Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 16.12.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:Herr Dr. Wunder (Verein "Mehr Demokratie e.V.")
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Einwohnerantrag "Klimagerechtes Stuttgart: Neue
Impulse durch einen Bürger*innenrat"
Anhörung Vertrauenspersonen

Zu diesem Tagesordnungspunkt begrüßt OB Dr. Nopper die Vertrauensperson der Initiative und Mitglied im Landesvorstand des Vereins "Mehr Demokratie e.V.", Herrn Dr. Edgar Wunder. Die Ausführungen von Herrn Dr. Wunder sind wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut.

Herr Dr. Wunder:
"Vielen Dank, Herr Nopper, für die Einführung. Liebe Stadträtinnen und Stadträte, eigentlich ist alles schon so gut vorbereitet für unseren Einwohnerantrag und dessen Ziel, dass man gar nicht viel reden braucht. Ich fasse mich deshalb tatsächlich sehr kurz.

Die Zulässigkeit des Ganzen ist ja klar. Im Ziel sind wir uns einig, nehme ich wahr, und wie der Bürger*innenrat genau ausgestaltet werden soll, ist auch gut durchdacht von der Verwaltung. Meine wenigen Ausführungen will ich kreisen lassen um die drei Schlüsselbegriffe Klimaschutz, Bürger*innenrat und Einwohnerantrag. Es ist glaube ich für jeden offensichtlich, dass das, was wir im Rahmen der Klimawende als Herausforderung vor uns haben, eine gigantische Aufgabe ist, bei der letztlich die gesamte Gesellschaft mitmachen muss. Das funktioniert nicht als Top-Down-Prozess, sondern wir müssen in der ganzen Breite um Akzeptanz ringen, jede kreative Idee abschöpfen und den ganzen Prozess so breit wie möglich absichern. Dazu braucht es Instrumente. Der Begriff der Bürgerbeteiligung, der hier oft kommt, ist mir persönlich zu diffus und zu schwach. Es geht um mehr als bloße Beteiligung, sondern um Mitwirken, würde ich es mal nennen. Es gibt da kein Allheilverfahren sozusagen, auch so ein Bürger*innenrat ist eines von verschiedenen Instrumenten, was in manchen Kontexten geeignet ist und in manchen nicht. Also wenn es jetzt um spezifische Standortentscheidungen geht, ist vielleicht ein Bürgerentscheid dann tatsächlich angemessener, der ja, wie wir aus der Statistik wissen, in der Regel für den jeweiligen Wind- oder Solarpark ausgeht, eigentlich ausnahmslos mit einer einzigen Ausnahme in den letzten 3 Jahren, in anderen Feldern wo es um komplexere Maßnahmenkataloge geht, ist eine ausführliche Diskussion, Dialog angemessener. Dialogische Bürgerbeteiligung, mit dem Feld haben wir es jetzt hier in Stuttgart zu tun.

Bürger*innenrat heißt, dass es zufällig ausgewählte Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Stuttgart sind. Wenn man so will, repräsentativ zusammengesetzt, dass wir die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite erfassen. Bürger*innenrat heißt nicht, dass es in Konkurrenz zum Stadtrat ist. Die Landesregierung nennt das neuerdings deshalb auch Bürgerforum, so etwas. Aber das ist eine rein terminologische Frage und selbstverständlich hat auch dieses Verfahren, wenn man so will, Achillesfersen, über die man stolpern kann. Das sind im Wesentlichen zwei: Das eine, wird jetzt tatsächlich umgesetzt, was der Bürger*innenrat empfiehlt, da sind Sie dann in einem Jahr ungefähr dann gefordert, und das andere, wie transportiert man diese Wirksamkeitserfahrung, die diejenigen 50, 60 Einwohner*innen von Stuttgart, die daran teilgenommen haben, auch auf die Gesamtbevölkerung, die da nicht mit dabei war? Das ist ein Transferprozess, den man sich gut überlegen muss.

