Antrag vom 08/09/2011
Nr. 325/2011

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Luftnummer „städtebauliche Chance“?
Stadt Stuttgart stehen die von der Bahn gekauften Flächen möglicherweise nie zur Verfügung

Während der Oberbürgermeister noch die „städtebauliche Chance“ des vermeintlichen Bahnprojekts Stuttgart 21 beschwört, bereitet sich ein Konsortium privater Bahnunternehmen zielstrebig darauf vor, die Gleisanlagen des heutigen Kopfbahnhofs zu übernehmen und weiter zu betreiben (www.stuttgarter-netz.de).

Möglich macht dies der Umstand, dass in den noch ausstehenden Stillegungs- und Entwidmungsverfahren für das Gelände des heutigen Kopfbahnhofes eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken nach bisheriger Rechtsauffassung nur genehmigt werden darf, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist. Findet sich bspw. mit dem angesprochenen Konsortium „Stuttgarter Netz AG i.G.“ ein Nutzer der Eisenbahninfrastruktur, dürfen die bei Stuttgart 21 frei werdenden Gleisflächen nicht entwidmet und stillgelegt werden. Im Resultat hätte Stuttgart einen großen Kopfbahnhof mit Gleisvorfeld und Abstellbahnhof und einen milliardenschweren Tiefbahnhof mit umfangreichen Tunnelbauwerken und Abstellbahnhof in Untertürkheim. Teuer bezahlt u.a. von der Stadt Stuttgart mit inzwischen weit über einer Milliarde Euro Finanzierungsanteil (Baukostenzuschuss + Anteil am Risikofond + Flächenkauf + Zinsverzicht).

Das klingt wie ein schlechter Scherz, ist jedoch höchst realistisch. Ein Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages („Die Stilllegung und die Freistellung von Eisenbahninfrastruktur“, WD 7 – 3000 – 132/11) vom Mai 2011 hat bereits dargelegt, dass für das Projekt Stuttgart 21 tatsächlich noch ein Stilllegungs- und Entwidmungsverfahren nach §§ 11 und 23 AEG für das Gelände des heutigen Kopfbahnhofes erfolgen müsste. Das Rechtsgutachten geht davon aus, dass die eisenbahnrechtliche Freistellung (Entwidmung) und das (Betriebs-)Stillegungsverfahren grundsätzlich nicht Bestandteil des Planfeststellungverfahrens sein dürften.


Wir fragen deshalb:

1. Wie bewertet die Stadtverwaltung die Rechtslage in Sachen Stilllegungs- und Entwidmungsverfahren bei Stuttgart 21 und das Risiko, dass die heutigen Bahnanlagen des Kopfbahnhofes auch nach Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs der Stadt Stuttgart nicht zur Verfügung stehen?

2. War der Stadt dieser Sachverhalt bekannt und wie bewertet die Deutsche Bahn AG diesen Sachverhalt?

3. Gibt es vertragliche Vereinbarungen zwischen der Stadt und der Bahn für den Fall, dass das Stilllegungs- und Entwidmungsverfahren zu einem Weiterbetrieb der Gleisanlagen des Kopfbahnhofs führt und der Tiefbahnhof dennoch gebaut wird?

4. Wie bewertet die Stadtverwaltung die Aussicht, in einem solchen Fall den Kaufpreis für die betroffenen Flächen zurückerstattet zu bekommen, zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen? Wie berechnen sich die Zinseszinsen in diesem Fall?



Jochen Stopper Peter Pätzold


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