoberfläche im Verhältnis zur gesamten Kugel schon in kurzem Abstand auf einen Bruchteil der Sendeleistung reduziert. Bei Kleinzellennetzen hat man eher das Problem, dass Personen nahe bei den Antennen sein können und damit im Verhältnis zwar von einer grundsätzlich geringeren Sendeleistung weniger Energie absorbieren, jedoch der relevante Flächenfaktor die kleinere Sendeleistung überkompensieren kann, so dass die Person effektiv mehr Sendeleistung absorbiert.
Genaue Zahlen hierzu kann jedes universitäre Institut, das sich mit elektromagnetischer Feldtheorie beschäftigt, berechnen.
Für die Allgemeinheit sind die vorigen Bemerkungen relevant, für telefonierende Personen gilt: wesentliches Element der Strahlenbelastung beim Telefonieren mit dem Handy ist der Uplink, also das was das von der Person bzw. ihrem Handy in Richtung Basisstation gesendet wird, da hier der Abstand zur Sendequelle sehr gering ist.

Hinsichtlich der Hoffnung auf eine Energieeinsparung kann gesagt werden, dass das Gegenteil eintreten wird. Hochfrequente Sendeanlagen sind vom Wirkungsgrad her grundsätzlich schlecht (<50% auf HF-Seite, weitere Verluste im Basisband). Da insgesamt zur Netzabdeckung in vergleichbarer Qualität eine summarisch ähnlich hohe Sendeleistung benötigt wird, tritt bezüglich HF-Sendeleistung kein nennenswerter Einspareffekt auf. Es kommt jedoch noch weitere benötigte Energie hinzu um die vielen Kleinsender mit Signal zu versorgen und erfahrungsgemäß hat die Basisbandelektronik eines stärkeren Senders den in der Summe besseren Wirkungsgrad als die Basisbandelektronik vieler kleiner Sender zusammengenommen.

Ein Kleinzellennetz macht unter dem Aspekt des Zugewinns an Datenrate zweifellos Sinn, aber nur wenn die Infrastruktur zur Versorgung der Kleinzellenbasisstationen dies auch bedienen kann. Genau hier liegt der enorme finanzielle Aufwand, den ein Betreiber eher nicht stemmen will, da ein sehr teurer, stationsintensiver Basisstationsaufbau zu leisten ist.
Will man die Netzabdeckung und damit die Nutzerversorgung qualitativ vergleichbar halten, ergibt sich wie oben ausgeführt keine nennenswerte Strahlungsbelastungsreduktion.

Wenn die Mobilfunkbetreiber von sich aus Interesse an der Kleinzellentechnik haben, dann werden sie in diese Richtung auch ohne städtischen Trigger aktiv. Mobilfunkbetreiber haben sicherlich bereits intern die beiden Szenarien gegeneinander abgewogen und bewertet. Sollte sich hieraus tatsächlich ergeben, dass Mobilfunkbetreiber die Kleinzellentechnik bevorzugen, so werden sie versuchen, diese in in Frage kommenden Bereichen auszurollen. Im Falle, dass Mobilfunkbetreiber zur Kleinzellentechnik tendieren, kann die Stadt bei der Suche nach den vielen notwendigen geeigneten Standorten unterstützen, wofür sie jedoch den Aufwand durch eine entsprechende Vermittlungsgebühr kompensieren sollte.

Es ist nicht einzusehen, dass die Stadt neben der Mooswand noch ein weiteres zweifelhaftes Forschungsprojekt finanziert, dessen Nutzen in diesem Fall vorhersehbar noch geringer ist als im Falle der Mooswand.

Dr.-Ing. Ralph Schertlen

Die STAdTISTEN


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