Mehr Demokratie wagen, wo ich Landesvorstandsmitglied bin, das wurde schon gesagt, hat ja auf Bundesebene schon mehrere solche Bürger*innenräte organisiert für den Deutschen Bundestag. Wir haben da umfassende Erfahrungen, deswegen hat man mich auch gebeten, als Vertrauensperson da zu wirken. Für die kommunale Ebene ist es in Baden-Württemberg Pionierarbeit, was Sie jetzt machen als Landeshauptstadt. Deswegen blickt, das kann man durchaus so sagen, ganz Baden-Württemberg auf Stuttgart hier, denke ich. Wie funktioniert das? Was kommt dabei heraus? Und sicher auch die Landesregierung. Es wird eine Vorbildfunktion entwickeln, vielleicht auch von den Schwächen, die da zutage treten. Das wird man dann sehen.

Und die dritte Besonderheit, und damit bin ich schon fast am Ende, ist natürlich, dass das Ganze doch durch einen Einwohnerantrag initiiert wurde, also die Einwohnerschaft von Stuttgart hat den ganzen Prozess selbst angeschoben, ihre eigene Beteiligung, ihre eigene Mitwirkung. Das ist schon etwas nicht Alltägliches. Soweit ich jetzt weiß, hat es noch gar keinen Einwohnerantrag gegeben in Stuttgart - also in unserer Datenbank war jetzt keiner drin, der da mal dann positiv beschieden wurde. Insofern erleben Sie heute eine historische Stunde, dass ich heute die Sitzung als Tagesordnungspunkt 1 für die Einwohnerschaft eröffnen kann, sozusagen. Die Einwohnerschaft selber hat Ihnen das auf die Tagesordnung gesetzt und gar nicht ein Fraktionsantrag. Ja, und das ist eine gute Einstimmung für so einen Bürger*innenrat.

Ganz zum Schluss: So ein Bürger*innenrat ist ein ergebnisoffenes Verfahren, es ist eine Reise, wo man nicht genau weiß, was bekommt man denn am Ende, ergebnisoffen. Viele haben schon jetzt zu dieser Reise beigetragen, deswegen muss man sich auch bedanken an erster Stelle natürlich für die über 2.500 Einwohnerinnen und Einwohner von Stuttgart, die mit ihrer Unterschrift das bewirkt haben letztlich und ausgelöst haben. Das zeigt, man kann etwas bewirken durch eine eigene Unterschrift. Auch der Dank geht natürlich an die aktiven Unterschriftensammler*innen. Das war nicht so einfach, sich ständig fragen zu müssen, ist es jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt, da weiterzumachen in der Corona-Lage. Wie lange müssen wir noch warten, können wir wieder anfangen. Das war wirklich schwierig, aber es ist geschafft worden letztlich. Und der Dank gilt auch an die Verwaltung natürlich. Also ich habe das als ein sehr konstruktives Miteinander erlebt, auch als noch ein paar Unterschriften gefehlt haben und so weiter - hätte man auch anders reagieren können -, und wie toll das letztlich ausgearbeitet ist, die Vorlage, und dann natürlich auch, dass fast alle Fraktionen hier im Gemeinderat durch einen eigenen Antrag das auch aufgegriffen haben. Das ist eine tolle Leistung, also ganz herzlichen Dank für die Einwohnerschaft. Ich wünsche Ihnen gute Reise bei dem Prozess, der jetzt kommt und vielen Dank, dass ich sprechen durfte. Dankeschön."

OB Dr. Nopper spricht Herrn Dr. Wunder seinen herzlichen Dank aus für dessen Wortbeitrag und leitet anschließend über zu den Tagesordnungspunkten 2 - Einwohnerantrag "Klimagerechtes Stuttgart: Neue Impulse durch einen Bürger*innenrat" - Diskussion des Themas - und 3 - Bürgerrat Klima einrichten (GRDrs 1246/2021). Beide Tagesordnungspunkte werden gemeinsam aufgerufen und verhandelt. Der Beratungsverlauf wird wiedergegeben in der Niederschrift Nr. 323.






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