Finanzielle Auswirkungen
Die amtliche Einwohnerzahl hat bei der Verteilung der Finanzmittel im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs (FAG) eine entscheidende Bedeutung. Die sogenannte FAG-Masse ist die Summe der Mittel, die im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs unter Berücksichtigung von Verteilungskriterien den Gemeinden und Landkreisen zur Finanzierung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Von dieser wurden z.B. im Jahr 2012 von 7.592 Mio. Euro rd. 3.975 Mio. Euro, also ca. 52 Prozent, unter Berücksichtigung des Faktors Einwohner verteilt.
Beim Faktor Einwohner ist zu berücksichtigen, dass nach dem Zensus 2011 (Stichtag 31.12.2011) nicht nur die Landeshauptstadt mit 3,6 Prozent Einwohner verloren hat, sondern auch im Landesdurchschnitt die Einwohnerzahl zurückgegangen ist (2,5 Prozent). Daraus folgt, dass ein Teil der finanziellen Auswirkungen bei der Landeshauptstadt durch den landesweiten Einwohnerrückgang „aufgefangen“ wird.
Unter Berücksichtigung dieses Faktors haben Vergleichsberechnungen für den FAG (Variante 1: Weitergeltung der auf der Grundlage der Volkszählung 1987 fortgeschriebenen Bevölkerung; Variante 2: gesetzliche Übergangsfrist zum Zensus 2011 für 2014 bis 2016 im Verhältnis der EW-Fortschreibung Volkszählung zu Zensus 50:50 für 2014, 25:75 für 2015 und 0:100 für 2016) ergeben, dass sich die zensusbedingten Verluste bei der Landeshauptstadt auf etwa 9 Mio. (2014), 13 Mio. (2015) bzw. 15 Mio. (2016, wo die Verluste in 2014 über eine verringerte FAG-Umlage in 2016 gemildert werden) belaufen.
Aus der Anrechnung des gegenüber dem Bundesdurchschnitt höheren Einwohnerrückgangs von Baden-Württemberg im Länderfinanzausgleich ergibt sich laut Medienberichten ein Ausgleichsbetrag des Landes Baden-Württemberg von 180 Mio. Euro/Jahr, der die FAG-Masse verringert. Dies führt bei der Landeshauptstadt zu geringeren FAG-Zuweisungen in Höhe von rd. 3,0 Mio. Euro/Jahr.
Die zensusbedingten finanziellen Auswirkungen auf die Landeshauptstadt (aber auch auf die Gemeinden der anderen Größenklassen) werden in 2014 (und ggfs. auch in 2015) teilweise wieder kompensiert durch den Anstieg der FAG-Masse, den das Finanzministerium aufgrund der Mai-Steuerschätzung 2013 prognostiziert hat.
Rechtliche Bewertung und weiteres Vorgehen
Im Zuge des Feststellungsbescheids wurde auch zur Erläuterung des Zustandekommens der Einwohnerzahl ein Datenblatt mitgeliefert, das allerdings keine umfassende und detaillierte Nachprüfung der neuen Einwohnerzahl durch das Statistische Amt erlaubt. Die Landeshauptstadt Stuttgart wird daher innerhalb der gesetzlichen Frist vorsorglich zur Wahrung der städtischen Interessen Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid einlegen und in diesem Zuge weitere Informationen zur besseren Einschätzung einer korrekten Ermittlung der Einwohnerzahl einfordern.
Der Städtetag Baden-Württemberg hat gegenüber dem Land die Notwendigkeit der Zurverfügungstellung detaillierter Informationen durch die Staatlichen Statistikämter bereits angemahnt. Ohne diese Zusatzinformationen kann nicht abschließend die Qualität der Einwohnerzahlermittlung eingeschätzt werden.
Den Weg eines rechtswahrenden Widerspruchs werden auch die drei Stadtstaaten und zahlreiche Städte und Gemeinden, unter anderem auch in Baden-Württemberg, gehen.
Es ist allerdings nach derzeitigem Stand nicht davon auszugehen, dass die Einwohnerzahl Stuttgarts im Rahmen der Zensusmethode nicht gesetzesgemäß ermittelt wurde, da die neue amtliche Einwohnerzahl nicht nur die Erwartungen des Fachamtes erreicht, sondern diese sogar übertroffen hat.
Berechtigte methodische Zweifel werden freilich gegenüber der Zensusmethode als solcher und der vollständigen Nachvollziehbarkeit der Methode und des ermittelten Ergebnisses seitens der Kommunalstatistik und des Städtetags Baden-Württemberg erhoben und vermutlich Gegenstand verschiedener Klagen von Kommunen werden. Aus Opportunitätsgründen sollte eine solche Klage aber nur dann geführt werden, wenn sie für eine Stadt Vorteile verspricht, die sich aus dem (relativ schlechten) Abschneiden beim Zensus 2011 ergeben.